bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Ich bin neugierig – gelb
Lena, ein junges, blondes Mädchen aus Schweden, emanzipiert sich! Sie ist es leid, Nachrichten einfach nur hinzunehmen und stellt Fragen. Bewaffnet mit einem Mikrofon stellt sie berühmten und unbekannten Menschen unangenehme Fragen. Zeitgleich ist sie auf der Suche nach ihrer Sexualität und geht so den Weg ihrer persönlichen Emanzipation!
„Ich wollte zu Lena, wo ist sie denn?“ – „In Småland!“ (die kleine Lena möchte aus dem Bällebad abgeholt werden)

Nach „491“ und „Geschwisterbett“ gelang dem schwedischen Filmemacher und ehemaligen Ingmar-Bergman-Schüler Vilgot Sjöman im Jahre 1967 mit „Ich bin neugierig – gelb“ sein vielleicht größter Coup. Der für seine aufgrund ihrer für die damalige Zeit sexuellen Freizügigkeit provokanten Filme bekannte Regisseur drehte zusammen mit seiner Hauptdarstellerin Lena Nyman (mit der er erstmals für „491“ zusammenarbeitete) einen semidokumentarischen Film, der sich schwerlich einem konkreten Genre zuordnen lässt, aber sowohl in politischer als auch in sexueller Hinsicht schweres Konfliktpotential barg.

Die junge Studentin Lena Nyman unterhält eine übers Platonische hinausgehende Beziehung zum Filmemacher Vilgot Sjöman und sammelt in ihrem Zimmer der gemeinsamen Wohnung mit ihrem Vater, das sie selbst „Nymans Institut“ nennt, in alphabetisch sortierten Kisten jede Menge Presseartikel, Fotos, Flugblätter etc. sowie Tondokumente, die sie mit Mikrofon und Rekorder ausgestattet auf der Straße, in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen aufzeichnet, wenn sie ihrer Neugierde und ihrer Unzufriedenheit mit der politischen Situation ihres Landes Ausdruck verleihen möchte, indem sie den unterschiedlichsten Menschen die verschiedensten unbequemen Fragen stellt. Zu ihrem Vater hat sie ein gespaltenes Verhältnis, da dieser im spanischen Bürgerkrieg als Kämpfer gegen den Faschismus desertierte. Um ihn zu verhöhnen, hat sie sich ein Porträtfoto Francos sowie eine Tafel ins Zimmer gehängt, auf der sie die Tage seit der Desertation ihres Vaters zählt. Lena beteiligt sich an Demonstrationen und Agitationen für ihre politischen Überzeugungen. Als sie den Boutique-Angestellten Börje (Börje Ahlstedt) kennenlernt, beginnt sie eine Affäre mit ihm, ohne zu wissen, dass er mit ihr seine Frau betrügt, mit der er ein Kind hat. Lena reagiert verärgert, sucht die Abgeschiedenheit, wird jedoch von Börje eingeholt. Sie erfährt, dass sie nicht die einzige ist, mit der er seine Frau betrügt…

Sjömans erneut noch in Schwarzweiß gedrehter Film lässt mit etwas gutem Willen zwar durchaus so etwas wie einen roten Faden erkennen, pfeift aber ansonsten auf narrative Konvention, was u.a. zugunsten einer anfänglich irritierenden Meta-Ebene geschieht – denn „Ich bin neugierig – gelb“ (i.d.R. im Doppelpack mit „Ich bin neugierig – blau“ anzutreffen, wobei die Farbangaben Bezug auf die schwedische Flagge nehmen) verwischt nicht nur bewusst die Grenzen zwischen dokumentarischem, gespieltem und rein fiktivem Material, sondern handelt auch vom Filmdrehen selbst, entrückt sowohl seine Schauspieler als auch das Filmteam inkl. Sjöman höchstselbst und somit auch den Zuschauer der Handlung, indem vermeintliches Hinter-den-Kulissen-Material einfließt. De facto wurde viel improvisiert, lediglich mit groben Skizzen gearbeitet und Sjömans Faszination für seinerzeit neues Kino gerade auch anderer europäischer Herkunft ungezügelten Lauf gelassen. So stellen zu Beginn Stimmen aus dem Off Lena und Sjöman vor. Eine andere Stimme aus dem Off entpuppt sich als die Sjömans, der von seiner Zusammenarbeit mit Lena berichtet, Bergman zitiert und „491“ erwähnt.

