bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Ravenous - Friss oder stirb

„Es macht einsam, Kannibale zu sein!“

Die 2013 viel zu früh verstorbene britische Regisseurin Antonia Bird, die neben einigen TV-Serien-Beiträgen und vielen Dramen, zum Teil ebenfalls fürs Fernsehen, 1995 „Mad Love - Volle Leidenschaft“ mit Drew Barrymore gedreht hatte, lieferte im Jahre 1999 überraschend einen Horrorfilm zum Thema Kannibalismus ab, der indes einen gänzlich anderen Ansatz als die italienischen Kollegen einige Jahrzehnte zuvor verfolgt:

Im Jahre 1847 tobt der Krieg der USA gegen Mexico und Kriegsheld wider Willen Captain John Boyd (Guy Pearce, „L.A. Confidential - Jeder hat seinen Preis“) wird in das verschlafene kalifornische Fort Spencer versetzt. Der Grund: Er hat ein Kriegstrauma erlitten und kann kein Blut mehr sehen. Im Fort Spencer ist er einer von nicht einmal zwei Handvoll Soldaten, die mit all ihren Macken und Wehwehchen eine wahre Gurkentruppe darstellen. Eines Winternachts liest man den halberfrorenen und verletzten Schotten Colqhoun (Robert Carlyle, „Trainspotting“) auf, der, nachdem man ihn wieder aufgepäppelt hat, eine ebenso abenteuerliche wie abscheuliche Geschichte auftischt: Ungefähr zwei Tagesmärsche entfernt sah sich eine Gruppe Siedler gezwungen, in einer Höhle zu überwintern. Als die Nahrungsmittel ausgingen, habe man zunächst die Tiere verspeist und sich schließlich gegenseitig aufzuessen begonnen! Als nur noch Colqhoun und eine Frau übrig waren, enteilte Colqhoun, um Hilfe zu holen. Die Warnungen des Indianer-Scouts George (Joseph Runningfox, „Die Blutrache des Geronimo“) schießt man in den Wind und zieht unter Führung Colqhouns los, um die Höhle zu finden und evtl. der verbliebenen Frau helfen zu können. Doch als einer der Soldaten unterwegs verunglückt und eine blutige Bauchwunde davonträgt, macht sich Colqhoun an ihr zu schaffen. Daraufhin hält man es für besser, Colqhoun zu fesseln und begibt sich weiter gen Ort des Schreckens, wo sich die Ereignisse überschlagen – und sich Colqhoun als waschechter Kannibale entpuppt…

Sicherlich ist es ungewöhnlich, dass ausgerechnet eine regieführende Frau das Kannibalismus-Sujet aufgreift und dann auch noch in ein Western-Ambiente einbettet. Doch auch, wenn man diesen Umstand ausklammert, bleibt „Ravenous - Friss oder stirb“ ein recht erfrischender Genre-Beitrag. Die Vorstellung der Fort-Bewohner nach Boyds Versetzung verläuft komödiantisch, begleitet von diversen Rückblenden zu einer blutigen Schlacht, die Boyd traumatisierte. Colqhouns Schauergeschichte wird entsprechend visualisiert und zunächst hat alles den Anschein eines durch die Notsituation bedingten Kannibalismus, den man Colqhoun schwerlich zum Vorwurf machen könne. Als dieser nachts eine Wunde ableckt, beginnt sich jedoch zu bestätigen, was man in bester Genre-Manier bereits unterschwellig ahnte: Er hegt auch weiterhin kannibalistische Ambitionen. So stellt sich dann auch die mit ausgeweideten Skeletten grafisch makaber ausgestattete Höhle als Falle Colqhouns heraus, die alle bis auf Boyd – und eben den mittlerweile irre Grimassen ziehenden Colqhoun – das Leben kostet. Und siehe da: Das war lediglich das erste Drittel des Films, sozusagen sein Exposé.

Als Kurzfilm hätte „Ravenous“ damit bereits für offene Münder und Szenenapplaus gesorgt. Aber Drehbuchautor Ted Griffin und Bird wollen mehr: Boyds Sprung von der Klippe mit anschließender Abfahrt durch den Wald wurde virtuos gefilmt. Zu allem Überfluss hat der Gute sich ein Bein gebrochen und findet sich zwecks Übernachtung in einem Erdloch wieder – also in einer nicht ganz unähnlichen Situation derer, die Colqhoun so blumig geschildert hatte. Konsequenterweise verläuft diese dann auch ebenso und Boyd muss sich über den toten Private Reich (Neal McDonough, „Minority Report“) hermachen – ausgerechnet er, der Fleischgenuss bislang so verabscheut hatte. Colqhoun wiederum hat’s nun auch zum Militär verschlagen, wo er es unter falschem Namen zu einem gewissen Ansehen gebracht hat. Was einer Fortsetzung zur Ehre gereicht hätte, avanciert hier zur zweiten Zeit- und Handlungsebene, die jedoch etwas schwächer als das erste Filmdrittel ausfällt.

Natürlich kommt es zu einem erneuten Aufeinandertreffen Boyds und Colqhouns, während parallel Boyd von neu entdecktem Appetit auf Menschenfleisch geplagt wird, was in Visionen mündet, wie er Private Cleaves (David Arquette, „Bad Boys Never Die“) tötet und roh verspeist. Leider wird’s ab einem gewissen Punkt reichlich absurd: Nachdem Cleaves und die Pferde dran glauben mussten, taucht der Major plötzlich wieder auf, der nun auch dem Kannibalismus frönt und mit Colqhoun zusammenarbeitet. Das wird dann doch irgendwann zu viel der „Überraschungen“. Wertfrei möchte ich betrachten, dass „Ravenous“ suggeriert, Kannibalismus stärke den eigenen Körper und heile Wunden. Das ist natürlich einerseits Blödsinn, andererseits hätte man weit mehr aus dieser Prämisse machen können. So dient sie in erster Linie als Begründung für die scheinbar übermenschlichen Fähigkeiten der Menschenfresser, die am Ende genug Kraft für einen ausgedehnten Showdown zwischen Boyd und Colqhoun haben.

Als professionelle „20th Century Fox“-Produktion verfügten Bird & Co. über ein ordentliches Budget, das man dem Film auch ansieht, der sich mit seinen guten bis sehr guten Schauspielern und seinem atmosphärischen Hochglanz-Landschaftsambiente jedoch keineswegs an den Mainstream anbiedert. Dies verhindern allein schon das blutige Gehäcksel und Gesplattere, das selten zum Selbstzweck verkommt, sondern wohldosiert den Genre-Fan befriedigt und ein ungeeichtes Publikum erschrecken dürfte. Der schwarze Humor, der den Film durchzieht, ist deftig, schafft jedoch auch eine gewisse Distanz zum Gezeigten, trifft dabei auch nicht immer meinen Nerv. Die ungewöhnliche musikalische Untermalung wiederum ist ein schönes Alleinstellungsmerkmal des Films. Alles in allem eine aus der Genre-Masse in vielerlei Hinsicht herausstechende interessante und unterhaltsame Variation des Kannibalismus-Themas, die man als Horror-Film-Freund gesehen haben sollte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Drei Spaghetti in Shanghai

„Kung-Fu ist das beste Abführmittel!“

Die Eurospy-Komödie „Drei Supermänner räumen auf“, die 1967 unter der Regie des Italieners Gianfranco Parolini entstanden war, bildete offenbar den Startschuss zu einer losen Reihe Trio-Filme, deren zweiten und dritten Teil Parolinis Landsmann Bitto Albertini („Black Emanuelle“) drehte. Dieser durfte für den fünften noch einmal ran, deren Protagonisten es 1974 nach Fernost verschlug: „Drei Spaghetti in Shanghai“ ist eine Koproduktion der Italiener mit den Shaw Brothers.

