bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von karlAbundzu »

buxtebrawler hat geschrieben:Und weil Halloween war (ja, so weit hänge ich mit meinem FTB zurück), g
:shock:
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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jogiwan
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von jogiwan »

da lob ich mir meine tagesaktuelle Arbeitsweise! :troest:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben:da lob ich mir meine tagesaktuelle Arbeitsweise! :troest:
Ich mir auch :D

Das Studium fordert seinen Tribut...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Die Musik stirbt zuletzt

Für den 14. Luzerner „Tatort“ um das Ermittlungsduo Reto Flückinger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) verpflichtete man den Schweizer Dani Levy für Drehbuch und Regie, der 2013 bereits den vierten Luzerner Fall „Schmutziger Donnerstag“ inszeniert hatte. Die Erstausstrahlung erfolgte am 05.08.2018 und konfrontierte den Zuschauer mit einem in mehrerer Hinsicht experimentellen Beitrag zur TV-Krimireihe.

Für eine Benefiz-Veranstaltung im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum in Gedenken an den Holocaust hat der ebenso vermögende wie alte Unternehmer Walter Loving (Hans Hollmann, „Das Leben ist zu lang“) ein argentinisch-jüdisches Orchester engagiert. Loving hatte zu Zeiten der NS-Diktatur Juden das Leben gerettet, sieht sich jedoch auch massiven Vorwürfen ausgesetzt, da er anscheinend nicht ganz uneigennützig vorgegangen war… Vorm Veranstaltungsort demonstrieren aufgebrachte Menschen gegen Loving und auch im Inneren des Gebäudes braut sich etwas zusammen. Und tatsächlich: Klarinettenspieler Vincent Goldstein (Patrick Elias, „Inglourious Basterds“) wird Opfer eines Giftanschlags, was die aus ihrer Freizeit herbeieilenden Ermittler auf den Plan ruft. Lovings Sohn Franky (Andri Schenardi, „Lovely Louise“) samt Lebensgefährtin Jelena (Uygar Tamer, „Ein Quantum Trost“), Pianistin und Schwester des Anschlagsopfers Miriam Goldstein (Teresa Harder, „Einer wie Bruno“) sowie Lovings Ex-Frau Alice (Sibylle Canonica, „Nach fünf im Urwald“) scheinen in der aufgeheizten Atmosphäre besondere Rollen zu spielen, die sich nicht auf den ersten Blick offenbaren. Haben sie etwas mit dem Anschlag zu tun? Und was hat man für den umstrittenen Gastgeber womöglich noch vorbereitet? In Freizeitkleidung und mit Familienanhang sehen sich Flückinger und Ritschard zu ermitteln gezwungen…

Der arrogante Franky fungiert nicht nur als einfache Figur, sondern auch als Erzähler, der die Distanz zum Fernsehpublikum aufbricht, wenn er direkt zu ihm spricht. Für Franky ist als einzige Figur die Kamera existent, er weiß als einziger um sie. Er interagiert mit ihr, kommentiert Drehbuch und Produktion und lässt sich über vermeintliche TV-Regeln aus. So bestreitet er den Prolog in unmittelbarer Kommunikation zum Publikum und tritt entsprechend auch in diversen Überleitungen auf, beispielsweise um Schnitte zu vermeiden – was er dann auch offen zugibt. Das ist nämlich die zweite bedeutende Besonderheit dieses „Tatorts“: Er wurde komplett ohne sichtbare Schnitte inszeniert, die wenigen unvermeidlichen wurden gut kaschiert.

Das bedeutet natürlich eine große Herausforderung für Kamera, Regie und Ensemble – und diese muss als geglückt bezeichnet werden: Mehr schlecht als recht improvisiert oder gar dahingeschludert wirkt hier nichts. Die Kamerafahrten verleihen den Bildern eine unheimliche Dynamik, die zum turbulenten Treiben passt, die Handlung gerät dadurch aber auch sehr dialogintensiv und ein bisschen spannungsarm; worauf die Geschichte hinauswill, entspinnt sich in all dem Trubel nur langsam. Das ist schade, denn die Fragen nach Moral und Moneten drohen in den gestalterischen Experimenten und den unübersichtlich miteinander verwobenen Figurenkonstellationen unterzugehen. Sogar die Ermittler, die in im Freizeitdress und ohne ihre Dienstmarken für Situationskomik sorgen, hatten schon einmal mit Franky und seinem Vater zu tun, wie mehr als einmal angedeutet wird.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen darüber hinaus eine seltsame Form der Rückblende und viel klassische Musik sowie Einblicke in eine verschrobene Oberschicht geboten, in denen bisweilen reichlich dick aufgetragen wird. Im Finale wird dies sogar noch zu potenzieren versucht, als befände man sich in einer griechischen Tragödie. Seinen originellen und kreativen Ansätzen zum Trotz – oder ihnen geschuldet? – wirkt „Die Musik stirbt zuletzt“ zu gewollt und gekünstelt, um noch mitzureißen, nachdem man sich an der Kameraarbeit sattgesehen hat. Frankys sarkastische Kommentare auf der Meta-Ebene bleiben jedoch bis zum Ende unterhaltsam, schließlich findet er auch die richtigen Schlussworte: „Ende gut, alles gut – ein bisschen kürzer als andere Tatorte, aber immer noch okay.“
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Die robuste Roswita

Zwischen Klo und Klößen

Der siebte Weimarer „Tatort“ (und zweite aus dem Jahre 2018) ums Ermittlungsduo Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner) wurde diesmal nicht anlässlich eines Feiertags erstausgestrahlt, dafür stand Drehbuchautor Murmel Clausen wieder Co-Autor Andreas Pflüger zur Seite. Die Regie führte Titus Selge, der 2010 bereits den finalen Frankfurter Beitrag mit Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf zur Reihe beisteuerte: „Am Ende des Tages“.