Im ersten Interview-Abschnitt konfrontiert Lena ihre Mitmenschen mit Fragen nach einer schwedischen Klassengesellschaft und es ist erschreckend, wie viele deren Existenz nicht erkennen oder leugnen. Nachdem man ihr ein Interview mit Martin Luther King zeigte, geht es um die Themen Gewaltfreiheit und die damals neue Option der Kriegsdienstverweigerung. Im Gespräch mit einer Freundin schwenkt das Gespräch urplötzlich um zum Thema Selbstbefriedigung. Im Anschluss wird die konservative und bürgerliche Presse aufs Korn genommen. Spanien-Touristen werden von Lena damit konfrontiert, in eine Diktatur zu reisen. Unterbrochen werden diese Szenen von privaten Momenten Lenas, die das Verhältnis zu ihrem Vater verdeutlichen. Dieser ist es auch, der Börje mit in die gemeinsame Wohnung bringt, den sich Lena sehr bald schnappt und provokant-offensichtlich mit auf ihr Zimmer nimmt – was nach rund 40 Minuten den eigentlich Startschuss für die sexuelle Komponente des Films bedeutet. Die mit damals schon schwedischer Selbstverständlichkeit integrierten, natürlichen Nacktszenen werden verquickt mit umso skandalträchtigerem spontanem Sex zwischen zwei Menschen, die sich kaum kennen. Sjöman setzt noch einen drauf und lässt die beiden in der Öffentlichkeit vor den Augen eines Bewachers des Parlaments kopulieren. Nicht minder skandalös dürfte aufgefasst worden sein, dass sich Lena mit Börjes Opa auf respektlose Weise unterhält, der für das Gespräch in die Rolle des schwedischen Königs geschlüpft ist. Vergleichsweise harmlos muten die Dialoge mit dem späteren Ministerpräsidenten und Attentatsopfer Olof Palme an. Kurz widmet sich Sjöman auch Börjes Familie, verleiht dieser somit ein Gesicht. Lena beteiligt sich derweil an Anti-Vietnam-Kriegs-Demonstrationen und spricht kritisch mit russischen Kommunisten über Stalin. Kurz darauf erfährt der Zuschauer, dass Lenas Mutter weg ist und Lena von Börjes Familie, was sie in helle Aufregung versetzt. Sie beobachtet Übungen zur Gewaltfreiheit und flieht nach Småland, wo sie oben ohne auf einer Wiese meditiert, gefolgt von reichlich selbstzweckhaften Nacktszenen im Garten. Dem Auftauchen Börjes folgen Szenen des „ganz normalen“ Liebeswahnsinns, Momente voller Zärtlichkeit treffen auf weitere freizügige und abenteuerliche Sexszenen (im Baumwipfel einer Eiche…), wiederum dicht gefolgt von Enttäuschung, Wut und Hass, Rache- und Exekutionsphantasien. Und zwischendurch gibt’s ‘ne Umweltsauerei, wenn Börje sein Auto im Fluss wäscht, doch weitaus kontroverser wurden die Bilder aufgefasst, in denen Lena vorsichtig das Geschlechtsorgan ihres Freunds zu liebkosen andeutet, woraus moralistische und sexualfeindliche Kreise Fellatio zu erkennen dachten, als die eigene schmutzige Phantasie mit ihnen durchging. Schließlich möchte Martin Luther King mit ihr reden (mehr oder weniger geschickt eingeschnittenes Archivmaterial) und beteiligt sie sich an der herrlich zynischen Agit-Prop-Aktion einer Spendensammlung für die Atombombe. Ein Streit am Filmset zerstört die Illusion von Authentizität in Bezug auf Lena und Börje, sie beschimpft ihren Vater als Feigling und verwüstet ihr Zimmer und da sie sich die Krätze eingefangen hat, muss sie für die Behandlung noch einmal blankziehen. Am Ende macht sich dann Sjöman an eine neue Schauspielschülerin heran…