„Ich komm‘ wieder, wenn der weiße Flieder blüht!“

Verdeckte Ermittler sollen einen Drogenring in Ostasien zerschlagen, werden jedoch enttarnt, verprügelt, gefoltert und verschleppt. Daraufhin beruft der US-Geheimdienst FBI-Agent Wallace (Robert Malcolm, „Der Barmherzige mit den schnellen Fäusten“) von dessen eigener Trauung ab und beauftragt ihn mit der Rettung von sechs Agenten. In Hongkong angekommen, trifft dieser auf seine italienischen Bekannten Max (Antonio Cantafora, „Baron Blood“) und Jerry (Salvatore Borghese, „Die perfekte Erpressung“) – zwei Ganoven. Diese sagen Wallace ihre Unterstützung zu, sofern er ihnen hilft, den Tresor des Konsulats zu knacken…

„Schlitzi, bleib bei mir!“

Sind Kampfsport-Eastern meines Erachtens i.d.R. ohnehin schon schwer erträglich, wird es umso schlimmer, je lustiger diese sein sollen. Und wenn sie sich dann auch noch mit den albernsten Untiefen italienischer „Komödien-Kultur“ kreuzen, ist jegliche Schmerzgrenze schnell überschritten. Sind dann die Brunnemann-Studios zu allem Überfluss auch noch mit der deutschen Synchronisation betraut, ist der Kalauer-Overkill vorprogrammiert. Dabei beginnt „Drei Spaghetti in Shanghai“ mit seinem schmissigen Titelsong und einem schönen Kameraflug durchaus angenehm…

„Von zarter Hand verbunden ist der Schmerz sofort verschwunden!“

Wurzel allen Übels ist dann der Drogendeal: Zwei Asiaten platzen dazwischen, machen fast alle mittels ihrer Kampfkunst fertig, kommen gegen den letzten Missetäter aber nicht mehr an und das Unglück nimmt wie oben beschrieben seinen Lauf. So weiß der Zuschauer grob, worum es geht und weshalb man den bedauernswerten Chinesen das Burt-Reynolds/Tom-Selleck-Double Wallace auf den Hals hetzt. Besagter Oberlippenbartfetischist wird in der US-Botschaft über eine Superwaffe informiert: Kugelsichere Unterwäsche… Er besucht einen obligatorischen Kung-Fu-Kampf, der in Auszügen und teilweise in Zeitlupe gezeigt wird und gegen dessen Gewinner er unfreiwillig antreten und schließlich nicht zu knapp einstecken muss. Mit zahlreichen Knochenbrüchen geht’s ins Krankenhaus, wo er erfährt, dass es sich bei seinem Gegner um niemand Geringeren als Meister Tang (Lo Lieh, „In meiner Wut wieg' ich vier Zentner“) gehandelt hat, auf dessen Suche er sich im Rahmen seiner Mission befand. Glücklicherweise kann Wallace mithilfe von Akupunktur schnell wiederhergestellt werden…

„Um ein Schwein zu schlachten, braucht man keinen Mut!“

Wallace stattet einer Kampfkunst-Schule nun einen Besuch ab, wird schließlich jedoch von einer Kung-Fu-Bande so lange grün und blau geschlagen, bis eine Dame (Shih Szu, „Die 7 goldenen Vampire“) einschreitet. Er beordert seine Ganovenfreunde hinzu, von denen Jerry irgendwie stumm oder zurückgeblieben ist und die o.g. Forderung stellen. Wallace lernt im Kung-Fu-Camp sodann auch das Kämpfen und als Meister Tang mit einer Schusswaffe überfallen wird, zieht das seltsame Trio seine schusssichere Unterwäsche an… Irgendwann erhöht sich der Zeitdruck, denn die Entführten sollen getötet werden, doch der Konsul spielt lieber Geige auf seinem Privatklo, die Schurken bekommen doch noch endlich den Safe geknackt und gemeinsam fliegt man zu den Bösen, verkleidet als Piloten bzw. Jerry verkleidet als Frau… Meine Notizen lauten an dieser Stelle wörtlich „Ist das schrecklich alles!“ und in der Tat sollte sich dieser Eindruck spätestens jetzt durch die reine Beschreibung der Handlung jedem Leser verdeutlicht haben.

„Wer klaut und sonst nichts kennt, der wird Agent!“

Was „Drei Spaghetti in Shanghai“ an grenzdebilem, infantilem Humor auffährt, geht auf keine Kuhhaut und trägt die typisch italienische Handschrift billiger Komödien zum Abgewöhnen. Diese Mischung aus Kampfszenen (deren Koordinator übrigens angeblich Jackie Chan höchstpersönlich war) und unlustigem Balla-balla-Humor ist wirklich ein ganz hartes Brot und eigentlich unzumutbar; die Shaw Brothers waren sich anscheinend für nichts zu schade. Die deutsche Sprücheklopfer-Synchronisation setzt dem Ganzen die Krone auf und wirkt bisweilen, als wolle sie den grottigen Humor des Films persiflieren und endgültig ad absurdum führen. Die Handlung, die sich auf dem Papier zunächst wie eine durchaus gängige Prämisse liest, läuft darauf hinaus, dass die Bösewichte randalierend durch die Stadt ziehen und im großen Finale von den Protagonisten im Heldendress sowie der Dame im Rahmen minutenlanger Kampfchoreographien bekämpft werden, was noch einmal die Essenz des Films versinnbildlicht: Stumpfes Gekloppe und Blödsinn pur, doch von Spannung keine Spur. Auch ‘nen Sinn sucht man vergeblich, hieran scheitert man gar kläglich. Negative Begleiterscheinung ist sicher mein neuer Hang zur Reimung, weshalb ich meine 2,5 Punkte zücke und mich besser schnell verdrücke.
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STRASSENJUNGS - Dauerlutscher-Report 1

Die Frankfurter STRASSENJUNGS werden oftmals zur ersten Generation deutscher Punkbands gezählt und tatsächlich waren sie 1977 mit ihrem Debüt „Dauerlutscher“ verdammt früh am Start. Dass es sich um so etwas wie ein Industrieprojekt auf einem Major-Label handelte, das vom auch kommerziell interessanten Punk-Boom ein Stück abbekommen wollte, handelte ihnen in der Punkszene jedoch auch den Ruf ein, wenig authentische Pseudos zu sein, zumal es sich musikalisch mehr um „angepunkten“ Straßen-Rock’n’Roll handelte. Dabei wird jedoch gern übersehen, dass Bandkopf Niels Selzer nach der ersten LP im Prinzip eine ganz neue Band formierte, die ohne die etablierte Musikindustrie auskam. Mit dem selbstgegründeten Label „Tritt Records“ folgte er dem D.I.Y.-Prinzip und veröffentlichte Alben wie „Wir ham ne Party“ und „Los!“ in Eigenregie. Auch in den Folgejahren blieb man stets mehr oder weniger aktiv und brachte es schließlich auf eine stattliche Anzahl an Plattenveröffentlichungen.