Ein Lieferwagen des Kloßfabrikanten Hassenzahl (Matthias Paul, „Die Steinigung“) wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt, der Fahrer ist flüchtig. Die Hauptkommissare Lessing und Dorn finden auf der Ladefläche des Unfallwagens einen Karton mit Granulat, das sich als die sterblichen Überreste des Firmengründers entpuppt. Zusammen mit ihrem vergrippten Chef Stich (Thorsten Merten) statten Lessing und Dorn der Manufaktur einen Besuch ab, wo sie auf Vorarbeiterin Cordula Remda-Teichel (Christina Große, „Die Lehrerin“) treffen. Es stellt sich heraus, dass diese eine Liaison mit Hassenzahl hatte, dessen Ehefrau Roswita (Milena Dreissig, „Schirmchen“ aus „Stromberg“) seit Jahren als vermisst gilt. Pünktlich zum Tode ihres Mannes taucht sie jedoch plötzlich wieder im Unternehmen auf: Sie habe nach einem Sturz eine Amnesie erlitten und ist sei mit Tankstellenbetreiber und Pilzsammler Roland Schnecke (Nicki von Tempelhoff, „Das Experiment“) zusammengekommen, der sie im Wald aufgelesen, sich rührend um sie gekümmert und ihr einen Job als „Hygienemanagerin“ an seinem Tankstellen-WC verschafft habe. Weitere Verdächtige sind Kartoffelbauer Thomas Halupczok (Jörn Hentschel, „Willkommen bei den Honeckers“) und die Einzelhandelseinkäuferin Marion Kretschmar (Anne Schäfer, „Die geliebten Schwestern“), die mit Hassenzahl im geschäftlichen Clinch lagen…

„Von der Kloßkönigin zur Königin der Klos…“

Im Prolog werden Bilder der Kartoffelverarbeitung gegen die des Suizidversuchs einer Frau geschnitten – sowie eines Autounfalls, dem eigentlichen Beginn der Handlung. Diese verfügt über sämtliche so liebgewonnenen Weimarer „Tatort“-Zutaten: Zuallererst die verschrobenen, wunderbar und humorvoll ausgearbeiteten, doppelbödigen Figuren, allen voran Roswita Hassenzahl alias „Mogli“, die geschickt mit ihrem Image als etwas minderbemitteltes Frauchen vom Chef spielt, es jedoch faustdick hinter den Ohren hat (und sich mit dem „Soßkloß“ sogar als verkanntes Genie entpuppt!). Diese werden von sicherer Hand durch ein Drehbuch geführt, das feinsinnigen Humor inklusive Sprachwitz und Situationskomik ebenso bereithält wie Spannung aufgrund des bis zuletzt aufrechterhaltenen Whodunits?, schauspielerische Finesse und gestalterische Ästhetik. Und nicht zuletzt weiß natürlich der zwischen immer leicht zynischer Abgeklärtheit, ungläubigem Erstaunen und anerkennendem Respekt pendelnde Blick der Ermittlerin und des Ermittlers auf das Geschehen zu gefallen, der das Herzstück dieser Weimarer Fälle bildet. Themen wie Geldgier und Ökologie bis hin zu ein bisschen Kannibalismus werden ebenfalls zumindest touchiert; gerade letzteres dürfte bei sensiblen Menschen zu einem allgemeinen Unwohlsein und einem möglicherweise kritischeren Blick auf künftige Lebensmittelindustrieprodukte nicht genau einsehbaren Inhalts sorgen.

Das Informationsmanagement, das die Dramaturgie zwischen Spannung und Suspense gekonnt steuert, integriert an den richtigen Stellen einige Rückblenden, bevor sich die Handlung schließlich zu einem Finale hochschraubt, das zwar die Skrupellosesten über die Klinge springen lässt, aber auch ein Herz für die Betrogenen, die Kleindiebe und die Lebenskünstler beweist. Für einen kleinen Erotikanteil sorgt die zeigefreudige Anne Schäfer, so richtig appetitanregend wird „Die robuste Roswita“ jedoch durch sein kulinarisches Dauermotiv. Heute Abend gibt’s jedenfalls Klöße mit gemischten Pilzen in Rahmsoße. Zu dumm nur, dass die Soße nicht bereits integriert ist...
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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The Munsters

1964 war das Jahr der gruselkomödiantischen Sitcoms: Nur wenige Tage nach der „Addams Family“ gingen die ein ganz ähnliches Konzept verfolgenden „The Munsters“ an den Start. Norman Abott, David Alexander, Charles Barton und neun weitere Regisseure inszenierten insgesamt 70 rund halbstündige Folgen fürs US-amerikanische Fernsehen, nach der zweiten Staffel wurde die Serie zeitgleich mit der Addam’schen Konkurrenz abgesetzt. Während die nie ausgestrahlte Pilotfolge noch in Farbe gedreht worden war, musste die Serie auf Kolorierung verzichten (eine weitere Gemeinsamkeit mit der „Addams Family“).

