bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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Kesse Teens – Die erste Liebe

„Ich bin schon sexy, sitzt alles an der richtigen Stelle!“

Der Italiener Mario Imperoli brachte es als Regisseur anscheinend auf nur acht Spielfilme, die er allesamt in den 1970ern drehte – nur drei davon schafften es bis nach Deutschland. Nach seinem Debüt, dem sleazigen, gialloesken „Mia moglie, un corpo per l'amore“, folgte mit „Kesse Teens – Die erste Liebe“ ein sexploitatives Coming-of-Age-Drama, das die attraktive italienische Genre-Ikone Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“), das blondeste Gift, das das Land des Stiefels jemals hervorbrachte, 19-jährig in ihrer ersten Rolle zeigte. Der deutsche Titel scheint eine Verbindung zur „Flotte Teens“-Komödienreihe suggerieren zu wollen, die nicht besteht, der Originaltitel „La Ragazzina“ trifft es da besser.

„Du hast nur ’ne lockere Lippe und ’ne unkeusche Hand!“

Monika (Gloria Guida) ist unschuldige 15 Jahre jung und so gut gebaut, dass sie die Blicke der Mitschüler auf sich zieht. Besonders interessiert sich der gleichaltrige Leo (Gianluigi Chirizzi, „Malizia“) für sie, doch sie lässt ihn nicht so recht an sich heran. Leo wiederum hat es bereits faustdick hinter den Ohren und vermittelt junge Mädchen an zahlungskräftige ältere Herrschaften, z.B. an Moroni (Paolo Carlini, „Live Italian Style“), den Rechtsanwalt Monikas Vaters, eines Industriellen. Moronis Ehe liegt brach, es gibt keine Sinnlichkeit und keine Sexualität mehr. Seine Frau (Colette Descombes, „Orgasmo“) unterhält eine Affäre mit dem jüngeren Studienrat Bruno (Andrés Resino, „Jack the Mangler“), für den sich nun Monika zu interessieren beginnt. Doch für Moroni steht fest: Er will Monika – koste es, was es wolle...

„Ich glaub’, ich geh’ kaputt und niemand geht mit!“

Zu einem folkloristischen Akustik-Gitarren-Thema, zu dem sich ein beschwingter Pfiff gesellt, läuft Monika in Zeitlupe den Strand entlang. Szenenwechsel: In geselliger Runde projizieren Schüler einen 8-mm-Schwarzweiß-Sexfilm, woraufhin Leo mit Monika fummeln will, doch sie knallt ihm eine. Später fährt sie mit ihm an den Strand, sie tollen herum, knutschen schließlich in Zeitlupe miteinander, doch beim Fummeln weist sie ihn erneut zurück. Nachdem sie sich im Anschluss von Bruno ein Stück auf dem Motorrad mitnehmen lassen hat, unterhält sie sich mit ihm über Kunst, denn Bruno ist ein talentierter Aktzeichner.

„Für ein Abenteuer bin ich mir zu schade!“

Parallel hat der Zuschauer sowohl Monikas Vater als auch den schmierigen Rechtsanwalt Moroni, der gern Leute ausnimmt und vor allem aber dessen sexuell unausgefüllte Frau kennengelernt, die Imperoli minutenlang beim Nacktbaden im Pool, Duschen und Sonnen zeigt, ohne dass diese Szenen einen über den Voyeurismus hinausgehenden Zweck erfüllen würden. Bruno ist neben ihr eingezogen und hat sich direkt an sie herangeschmissen, woraufhin sie ihn sich bereitwillig als Liebhaber nimmt. Moroni hat derweil ein Auge auf Monika geworfen, macht sich an sie heran und trifft sie am Strand. Er beraumt eine Party in seinem Haus an, die Imperoli mit ausgedehnten Tanzszenen ausfüllt. Nach einem Stromausfall findet sich Monika dort ohne Slip wieder, was die Kamera zum Anlass nimmt, auf ihren Po unterm kurzen Kleid zu zoomen. Zu ihrem Leidwesen wird sie von Leo und seinem Kumpel Sandro sexuell belästigt.

(Achtung, Spoiler!) Ihr erstes Mal hat sie schließlich mit Bruno, die Kamera zoomt auf die Gesichter und nach einer verdammt kurzen Nummer versichert sie überraschend, dass sie es wunderschön gefunden habe. Sie reagiert jedoch verzweifelt, als sie erfährt, dass Bruno eine Affäre mit Moronis Frau unterhält und sucht das Weite. Moroni findet sie und versucht, die Situation auszunutzen und sie zu vergewaltigen. Monika wehrt sich und geht anschließend zum Schein darauf ein, sich für 500.000 Lire von ihm kaufen zu lassen. Sie lacht ihn dafür aus und berichtet ihm von der Affäre seiner Frau mit Bruno, woraufhin er sie schlägt. Sie rennt weg, Moroni eilt ihr hinterher und Imperoli hielt es anscheinend für eine gute Idee, den Film damit enden zu lassen, dass er dabei überfahren wird...

Nein, ein ernstzunehmendes Drama ist „Kesse Teens – Die erste Liebe“ sicher nicht, doch auch in Sachen Sexploitation trieben es andere schon wesentlich heftiger. Imperoli rückt indes Gloria Guida natürlich auch erotisch in den Mittelpunkt und lässt sich Zeit, wenn er sie nackt im Badezimmer zeigt und sie ihre Gedanken aus dem Off formulieren lässt. Die Handlung erscheint bereits ab dem Moment wenig glaubwürdig, in dem Leo als eine Art Zuhälter für seine Mitschülerinnen auftritt. Als fragwürdiger Sympathieträger muss Bruno herhalten, dem das Drehbuch offenbar keinen Strick daraus drehen will, dass er als Ehebrecher fungiert und eine minderjährige Schutzbefohlene entjungfert. Für all das, was der Film thematisiert, wirkt er insgesamt zu oberflächlich, sommerlich und leicht, diese Stimmung will nicht so recht zu den Inhalten passen. Dadurch erscheint „Kesse Teens – Die erste Liebe“ eher unentschlossen, bisweilen gar etwas kitschig mit seinen Strandaufnahmen und Zeitlupen. In Bewegungsszenen arbeitet Imperoli gern mal mit einer Wackelkamera, die Dynamik vermitteln soll, die Dramatik des Stoffs jedoch bleibt auf der Strecke. Unterm Strich wirkt Guidas Debüt ein wenig wie eine „Schulmädchen-Report“-Episode in weniger reißerisch, ernsthafter und vor allem lang, das war es dann aber auch schon. Es bleibt der Eindruck, dass Imperoli entweder mit der Geschichte überfordert war oder eben gar kein echtes Interesse daran hatte, mehr als einen lauen Soft-Erotiker aus ihr zu entwickeln, dem es kaum gelingt, das Gefühlsleben seiner weiblichen Protagonistin herauszuarbeiten und zu veranschaulichen. Als starke Szene bleibt immerhin haften, wie Monika Stärke beweist, sich Moroni widersetzt und ihn auflaufen lässt, wodurch sie sich der Rolle eines naiven Opfers verweigert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Der schöne Körper der Deborah

„Du musst sterben, Deborah!“

Der italienische Regisseur Romolo Guerrieri debütierte im Jahre 1961 mit einer Komödie und drehte anschließend drei Italo-Western, bevor er 1968 in italienisch-französischer Koproduktion mit „Der schöne Körper der Deborah“ einen Früh-Giallo umsetzte, der sich als ähnlich genreprägend wie „Blutige Seide“ oder „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ erwies. Großen Anteil hat der umtriebige Ernesto Gastaldi, der zusammen mit Luciano Martino als Drehbuchautor fungierte und nach „Deborah“ u.a. die Drehbücher zu den erfolgreichen, stilbildenden Sergio-Martino-Gialli verfasste.