2012 schließlich entwickelte Selzer den bandbiographischen Dokumentarfilm „Dauerlutscher-Report 1“, der von seinem „Tritt“-Label auf DVD gepresst wurde. Mit Sonnenbrille sitzt er vor Computer-Monitoren in seinem Homestudio o.ä. und führt streng chronologisch durch die Band-Historie, von Jahr zu Jahr bzw. von Album zu Album. Gespickt mit der einen oder anderen Anekdote wird anhand alter Live- und TV-Aufnahmen, Videoclips und Fotos der Werdegang dokumentiert, angefangen beim „Dauerlutscher“ über die Neugründung bei weiterhin rock’n’rolligerem Sound, die ‘80er, in denen man sich klanglich deutlich der Neuen Deutschen Welle zuneigte bis in die ‘90er, in denen man anscheinend deutlich hardrockiger wurde und öffentlichkeitswirksam zusammen mit dem damaligen Eintracht-Frankfurt-Trainer „Stepi“ den Verein besang, sich musikalisch an einem Anti-Hooligan-Fanprojekt beteiligte und sogar im unsäglichen „Bärbel Schäfer“-Trash-Talk auftrat. Auch in den 2000ern ging’s für die STRASSENJUNGS weiter, u.a. mit einem vom „WDR Rockpalast“ übertragenen Live-Gig. Dass man sich den „Arsch abgetourt“ habe, avanciert zum geflügelten Wort der Doku.

In ihrer hessischen Heimat dürften die STRASSENJUNGS einen wesentlich höheren Stellenwert genießen als hier im Norden und so kannte ich als einziges vollständiges Album bisher lediglich die „Wir ham ne Party“, die ich etwas, nun ja, speziell empfand. Das eingedeutschte „Do you wanna dance“-Cover „Immer weiter gehn“ ist mir jedoch dauerhaft im Ohr geblieben, wenngleich mir die Band eher ein Rätsel blieb. Dies hat sich mit dem „Dauerlutscher-Report 1“ ein gutes Stück weit geändert. Rund 90 Minuten lang plaudert Selzer nicht unsympathisch und durchaus humorvoll aus dem Nähkästchen. Dass dabei nicht viel Zeit für Tiefergehendes oder Details bleibt, liegt auf der Hand; um den Zuschauer anzufixen langt’s aber dicke, wenngleich die STRASSENJUNGS irgendwie ein Kuriosum bleiben: Pubertäre Sex-Texte mischen sich mit antikapitalistischen Statements, raue Straßenlyrik trifft auf Albernheiten und biederer Altherren- bzw. breitbeiniger Prollrock auf künstlerisch ambitionierten NDW auf frechen Punk etc. pp, seitens des Zuhörers Fremdschämpotential auf ehrlichen Respekt – auch nach einem groben Durchhören der bei Spotify hinterlegten Songs scheint mir das STRASSENJUNGS-Œuvre vor allem eine große Wundertüte zu sein, in der herumzuwühlen und nach Perlen zu tauchen bestimmt Spaß machen kann, weshalb ich es mir ausdrücklich vorbehalte.

Die Dokumentation wirkt semiprofessionell und wurde augenscheinlich ebenfalls in D.I.Y.-Manier zusammengeschustert, was durchaus seinen Charme hat, wenngleich Selzer offenbar auf ein paar alberne Computereffekte nicht verzichten konnte. Bei all seinem Engagement für die Band ist schwer vorstellbar, dass es eine Bandphase gab, in der er sich aus gesundheitlichen Gründen im Hintergrund halten und seinen Sängerposten abgeben musste – was sicherlich auch eine spannende Zeit war, von der man gern mehr erfahren hätte. Bei aller Kritik an den STRASSENJUNGS, deren Punk-Anspruch ihnen die Szene nicht immer abnimmt, haben sie es doch anscheinend geschafft, eine Nische derart zu besetzen, dass ihre Musik noch immer einträglich ist. Bei genauerer Betrachtung ist dies eine Nische, mit der andere aus der Punk-Subkultur stammende, etwas jüngere Bands es zu wesentlich größeren Erfolgen gebracht haben; zumindest drängen sich gewisse Vergleiche auf. Insofern ist einer meiner ersten Eindrücke nach Sichtung des Films dann auch, dass die Punkszene mitunter zu hart mit der Band ins Gericht geht, die es immerhin irgendwie verstand, ihrem D.I.Y.-Prinzip jahrzehntelang treu zu bleiben. Ich liege sicherlich nicht komplett verkehrt, wenn ich der Band attestiere, öfter mal einen Spagat zwischen dem, worauf man selbst gerade am meisten Bock hatte und gewissen kommerziellen Experimenten probiert zu haben. So oder so ist der „Dauerlutscher-Report 1“ gerade auch ein pop- und subkulturell interessantes Zeugnis, bei dem die Zeit wie im Flug verging – möglicherweise aber eben auch deshalb, weil ich bereits im Vorfeld neugierig auf diese für mich nie richtig greifbar gewesene Band gewesen bin. Wer hingegen eine anarchische Punkumentary erwartet, wird woanders sicherlich besser bedient.
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King Frat - Die Wildschweine sind los

„Möge das beste Arschloch gewinnen!“

US-Regisseur Ken Wiederhorn brachte es nicht auf sonderlich viele Filme und ist hierzulande am ehesten als Regisseur des zweiten Teils der „Return of the Living Dead“-Reihe ein Begriff. 1977 debütierte er mit dem schwachen Nazi-Zombie-Schlocker „Shock Waves“, 1981 wurde sein wesentlich stärkerer Thriller/Slasher-Mix „Die Augen eines Fremden“ veröffentlicht. Zwischen beiden Filmen jedoch findet sich eine Regie-Arbeit aus dem Jahr 1979, die Teenie-Komödie „King Frat – Die Wildschweine sind los“. Und die hat es in sich...

Die Studentenverbindung Pi Kappa Delta hält die Yellowstream-Universität (!) in Atem: Die Gruppe um ihren Chef J.J. „Gross-Out“ Gumbroski (John DiSanti, „Ein Richter sieht rot“) frönt in erster Linie Besäufnissen, Pornos und Fäkalterrorismus. Hochmotiviert fiebert J.J. dem campusweiten Furz-Wettbewerb entgegen, auf den er schon lange hinarbeitet. Mit der elitären Alpha-Studentenverbindung befindet man sich auf Kriegsfuß und mitten in das allgemeine Chaos platzt der neue Student Tommy Miller (Roy Sekoff), der sich vollkommen unbedarft den Pi Kappa Deltas anschließt und neben J.J. die Mitglieder Häuptling Latrine (einen Indianer) (Dan Chandler, „Flippers neue Abenteuer“), Kevin (Robert Small, „Im Sauseschritt ins Dünenbett“), Splash alias Stinkefinger (Ray Mann), Jock (Mike Grabow) und Fred (Charles Pitt, „Skatetown, U.S.A.“) kennenlernt...

Bei „King Frat“ handelt es sich um das Drehbuch-Debüt eines gewissen Ron Kurz, der daraufhin – man lese und staune – an den ersten vier „Freitag der 13.“-Filmen mitschrieb. Doch was er sich hier ausgedacht hat, ist ein ganz tiefer Griff in die kotbesudelte Kiste der Geschmacklosigkeiten: Zum Auftakt halten J.J. und Konsorten während einer Autofahrt ihre nackten Ärsche aus den Fenstern und furzen dabei den joggenden Uni-Präsidenten an, der sich darüber aufregt und einen tödlichen Herzinfarkt erleidet. Wer nun glaubt, dass dieser Todesfall im weiteren Verlauf eine größere Rolle spielen wird, hat die Rechnung ohne Kurz und Wiederhorn gemacht. Diese zeigen stattdessen J.J. furzend bei der alles andere als appetitlichen Nahrungszubereitung sowie ihn und seine Kommilitonen beim Saufen und Pornogucken. Diese stören dann auch die Trauerfeier für den Präsidenten, indem sie Shit-Dämpfe über die Lüftung einschleusen...