Zu fünft bewohnen die Munsters ein großes, altes, reichlich verwittertes Haus in der Mockingbird Lane 1313, Mockingbird Heights, USA, die zahlreichen Haustiere vom Drachen über einen Raben bis hin zur Schlange nicht mitgezählt. Herman Munster (Fred Gwynne, „Friedhof der Kuscheltiere“), einst vom deutschen Dr. Frankenstein zusammengesetzt, ist das Familienoberhaupt, ein tollpatschiger, mehr als 2,20 Meter großer Trampel und liebenswürdiger Simpel, der im Beerdigungsinstitut „Gateman, Goodbury & Graves“ arbeitet und seine Frau Lily (Yvonne De Carlo, „Die zehn Gebote“) über alles liebt. Lily ist Angehörige des Dracula-Clans und einst zusammen mit ihrem Vater Sam (Al Lewis, “Gnadenlose Stadt“) aus Transsilvanien in die USA übergesiedelt. Sam alias Opa Munster alias Graf Dracula vertreibt sich die Zeit mit wissenschaftlichen Experimenten, kann sich in Tiere verwandeln und spricht mit osteuropäischem Akzent. Der kleine Eddie Munster (Butch Patrick, „Lidsville“) ist Lilys und Hermans gemeinsamer Sohn, der mit seinem Aussehen einem jungen Werwolf ähnelt. Er besucht die örtliche Grundschule und ist äußerst tierlieb. Mit im Haus lebt Marilyn, die Tochter von Lilys Schwester, ein blondes, bildhübsches All American Girl, zudem überaus freundlich und wohlerzogen. In ihrer Familie gilt sie damit als entstellt. Herman & Co. geben ihr das Gefühl, ganz besonders hässlich zu sein. Dass sie einfach kein Glück bei der Partnersuche hat, führt sie auf ihr Aussehen zurück, ohne zu ahnen, dass ihre Verehrer es angesichts ihrer Familie stets mit der Angst zu tun bekommen.

Dabei führen die Munsters genauso wenig Böses im Schilde wie die Addams, sie verfügen lediglich über ein anderes Ästhetikempfinden – und haben aufgrund von Hollywood- und Genrefilm-Produktionen nicht gerade den besten Leumund. Tatsächlich sind die Munsters den Universal Classic Monsters nachempfunden, sind sie deren Parodie. Im Gegensatz zu den Addams sind sie weniger vermögend, Herman fungiert als Ernährer der Familie. Auch sind sie kulturell weniger beflissen. Ihren Humor bezieht auch diese Serie jedoch hauptsächlich aus dem Umstand, dass sich die Munster ihrer Andersartigkeit nicht bewusst sind. Die ersten beiden Folgen weisen entsprechend noch sehr viel Ähnlichkeit zu Gomez & Co. auf (bis hin zu einzelnen Figuren: Opa Munster scheint Onkel Festers Charakter zu entsprechen), doch ab Episode 3 entwickelt sich ein durchaus eigener Charakter. Allen voran entpuppt sich Herman als gänzlich anders geartet als Gomez, jenem schöngeistigen Aristokraten-Gigolo: Trotz seiner beeindruckenden Statur ist Herman eher etwas ängstlich, in jedem Falle weniger selbstbewusst. Er weiß um den Umstand, dass er von einem wahnsinnigen Wissenschaftler künstlich erzeugt wurde, was für ihn jedoch kein Problem ist. Im Gegensatz zu Frankensteins Monster aus den Universal-Verfilmungen kann er sich ganz normal und kultiviert artikulieren. Sohn Eddie wurde ursprünglich wilder konzipiert, für die Serie jedoch arg gezähmt.

Köstlich ist Folge 4, „Vaterfreuden“, in der Herman glaubt, Lily sei schwanger. Ähnlich amüsant ist die vorausgegangene Episode „Schlaflose Nächte“ um ein Monster im Park. Beide leben von Verwechslungen und Missverständnissen. Doch verlässt man sich anfänglich noch stark auf den beschriebenen Grundgag, wird man im Laufe der ersten Staffel bald origineller. Mehr und mehr wird man zu einer Persiflage damals zeitgenössischer Familien-Sitcoms, die bereits der Vorspann parodiert. Während Opa immer mehr zum Mad Scientist avanciert, werden immer häufiger typische Alltags- und Ehesituationen durch den Kakao gezogen. Wenn sich dann herausstellt, dass Onkel Lester ein waschechter Wolfsmensch, Onkel Gilbert der „Schrecken vom Amazonas“ und Onkel Jack „Der Unsichtbare“ ist, wird die Riege der klassischen Universal-Horror-Kreaturen komplettiert und ein schöner Spagat zwischen Horror- und Familienunterhaltungsparodie gelingt, indem man sich gleich beide Pole vorknöpft (aus Hermans Zwillingsbruder Charlie machte die deutsche Synchro übrigens den kölschen Dialekt sprechenden Hannes, aber das nur am Rande). Höhepunkt in dieser Hinsicht: Gwynnes Doppelrolle in „Dr. Frankensteins Urenkel“, als Herman seinen Cousin Johannes kennenlernt, der ziemlich tumb ist und am ehesten Frankensteins Monster, wie man es kennt, entspricht – und Lily ihn einerseits zähmt, den Unterschied andererseits aber gar nicht bemerkt… Auch um einige sozialkritische Seitenhiebe ist man in der einen oder anderen Episode nicht verlegen. All dies hat ungefähr zur Hälfte Anteil am Faszinosum „The Munsters“.