Die Frischvermählten Deborah (Carroll Baker, „Sylvia“) und Marcel (Jean Sorel, „Malastrana“) verschlägt es in ihren Flitterwochen nach Genf, dem ehemaligen Wohnort Marcels. Doch das junge Eheglück währt nicht lange, denn dort treffen sie auf Marcels alten Bekannten Philip (Luigi Pistilli, „Der Schwanz des Skorpions“), der behauptet, eine gewisse Suzanne (Ida Galli, „Blutspur im Park“) habe sich wegen Marcel das Leben genommen. Daraufhin mietet man sich eine Villa und möchte seine Ruhe haben. Doch seltsame Dinge ereignen sind und böse Anrufe ereilen Deborah, die ihren Tod als Sühne für Suzanne avisieren. Marcel beobachtet, wie sich Deborah mit Philip trifft, der neugierige Nachbar Robert (George Hilton, „Der Killer von Wien“) taucht als ungebetener Gast auf und als Philip die Eheleute nachts überfällt, eskaliert die Situation vollends: Er will Deborah erstechen, doch Marcel kann ihn in Notwehr töten. Aus Angst vor der Polizist lässt er die Leiche verschwinden. Am nächsten Morgen sieht Deborah Philip am Grab stehen – verliert sie den Verstand? Oder ist nicht alles, wie es scheint…?

„Glaubt nur nicht, dass das noch lange gut geht mit euch!“

Vor der schicksalhaften Begegnung mit Philip führt Guerrieri mit Knutschereien am Strand, einer Autofahrt durch die winterliche Berglandschaft und schließlich durch die pulsierende Großstadt mit wunderschönen Aufnahmen in diesen Psychothriller à la italiano ein und setzt bereits auf einen gewissen Erotik-Faktor, indem er Deborah nackt unter der Dusche zeigt und den attraktiven Körper Carroll Bakers auch im weiteren Verlauf immer mal wieder ästhetisch betont. Noch freizügiger geht es im Strip-Club zu, den Deborah und Marcel anschließend besuchen: Ausgiebig umgarnt die Kamera eine schwarze Tänzerin. In der Folge arbeitet Guerrieri u.a. mit Rückblenden, um der Handlung ein Fundament zu verleihen. Die erste dieser Art, die Marcels Zeit mit Suzanne zeigt, fiel dabei indes recht kitschig aus. Davon jedoch ist im weiteren Verlauf immer weniger mehr zu spüren; der Film gewinnt zunehmend an Biss, wird jedoch mittels Tanzszenen auf Länge gebracht: Eine langer Tanz in einer Disco mit Batman-Comic-Deko, ein Tanz auf einer Wiese bzw. auf farbigen Punkten, während dessen Deborahs Kleidung erneut an Batman, genauer: an den grünen Overall des Riddlers erinnert... Selten habe ich einen Nicht-Tanzfilm mit derart vielen Tanzszenen gesehen.

Wichtiger ist jedoch, wie Marcels Ex-Freundin Suzanne über ihren Tod hinaus das Liebesglück des Ehepaars zu gefährden und beide zu verfolgen scheint, bis die tapfere Deborah zwangsläufig in Zweifel gerät. Damit schürt der Film die allgemeine Angst davor, dass die Vergangenheit einen einholt, sich alte Sünden böse rächen sowie die verbreitete konkretere Sorge vor Ex-Partnern, gleich ob eigenen oder denjenigen des jeweiligen Partners, die das neue Beziehungsglück gefährden. Nach dem tödlichen Zwischenfall wartet „Der schöne Körper der Deborah“ natürlich genretypisch mit einer mehr oder weniger überraschenden Wendung auf, auf die eine weitere folgt, die schließlich den Anfang vom Ende bedeutet. Damit steht er am Beginn der Tradition, die mit Filmen wie „Der Schwarz des Skorpions“ und „Der Killer von Wien“ fortgesetzt und zur Perfektion gebracht wurde.

Wie so viele Gialli ist auch dieser angesiedelt in der Welt der Reichen und Schönen, um deren funkelnde Fassade nach und nach einzureißen. Dieses Exemplar wirkt dabei noch etwas bodenständiger und gezügelter als spätere Vertreter, die sich eleganter, künstlerischer (oder auch künstlicher), erotischer oder exaltierter, entrückter, hemmungsloser und brutaler profilierten und leidet hier und da unter Timing-Problemen, erscheint mitunter etwas langatmig. Der Mystery-Soundtrack Nora Orlandis aber weiß ebenso prima zu gefallen wie die schauspielerischen Leistungen der gerade auch für das Genre namhaften Darstellerriege (aus der ich Pistilli hervorheben möchte, der seine charakteristischere, weniger geleckte, geheimnisvolle Rolle mit Bravour ausfüllt) und das hier schon durchklingende Spiel mit Klischees vom starken und vom schwachen Geschlecht, von Täter- und Opferrollen, weckte bei mir Erinnerungen an Guerrieris ein Jahr später erschienenen „Die Klette“. Für Giallo-Freunde also nicht nur filmhistorischer Pflichtstoff, für alle anderen durch seine Verwurzelung in den 1960ern ein vielleicht ein wenig altmodisch wirkender, aber dennoch vergnüglicher Psycho-Thriller, der zum Finale hin noch mal gut an Fahrt aufnimmt.
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Der Hamburger Aufstand Oktober 1923

Die Weimarer Republik befand sich 1923 in einer tiefen Krise: Die Hyperinflation strebte ihrem Höhepunkt entgegen, gegen Reichskanzler Wilhelm Cuno wurde deutschlandweit gestreikt und im September wurde der Ausnahmezustand verhängt, im Oktober putschten die Faschisten der Schwarzen Reichswehr und Stresemann schuf die rechtlichen Grundlagen für eine „legale Diktatur“. Teilen der damals über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung verfügenden Kommunisten war es endgültig genug: Am 23. Oktober probten sie in Hamburg (und Schleswig-Holstein) den Aufstand, indem sie insgesamt 24 Polizeireviere stürmten, um an weitere Waffen zu gelangen. Außer in Barmbek, Eimsbüttel und Schiffbek wurde der Aufstand schnell niedergeschlagen. Gerade im Arbeiter-Stadtteil Barmbek jedoch wusste man große Teile der Bevölkerung hinter sich, die unterstützend eingriffen. Geschickt: Nachdem die Kunde durchgedrungen war, dass die Lage aussichtlos sei, verließen die Aufständischen nachts heimlich ihre Stellungen und ließen so die am nächsten Morgen attackierende Polizei auflaufen.

Von der rund 14.000 Mitglieder starken Hamburger KPD beteiligten sich gerade einmal 300 Menschen aktiv. Die Hintergründe sind unklar: Es gibt die Annahme, dass diejenigen, die radikal vorpreschten, die Parteiführung zum Handeln zwingen wollten. Dem gegenüber steht die These, dass es sich um eine Art Testlauf für eine gesamtdeutsche Revolution gehandelt habe: Wären aus den Revolten Massenaufstände resultiert, hätte sich die KPD von ihrer militärischen Seite gezeigt. So aber hielt sie sich zurück, um schadlos zu bleiben. Die Klassenverräter von der SPD jedoch entsolidarisierten sich in der Folge von der KPD mit den bekannten Folgen.

Da über die spannenden damaligen Ereignisse recht wenig aus erster Hand dokumentiert war, gaben der NDR und die Deutsche Film- und Fernsehakademie 1971 diesen Dokumentarfilm in Auftrag. Das Buch stammt von Reiner Etz, Gisela Tuchtenhagen und Klaus Wildenhahn, welcher auch Regie führte. Der Film ist aufgeteilt in die drei Teile „Erinnerungen“, „Lieschen Müllers Geschichte“ und „Barmbek: Der Aufstand wird abgebrochen“, was sicherlich allein schon seiner Länge von fast zwei Stunden geschuldet war. Das Besondere: Man lässt in erster Linie die Aufständischen von damals zu Wort kommen, die man an verschiedenen Orten – zu Hause, in der Kneipe etc. – aufsuchte und die ihre Sicht der Dinge, auf die damaligen Umstände, ihre Beweggründe und die Folgen so schildern, wie ihnen die Schnäbel gewachsen sind. Die älteren Herrschaften und manch Dame sind wunderbar authentisch und ungekünstelt und erlauben einen Einblick in eine heute unvorstellbare Zeit, in der Deutschland Europas stärkste kommunistische Partei beheimatete und die Bezeichnung „Kommunist“ noch kein politischer Kampfbegriff war, um den politischen Gegner zu diffamieren. So bekommt man nach und nach ein Gefühl dafür, was die Menschen damals umtrieb und wie unbedarft man zuweilen an die Sache heranging. Man erfährt aber auch erschütternde Geschichten von Armut und Not, aus Zuchthäusern und KZs, von der Schande Nazi-Deutschlands und der allgemeinen Diskreditierung kommunistischer Bestrebungen – seit damals hat sich eben eine Menge geändert.