„Eine schwache, aber stinkende Vier!“

Im Anschluss kommt der Furz-Wettbewerb zur Sprache und Neuzugang Tommy wird von seinen Eltern gebracht, die in witzigen Szenen schockiert werden. Furzübungen sowie Kotzübungen in der Küche (!) werden abgehalten und in einem Restaurant die Zeche geprellt, indem öffentlichkeitswirksam eine Fischvergiftung simuliert wird. Die mögliche Annahme, die gesamte Handlung laufe auf den Furz-Wettbewerb hinaus, erweist sich als falsch, wenn dieser bereits nach einer halben Stunde stattfindet. Sogar eine Frau und eine Transsexuelle nehmen teil, doch J.J. verliert, weil bei seinem entscheidenden Furz Land mitkommt. Im weiteren Verlauf verdeutlicht sich ein episodenhafter Aufbau des Films und nun ist erst einmal Zeit zu feiern: Der Uni-Dekan schleust eine Art Uni-Polizisten in eine wilde Party ein, auf der der eigentlich mit der Gummipuppe Griselda liierte J.J. von der Transsexuellen angebaggert wird, eine Besucherin als Lady Godiva geht und nackte Haut zeigt, eine Buchtänzerin ihrer Profession nachgeht und irgendwo gefickt wird.

„Ich sorge dafür, dass ihr so lange in Ketten liegt, bis euch die Zehennägel verrosten! Und du dreckiger Schlammhaufen guck nicht so unschuldig aus der Wäsche!“

Die Pi Kappa Deltas stehlen schließlich eine Statue der verhassten Alphas, woraufhin der Dekan und sein Bulle das Verbindungsgebäude durchsuchen, doch J.J. & Co. verstecken das Corpus Delicti natürlich. Dies hat zur Folge, dass sich immer wieder tonnenweise leere Bierdosen über den Bullen ergießen, der eine Schranktür nach der anderen öffnet. Nun setzt man wieder verstärkt auf Sex: Fred und Tommy bespannen eine nackte Frau, die sich daraufhin erschreckt und Fred vom Baum fällt. Er wird mit einem Krankenwagen abgeholt, in dem er mit der Rettungsassistentin bumst, die auf ihm festklemmt. Gemeinsam geht’s in Krankenhaus, wo sie getrennt werden. Tommy führt man in einen Puff, wo eine sexistische Fleischbeschau stattfindet – und sich auch der örtliche Pfarrer blicken lässt...

„Ich glaub’, mein Fuß blutet.“

Doch da waren ja noch die um ihre Statue gebrachten Alphas, die nun stinksauer werden und den Afro Splash verprügeln. Das wiederum erzürnt J.J., der die Statue mit einem Bierfass zerstört, betrunken die Alphas aufsucht und Teile der Statue durchs Fenster schleudert. Das mündet wenig überraschend in einer Massenschlägerei, in deren Verlauf J.J.s Fürze als Flammenwerfer benutzt werden. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, bei der lediglich diejenigen Punkte vorgelesen werden, derer J.J. & Co. nicht angeklagt sind. Doch schließlich stellt sich heraus, dass die Universität auf Indianergelände erbaut wurde..

Uff... Klar kenne ich US-Studentenkomödien à la „American Pie“, doch irgendwann hatte ich den extrem auf Fäkalhumor setzenden „Furz – Der Film“ entdeckt. „King Frat“ toppt diesen noch mal um einiges. Was Wiederhorn hier verfilmt hat, ist ein heillos überzeichneter und vor allem mega-asozialer Film um eine jegliche Erwartungshaltungen an einen Studenten torpedierende, hemmungslose, antisnobistische Verbindung voller ekliger Szenen, nackter Haut und vor allem schlüpfriger, obszöner Gags. Diese sind gar nicht sonderlich gut, überraschen aber mit ihrer Konsequenz und ihrer Derbheit. Die Vollasis und ihr Niveau-Limbo werden hier zu Sympathieträgern des Films hochstilisiert, dass man sich angesichts so vieler anderer, biederer Teenie-Komödien mitunter nur noch die Augen reiben kann. Der u.a. mit Laiendarsteller besetzte „King Frat“ ist ein aggressives Statement gegen elitären Studentenhabitus, nicht nur mit seinem Vorschlaghammer-Fäkalhumor sozialethisch desorientierend und auch für manch Zuschauer, der glaubt, in Sachen schlechtem Geschmack längst alles gesehen zu haben, möglicherweise noch eine echte Herausforderung. Stinkende sechs Punkte dafür!
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White Lightnin‘

„Tut mir leid, dass mein Leben so eine Tragödie ist!“

„White Lightnin‘“ – das ist das Spielfilmdebüt und gleichzeitig der bis dato einzige Spielfilm des Briten Dominic Murphy, der im Jahre 2009 auf diversen Filmfestivals polarisierte. Das pseudobiographische Drama fußt ganz lose auf dem Leben des als „Dancing Outlaw“ in den USA bekannten Tänzers Jesco White, der ebenso wie der Protagonist dieses Films mit Depressionen, Alkohol- und Drogensucht und Armut zu kämpfen hatte, dem jedoch keine Morde nachgesagt werden.

Jesco White (als Jüngling Owen Campbell, „Betty Anne Waters“, als Erwachsener Edward Hogg, „Alfie“) wurde in den 1950ern als Sohn eines Stepptänzers geboren und kam schon früh vom rechten Weg ab bzw. mit Rauschmitteln in Berührung. Die Konsequenz war, dass er im Jugendarrest landete und eine beachtliche Drogenkarriere einschlug, was ihn schließlich sogar ins Irrenhaus brachte. Als er jedoch den festen Entschluss fasste, es seinem Vater gleichzutun und den Drogen-Teufelskreis gegen eine Stepptanzkarriere einzutauschen, scheint sich sein Leben endlich zum Guten zu wenden: Begleitet von seiner Freundin Edyn alias Priscilla (Carrie Fisher, „Krieg der Sterne“) und seinem Musiker Bob tingelt er durch die Lande und bringt es zu Achtung und Erfolg. Doch seine Psyche ist noch immer äußerst fragil und schließlich verliert er wieder die Kontrolle…

Mit einigen Stepptanz-Bildern aus dem TV fängt der in Schwarzweiß gedrehte „White Lightnin‘“ ganz harmlos an, doch beginnt White, aus dem Off von seiner verkorksten Kindheit zu berichten, von Jugendknast, Drogen und Klapse. „White Lightnin‘“ nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in die Südstaaten, auf Stepptanztourneen, Musik, Kultur – und in die tiefen Abgründe eines Menschen, der das unverarbeitete Trauma des Mords an seinem Vater mit sich als Bürde herumträgt und aufgrund seiner Sozialisation stets an der Grenze zum Wahnsinn steht, die er immer wieder überschreitet. Im Folgenden sehe ich mich zu Spoilern gezwungen:

Der Zuschauer fiebert mit White, dass er sein Leben in den Griff bekommt und immer wieder sieht es gar nicht so schlecht aus: White lernt seine Frau kennen, befindet sich mit ihr auf Tournee und scheint nicht nur sein Leben halbwegs geordnet zu bekommen, sondern sich auch seine Träume zu erfüllen. Doch gibt es auch Konfrontationen mit Rassismus, Eifersucht, Gewalt und immer wieder herbe Rückschläge. Als Priscilla mit einem Schwarzen herumfeixt, bedroht White ihn mit einer Pistole, besäuft sich und verstümmelt sich schließlich selbst. Irgendwann gibt es keine Tourneen mehr, nur noch Alltag mit Priscilla. White wird rückfällig und dreht erneut durch. Er ist schließlich getrieben davon, den Tod seines Vaters zu rächen, tötet jedoch auf sadistische Weise im Drogenrausch die Falschen. Auch ein Polizist wird Opfer seines Wahns, bis er sich im endgültigen Delirium mit der Leiche unterhält, die er für Gott hält und in einem finalen, mit religiöser Symbolik aufgeladenen Ego-Showdown Buße tut, indem er sich wieder selbst, diesmal endgültig, verstümmelt und seine eigenen Körperteile isst, bis er stirbt.