Soweit in ungewohnter Ausführlich- und trotzdem Unvollständigkeit zur sprunghaften Handlung des dadurch nicht unbedingt leicht konsumierbaren Films, dem es gelang, dank seiner aus heutiger Sicht unspektakulären Nackt- und Sexszenen und seiner daraus resultierenden Zensurgeschichte Unmengen an Zuschauern ins Kino zu locken und mit soziokulturellen und politischen Fragen zu konfrontieren. Die Verzahnung von gesellschaftlichen und politischen Fragen mit Sexualität ist ein typisches Kind ihrer Zeit, als die sog. ‘68er die sexuelle Befreiung vorantrieben und ebenso zum Politikum machten wie moralische Instanzen jeden Vorfall vermeintlicher Unzucht, Obszönität etc. Doch ebenso wie es heutzutage befremdlich wirkt, Polit-Magazine jener Ära mit nackten Tatsachen auf dem Titelblatt zu erblicken, die jedem Softporno-Blättchen zur Ehre gereichen, so inkohärent erscheint ein Film wie „Ich bin neugierig – gelb“ vor allem sicherlich für jene, die die damalige Zeit nicht miterlebt haben. Zweifelsohne ist Sjömans Film ein wertvolles Zeitdokument, das nicht nur davon zeugt, wie die persönliche sexuelle Befreiung nicht selten einherging mit der Infragestellung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Konventionen und einem allgemeinen Freiheitsdrang. Der Film irritiert gerade auch deshalb, weil viele der angesprochenen Themen noch immer hochaktuell scheinen, während die sexuelle Revolution zu großen Teilen abgeschlossen scheint. Vor diesem Hintergrund wirken die politisch relevanten Themen neben Lenas exemplarischen Körperlichkeitserkundungen beinahe stiefmütterlich behandelt, nur oberflächlich angerissen, von teils erfrischender, teils entlarvender Naivität. Dies mag exakt so gewollt gewesen sein, schließlich war Sjöman trotz seiner überlieferten Identifikation mit dem revolutionären Geist jener Ära durchaus der Selbstreflektion und -ironie fähig, doch dürfen sowohl die Brisanz als auch der Unterhaltungsfaktor dieser Herangehensweise angezweifelt werden – was bleibt ist ein absichtlich tendenziös und verfälscht zusammengeschnittenes semidokumentarisches Dokument von kaum empirischem Wert. Und wie sich im Anschluss an die sexuelle Revolution herausstellte, wurde diese auch gern als Deckmantel für knallharten Sexismus, Missbrauch Schutzbefohlener etc. missbraucht, woran unschöne Erinnerungen wach werden, wenn man Sjöman sich hier an seine Schauspielerinnen heranmachen sieht – womit ich ihm allerdings keinesfalls etwas unterstellen möchte.

Dass er sich seiner – interessanterweise je nach Staat unterschiedlich gewichtet in Bezug auf den sexuellen oder politischen Zündstoff des Films – Skandale provozierenden Wirkung seines Films sehr bewusst war, darauf deuten bereits Verulkungen der Filmzensur hin, die Bestandteil des fertigen Films sind. Ob er allerdings geahnt hatte, mit seinem Werk die sexuelle Revolution auf der Leinwand derart voranzutreiben, sei einmal dahingestellt. Fakt ist, dass die behördliche Auseinandersetzung mit „Ich bin neugierig – gelb“ dazu zwang, vorhandene Regularien und Gesetze infrage zu stellen und Präzedenzfälle schuf, Exempel statuierte – und die Tür für zahlreiche folgende Filmschaffende weit aufstieß. Die filmhistorische Bedeutung ist also gar nicht hoch genug einzuschätzen. Alles andere als alltäglich dürfte auch der Mut zur unbeschwerten Nacktheit seiner Hauptdarsteller gewesen sein (Börjes Freizügigkeit als Mann war übrigens ein schwedisches Novum und dort ein weit größerer Skandal als Lenas Treiben), die durch ihre Natürlichkeit trotz mitunter voyeuristischer Kameraführung tatsächlich und absichtlich nur bedingt für einen Erotikfaktor sorgen – wobei dieser natürlich überaus subjektiv empfunden wird. Von der gewohnten Ästhetik auf Sex und Erotik gebürsteter Filme und der damit oft einhergehenden Künstlichkeit sind sie jedenfalls meilenweit entfernt.