Der Film bewertet nicht und zeichnet auch nicht streng chronologisch die Geschichte des Aufstands nach o.ä., sondern porträtiert viel mehr jene Männer, die sich damals beteiligten. Entweder bringt man schon ein gewisses Vorwissen mit oder aber man wird durch den Film neugierig und informiert sich anschließend. Angereichert wird die Dokumentation durch Texttafeln und Informationen aus dem Off, aus dem auch aus Literatur zum Thema zitiert wird. Etwas spröde wirkt der Schwarzweiß-Film mit seinem mitunter schwierig zu verstehenden Ton heutzutage schon, das rohe Erscheinungsbild verstärkt jedoch den Eindruck der Unverfälschtheit. Am Ende lädt er zu Gedankenspielen ein: Was wäre, wenn es anders gekommen und die Revolten zum Volksaufstand geführt, die Kommunisten schließlich die Geschicke der Republik geleitet, die Sozialdemokratie überflüssig gemacht und die Faschisten konsequent ausgelöscht hätte? Wäre uns ein Weltkrieg erspart geblieben? Wäre es direkt zum Kalten Krieg übergegangen, der irgendwann zum heißen geworden wäre? Oder hätte man früher oder später ähnliche Fehler wie die DDR begangen? Die Protagonisten dieses Films jedenfalls haben sich nicht verbiegen lassen, auch nicht von Repression, Faschismus und Antikommunismus und ihnen zuzuhören ist eine interessante Erfahrung.

P.S.: Für die Einordnung/Überprüfung der historischen Fakten erwies sich die deutsche Wikipedia als überaus hilfreich.
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Die Bestie

„Ich schlag‘ nie zurück!“ – „Warum denn nicht?“ – „Dann würd‘ ich noch mehr Prügel kriegen…“

Nach seinem Regiedebüt „Sands of Ecstasy“, das offenbar niemand kennt, brachte es der Texaner Larry N. Stouffer lediglich auf einen weiteren Film, diesen im Original „Horror High“ betitelten und in Deutschland als „Die Bestie“, „Die Teufelsbestie“ oder auch „Werwolf Massaker“ vermarkteten Horrorfilm aus dem Jahre 1974.

„Du siehst miserabel aus!“

Der schmächtige Vernon Potts (Pat Cardi, „Die Schlacht um den Planet der Affen“) ist ein verkanntes Biologie-Genie, das von seinen Mitschülern in unschöner Regelmäßigkeit gemobbt und drangsaliert wird; nur die schöne Robin (Rosie Holotik, „Don't Look in the Basement!“) ist nett zu ihm. Von seinen Lehrern hat er auch nicht viel zu erwarten, im Gegenteil: Seine überstrenge Lehrerin zerstört sogar wenig pädagogisch wertvoll seine versehentlich bei ihr abgegebene Biologie-Arbeit, wodurch viele Stunden Forschung für die Katz‘ sind. Vernon experimentiert nämlich seit geraumer Zeit an seinem Meerschweinchen Mr. Mumps, dem er diverse Chemikalien verabreicht. Dieses jedoch verwandelt sich jedoch plötzlich in eine aggressive Kreatur und prompt wird Vernon vom Hausmeister Mr. Griggs (Jeff Alexander, „The Black Cat“) für den Tod seiner Katze verantwortlich gemacht. Griggs schlägt Vernon und zwingt ihn, seine eigene Mixtur zu trinken – mit fatalen Folgen: Auch Vernon mutiert zeitweilig zu einem mordlüsternen Monster, das dem Hausmeister den Garaus macht. Als Griggs‘ in Säure aufgelöste Überreste gefunden werden, erregt dies die Aufmerksamkeit der Polizei in Person Lieutenant Bozemans (Austin Stoker, „Assault – Anschlag bei Nacht“). Und als Vernons Erniedrigungen kein Ende nehmen, trinkt er freiwillig vom Monstertrunk…

Stouffer beginnt „Horror High“ mit einer Schulfilmvorführung des Klassikers „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“, was zweifelsohne als Hommage zu verstehen ist, wirkt sein Film doch wie eine Mischung aus eben jenem und diversen Teenage-Horrorfilmen der 1950er und 1960er. Vor allem aber wirkt er unfreiwillig billig und trashig: Statt sich in einen Werwolf o.ä. zu verwandeln, wie manch deutsche Auswertung suggeriert, verändert sich Vernon optisch nur minimal: Er erscheint ungekämmt, bekommt einen dunkleren Teint und lächerliche X-Beine, mit denen er durch die Gänge des Schulgebäudes schlurft, aber dennoch seine (wenigen) Opfer einholt. Lächerlich ist auch ein gutes Stichwort, um das idiotischen Verhalten vieler Beteiligter zu beschreiben: Der dämliche Bulle ist vollkommen merkbefreit und nimmt lieber Sportproll Roger (Mike McHenry, „Summer School Teachers“) fest, Vernons garstige Lehrerin legt sich fast schon freiwillig auf den Opferaltar und weshalb die Trauer um seine Katze Mr. Griggs dazu treibt, Vernons Verwandlung geradezu heraufzubeschwören, werden wir wohl nie mehr erfahren – die ganze Schose ist reichlich mies zurechtkonstruiert.

Ähnlich unbeholfen wurde die obligatorische und hier realitätsfremd wie nie anmutende Romanze in das Story-Mosaik geklöppelt und so müssen sich Robin und Vernon ineinander verlieben, während er ihr Nachhilfe gibt – natürlich mit „tragischem“ Ausgang. Die deutschen Fassungen sind anscheinend alle unvollständig und zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, so dass ich mich hinsichtlich etwaiger blutiger Spezialeffekte kaum äußern kann, von grafischer Explizitheit war in meiner Fassung (Starmovie/Edel-DVD) jedenfalls nichts zu sehen. Auch die musikalische Untermalung variiert wohl je nach Veröffentlichungsland, so dass ich nicht weiß, ob man schon im Original die kitschige ‘70er-Space-Rock-Nummer am Ende zu hören bekam. Mit Stoker verfügt die Klischees und Allgemeinplätze bedienen müssende Darstellerriege immerhin über einen bekannten und mit Hauptdarsteller Cardi immerhin semibekannten Namen und das bekloppte Overacting letzteren macht zumindest irgendwie Spaß. Ob der Semi-Amateur-Look allerdings schon von vornherein gegeben oder ebenfalls durch die deutsche Bearbeitung und die Diskont-DVDs verbrochen wurde, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis.

„Die Bestie“ wirkt nicht selten wie eine unfreiwillige Parodie auf das Genre, so dass es letztlich wenig verwundert, dass die tatsächliche Parodie „Return to Horror High“ 1987 an ihn im Titel anknüpfte. Trashologen der alten Schule dürften ihre Freude habe, Fans des 1970er-Jahre-Horrors lassen aber zumindest so lange von deutschen Fassungen die Finger, bis überhaupt eine vollständige existiert. Für das von mir gesehene Flickwerk kann ich nicht mehr als 3,5 von 10 Säuretonnen befüllen, behalte mir eine Neubewertung bei Vorlage der Komplettfassung aber vor.
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Femme Fatale

„Wieso bist du der einzige Mann in diesem Laden, der mich nicht ficken will?“

US-Regisseur Brian De Palmas („Carrie“, „Scarface“, „Dressed to Kill“) nach „Mission to Mars“ erster Film nach der Jahrtausendwende wurde der in US-amerikanisch-französischer Koproduktion entstandene Thriller „Femme Fatale“, der – in Anbetracht des Titels und des Regisseurs wenig verwunderlich – über eine nicht ungefähre erotische Note verfügt.