Murphy mutet seinem Publikum in teils surreal anmutenden Szenen die volle Härte psychischer Abgründe und ihrer physischen Folgen zu, in denen Edward Hogg als Charakterdarsteller schauspielerisch brilliert. Das Ambiente ist düster und geprägt von Hoffnungslosigkeit, gegen die White immer wieder wacker ankämpft, bis er von seinen eigenen Dämonen eingeholt wird und letztlich verliert. Diese Tour de Force ist ein unweigerlicher Ritt in den Abgrund, die Murphy in konsequent erschreckenden Bildern ohne Rücksicht auf eventuelle Befindlichkeiten seines Publikums illustriert, dabei gern die Grenzen zum Effekthascherischen touchiert, jedoch auch nichts verschleiert. Dabei ist dieses persönliche Drama niemals mit einem Gewaltporno zu verwechseln, zu sehr bleibt Murphy einem stets nachvollziehbaren Realismus verhaftet, zu nah an der fragilen Persönlichkeit seines Protagonisten, der – wie so oft im Leben – Opfer und Täter zugleich ist, eine bemitleidenswerte, aber auch verabscheuungswürdige, letztendlich zutiefst tragische Figur, die andere mit in ihren Sog des Zerfalls zieht. Musikalisch untermalt von krankem Trash-Country und Südstaaten-Garage wird die Genre-Grenze zum Backwood-Psycho-Thriller mehrfach überschritten.

Murphy kann sich der faszinierenden, fesselnden Wirkung auf den Zuschauer sicher sein, was auch der Grund dafür sein dürfte, dass sein hochambitioniertes und zugleich pessimistisches Werk nicht nur auf Zuspruch, sondern auch auf offene Ablehnung stößt. Wer sich „White Lightnin‘“ öffnet und unbefangen an ihn herangeht, wird indes lediglich dem Finale eine künstlerische Überzeichnung attestieren können, dessen Symbolhaftigkeit als solche eindeutig erkennbar ist und den Prozess der Selbstzerfleischung eindrucksvoll visualisiert. Insofern habe ich lediglich Bauchschmerzen dabei, dass für diese doch stark von der tatsächlichen Vita Whites abweichende Südstaaten-White-Trash-Erzählung dessen Realname verwendet wird und damit mehr Parallelen suggeriert werden, als tatsächlich vorhanden sind. Doch davon abgesehen ist Murphy ein Magenschwinger gelungen, der mehr zu bieten hat als übliche Downer...
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Satans Wiedergeburt

„Aber Mum, ich mag den Geschmack von Blut!“

Nach einem Debüt und einem weiteren Film in seiner Heimat versuchte sich der indische Regisseur Jag Mundhra („Augen der Nacht“) ab 1987 mit einigen Horror- und Thriller-US-Produktionen, darunter der 1988 entstandene „Halloween Night - Satan lebt!“ alias „Satans Wiedergeburt“, für den er Slasher- und Okkult-Horror-Elemente miteinander vermengte und das Spektakel an Halloween spielen ließ:

„Lasst uns teilen das Blut!“

Der Opa (Hy Pyke, „Der Blade Runner“) des kleinen Tommy (Bryson Gerard) ist praktizierender Satanist. Als er seinem Enkel anlässlich der bevorstehenden Halloween-Feierlichkeiten einen Kürbis schenkt, reicht es Tommys Eltern, die das Verhältnis zwischen den beiden mit Argwohn beäugen. Als Tommys Vater den Alten zur Räson bringen will, überrascht er diesen bei einem satanischen Ritual und wird von ihm getötet. Auf den jungen Erwachsenen, der Tommy (Gregory Scott Cummins, „B.O.R.N. - Die Organjäger“) Jahre später ist, hat sein Opa noch immer Einfluss und vor allem einen ganz besonderen Plan ausgeheckt: An Halloween soll der Gehörnte persönlich mit Tommys Hilfe wiedergeboren werden. In welchem Zusammenhang steht dieser Plan mit dem kostümierten Killer, der in der Kleinstadt für zusätzliche Unruhe sorgt…?

„Heute Nacht gehörst du Satan!“

Nach seinem Prolog vollzieht „Satans Wiedergeburt“ einen Zeitsprung in die Gegenwart der typischen US-amerikanischen Kleinstadt, in der Tommy mit seiner Schwester Vera (Carla Baron, „Terror Night“) und seinem Polizisten-Bruder noch zu Hause bei Mutti wohnt. Tommy ist zu einem eigenbrötlerischen Kraftsportler mit Satansschrein im Wandschrank herangewachsen, dem sein Großvater eine ganz besondere Halloween-Nacht prophezeit. Er hat etwas mit einer wasserstoffblonden Sexbombe am Laufen, die sich auch mal nackig macht und prompt zum ersten Opfer des Kostümierten wird, als dieser sie mit einem Dreizack übern Jordan schickt. Der Killer erschlägt auch Veras Freund Brian (Larry Coven, „Skin Deep - Männer haben's auch nicht leicht“, ersticht eine Frau am Rande der Halloween-Party, die ihn bat, ihr Korsett zuzuschnüren und ermordet auch Veras Freundin Beth (Patricia Christie). Und was treibt Opa derweil? Der wird schon wieder von einem Familienmitglied während eines Rituals – bei dem u.a. eine Blondine Brandzeichen auf den Hintern bekommen hat – empfindlich gestört, diesmal ist Vera die Delinquentin. Seinen mangelnden Familiensinn beweist er einmal mehr, als er Tommy auffordert, sie zu töten, der sie jedoch befreit und daraufhin aus der kleinen, aber feinen okkulten Sekte ausgestoßen wird.

Später muss stattdessen Oppa himself den Löffel abgeben, als er den Kampf gegen den Killer auf der Party verliert, welcher von Tommys Bruder angeschossen wird, aber entkommen kann, weil sich schlicht niemand bemüßigt fühlt, die Verfolgung aufzunehmen. Überhaupt, die Party: Da gibt es nicht nur die berüchtigten Tanzszenen, ohne die kaum ein Teenie-Slasher auskommt, sondern auch noch eine völlig sinnlose Witzrevue eines Gasts. Eine Hardrock-Band spielt zum Tanze auf, eine Frau tanzt mit einer Schlange und es wird kräftig geflirtet. Neben viel sinnlosem Gequatsche schindet Mundhra so Zeit noch und nöcher und beraubt seinen Film fast jeglichen Flows. Eine der bemerkenswertesten Sequenzen ist jedoch, als Tommy das Metal-Musik-Video „Devil’s Son“ von D.C. LACROIX träumt (!), in dem eine Amazone die Bandmitglieder mit ihren Augen blitzdingst und dem Gitarristen den Kopf abtrennt.