Die andere Hälfte ist in den herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern zu suchen: Die „Addams Family“ mag die stärkeren Figuren gehabt haben (eine Wednesday beispielsweise ist nur schwer an Charisma zu überbieten), doch die Munsters hatten die Sympathieträger und ziemlich besten Freunde Fred Gwynne und Al Lewis, die zuvor bereits für die Sitcom „Wagen 54, bitte melden!“ gemeinsam vor der Kamera standen und für „The Munsters“ eindrucksvoll unter Beweis stellten, was es bedeutet, wenn die Chemie zwischen zwei Hauptdarstellern stimmt. Auch über die Schauspielerei hinaus brachten sie sich in die Serie ein, bis hin zu versuchter Einflussnahme auf die Drehbücher der zweiten Staffel, mit denen sie haderten. Hermans Mimik unter seinem dicken Make-up und schweren Kostüm ist unverkennbar, nicht minder ikonisch wurde seine Lache, die Lahme zum Gehen bringt und Tote auferstehen lässt… Sämtliche Kostüme und Masken sind hochwertig und aufwändig, wurden mit Liebe zum Detail gestaltet, so auch der Dress, in den man Yvonne De Carlo steckte. De Carlo war bereits ein richtiger Filmstar, bevor die Dreharbeiten zur Serie begannen, fügte sich jedoch bestens ins Ensemble ein und bewies Mut zur „Hässlichkeit“ ebenso wie große Spielfreude, für die sie voll in ihrer Rolle als starke Ehefrau und heimliche Hausherrin aufging. Nach 15 Folgen gab Beverly Owen („Die letzte Kugel trifft“) die Rolle der Marilyn wegen Heimwehs und Sehnsucht nach ihrem Freund auf, in Pat Priest („Airport“) wurde jedoch die perfekte Nachfolgerin gefunden. Die Ähnlichkeit ist so verblüffend, dass ich den Tausch zunächst gar nicht bemerkte. Ein weiterer Star der Reihe ist das Haus, das fürs passende Gruselhaus-Ambiente sorgt und mit allerlei abseitigem Interieur vollgestopft wurde.

Leider hat man es versäumt, aus der Folge, in der Gwynne als Herman ohne Maske und Kostüm auftritt, etwas Größeres zu machen. Das Resultat dieser für Gwynne sicherlich sehr angenehm zu spielenden Folge ist zu albern ausgefallen, weil sich seine Kleidung jeweils mitverwandelt – weshalb auch immer. Überhaupt hatte sich die zweite Staffel allen Running Gags wie dem des kurzsichtigen Familienarztes (der nie seine Brille aufhat, wenn ein Munster ihn aufsucht – bis auf einmal…), dem der zerspringen Spiegel angesichts Hermans Antlitz oder dessen Unvermögen, seine Kraft zu kontrollieren, insbesondere, wenn er aufgeregt ist – was er in seinem kindlichen Gemüt häufig ist – zum Trotz schließlich abzunutzen begonnen, sodass man das Quotenrennen gegen die „Batman“-Serie verlor. Dennoch lässt es sich königlich amüsieren, wenn Opa Munster im „Playghoul“ liest oder Eddie ganz vernarrt in eine Horrorshow im TV ist, die Lily zudem für pädagogisch wertvoll hält. An die Stummfilmzeit gemahnende beschleunigte Bewegungsabläufe mögen seinerzeit noch besser funktioniert haben als heutzutage und längst nicht jeder Gag zündet noch in vollem Umfang, zudem geht einiger Dialogwitz, von dem die Serie viel zehrt, in der deutschen Synchronisation verloren. Alles in allem aber hat sich die Serie bis zum beschriebenen Abnutzungseffekt gut gehalten.

Wie die Addams verkörpern auch die Munsters schrullige, furchteinflößende, letztlich jedoch harmlose Außenseiter, für deren gesellschaftliche Akzeptanz die Serie wirbt, indem sie sie für sich ganz selbstverständlich in einer Welt leben lässt, die ihr mit Angst und Abscheu begegnet – und den naiven Herman nie etwas Derartiges ahnend durch diese Welt stapfen lässt. Auch die Munsters wurden zu Ikonen der Popkultur, ihr Wiedererkennungseffekt ist enorm, Merchandise, Spielfilme und Neuauflagen trugen ihren Teil dazu bei, ganz zu schweigen von Jack Marshalls Titelmelodie, die einem nicht mehr aus den Ohren geht. Mithilfe der Munsters fand das Makabre und Morbide in familientauglicher Form seinen Weg in die Wohnzimmer und entledigte sich damit seines Schreckens.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Tatort: Der unsichtbare Gegner

Beim dritten „Tatort“-Fall des Duisburger Ermittlerduos aus Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik) betraute man erneut Hajo Gies mit der Regie, der bereits Schimanskis Debüt verfilmt hatte. Erstausgestrahlt wurde „Der unsichtbare Gegner“ am 07. März 1982.