„Ich stell' dir den Fernseher an, dann hast du etwas Gesellschaft…“

Die Filmfestspiele in Cannes werden Schauplatz eines spektakulären Juwelenraubs: Das Objekt der Begierde ist ein aus mehreren Teilen bestehendes Schmuckgebilde, das die vorgebliche Fotografin Laure (Rebecca Romjin, „Der Playboy - Die Hugh Hefner Story“) dem Modell Veronica (Rie Rasmussen) bei einer spontanen Lesbennummer auf dem Damenklo vom Körper blättert und von Bandenboss Black Tie (Eriq Ebouaney, „The Three Kings“) unbemerkt durch Fälschungen ausgetauscht wird. Doch Laure arbeitet auf eigene Rechnung und trickst die Ganoven aus, entkommt zunächst mit der Beute. Ihr ehemaliger Komplize Racine (Edouard Montoute, „Hass“) aber macht ihr Hotelzimmer ausfindig, verwickelt sie in einem Kampf und wirft sie das Treppenhaus hinunter. Was er nicht ahnt: Laure hat überlebt und wird von einem älteren Ehepaar fürsorglich aufgepäppelt, das in ihr seine Tochter zu erkennen glaubt. Die echte Tochter wiederum begeht praktischerweise Selbstmord, so dass Laure tatsächlich komplett ihre Identität annehmen kann. Während eines Flugs lernt sie US-Botschafter Watts (Peter Coyote, „Die letzten Amerikaner“) kennen, den sie alsbald ehelicht. Als sie nach sieben Jahren an Watts‘ Seite nach Paris zurückkehrt, schießt Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas, „Philadelphia“) ein Foto von ihr, das nach seiner Veröffentlichung die just aus dem Gefängnis entlassenen Ex-Komplizen auf den Plan ruft, die fortan hinter Laure her sind. Laure versucht derweil, Nicolas um den Finger zu wickeln und instrumentalisiert ihn für ihre Intrigen…

Laure schaut sich zunächst einmal einen klassischen Film noir im TV an, einen Film jenes Genres voller fataler Frauenzimmer also, womit De Palma den vorgeblichen Wurzeln dieses Films die Ehre erweist. Nach einer kurzen Einweihung in den Raubzug kommt es dann zum großangelegten Coup vor dem Hintergrund der Filmfestspiele des Jahres 2001, der in nicht minder klassischer Weise nach Vorbild von Heist Movies zelebriert wird und sich in seinen Einzelheiten ausgiebig dem Zuschauer offenbart. Jedoch ist solchen Heists normalerweise immanent, dass nichts oder zumindest so wenig wie möglich dem Zufall überlassen und beim Zuschauer der Eindruck erweckt wird, mit ausreichend Kalkül und Geschick befände sich in solcher Coup tatsächlich im Bereich des Möglichen. Hier allerdings verlässt sich die Diebesbande ganz auf die Verführkünste Laures und geht fest davon aus, dass es ihr gelingen wird, in einem eng gesteckten Zeitrahmen das Modell zum gleichgeschlechtlichen Sex auf dem Klo zu überreden. So erotisch die Lesbenszene dann auch ausgefallen ist: Glauben machen, dass Rebecca Romjin eine solche Sexbombe ist, dass ihr dieses Unterfangen mir nichts, dir nichts gelingt, können weder sie noch De Palma.

Dieser Auftakt ist in Sachen Glaubwürdigkeit symptomatisch für den gesamten Film, der mutmaßlich prinzipiell gern die eiskalte egoistische Berechnung der Femme fatale skizzieren würde, sich seine Hauptrolle aber in einem derartigen Ausmaße immer wieder auf glückliche Zufälle verlassen lässt, dass die Handlung vollkommen absurd erscheint – und dadurch schnell zu langweilen beginnt. Nach dem Zeitsprung von sieben Jahren beginnen Laures ehemalige Komplizen also ihre dramaturgisch wenig aufregende Jagd auf sie, doch als die spannendste Frage erweist sich, wer die Frau im Tarnanzug war, die sie vor einen Lkw gestoßen haben. Auch Laure verhält sich reichlich seltsam, als sie den sie verfolgenden Paparazzo Nicolas scheinbar wie eine Amateurin in ihr Hotelzimmer einlädt und ihn mit aufgemaltem blauen Auge schließlich verführt, nur um seine Motorradschlüssel zu stehlen. Schließlich initiiert sie seine Verhaftung, doch auch als im Nachhinein enttarnte Intention bleibt ihre Habitus wenig nachvollziehbar und schwach konstruiert. Dafür aber kann sich „Femme Fatale“ nun erneut Laures Sexualität widmen, die sie – na klar – anscheinend lediglich als Instrument einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Nachdem sie fingierte Erpressungs-E-Mails von Nicolas‘ E-Mail-Konto aus an ihren Ehemann geschickt und sich zum Entführungsopfer stilisiert hat, gehört es anscheinend zum Klischee, dass sie und Nicolas sich näherkommen. Das sieht durch De Palmas Kameralinse dann so aus, dass sie in einer Bar einem Wildfremden einen Striptease aufs Parkett legt, der genauso angezogen bleibt wie die anschließende Sexszene mit Nicolas und damit fast zu einer Art Symbol für plötzlich einsetzende Prüderie im Zusammenhang mit der schmutzigen Phantasie von einem verdorbenen, durchtriebenen Luder, das nicht einmal davor zurückschreckt, seinen Ehemann zu erschießen, wird.

Sicherlich hätte De Palma Laure damit gern zur ambivalenten Charakterin umdefiniert, nachdem sie sich zunächst der Sympathien der Zuschauer gewiss sein konnte – doch stattdessen schuf er mit Nachdruck ein comichaftes, künstlich wirkendes Abziehbild. Nachdem der sexuell aufgeladene Kneipentanz und der anschließende keusche Beischlaf Geschichte sind, traut man sich völlig unerwartet dann auch wieder, Laure nackt zu zeigen – nachdem sie von Gangstern ins Wasser geworfen wurde, müssen entweder die starke Strömung oder baumwollfixierte Raubfische sie ihrer Kleidung entledigt haben…

Eine überraschende Wendung hat De Palma schlussendlich noch in petto: Laure ist in der Badewanne eingeschlafen und hat alles nur geträumt. Dass sich damit prompt sämtliche Unzulänglichkeiten der Handlung davonwischen, weil als Traum deuten lassen, macht es aber ebenso wenig besser wie die nun daraufhin folgende Kitschoffensive, die so gar nicht in den Film passen will. Doch De Palma hat noch nicht genug und installiert einen Epilog, der sieben Jahre später einsetzt. Da ist wieder Nicolas, der auf den US-Botschafter angesetzt wird und da ist die Frau im Tarnanzug, deren Identität diesmal enthüllt wird, was die nächste und glücklicherweise abschließende Kitschattacke einleitet. Um wen es sich bei der Dame handelt, verrate ich an dieser Stelle nicht; angemerkt sei lediglich, dass dieser Schachzug der Handlung offenbar antritt, um die eingangs entstandenen tiefen Stirnrunzler glattzubügeln, dabei jedoch viel zu kurz greift.