Das feiere ich natürlich hart ab, ist letztlich aber ebenso hochgradig sinnbefreit wie der ganze Film, der immerhin mit ein wenig grafischem Geschmodder aufwartet. Die Enthüllung des Killers geht mit einem hirnrissigen Motiv einher, Pyke mimt seine Rolle albern und überzogen wie in einem Bauerntheater und wer aufgrund von Plakat- bzw. Covermotiven wer weiß was erwartet, wird sich enttäuscht sehen: Das Cover der „Great Movies“-DVD beispielsweise steht in keinerlei Bezug zum Film. „Satans Wiedergeburt“ ist ein extrem schwachsinniger und ziemlich dreist zusammengeklaubter Subgenre-Flickenteppich, der wie eine unfreiwillige Parodie auf schlechte Slasher bzw. deren Klischees wirkt. Dafür erklingt mit dem Abspann noch einmal „Devil’s Son“ – yeah! 3,5 von 10 Dreizacken für diesen langatmigen, doch zwischenzeitlich immer mal wieder trashig-spaßigen End-‘80er-Horror.Humbug. Ich möchte auch gern mal einen Oldschool-Metal-Clip träumen...
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Voyage of the Rock Aliens

„Das fetzt ganz schön los, guter Sound!“

In den glorreichen ‘80ern ging vieles – eigentlich auch eine Science-Fiction-Musical-Komödie. Ausgerechnet „Voyage of the Rock Aliens“ aber, kunterbunt inszeniert von US-Regisseur James Fargo („Der Unerbittliche“), war wohl selbst Mitte des Jahrzehnts dem geschmacksverirrten Kino-Publikum zu viel des Guten:

Nachwuchs-Sängerin Dee Dee (Pia Zadora, „Der Bulle und das Flittchen“) träumt von einer eigenen Gesangskarriere, ist jedoch mit Frankie (Craig Sheffer, „Cabal – Die Brut der Nacht“) liiert, der selbst Sänger einer Band ist und so gar nichts von der künstlerischen Selbstverwirklichung seiner Herzdame hält, gar ausgesprochen cholerisch darauf reagiert. Eines Tages landet eine Gruppe Außerirdischer in der Kleinstadt. Sie heißen ABCD (Tom Nolan, „Ich glaub', ich steh' im Wald“), FGHI (Jeffrey Casey), JKLM (Gregory Bond), NOPQR (Craig Quiter) und STUVWXYZ (Patrick Byrnes), hüllen sich in rosarote Anzüge und sind verhaltensauffällig, sehen ansonsten aber „normal“ menschlich aus. Sie befinden sich auf der Suche nach dem Rock’n’Roll, gründen ebenfalls eine Combo und treten in direkte Konkurrenz zu Frankies Band – sowie zu ihm selbst, denn ABCD ist angetreten, Dee Dee ihren Kopf zu verdrehen. Dies gelingt recht schnell, denn Dee Dee bekommt dadurch die Gelegenheit, mit der Alien-Band zu singen. Auf einer Schulfeier soll diese zusammen mit Frankies Kapelle auftreten, doch mit Frankie ist alles andere als gut Kirschen essen und so versucht er sich in Sabotage. Und damit nicht genug: Die beiden Massenmörder „Der Schnaufer” (Wallace Merck, „Freitag der 13. - Jason lebt“) und „Sägen-Sam” (Michael Berryman, „Hügel der blutigen Augen“) konnten aus dem Gefängnis fliehen und mischen sich ebenso unters musikbegeisterte Volk wie ein riesiges Tentakelmonster, das dem vergifteten See entspringt...

„Früher wollte ich mal Nonne werden oder Bomberpilotin oder vielleicht sogar in die Politik gehen!“

Das klingt nicht nur seltsam, das ist es natürlich auch. Noch ziemlich zu Beginn dürfen Jermaine Jackson und Pia Zadora ihren Pop-Hit „When The Rain Begins To Start“ schmettern und dazu pathetisch und übertrieben durch ein Straßengang-Sujet posieren und tanzen, das bisweilen gar an Fantasy- oder Endzeit-Streifen gemahnt und als Musikvideo ausgekoppelt wurde. Im Anschluss ist Jackson dann nicht mehr zu sehen, Zadora in ihrer Rolle als Dee Dee dafür umso häufiger, bekleidet sie doch die Hauptrolle. Dabei ist sie nicht nur aufgrund ihrer geringen Körpergröße niedlich anzusehen und tanzsingt sich durch diverse richtig gute Songs zwischen Pop, Rock und Rockabilly – sowie jene alberne Rahmenhandlung um die Außerirdischen, die auch noch einen als Hydranten verkleideten Roboter mit sich führen und denen manch Panne passiert: Den einen zerfetzt es sogar in einer Bar im ‘50er-Jahre-Stil, wo ein beträchtlicher Teil des Films spielt.

(Achtung, Spoiler:) Michal Berryman biegt als irrer Ausbrecher mit Kettensäge um die Ecke und dreht mit seinem Psychokumpel auf der Fete durch, wo der „Battle of the Bands“ stattfindet: Frankies Band und die Außerirdischen spielen den gleichen Song – Frankie & Co. in einer Rockabilly-Version und die Aliens ihn bezeichnenderweise als spacigen ‘80er-Pop. Das mutierte Tentakel-Ungetüm taucht auf und Dee Dee ist schließlich drauf und dran, mit dem platinblonden Alien-Bandleader zu dessen Planeten aufzubrechen, macht letztlich jedoch einen Rückzieher, da sie dafür sämtliche Gefühle aufgeben müsste. Da Frankie mittlerweile der Gewalt abgeschworen hat, kommt sie wieder mit ihm zusammen und singt nun mit ihm „When The Rain Begins To Fall“, womit eine Brücke zum Filmbeginn geschlagen wird.

„Voyage of the Rock Aliens“ ist quietschbunt, ‘80er bis auf die Knochen, heillos übertrieben und mal karikierend/satirisch, mal unverhohlen trashig. Für ein geeichtes Publikum ist er damit heutzutage in der Retrospektive sicherlich mehr wert als er es seinerzeit für den Mainstream war und insgesamt schon ein Spaß, der zudem über ein pointiertes Timing verfügt, so dass er kaum langweilig wird. Er ist aber gleichzeitig ein Paradebeispiel für den Over-the-Top-Geist, der damals munter dazu animierte, so viel Unfug auf oberflächliche Weise zusammenzufassen, wie nur irgend möglich und damit zu Recht irritiert. Interessant ist u.a. der Rockabilly-Bezug, der damals ja eigentlich seinerseits retro war, sich jedoch tatsächlich immer wieder in der Pop-Kultur wiederfand. Unterm Strich ist Fargo meines Erachtens ein irrwitziges Zeitdokument gelungen, das Pia Zadora in einer Doppelrolle ihrer beiden Standbeine Gesang und Schauspiel in den Mittelpunkt rückt und mir als bewusst-verklärtem Fan des Jahrzehnts ein debiles Grinsen aufs Gesicht zaubert.
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Kafka

Nach seinem Konzertfilm „Yes 9012 Live“, einem Kurzfilm sowie dem Drama „Sex, Lügen und Video“ startete US-Regisseur Steven Soderbergh („Ocean’s Eleven“) in die 1990er-Jahre, indem er sich an einer Mischung aus Kafka-Biographie, Kafka-Verfilmung und Horror/Thriller-Genre-Film versuchte: Schlicht „Kafka“ lautet der Titel dieses insbesondere für einen jungen Regisseur ambitionierten Unterfangens aus dem Jahre 1991, das in US-amerikanisch-französischer Koproduktion umgesetzt wurde.