Im Leichenschauhaus versetzt Schimanski Frau Krage (Helga Engel, „Ganz unter uns“) einen Riesenschreck, als er ihr die Leiche ihres vermeintlichen Mannes zeigt – wie sich herausstellt, trug der Tote lediglich die Papiere ihres Gatten (Peter Bongartz, 1973-77 selbst als „Tatort“-Kommissar tätig) bei sich, der sich noch besser Gesundheit erfreut. Doch auch er ließ sich in einen Banküberfall und damit in die Gemengelange insgesamt vier an der Beute interessierter Ganoven verwickeln, was er alsbald mit dem Leben bezahlen muss. Den dritten (Hansjoachim Krietsch, „Fluchtversuch“) schießt Schimanski in Notwehr nieder, woraufhin dieser im Krankenhaus verstirbt. Der vierte (Reinhard Glemnitz, „Erotik im Beruf - Was jeder Personalchef gern verschweigt“) jedoch sinnt auf Rache, verschafft sich in dessen Abwesenheit Zutritt zu Schimanskis Wohnung und entsendet handfeste Morddrohungen. Daraufhin wird der Hauptkommissar zu seinem eigenen Schutz in ein Hotel verbracht – doch man ist ihm auf den Fersen…

Die Chemie zwischen Thanner und Schimanski wird in diesem „Tatort“ stark betont; es entwickelt sich eine Männerfreundschaft zwei gegensätzlicher Charaktere, in der Thanner Schimmi gern mal aufs Korn nimmt. Kriminalrat Kissling (Werner Schwuchow, „Aus einem deutschen Leben“) vertritt den Vorgesetzten der Kommissare und spielt sich als autoritärer Schimanski-Gegner auf, der mit dessen Unkonventionalität alles andere als einverstanden ist – all dies gehört zur Folklore gerade der frühen Duisburger „Tatorte“. Eine gewisse Sensibilität für soziale Belange beweist man, indem man mehrfach wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abschwung anspricht. Wie Streifenpolizisten Schimanski für einen Betrunkenen halten, als sie ihn von einem Gangster niedergeschlagen verletzt zwischen Abfall liegend auflesen und vor allem, wie sie ihn behandeln, ist amüsant und zugleich als Seitenhieb gegen eine überhebliche, respektlose bis gewalttätige Polizei gedacht.

Der eigentliche Fall gerät da bisweilen etwas ins Hintertreffen, gewinnt zwischenzeitlich an Spannung, wenn Schimanski auf den dritten der skrupellosen Bankräuber und Gewalttäter trifft, flacht jedoch ab, wenn sich der Fall im letzten Drittel auf ein tatsächlich unsichtbares Duell zwischen Schimanski und seinem Mörder in spe beschränkt. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, die Handlung ebenfalls, und das Finale entschädigt dafür nicht vollumfänglich. Dass sich Schimanski dem Schutz seines Refugiums entziehen würde, damit war zu rechnen – nicht jedoch, dass daraufhin rein gar nichts passiert und stattdessen Thanner den Fall löst. Dafür tritt erstmals der niederländische Assistent „Hänschen“ (Chiem van Houweninge) in Erscheinung, der fortan zum festen Ensemble gehören sollte. „Der unsichtbare Gegner“ zeigt, wie schnell aus einem Banküberfall mehrere Morde resultieren können, wenn die Täter nur skrupellos (und erschreckend professionell) genug sind, und präsentiert dem Zuschauer einen in Lebensgefahr schwebenden Hauptkommissar, der jedoch die meiste Zeit abwartend der Dinge harren muss. Damit versäumt man es, in den richtigen Momenten Spannung oder Suspense zu erzeugen, punktet jedoch mit einem gut aufgelegten Kommissarenduo, Lokal- und Zeitkolorit sowie dem alten Kampf zwischen Konformismus/Konservatismus und realitätsnäherem Individualismus mit klar verteilten Sympathien.
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Tatort: Die chinesische Prinzessin

„Ist das jetzt ,Versteckte Kamera‘, ist das ,Verstehen Sie Spaß?‘?!“

Der sage und schreibe bereits 24. Fall des komödiantischen „Tatort“-Teams um Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl), dessen Assistentin Krusenstern (Friederike Kempter) und seinen bornierten Kumpel, den Pathologen Prof. Dr. Boerne (Jan Josef Liefers), wurde am 20.10.2013 erstausgestrahlt – und der bis dahin ernsteste „Münsteraner“. Das Drehbuch ließ man von Orkun Ertener verfassen, der mit „KDD – Kriminaldauerdienst“ bereits Fernsehkrimierfahrung sammeln konnte; mit der Regie betraute man „Dorfpunk“- und „Fraktus“-Regisseur Lars Jessen, der zuvor bereits den „Tatort: Borowski und die einsamen Herzen“ inszeniert hatte. Der Titel „Die chinesische Prinzessin“ ist eine Anspielung auf Giacomo Puccinis Oper „Turandot“.