Wohlgemerkt, De Palmas Film hat visuell einiges zu bieten. Split-Screens der alten Schule wechseln sich ab mit gewagten Kameraperspektiven und aus seinen Schauspielern holt er doch einiges heraus, setzt sie adäquat in Szene, wenngleich – wie erwähnt – der Erotikfaktor nach dem diesbzgl. stärkeren Beginn auf der Strecke bleibt. Im Gedächtnis bleibt auch eine vielleicht etwas zu breit ausgewalzte Suspense-Szene, in der Laure während eines Gewitters einen Selbstmord beobachtet. Dem gegenüber stehen aber viele Momente, in denen „Femme Fatale“ zu sehr nach Hochglanz müffelt, zu geleckt daherkommt. Und was das Sprachwirrwarr bedeuten soll (stellenweise werden französische Dialoge nicht übersetzt, ein französischer Bulle spricht mit französischem Akzent, alle anderen Franzosen nicht), weiß wohl nur De Palma allein. Zweifelsohne ist „Femme fatale“ ein Beispiel für Style over Substance, wobei Stil und Ästhetik letztlich zu wenig zu bieten haben, um die Substanzlosigkeit zu kompensieren. Bisweilen drängt sich auch der Eindruck auf, De Palma habe möglicherweise einen zitatreichen Meta-Film über Femmes fatale erschaffen wollen, dem jedoch – wenn dem so wäre – jegliche Tiefe abgeht und der seine Haupt- und Titelfigur derart reduziert, dass sie keinesfalls stellvertretend für diesen cineastischen Rollentypus stehen kann.
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Knie nieder und friss Staub

Der Italiener Aldo Florio brachte es in seiner Regiekarriere auf nur sechs Filme, darunter zwei Italo-Western: Sein Debüt „Die unerbittlichen Fünf“ aus dem Jahre 1966 und „Knie nieder und friss Staub“, der 1971 zur Uraufführung kam.

Roy Greenford (Fabio Testi, „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“) konnte sich aus einem Straflager befreien und trifft, bereits völlig entkräftet, auf seiner Flucht auf den alten Zausel Joselito (José Calvo, „Für eine Handvoll Dollar“), der ihn von seinen Ketten befreit und ihn in seine Goldgräbersiedlung mitnimmt. Dort erfährt Roy, dass eine Bande Gringos um das Trio Redfield (Eduardo Fajardo, „Django“), Lawrence (Ben Carra, „Das Geheimnis der blutigen Lilie“) und Newman (Romano Puppo, „Der Gehetzte der Sierra Madre“) die mexikanischen Goldschürfer systematisch ausbeutet, indem es sie unterdrückt und dazu zwingt, ihr Gold unter Wert an die Bank zu veräußern. Roy wirft ebenfalls ein Auge aufs Gold und beschließt, die Gringo-Vorherrschaft zu beenden. Zunächst aber sucht er einen Barbier (Luciano Pigozzi, „Satan der Rache“) auf und richtet ihm einen Gruß eines gewissen Emiliano (Massimo Serato, „Sartana kommt“) aus – woraufhin der Barbier erschrocken zum Gewehr greift, doch Roy ist schneller am Abzug. Er lässt weitere Grüße Emilianos im Städtchen ausrichten und zieht so die Aufmerksamkeit Redfields & Co. auf sich. Redfield will Roy zunächst nicht wirklich zum Feind haben und nimmt ihn in seine Bande auf. Dadurch lernt er die attraktive Jessica (Charo López, „Der Tiefstapler“) kennen, die von den Männern wie ein Stück Fleisch behandelt wird und um die sich zudem Lawrence und Newman erbittert streiten – mit tödlichen Folgen. Dies kommt Redfield jedoch nicht ungelegen, der nun den Gewinn aus seinen miesen Geschäften – statt Gold- schickt er Staub-Transporte los und lässt sie selbst überfallen – mit noch weniger Komplizen teilen muss. Klar, dass er letztlich auch Roy auf dem Kieker hat, doch dieser hat im schlauen Telegrafisten (Francisco Sanz, „Von Angesicht zu Angesicht“) einen unerwarteten Verbündeten…

Obgleich Florio relativ unbeleckt war, was das Genre betrifft, hat er sich doch deutlich die „richtigen“ Vorbilder ausgesucht und sich unschwer erkennbar an den Großen des Genres, vornehmlich Sergio Leone, orientiert. Seine weitestgehend humorlose Geschichte aus den alten Goldgräberzeiten handelt von einem Fremden, der in eine Siedlung kommt und die dortigen Verhältnisse kräftig aufmischt. Mit dem ehemaligen Stuntman und Fotomodell Fabio Testi wurde die Hauptrolle ungewöhnlich besetzt und trotz Drei-Tage-Bart fehlt es Testi für seine Rolle etwas an Schmutz und Verwegenheit, blitzt noch zu sehr der Schönling durch. Ansonsten versteht er es aber, seinem Charakter den nötigen Ausdruck zu verleihen und es kommt ihm entgegen, dass er hier weit weniger Letztlich-auch-Anti-Held ist als vergleichbare Rollen in ähnlichen Werken. Leiden muss jedoch auch er wie eine Art moderner Jesus, um schließlich sein Ziel zu erreichen. So erinnert die Handlung dann auch allgemein immer mal wieder an die christliche Mythologie mit ihrem vereinfachten Gut-Böse-Schema, weshalb den Charakteren die ansonsten oft genreimmanente Ambivalenz abgeht. Auch das Epische eines Leone wird man hier nicht finden, dafür bekommt man viel, nicht immer ganz stimmiges Pathos geboten – und zudem eine knackige Inszenierung ohne nennenswerte Überlänge.

Der Härtegrad des Films ist beachtlich und geht einher mit einer entsprechenden gedrückten Stimmung, einer gefahrumwitterten Aura: Unbewaffnete und Wehrlose werden blutig erschossen, Jessica wird vergewaltigt, Roy verprügelt und mit einem Axtstiel traktiert, ein anderer im Wasser gefoltert und mit einem Verräter seitens der eigentlich friedlichen Goldschürfer kurzer Prozess gemacht – was der Film irritierenderweise und wenig humanistisch ohne mit der Wimper zu zucken als folgerichtige Maßnahme hinstellt. Redfield und Konsorten blicken permanent angemessen finster aus der Wäsche – nein, von diesen Herren möchte man keine Gebrauchtkutsche kaufen. Charo López‘ Vergewaltigungsszenen sind grimmig und unangenehm ausgefallen und wenngleich sie blankzieht kein Sleazemittel zum Zweck. Die beliebte Nebenrolle des kauzigen, dem Fremden wohlgesonnenen Alten übernimmt hier Francisco Sanz als Telegrafist, als väterlicher, edler Senior überzeugt José Calvo. Der Großteil der Darstellerriege war bereits genreerfahren und das merkt man ihm auch an.

Ein großer Pluspunkt ist Florios Erzählweise: Die Hintergründe, was es mit Roy auf sich hat und woher er kommt, wer Emiliano war etc., erschließen sich nur langsam, nach und nach durch eingestreute Rückblenden, die den Film interessant machen. Und auch nach dem Showdown sind nicht alle Fragen abschließend geklärt, insbesondere der auf der Flucht verstorbene und an Roy gekettete Emiliano, dessen sterblicher Hülle Roy sich mit seinem Messer entledigen muss, bleibt irgendwie phantomhaft. Umso deutlicher wird indes die Kapitalismuskritik, die einmal mehr kein gutes Licht auf die Goldgräberstimmung und den US-amerikanischen Traum wirft, sondern im historischen Western-Sujet Ausbeutungsmaßnahmen im kleinen Rahmen nachzeichnet, die auch heute noch nicht ganz unähnlich im ganz Großen Anwendung finden.

Neben seiner Intelligenz ist eine besondere Eigenschaft des Helden wie üblich seine Schießfertigkeit, der einfach jedes Mal schneller zieht als seine Gegner und sich so sein Überleben sichert – einerseits ein typisches Genre-Element, andererseits schade, dass auch dieser Film nicht ohne auskommt und es sich somit auch ein bisschen einfach zu Ungunsten des Realismus macht. Bruno Nicolais musikalische Untermalung wiederum ist voll auf der Höhe und erinnert durchaus an kompositorische Meisterleistungen namhafter Kollegen. Schön diesmal auch die deutsche Titelgebung, die nicht nur herrlich reißerisch klingt, sondern in Anbetracht der staubbefüllten Goldbeutel sogar Sinn ergibt, Unterm Strich ist Florio ein empfehlenswerter, inszenatorisch und inhaltlich gewissen Ansprüchen folgender, möglicherweise nicht ganz auserzählter Italo-Western aus der zweiten Reihe gelungen, der in Anbetracht seiner Qualitäten zu Unrecht weitestgehend unbekannt ist und den es – ganz in Goldgräberstimmung – auszuschürfen und zu entdecken gilt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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In den Krallen der Venus