Im Prag des Jahres 1919 arbeitet Kafka (Jeremy Irons, „Die Unzertrennlichen“) als Versicherungsangestellter unter seinem Vorgesetzten (Alec Guinness, „Lawrence von Arabien“) und verdingt sich zudem als Hobby-Schriftsteller. Als er vom Tod seines bestens Freunds erfährt, laut Polizist Grubach (Armin Mueller-Stahl, „Momo“) ein Suizid, begibt er sich auf die Suche nach der wahren Todesursache. Dabei stößt er auf weitere mysteriöse Todesfälle sowie auf eine geheime Widerstandsgruppe, die von einer Gabriela (Theresa Russel, „Die Hure“) geleitet wird. Dieser gehörte auch sein Freund an, der als Teil der Untergrundorganisation gegen Dr. Murnaus (Ian Holm, „Alien“) Machtapparat ankämpfe, welcher im Schloss Experimente mit den Gehirnen seiner Opfer durchführt, um sie jeglicher Individualität zu berauben…

Auch ohne mit Kafkas Œuvre sonderlich vertraut zu sein, glaube ich gern, dass es zu den größeren Herausforderungen gehört, es adäquat fürs Kino aufzubereiten. Soderbergh und Drehbuchautor Lem Dobbs orientieren sich an Kafkas Leben in Prag und lassen ihn gewissermaßen zum Protagonisten seiner eigenen Romane werden: Die Handlung bedient sich vornehmlich der Motive aus „Das Schloss“ und „Der Prozess“, gespickt mit Details aus weiteren Erzählungen. Sie avanciert unter Soderberghs Regie zu einem atmosphärisch düsteren Mad-Scientist-Verschwörungs-Thriller inkl. surrealer Anleihen, in dem sich Kafka einer übermächtigen, im Verborgenen agierenden Maschinerie ausgesetzt sieht, die angetreten ist, den freien Geist zu vernichten – so weit, so kafkaesk. Zudem ist „Kafka“ unschwer erkennbar als Hommage an die Ära des expressionistischen Stummfilms angelegt. Vornehmlich in Schwarzweiß gedreht, bezieht er viel seiner Stimmung aus dem effektiven Spiel mit Licht und Schatten und der Name des Antagonisten ist ein Verweis auf Friedrich Wilhelm Murnau, einen der stilprägendsten Regisseure des Expressionismus.

Mit Betreten des Schlosses indes bricht Soderbergh sowohl mit diesem Stil – das Innere des labyrinthischen Komplexes erscheint in Farbe – als auch mit der Handschrift Kafkas: Zwar bleiben die im Hinblick auf Ausstattung und Spezialeffekte beeindruckenden Vorgänge im Schloss reichlich grotesk, damit einher geht jedoch eine eindeutige Visualisierung, wie sie in Kafkas Schriften eher im Uneigentlichen, Undefinierbaren bleibt. Zudem erfährt die Handlung eine zusammenhängende Pointierung, anstatt offen zu bleiben oder in einer Sphäre der Scheinbarkeit bzw. im Nichts zu enden.

Dass sich „Kafka“ damit seinem Medium Kino beugt, den Unterhaltungsfaktor in die Höhe schraubt und für sein Publikum ein Stück weit konventioneller im Sinne von klassischer Dramaturgie folgender gerät, liegt auf der Hand und kann man Soderbergh kaum verdenken oder anlasten. Zusammen mit seinen verdienten Schauspielern, allen voran dem herrlich zerrissen wirkenden Jeremy Irons, ist ihm ein außergewöhnlicher Film gelungen, der in Form und Inhalt immer noch individuell genug ist, um nicht Genre-Konventionen oder gar Klischees zu verfallen (vgl. beispielsweise den desillusionierenden Epilog), sondern vielleicht sogar das Potential zu besitzen, Zuschauer für das Werk des titelgebenden Autoren zu interessieren – so sind die humoristischen Einsprengsel beispielsweise keinesfalls auf Soderberghs Mist gewachsen, sondern Bestandteil des Kafkaesken; eine Erkenntnis, die manch Hemmschwelle abbauen sollte. Und selbst, wenn nicht, bleibt ein unabhängig davon funktionierender, allegoriereicher Phantastik-Film auf hohem Niveau, weshalb ich Soderbergh & Co. einen gewagten, doch geglückten Spagat attestieren möchte – der regeren Zuspruch an der Kinokasse verdient gehabt hätte.

Für diese Kritik stand mir Kafka-Expertin Juli H. freundlicherweise beratend zur Seite.
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Tomb of Terror

„Deine Träume sind die reinste Blasphemie!“

Oh je, eine Episoden-Horrorfilm, der aus drei Vollzeit-Spielfilmen behelfsmäßig zusammengeflickt wurde? Das kenne ich doch irgendwo her. Richtig, „Night Train to Terror“ hieß das ‘80er-Vehikel, das allem Dilettantismus zum Trotz einen nicht ungefähren Unterhaltungsfaktor aufwies. Der vorliegende „Tomb of Terror“ wiederum setzt sich aus den drei aus Charles Bands „Full Moon“-Direct-to-Video-Produktionsschmiede stammenden Filmen „ Dark Angel: The Ascent“ (1994), „Lurking Fear“ (1994) und „Talisman“ (1998) zusammen und wurde im Jahre 2004 auf ein unvorbereitetes Publikum losgelassen.

„Sie gehört in die Hölle!“ – „Wenn sie ihr da helfen können, kein Problem!“

In „Ascent from Hell“, wie die Rumpffassung von Linda Hassanis „Dark Angel: The Ascent“ jetzt heißt, bekommt der Zuschauer einen schönen Einblick in die Hölle mit ihren Bestrafungen. Höllenengel Veronica (Angela Featherstone, „Soul Survivors“) möchte gern mal an die Oberfläche, doch ihr Vater ist dagegen. Schließlich jedoch kriecht sie mit ihrem Hund durch einen Gully nach oben, was interessante Informationen über die Infrastruktur zur Hölle offenbart. Zunächst ist sie splitterfasernackt, jedoch von menschlichem Äußeren – und wird prompt von einem Auto überfahren und ins Krankenhaus eingeliefert. Dort manipuliert sie den behandelnden Arzt Max (Daniel Markel, „Die Flammen des Krieges“) und zieht bei ihm ein. Nachts begibt sie sich auf Bestrafungstour und zersplattert bildgewaltig zwei Vergewaltiger, einem von ihnen reißt sie gar die Wirbelsäule heraus. Außerdem tötet sie gewalttätige Bullen und zeigt dem korrupten Bürgermeister (Milton James, „Scream & Die“), was ihn in der Ewigkeit erwartet.

„Das ist doch Schweinescheiße, ehrlich!“

Gar so schlimm ist „Ascent from Hell“ gar nicht: Sexy und brutal, kurzweilig und augenzwinkernd, also kaum ernstzunehmen. Umso unverständlicher, dass man sich keine freche Pointe zutraute und stattdessen auf ein fast schon kitschiges Happy End setzt. Die radikale Kürzung auf Kurzfilmformat fällt hier jedenfalls noch am wenigsten ins Gewicht.

C. Courtney Joyners „Lurking Fear“ heißt hier „Infinite Evil“ und ist der Gegenentwurf zur ersten Episode: Zwei Mädels, ein Baby und ein Monster hinter einer Wand, das sich eines der Mädels schnappt. Schnitt, Häftling Martense (Blake Adams, „Killer Eye - Experiment des Grauens“) wird entlassen und begibt sich auf die Suche nach der Beute eines Toten, genauer: seines Vaters. In einer Kirche trifft er schließlich auf andere Gangster, eine Dame will eine Dynamitladung zünden, um garstigen Kreaturen den Garaus zu machen und man liefert sich Schießereien, bis sich die Kreaturen aus den Gräbern erheben. Bei diesen kommt es zum Showdown und angeblich handelt es sich um Martenses untote Vorfahren. Sie wollen das Baby, essen Leichenteile und sprechen mit düsteren Stimmen – und so gute Arbeit die Maskenabteilung bei ihnen auch geleistet hat, so sprunghaft ist der Schnitt und so wenig ergibt all das in dieser Fassung einen Sinn. Was das alles soll, bleibt nebulös, dafür gibt’s gegen Ende eine schöne Sprengung und Martense schließt mit einem Epilog aus dem Off. Ein bisschen was fürs Auge gab’s hier, mehr aber auch nicht – Recycling-Experiment misslungen, da hilft auch kein Jeffrey Combs („Re-Animator“) in der Darstellerriege.