„Red‘ ich Chinesisch, oder was?!“

Songma (Huichi Chiu, „Casino Barcelona - Die Glückssträhne“) ist nicht nur eine tatsächliche Nachkommin eines chinesischen Adelsgeschlechts, sondern auch eine harsche Kritikerin des politischen Systems ihres Heimatlands sowie eine geachtete Künstlerin, in deren Eigenschaft sie ihre Werke im Westfälischen Landesmuseum ausstellt. Auf der Vernissage lernt sie Boerne kennen, der von ihrer Schönheit äußerst angetan ist. Er lädt sie in seine Leichenhalle ein, wo Songma sich vom Ambiente fasziniert zeigt und beide sich näherkommen. Am nächsten Morgen jedoch erwacht Boerne neben Songmas Leiche: Jemand hat sie ermordet. Und Boerne kann sich an nichts erinnern, hat dafür massenweise Kokain im Blut. Damit ist er dringend tatverdächtig, doch sein Kumpel Thiel glaubt an Boernes Unschuld…

Bereits der Prolog zeigte, dass gerade noch ganz andere Asiaten unterwegs sind, die nicht unbedingt Gutes im Sinn haben. Songma, eine offenbar vom chinesischen Aktionskünstler Ai Weiwei inspirierte Figur (sein weibliches Pendant sozusagen), bekommt in diesem „Tatort“ Gesellschaft von ihren Assistenten Xia Miao (Yvonne Yung Hee Bormann, „Die Friseuse“) und Zhao Yu-Tang (Aaron Le, „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“), vom Kulturattaché Wang (Maverick Quek, „Soul Kitchen“), Kurator Jürgen Martin (Tonio Arango, „Baron Münchhausen“), dem Generalkonsul sowie Angehörigen der chinesischen Minderheit der Uiguren. Die Triaden-Mafia wird außerdem ins Spiel gebracht und irgendjemand hat Interesse an Songmas Notebook oder zumindest einem USB-Stick. Was zur Hölle hier los ist, kapieren weder Thiel noch das „Tatort“-Publikum so wirklich. Ist es anfänglich noch durchaus von Interesse, wer Songma warum ermordet und Boerne in eine solch missliche Lage gebracht hat, wirft man schon bald das Handtuch angesichts einer immer überfrachteteren Handlung, die immer neue Stichwörter angefangen bei Regimekritik über Kunstschmuggel bis hin zu Terrorismus gibt, ohne irgendetwas davon stringent zu verfolgen. So stolpert man zwischen antichinesischen Klischees und Ressentiments, Politik und Verschwörungen durch den Fall, der immer größere Teilnahmslosigkeit verursacht, welche er durch ein paar Actioneinlagen zu kaschieren versucht.

Doch auch sein Stammensemble ist natürlich für manch unterhaltsamen Moment gut: Nicht nur Boerne ist arg verkatert, auch Thiel – der hatte nachts zuvor mit Nadeshda noch einen bei sich zu Hause gehoben und bekommt vom Drehbuch peinliche Momente spendiert, wenn er am nächsten Morgen glaubt, er habe evtl. Sex mit ihr gehabt und das herauszufinden versucht. Aus dem Katerzustand beider Protagonisten hätte man jedoch mehr herausholen können, ebenso aus Boernes Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis, doch dafür bleibt in diesem zu Tode verschachtelten Fall keine Zeit. Dass die Konzentrationsversuche des aufmerksamen Teils der Zuschauerinnen und Zuschauer nicht einmal belohnt, sondern mit einer absurden Pointe abgestraft werden, bedeutet den endgültigen Todesstoß fürs Drehbuch.

Anders verhält es sich mit der Regie: Dieser „Tatort“ ist prima gefilmt, nicht selten ein echter Augenschmaus; das Ensemble gibt sein Bestes und der aus dem häufig erzwungen Dialogwitz zwischen Boerne und Thiel resultierende Nervfaktor ist diesmal gering. Wie es Jessen gelungen ist, dieses Skript überhaupt irgendwie in knapp 90 Minuten unterzubringen, ist mir ein Rätsel (und weshalb Thiel ständig „Moinsen!“, also „Moin zusammen!“, zu Einzelpersonen sagt, ebenfalls). Fazit: Regie top, Drehbuch Flop und in China ist ein Sack Reis umgefallen.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Tatort: Transit ins Jenseits

Kommissar Martin Schmidts (Martin Hirthe, „Jeder stirbt für sich allein“) zweiter von nur drei Berliner Fällen wurde im Dezember 1976 als 69. „Tatort“ erstausgestrahlt. Das Drehbuch stammt von Günter Gräwert und Jens-Peter Behrend, Gräwe übernahm auch die Regie – zum zweiten von insgesamt fünf Mal für die öffentlich-rechtliche Krimireihe.

Unter einem Vorwand überredet der West-Berliner Horst Bremer (Marius Müller-Westernhagen, „Aufforderung zum Tanz“) seine neue Freundin Erika Marquart (Gisela Dreyer, „Zeit der Empfindsamkeit“), sich an einer Fluchthilfe aus der DDR zu beteiligen; angeblich gehe es um Gisela (Angelika Bender, „Schattenreiter“), die Verlobte seines Bruders. Diese sieht Erika Marquart zum Verwechseln ähnlich, zudem verdiene sie 5.000 DM damit – genau die Summe, die sie ihrem Chef schuldet. Der Plan sieht vor, sich mit Erika auf die Transitstrecke in Richtung BRD zu begeben, an einem Rastplatz Gisela einzusammeln und Erika im Kofferraum des Wagens des Komplizen Martin Poll (Götz George, „Ich spreng' euch alle in die Luft“) zu verstecken. Mit Erikas Papieren soll Gisela problemlos die BRD erreichen können. Doch was Erika noch nicht weiß: Die Geschichte um Bremers Bruder ist frei erfunden, die Beweggründe für diese Fluchthilfe sind rein kommerzieller Natur, der Grund für Bremers Beziehung zu ihr ebenfalls – gezielt hatte er nach einer Frau gesucht, die die gewünschte Ähnlichkeit aufweist. Als Erika das Spiel während der ohnehin schon unterbrechungsreichen, nicht wie geplant verlaufenden Fahrt durchschaut, gerät sie in Rage und verweigert ihre weitere Teilnahme. Im Streit mit Bremer stürzt sie unglücklich und verstirbt, als sie sich den Kopf aufschlägt. Um kein weiteres Aufsehen zu erzeugen, versteckt Bremer ihre Leiche notdürftig in einer Betonröhre. Doch der Leichenfund ruft Hauptkommissar Schmidt auf den Plan…