„Frauen können nicht leben ohne Männer!“

1950er-Jahre-Low-Budget-B-Science-Fiction war schon immer ein Tummelplatz kruder und gleichsam naiver Ideen, bizarrer Welten und skurriler Kreaturen. Meist gefährdeten diese das Wohl von Erdenbürgern, irdischen Astronauten oder gleich der ganzen Erde. Zeitgleich waren emanzipatorische Bestrebungen des weiblichen Teils der Bevölkerung noch rar gesät und die Gesellschaft patriarchalisch geprägt, starke Frauenrollen demnach in solchen Filmen eher Mangelware. Und gab es sie doch, wurden sie gern einmal zur handfesten Bedrohung, etwa wie in Richard E. Cunhas „Bestie des Grauens“. Einige Jahre zuvor jedoch schrieb der renommierte Drehbuchautor Ben Hecht auf zehn Seiten sich mit weiblichen Rollenklischees satirisch befassende Ideen für ein Drehbuch unter dem Titel „Queen of the Universe“ nieder. Jahre später landete das Sujet bei der Produktionsfirma „Allied Artists“, wo man es zu einem richtigen Drehbuch erweiterte und umschrieb und schließlich Regisseur Edward Bernds („Planet des Grauens“, „Raumrakete X-7“) mit der Umsetzung betraute. Das Kuriose: Irgendwo auf diesem langen Weg blieb der satirische Aspekt komplett auf der Strecke und machte „In den Krallen der Venus“ zum vermutlich frauenfeindlichsten Vertreter seiner Zunft.

„Wir sind doch keine Luftschifffahrt!“

Im Jahre 1985 sollen drei Astronauten (Eric Fleming, „Die Eroberung des Weltalls“, Dave Willock, „Die Rache des Ungeheuers“ und Patrick Waltz, „Land ohne Männer“) den Wissenschaftler Professor Konrad (Paul Birch, „...denn sie wissen nicht, was sie tun“) zu einer Raumstation eskortieren. Doch sie müssen mitansehen, wie diese von fremden Kräften zerstört wird und werden von einem Energiestrahl zur Venus geleitet. Diese entpuppt sich als nur von Frauen bewohnt, beherrscht von der männerfeindlichen Königin Yllana (Laurie Mitchell, „Bestie des Grauens“), die sich zudem von der Erde bedroht sieht und diese ebenso vernichten will, wie sie es mit der Raumstation tat. Unter ihren Untergebenen jedoch rumort es seit der Ankunft der prompt gefangengenommenen Erdenmänner, eine Revolution wird geplant…

„Hier gibt's ja nichts als Weiber!?“

In prächtigen Farben (damals noch kein Standard) bekommt man zunächst einmal hübsche Archivaufnahmen eines Raketenstarts zu Gesicht, bevor mittels netter Spezialeffekte die Raumstation von Strahlen zerstört und anschließend die Rakete – bzw. ein Miniaturmodell derselben – ebenfalls angegriffen und gen Venus entführt wird. Erst nach einer halben Ewigkeit setzt der Vorspann ein, aber was bedeutet schon Zeit in den endlosen Weiten des Alls? Angekommen auf der Venus wird diese flugs als selbige identifiziert, obwohl sie aussieht wie ein blühender Garten und damit ganz anders als erwartet. Die Besatzung, die sich dort prima ohne Sauerstoffgerät oder sonst Ausrüstung bewegen kann, rattert noch schnell herunter, wie der Planet nach damaligem Kenntnisstand eigentlich auszusehen gehabt hätte (der Film wollte sich anscheinend keinen allzu naiven Anstrich geben – was dennoch nicht gelang), da wird sie auch schon von bewaffneten jungen Damen in knappen Kleidern, die zudem ihre Sprache sprechen, gefangengenommen…

„Ich hasse sie alle!“ – „Ich glaub', die mögen keine Männer...“

Endlich lernt man die maskierte Königin Yllana kennen, bei der Erdenmenschen generell als kriegslüstern gelten, weshalb sie plant, den blauen Planeten mittels ihres Betastrahlenreaktors – der mehr nach bedrucktem Papp-Bastelset als nach Hochtechnologie aussieht – in seine Einzelteile zu zerlegen. Jedoch verfällt sie umgehend dem wackeren Astronauten Neal, wenngleich die Vertreter des männlichen Geschlechts unentwegt sexistische Sprüche klopfen und die Frauen keinen Meter für voll nehmen. Diese wiederum zeigen sich ebenfalls wenig überzeugt vom vorherrschenden Matriarchat: „Das größte Unglück begann, als wir Frauen die Macht übernahmen!“ Wie sich herausstellt, ist Yllana unter ihrer Maske schrecklich entstellt, woher ihr Männerhass schlussendlich rührt. Mithilfe von Aufrührerin Talleah (Skandalnudel Zsa Zsa Gabor, „Ball der Nationen“) und um sie gescharten Revolutionärerinnen versuchen die Herren zu fliehen, was Bernds zum Anlass für eine kleine Monsteraction-Einlage mit Riesenspinnen in einer Höhle nimmt, die verdächtig an „Bestie des Grauens“ erinnert. Doch all das hätte man sich sparen können, denn (Achtung, Spoiler!) die Erdzerstörungsmaschine ist ohnehin defekt und verbrennt spektakulär explosionsreich ausgerechnet die geschundene Yllana, sodass die Venus aus ihren fürchterlichen Krallen befreit werden und Bernds sein albernes Happy End montieren kann.

„Raumschiffe sind gefährlich! Was wenn es verloren geht dort oben? Oder platzt oder so was?“

„In den Krallen der Venus“ betreibt nicht nur verstärktes Kulissen- und Kostüm-Recycling, indem er die Garderobe aus „Alarm im Weltall“ sowie Sets, Modelle und Spezialeffekte aus „Planet des Grauens“ und „Flight to Mars“ wiederverwertet, er käut auch mittlerweile glücklicherweise zumindest in der westlichen Hemisphäre weitestgehend überwundene Geschlechterklischees bis zum Gehtnichtmehr wieder und überstrapaziert sie, bis man sich entweder vor Lachen nicht mehr halten kann oder aber es einem im Halse steckenbleibt. Auf der kunterbunten Venus, die nur aus Natur und dem Königspalast zu bestehen scheint, sind alle Frauen mehr oder weniger hübsch anzusehen und knutschen bereitwillig mit den männlichen Erdlingen herum, deren Charme sich selbst Yllana nicht entziehen kann – von der jedoch sind die Herren der Schöpfung aufgrund ihrer Entstellung wenig begeistert und die Kernaussage lautet im Prinzip: Wer Kritik am Patriarchat übt, muss hässlich und unbefriedigt sein. Wer sich hingegen unters Kommando der Männer begibt, hat gute Zukunftsaussichten und so setzt man alles daran, die alte Ordnung wiederherzustellen. Auf einen gesunden Mittelweg, so etwas Abgefahrenes wie Gleichberechtigung, kommt hier niemand. Nicht einmal mit viel Wohlwollen könnte man aus der Handlung eine ernstgemeinte Warnung vor Präventivschlägen (wie ihn Yllana zu planen vorgibt) oder Kritik an geschlechtsbezogener Sippenhaft herauslesen oder gar mutmaßen, der Film wolle vor einer Art Entsexualisierung warnen, die jede revolutionäre Gesellschaftsform zum Scheitern verurteilen würde. Wer irgendeine von Form von Fortschritt von einem Science-Fiction-Film erwartet, ist hier gänzlich falsch, bekommt dafür jedoch ein Kuriosum der Filmgeschichte geboten, das man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um es zu glauben. Ich schließe mit einem zugegebenermaßen aus dem Zusammenhang gerissenen weiteren Filmzitat: „Sie nennen das Zivilisation?“ – „Eigentlich nicht...“
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Ein Toter hing im Netz