„Europa hatte Hitler, wir haben Burke!“

Aus David DeCoteau „Talisman“ kürzte man „Eternal Damnation“ zusammen. Ein Waise wird von einer unheimlichen bleichen Gestalt mit leuchtenden Augen zerfetzt, woraufhin Elias (Billy Parish, „Warpath“) aus den USA mit mehreren Koffern ein Kircheninternat aufsucht, wo er zunächst auf den schwarzen Schwafler J.D. und schließlich auch auf die anderen Bewohner trifft. Nach einem Einstandsgespräch mit der strengen Schulleiterin (Oana Stefanescu, „Baum der Hoffnung“) werden Rückblenden in Traumform visualisiert. Als er nachts spazieren geht, beobachtet er die elitären Mitschüler beim Krafttraining. Ein paar werden von sirenenartigem Gestöhne angezogen und von der Gestalt aus dem Prolog zersplattert. Eine weitere Rückblende erinnert an die Friedhofsszene aus „Das Böse“, es kommt zu noch mehr blutspritzenden Tötungen und plötzlich taucht ein Mann auf, der sich irgendwie auskennt. Nun legt man den Fokus auf Leiterin Mrs. Greynitz und ihre Tochter Lydia, die eigentlich gar nicht ihre Tochter sei. Mrs. Greynitz jedoch macht kurzen Prozess mit diesem Schnüffler.

„Er verbrannte ihre Herzen mit seiner Hand aus Feuer!“

Letztendlich findet sich Elias gefesselt an einem Altar im Rahmen eines Rituals wieder und wehrt sich, woraufhin sich Lydia in ein Monster verwandelt. Was genau dem Zuschauer das jetzt sagen oder was geschehen sollte, weiß keine Sau, interessierte den Schnitter, der an diese Fassung grobmotorisch Hand anlegte, offenbar auch keinen Meter und so bleibt nicht mehr als ein irritierender Versuch harten, halbwegs originellen Okkult-Horrors, dem es jedoch an Atmosphäre und weniger oberflächlichen Dialogen ebenso mangelt wie einem sinnstiftenden Schnitt oder Buch.

Zugegeben, alle drei Episoden sehen recht ordentlich aus, sind gut ausgeleuchtet und geizen nicht mit Schauwerten. Aus genannten Gründen halte ich es jedoch nach wie vor für eine ganz miese Idee, auf diese Weise einen Episodenfilm zu kreieren und satte zwei Drittel von „Tomb of Terror“ sind dann auch Paradebeispiele dafür, wie man es nicht machen sollte: holperig, dramaturgisch dysfunktional, unfokussiert und pointenlos.
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Horla – Tagebuch eines Mörders

„Ein Mörder wird immer wieder morden. Es hat keinen Zweck, die Menschen bessern zu wollen!“

Der gebürtige Österreicher Reginald Le Borg („Flintenweiber“) avancierte in den USA zu einem geschätzten B-Movie-Regisseur. Eines seiner letzten Werke datiert auf das Jahr 1963 und wurde eine Verfilmung der Erzählung „Der Horla“ aus der Feder Guy de Maupassants aus dem 19. Jahrhundert; ein Horrorfilm, der mit Genre-Ikone Vincent Price („Die Fliege“) in der Hauptrolle aufwartet.

„Der Tod ist die einzige Wahrheit!“

Der Serienmörder Girot (Harvey Stephens, „Das Biest“) soll hingerichtet werden. In einem letzten Gespräch mit Richter Simon Cordier (Vincent Price) beteuert er erneut seine Unschuld und behauptet, von einem Dämon namens Horla besessen gewesen zu sein. Als er Cordier schließlich angreift, handelt der Richter in Notwehr und Girot stirbt. Zunächst unbeeindruckt von Girot phantastischer Geschichte, wird Cordier jedoch zunehmend mit unerklärlichen Phänomenen konfrontiert. Schließlich gibt sich der Horla ihm zu erkennen und übernimmt langsam aber sicher die Kontrolle über Cordier. Cordiers Arzt wähnt ihn überfordert und gestresst und rät ihm, Zerstreuung in seinem alten Hobby, der Bildhauerei, zu suchen. Daraufhin sucht sich Cordier in der attraktiven Odette (Nancy Kovack, „Jason und die Argonauten“) ein Modell, in das er sich prompt verliebt. Er hegt Heiratspläne, ist jedoch an eine Heiratsschwindlerin geraten, die eigentlich mit dem Maler Paul (Chris Warfield, „Norma“) liiert ist. Als schließlich der Horla stärker denn je Besitz von Cordier ergreift, nimmt das Unheil seinen Lauf…

Ich habe ja ein großes Herz für Gothic-Grusel-Schinken und so spielt auch dieses Exemplar zur Entstehungszeit der literarischen Vorlage, ohne jedoch den Subgenre-Konventionen zur Ehre zu gereichen – stilistisch und atmosphärisch erinnert „Horla – Tagebuch eines Mörders“ lange Zeit eher an britisch geprägten Kriminalstoff. Ob es eine sonderlich begnadete Idee war, den Film mit Cordiers Beerdigung zu beginnen, nach der Testamentsverlesung aus seinem Tagebuch zu zitieren und die eigentliche Handlung als Rückblende aufzuziehen, sei einmal dahingestellt; immerhin beraubt es den Zuschauer um die spannende Frage nach Cordiers eventuellem Überleben. Cordiers Erzählstimme führt sodann durch die visualisierten Tagebucheinträge, beginnend eben mit dem Häftling, dessen (mittels einfacher Tricktechnik) zu leuchten beginnende Augen bereits ein eindeutiges Indiz für die tatsächliche Anwesenheit dämonischer Kräfte sind.

Obschon „Horla – Tagebuch eines Mörders“ Cordier als Witwer charakterisiert, dessen Frau und Kind seit zwölf Jahren tot sind und die auf Horla hinweisenden eigenartigen Vorfälle insofern mit dieser Tatsache in Verbindung stehen, als sie Cordier an diese Verluste erinnern, lässt das Drehbuch schon frühzeitig keinen Zweifel daran, dass Cordier es mit echtem Spuk zu tun – zu Ungunsten jeglichen psychologischen Tiefgangs sowie möglicher Mutmaßungen über psychopathologische Ursachen. Man lässt den Dämon bald gar offen mit Cordier sprechen, was zwar mit angenehmem Pathos in der Stimme einhergeht, die ganze Chose jedoch zusätzlich entmystifiziert. Nachdem eben diese Stimme Cordier Untaten befohlen hat, die dieser schließlich ausführte, folgt fast unmittelbar auf diesen vorläufigen Horror-Höhepunkt des Films eine Krimihandlung, in der der unter Mordverdacht stehende Paul auf eigene Faust ermittelt; das Thema des Machtmissbrauchs im Richteramt wird kurz angeschnitten. Etwas christliche Symbolik findet sich in einem kurzzeitig Schlimmeres verhindernden Kruzifix, bis das bekannte „reinigende Feuer“ letztendlich einmal mehr den Spuk beendet und sich der Zuschauer für den Epilog erneut inmitten der Herrenrunde vom Filmbeginn wiederfindet.

Der mit klassischer, düsterer Orchestermusik untermalte Film Le Borgs vergibt leider eine Menge Chancen und verläuft trotz der beschriebenen Schlenker etwas sehr linear und überraschungsarm, zumal man auch auf eine möglicherweise interessante Hintergrundgeschichte um den Horla gänzlich verzichtete. Neben der ordentlichen Ausstattung und der seriösen schauspielerischen Leistungen ist sein größter Pluspunkt aber zweifelsohne Vincent Price, der seinen Cordier mit gewohnter Inbrunst interpretiert, den Zuschauer für sich vereinnahmt und den Film damit deutlich aufwertet.
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