Ein geheimnisvoller Auftakt, in dem einer Frau nachgestellt wird. Es vergeht geraume Zeit, bis jemand das erste Wort spricht und sich dem Publikum erschließt, was hier gespielt wird. Außer einmal relativ zu Beginn, scheinbar überflüssig, tauchen Kommissar Schmidt und sein Kompagnon Kommissar Hassert (Ulrich Faulhaber, „Gesundheit“) in der Handlung auf, ansonsten treten die Ermittler lange Zeit überhaupt nicht in Erscheinung. Stattdessen zeigt dieser „Tatort“ minutiös den Ablauf des Plans und die Ereignisse auf der Transitstrecke, was nervenzerrend spannende Einblicke in diese gewährt – sei es während Konfrontationen mit der DDR-Volkspolizei oder beim Eingespanntwerden als Pannenhelfer für eine Reisegruppe ins Fichtelgebirge, sei es, als Erika Marquart bewusst wird, dass sie nur benutzt wird. Im weiteren Verlauf jedoch avanciert dieser Fall gar zu einer Art Crossover mit den Münchner Kollegen Veigl (Gustl Bayrhammer, „Hatschipuh“) und Lenz (Helmut Fischer, „Monaco Franze – Der ewige Stenz“), denn die Spur führt in die bayrische Landeshauptstadt.

„Transit ins Jenseits“ (welch ein Titel!) ist zudem exzellent gefilmt und begnadet geschauspielert: Der besondere Clou ist natürlich die Mitwirkung Marius Müller-Westernhagens, der einmal mehr seine schauspielerischen Qualitäten unter Beweis stellt, und insbesondere Götz Georges in seinem dritten „Tatort“, der bekanntlich wenige Jahre später zum Kultkommissar schlechthin aufsteigen und sich als Duisburger Schnauzbartbulle mit sozialen Gewissen in die Herzen der Zuschauer rüpeln sollte. Musikalisch bewegt sich dieser „Tatort“ zwischen Discofunk, viel Bass/Synthie/Percussion-Spannungswaberbeat, etwas Schlager aus dem Radio und dem „Der Pate“-Thema. Bei einem Discobesuch übertreibt es der Kameramann mit seinem rhythmischen Zooms, die der Szene eine Dynamik verleihen sollen, die die Musik dort nicht hergibt. Ansonsten kann sich das alles sehen und hören lassen.

Das Beamtenplenum in der zweiten, der „Ermittlungshälfte“, wird zu einer (aus heutiger Sicht etwas plump integrierten) Lehrstunde fürs Publikum, wenn das Für und Wider von Fluchthilfe erörtert und die Gesetzeslage erläutert wird. Wie viel Schuld Bremer und Poll tatsächlich vor allem unter ethischen Gesichtspunkten trifft, müssen die Zuschauerinnen und Zuschauer mit sich selbst ausmachen. Es überwiegt jedoch der Eindruck, dass die Zerstörung eines Lebens zwecks vermeintlicher „Rettung“ eines anderen und eines gewissen Reibachs billigend in Kauf genommen wurde. Ein Kalter-Kriegs-„Tatort“ der Sonderklasse!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Mad Max

„Die meisten Menschen, die glauben nicht, dass es noch Helden gibt heutzutage. Drauf geschissen!“

Nach drei Kurzfilmen aus der ersten Hälfte der 1970er hievte Regisseur George Miller mittels einer abendfüllenden Low-Budget-Produktion sein Heimatland Australien wie aus dem Nichts auf die Karte der Kinonationen: „Mad Max“ war geboren, begründete das Endzeitaction-Genre und machte Hauptdarsteller Mel Gibson zum Star.

„Dieser Teufelszirkus da draußen... fängt an mir zu gefallen!“

In naher Zukunft beherrschen Gestalten wie der „Nightrider“ (nicht zu verwechseln mit dem Hoff’schen „Knight Rider“, Vincent Gil, „Snapshot“) und der „Toecutter“ (Hugh Keays-Byrne, „Les Patterson rettet die Welt“) die Straßen der australischen Outbacks: Wahnsinnige, skrupellose motorisierte Verbrecher, die sich längst aus aller gesellschaftlichen Ordnung verabschiedet haben und sich im Krieg mit der Polizei befinden. Als der idealistische Bulle Max Rockatansky (Mel Gibson, „Summer City“) den Nightrider zur Strecke bringt, schwört dessen marodierende Bande Rache. Sie stellt Max‘ Kollegen Jim Goose (Steve Bisley, „Summer City“) eine Falle und verbrennt ihn bei lebendigem Leibe. Daraufhin spielt Max mit dem Gedanken, den Dienst zu quittieren und nimmt sich mit seiner Familie erst einmal eine Auszeit. Auf dem Weg ins Urlaubsdomizil treffen sie jedoch auf Toecutter und seine „Höllenjockeys“. Sie töten Max‘ kleinen Sohn und verletzten seine Frau Jessie (Joanne Samuel, „Frost“) schwerstens. Nun dreht Max den Spieß um und startet einen unerbittlichen Rachefeldzug gegen die Mörderbande…