„Diese verdammte Hitze! Man weiß ja gar nicht mehr, was man tut!“

Gegen Ende der 1950er kam der eine oder andere deutsche Produzent auf die Idee, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, den Amis nachzueifern und kostengünstige Horrorfilmchen nach Vorbild der Drive-in-B-Movies zu produzieren – stand damit jedoch i.d.R. ziemlich allein auf weiter Flur. Eines der wenigen Zeugnisse dieses Unterfangens ist Regisseur Fritz Böttgers dritter (und letzter) Film, „Ein Toter hing im Netz“ aus dem Jahre 1960 – ein echtes Kuriosum, denn diese deutsch-jugoslawische Koproduktion erweckt darüber hinaus den Eindruck einer Proto-Sexploitation, setzt er doch weniger auf Horror und Grusel als vielmehr auf dralle Bienen in Bikinis…

Manager Gary Webster (Alexander D'Arcy) hat in New York ein Casting für Tänzerinnen anberaumt, die für eine Revue in Singapur benötigt werden. Es kommt indes weniger auf tänzerisches Talent als auf das äußere Erscheinungsbild der Damen an; je sexier und zeigefreudiger, desto besser. Die fesche Babs (Barbara Valentin, „Die Insel der blutigen Plantage“), die gar nicht erst wirklich zu tanzen braucht, komplettiert den Reigen der acht Mädels, die schließlich den Flug nach Singapur antreten. Doch das Flugzeug stürzt über der Südsee ab. Glücklicherweise kann man sich komplett inkl. Gary und seinem Assistenten erst in ein Schlauchboot und anschließend auf eine einsame Insel retten. Doch der paradiesische Schein trügt, denn in einer Hütte entdeckt man den titelgebenden Toten: Professor Green hängt leblos in einem riesigen Spinnennetz. Er hatte große Uranvorkommen entdeckt (was man schnell aus dem Fund eines Hammers schließt…) und fiel einer offenbar unter dem Einfluss von Radioaktivität mutierten Riesenspinne zum Opfer. Diese bleibt zunächst von den Gestrandeten unentdeckt, doch als sich Gary allein auf Erkundungstour begibt, wird er von ihr gebissen und verwandelt sich in eine Art Werwolf, der es auf die Hupfdohlen abgesehen hat…

„Heute Nacht wird getanzt, dass die Fetzen fliegen!“

Nein, ein unheimlicher Horrorfilm ist „Ein toter hing im Netz“ ganz sicher nicht. Dafür sieht die Riesenspinne zu drollig aus und treibt’s Alexander D'Arcy unter seiner Monstermaske und mit seinen Klauenhandschuhen nicht toll genug, beschränkt er sich doch aufs wenig spektakuläre Erwürgen einer der Damen. Dementsprechend hat er auch relativ wenig Leinwandpräsenz, denn viel lieber setzt Böttger seine Mädels in Szene, angefangenen beim schlüpfrigen Casting über ihr vergnügtes Baden in einer Lagune bis zum Tanzen in Dessous bzw. im Bikini. Dazwischen oder auch währenddessen flirten sie mit den beiden Assistenten des verblichenen Professors, die in einer Nussschale angeschippert kamen – einer von ihnen niemand Geringerer als Synchron-Legende Rainer Brandt! –, liefern sich untereinander einen Zickenkrieg oder gar einen handfesten Catfight und hinterlassen allgemein den Eindruck, als sei ihnen der Ernst der Lage alles andere als bewusst.

Lange Zeit besteht der Film dann auch nur noch aus dialogfreien Tanzszenen und Geknutsche mit den Männern. Zwar läuft der gute Gary bzw. das, was aus ihm geworden ist, gern oberkörperfrei herum, die Damen geben sich in dieser Hinsicht jedoch trotz allem züchtiger – wenngleich Überlieferungen zufolge Böttger tatsächlich entblößte weibliche Oberweiten gedreht haben soll, die der Zensur und der damaligen Prüderie zum Opfer fielen. Und selbst, wenn dem nicht so sein sollte, spürt man deutlich, dass Böttger gewollt hätte, hätte man ihn nur gelassen. Mit Sicherheit hätte das den Film ein wenig interessanter gemacht, denn in der vorliegenden Fassung ist er insbesondere aus heutiger Sicht nicht mehr (aber auch nicht weniger) als ein wahnsinnig trashiger und alberner Möchtegern-Nackedei-Film mit viel Leerlauf, kaum Horror (Achtung, Spoiler: Mutanten-Gary entledigt man sich kurzerhand, indem man ihn ins Moor treibt), dafür vielen Einblicken in die Unterwäsche- und Bikinimode der Saison und einem wildgewordenen Bläser-Score – vor allem aber Ausdruck damaligen prüden Zeitgeists, in dem bereits genau diese Mischung skandalträchtig anmutete sowie der niedliche, unbeholfene Versuch eines frühen deutschen Nachkriegshorrorfilmchens, der an US-Low-Budget-Reißer anzuknüpfen versuchte und diese in Sachen Naivität locker überbot.
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Loft

„Die Apokalypse ist nah!“

1985 drehte der Deutsche Eckhart Schmidt („Der Fan“) einen weiteren grellen ‘80er-Film, der sich gleichermaßen an Versatzstücken aus dem Exploitation- und dem „Kunstfilm“ bedient, die er zu einem schwer genießbaren Rape’n’Revenge-Thriller zusammensetzte.

Irgendwann in einer nahen, nicht näher spezifizierten Zukunft tobt auf Deutschlands Straßen der Krieg, was die jungen Oberklasse-Schnösel Raoul (Andreas Jung, „Wie treu ist Nik?“) und seine Freundin Raphaela (Rebecca Winter) jedoch nicht abhält, eine Kunstausstellung in einem Loft aufzusuchen, wo neben diversen Gemälden auch angekettete nackte Frauen (u.a. Porno-Aktrice Sybille Rauch) zu bewundern sind. Raoul hat die fixe Idee, Raphaela an Ort und Stelle zu begatten, wovon sie wenig begeistert ist. Widerwillig lässt sie ihn schließlich im Archiv ran, wo sie jedoch unbemerkt beobachtet werden. Im Anschluss an den Geschlechtsakt finden sie sich plötzlich in einer lebensbedrohlichen Situation wieder: Die anderen Gäste sind verschwunden und die Künstler bedrohen und misshandeln das Paar zusammen mit weiteren Übeltätern. Doch Raoul und Raphaela beginnen schließlich, sich zu wehren…

„Wir sind im Krieg - ihr seid unsere Beute!“

Das Unglück nimmt seinen Lauf, als die weibliche Gewalttäterin (Catarina Raacke, „Der Rekord“) Raphaela auf dem Klo überfällt, sich mit ihr einschließt und sie mit einem Messer bedroht. Ihr Freund (Ralph Schicha, „Hölle der Gewalt“), der Künstler, verprügelt derweil Raoul. Ein malträtierter, humpelnder Typ stößt hinzu und macht Mut, doch Raphaela wird weiter misshandelt und nun sogar missbraucht, während ihr jetzt an ihrer Stelle auf Toilette eingeschlossener Freund durchs Lüftungsgitter tatenlos zusehen muss. Ein Kaputter, „Daddy“ genannt, liegt daneben und droht zu sterben. Raphaela gelingt die Flucht in den Fahrstuhl, doch dort trifft sie auf zwei weitere Peiniger. Raoul kann sich mithilfe einer Spiegelscherbe zur Wehr setzen, die er einem der Angreifer in den Hals rammt. Auch Raphaela geht nun zur aktiven Notwehr über und sticht einen der Täter ab, zerkratzt ihm das Gesicht und überschüttet ihn mit heißem Kaffee. Die Verbliebenen schwingen große, fast schon klassenkämpferische Reden und gehen gar dazu über, Gedichte aufzusagen. „Daddy“ erschießt aus Versehen die Komplizin, weil sie Raphaelas Kleid trug; ein anderer Künstler erinnert sich mitten im Kampf an sein musikalisches Talent und beginnt, „Für Elise“ zu spielen.

„Die Bilder schlagen zurück!“

Was all das überhaupt soll, erschließt sich wohl den wenigsten Zuschauern – schon gar nicht, als sich „Loft“ am Ende endgültig in Richtung Phantastik entwickelt und sich sowohl die Bilder als auch die Toten in Luft auflösen. Schmidts Beinahe-Kammerspiel wurde unterlegt mit einem nervigen repetitiven, monotonen Synthesizer-Soundtrack inkl. Kriegsgeballer-Hintergrundgeräuschen, gegen den indes wohlgemerkt das mitunter etwas hölzern Schauspiel der Darsteller wie die pure Lebensenergie wirkt. Rape’n’Revenge-Motive treffen auf harte und für die damalige Zeit grafisch verdammt explizite Gewalt- und Splatter-Spitzen und immerhin gelingen einige schöne Ausleuchtungen der Kulissen. Schmidt vorgeblicher Anspruch hingegen erscheint aufgesetzt: Es gehe um die Rache der Kunst an den Rezipienten bzw. Konsumenten, die kein aufrichtiges, echtes Interesse an ihr aufbringen und sie nicht genügend wertschätzen. Zugegeben, das klingt zunächst einmal nach einem interessanten Aufhänger und hehren Unterfangen. Dieser Tiefgang geht Schmidts Inszenierung jedoch weitestgehend ab, sie wirkt sperrig und billig zugleich, ohne das mit Erkenntnissen und Aha-Momenten seitens des Publikums kompensieren zu können. Dieses wird wohl in erster Linie Mitgefühl für das dann gar nicht mehr so verschnöselte Pärchen entwickeln und keinerlei gerechtfertigte Motive mehr seitens der Künstler bzw. Täter ausmachen, im Gegenteil: sie zur Hölle wünschen. Nicht nur insofern hat Schmidt seinen Anspruch verfehlt und dürfte es mit seinem bemühten Stück Terrorkunst weder der Exploitation- und schon gar nicht der Kunstfilm-Fraktion so wirklich recht machen. Und so häufig dies auch ein gutes Zeichen sein mag, so bestätigt ein Film wie „Loft“, dass dieser Umstand nicht grundsätzlich für verkannte Geheimtipps stehen muss… Für Freunde pervertierter ‘80er-Ästhetik zwischen Popper-vs.-Punks-, New-Wave- und Industrial-Schick evtl. einen Blick wert, ansonsten meines Erachtens vornehmlich als weiteres deutsches Film-Kuriosum und letztlich abschreckendes Beispiel für den unbedarften Umgang mit Exploitation-Elementen in Kombination mit verquasten Ambitionen zugleich zu betrachten.
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Oculus - Das Böse in dir

„Ich habe den Teufel gesehen.“

Seinen Kurzfilm „Oculus: Chapter 3 - The Man with the Plan“ baute US-Regisseur Mike Flanagan („Absentia“) mit „Oculus – Das Böse in dir“ im Jahre 2013 zu einem abendfüllenden Spielfilm aus – seinem bis dahin dritten. Die Mischung aus Psycho-Drama und Horrorfilm greift die beliebte und verbreitete Mystik auf, die häufig mit Spiegeln einhergeht, was Erinnerungen an „Into the Mirror“ bzw. dessen Remake „Mirrors“, an „Candyman“ oder auch „Amityville – A New Generation“ weckt.

Der junge Erwachsene Tim (Brenton Thwaites, „Son of a Gun“), der als Kind (Garrett Ryan, „Dark House“) seinen Vater (Rory Cochrane, „Public Enemies“) erschossen hatte, wird aus der Nervenheilanstalt als geheilt entlassen. Er trifft seine Schwester Kaylie (Karen Gillan, „Guardians of the Galaxy“) wieder, die jedoch der festen Überzeugung ist, Tim habe sich damals überhaupt nichts eingebildet, sondern es sei Realität gewesen: Ein antiker Spiegel habe den Spuk verursacht, der ihre Eltern in den Wahnsinn und schließlich in den Tod trieb. Sie ersteigert das alte Stück und will mittels minutiös geplanten Videobeweisen dessen übernatürliche Kräfte belegen und ihn schließlich zerstören. Auch an die eigene Sicherheit hat sie gedacht und nichts dem Zufall überlassen. Noch versucht Tim sie davon überzeugen, einem psychopathologischen, traumabedingten Irrglauben aufzusitzen, doch bald kommen ihm Zweifel – sollte seine Schwester doch Recht haben?

„Du bist sicher hungrig...“

So ein zerbrochener Spiegel soll ja sieben Jahre Unglück bringen, ein intakter jedoch kann noch wesentlich unheilbringender sein – oder ist alles nur Einbildung? Um diese Frage dreht sich Flanagans Film lange Zeit. Im Prolog lässt er Tim seinem Psychotherapeuten (Miguel Sandoval, „Straight to Hell“) von seinen bösen Träumen erzählen, bevor er entlassen wird. Nachdem Kaylie den Spiegel ersteigert hat, montiert Flanagan die erste Rückblende, die elf Jahre zuvor angesiedelt wurde und den Auftakt für viele weitere Zeitsprünge darstellt. Kaylie filmt sich, während sie die Historie des Spiegels aufrollt und von den mysteriösen Toden seiner Vorbesitzer berichtet. Schließlich erfährt der Zuschauer auch, dass der Vater der Geschwister als Mörder seiner Frau (Katee Sackhoff, „Halloween: Resurrection“) gilt, doch Kaylie glaubt, der Spiegel sei schuld. Immer mehr Details einer Familientragödie kommen ans Licht: Der Vater hat die Mutter gefoltert und getötet und Tim ihn daraufhin erschossen, woraufhin Tim in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Nun will Kaylie den Spiegel also herausfordern, um die Familienehre wiederherzustellen und hat eine Mechanik gebastelt, die in der Lage sein soll, ihn zu zerstören. Bis dahin ist‘s jedoch noch ein weiter Weg, denn immer wieder werden Rückblenden parallel zu den Ereignissen der Gegenwart integriert.

Und diese haben es durchaus in sich: War „Oculus – Das Böse in dir“ lange Zeit vornehmlich mehr Psycho-Drama denn Horrorfilm, vermengen sich in den verbildlichten Erinnerungen nun die böse Atmosphäre dem Grauen ohnmächtig gegenüberstehender, traumatisierter Kinder mit einigen sparsam eingesetzten unappetitlichen Gewaltspitzen (wobei zum Fiesesten sicherlich gehört, wie sich der Vater in einem Anfall von Selbstverstümmelung einen Fingernagel herausreißt) und morbider Maskenkunst, so dass man recht deutlich und detailliert zu sehen bekommt, wovon anfänglich lediglich viel geredet wurde. Parallelen zu Filmen wie „The Amityville Horror“ oder „Shining“ drängen sich auf, sind jedoch kein bloßes Plagiat. Flanagan versteht es hier, mit Spannung und Suspense zielführend und effektiv zu arbeiten und verlässt sich keinesfalls auf blutige Szenen, die hier lediglich die zweite Geige spielen. Die soliden darstellerischen Leistungen der überwiegend jungen Schauspieler tragen ihren Teil dazu bei.

Es läuft letztendlich darauf hinaus, dass (Achtung, Spoiler!) auch Kaylie und Tim allen Vorkehrungen zum Trotz die Kontrolle verlieren – denn dass der Einrichtungsgegenstand verdammt sinister ist, stellt Flanagans Film allerspätestens dann klar, als es auch in der Gegenwart zu Todesfällen kommt. Wie er beide Zeitebenen immer stärker miteinander vermischt, ist einerseits eine durchaus interessante Versinnbildlichung des surrealen Paranormalen und Ausdruck von Kontrollverlust und Wahnsinn der Opfer, wird andererseits aber leider etwas übertrieben. Man hätte besser daran getan, schneller auf den Punkt zu kommen, denn neue Erkenntnisse ergeben sich nicht mehr: Dafür, dass keinerlei Informationen zum Ursprung der Macht des Spiegels geliefert werden, erscheint der Film zu lang. Diese Art der Entmystifizierung hat er jedoch ebenso wenig nötig wie eine Katharsis oder ein Happy End, so dass letztlich trotz etwas unausgegorenen Timings und einer sich gegen Ende überschlagenden Erzählstruktur der positive Gesamteindruck überwiegt – was sich bei mir als abergläubischem Freund von Spiegelgeschichten in 7 von 10 Punkten wider-, äh, -spiegelt.
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