„Noch eine Zeitlang da draußen auf den Straßen und ich bin so wie die: ein unheilbarer Wahnsinniger!“

Radiogequatsche? Mitnichten. Schnell wird deutlich, dass es sich bei den Stimmen um den Polizeifunk handelt, den ein Verbrecher nutzt, der in einem gestohlenen Einsatzwagen unterwegs sind. Er gibt sich als Nightrider zu erkennen und foppt sämtliche Kräfte der Exekutive, bis er in Max seinen Meister findet. Karge Landschaften und leere Straßen, die zum Schauplatz irre vieler Stunts bereits zum Filmauftakt werden – das ist die nicht näher bezeichnete Zukunft in „a few years“, die dann doch nicht ganz so aus dem Nichts kam wie eingangs beschrieben: Actionreiche Dystopien gab es bereits zuvor („Death Race 2000“), Selbstjustizreißer ebenfalls, vor allem aber den Italo-Western. An diesen erinnert „Mad Max“ mit seinen weiten, tiefen Bildern und seinem wortkargen, gnadenlosen, doch auch verletzlichen Rächer ungemein. Pferde und Kutschen wurden durch Motorräder und Autos ersetzt, doch wenn eine Biker-Gang in die Stadt einfällt, ist’s als würde eine Bande Schurken gleich den Saloon unsicher machen. Während zahlreiche europäische Western den mörderischen Überlebenskampf im Frühkapitalismus und das Recht des Stärkeren illustrierten, zeigen Miller & Co. den Rückfall in diese Zeit und die allgemeine Verrohung der Gesellschaft nach dem Versagen des Spätkapitalismus. Eine greifbare politische Hintergrundebene fehlt indes, das Drehbuch hält sich nicht mit etwaigen Erklärungen auf, was genau geschehen ist, was zu dieser Anomie geführt hat, die fälschlicherweise mit Anarchie gleichgesetzt wird, woraus sie sich speist, wie ein offenbar zumindest noch in Grundzügen vorhandener Staat organisiert ist usw.

„Nur weil ich ’ne Bronzeplakette trage, bin ich einer von den Guten...“

Stattdessen exerziert der Film anhand der Duellanten ein blutiges Hochschrauben der Gewaltspirale, die der perfiden Logik des Terrors und des Hasses folgt, durch, in der sich Max in Sachen Verrohung und Gefühlslosigkeit seinen Gegnern anpassen muss, um zu überleben und – vielleicht – Befriedigung zu finden, Genugtuung, Ruhe. Dem vorangestellt sind jedoch ermüdende, übertrieben betont sentimentale Szenen einer Familienidylle, die Max‘ Verlustschmerz umso verständlicher machen sollen, jedoch in erster Linie verdeutlichen, dass Miller die Finger von derlei Kitsch lassen sollte. Sogar das Kleinkind, das von seinen Eltern gern mal vergessen wird, erweist sich als unrealistisch pflegeleicht. Diese Szenen sind einer der Schwachpunkte des Films.

Von manch Kritiker und Skeptiker wurde bzw. wird Max‘ Rachefeldzug mit sinnloser Gewaltverherrlichung in Verbindung gebracht, mit einem reaktionären Statement pro Selbstjustiz. Tatsächlich lässt sich der Film auf diese Weise lesen, so man ihn denn so lesen möchte. Mit seinem zynischen Ende, das Max endgültig zum kranken Mörder, zum Täter, keinen Deut besser als seine Opfer, macht, geht jedoch keine positive Konnotation dieser Max’schen Charakterzüge einher, die erhoffte Katharsis bleibt aus und es darf bezweifelt werden, dass Max seinen Frieden gefunden hat. Dass „Mad Max“ damit auf den einen oder anderen Zuschauer unbefriedigend wirkt, mag intendiert gewesen sein, vielleicht auch nicht – zumindest nicht in dieser Form –, hatte auf den Verfasser dieser Zeilen jedenfalls eher verstörende denn nachdenklich stimmende oder gar behagliche Wirkung.

Wie bereits andere ambitionierte Underground-Filmer vor ihnen bewiesen auch Miller und sein Team, wie viel bei einem geringen Budget möglich ist, sofern man über genügend Ambitionen, Willen und Kreativität verfügt. „Mad Max“ präsentiert sich aufs Wesentliche beschränkt und wird stringent erzählt, dabei jedoch in ein das Genre prägendes Erscheinungsbild getaucht: Die Kameraarbeit besticht mit verschiedensten Perspektiven und Überblendeffekten und fängt die Stunts ebenso stets perfekt ein wie den extrem organischen Dreck, der die Handlung begleitet: Blut, Schweiß und Kettenfett, mal mehr, mal weniger überdeckt von der nahen Zukunft eine interessante Straßenmode zuschreibenden Kostümen. „Mad Max“ ist rau, ruppig und karikierend überzeichnet, ohne dabei lustig sein zu wollen – und damit ein unheimlich relevantes Stück Populärkultur gewordenes Underground-Kino, das schließlich auch den Mainstream verändern sollte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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