Nun würde es aber schlicht an Selbstverleugnung grenzen, würde ich behaupten, „Ich bin neugierig – gelb“ genossen zu haben wie einen gut gealterten Klassiker, denn das ist er nicht. Er ist alles andere als zeitlos, sondern seiner Machart und seinen Inhalten geschuldet eng mit seiner Entstehungszeit verknüpft und trotz eines gewissen spitzbübischen Charmes kein Stück für Liebhaber des Kinos, sondern vielmehr als soziokulturelles Dokument zu filmhistorischen und gesellschaftlichen Forschungszwecken o.ä. interessant. Von dieser Warte habe ich den Film betrachtet und freue mich, mit meiner chronologischen Aufarbeitung der spannenden Geschichte des erotischen Kinos mittlerweile im Jahre 1967 angelangt, auf die ersten Versuche, bewusst erotisches Kino unter Auslotung der von schwedischen Freizügigkeitspionieren wie Bergman, Sjöman & Co. sowie Genre-Regisseuren wie Jess Franco gesprengten Grenzen zu schaffen, dem es gelingt, einen inhaltlichen und/oder ästhetischen Anspruch zu wahren und prächtig als Unterhaltungsfilm zu funktionieren – ahne aber, dass es bis dahin noch ein weiterer Weg sein wird.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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I Want You Dead, Uncle Sam
Jody liebt seinen Onkel und verehrt ihn abgöttisch. Als der Leichnam seines Onkels in seine Heimatstadt überführt wird, ist er der einzige, der unsagbare Trauer empfindet. Niemand in der ganzen Stadt war so gehasst und gefürchtet wie der Verblichene. Durch die große Verehrung und Bewunderung erweckt der Junge völlig ahnungslos den verstümmelten Leichnam zu neuem Leben. Als "Onkel Sam" verkleidet, zieht er eine blutige Spur durch die Stadt und nimmt am "Independence Day" grausame Rache an seinen Feinden. Jody ist gezwungen, der brutalen Wahrheit über seinen Onkel ins Auge zu sehen und er steht vor der unwiderruflichen Entscheidung, denn es geht um Leben und Tod. (Covertext)
„Habt keine Angst, es ist ja nur Friendly Fire!“

Der US-Horrorfilm „I Want You Dead, Uncle Sam“ aus dem Jahre 1996 ist Regisseur William Lustigs bis dato letzter Spielfilm. Lustig erlangte in Genrefilm-Kreisen Kult-Status mit seinem Serienkiller-Meisterwerk „Maniac“ und sorgte mit Filmen wie „Streetfighters“ oder der „Maniac Cop“-Reihe für weiteres Aufsehen. Sein vorliegender Film ist eine Art Zombie-Slasher karikierender Ausrichtung.

Sam (David 'Shark' Fralick, „The Unknown“), der Onkel des kleinen Jody (Christopher Ogden, „SLC Punk“), fiel im ersten Krieg der USA gegen den Irak durch Schüsse aus den eigenen Reihen, sog. Friendly Fire. Für Jody ist der als brutaler Despot gegolten habende Mann ein Kriegsheld, den er entsprechend verehrt und um ihn trauert, als sein Leichnam in seine Heimatstadt überführt wird. Was niemand ahnt: Der Verblichene erwacht zu neuem Leben und macht im Uncle-Sam-Kostüm gnadenlos Jagd auf die den Unabhängigkeitstag feiernden Kleinstadt-Bewohner…

Nach dem in Kuwait spielenden Prolog wird die Handlung in die typische US-Kleinstadt, die schon Schauplatz so vieler Horrorstreifen war, verlegt. Und während man bei früheren Lustig-Filmen wie „Streetfighters“ oder „Maniac Cop“ noch durchaus zweifeln konnte, was genau der Subtext nun eigentlich ausdrücken will, liegt die Intention Lustigs und seines Drehbuchautors Larry Cohen („Die Wiege des Bösen“) hier auf der Hand: Der kleine Jody steht stellvertretend für die naiven US-amerikanischen Vorstellungen von Krieg und vermeintlichem Heldentum, ist Opfer von Kriegspropaganda und chauvinistischem Hurra-Patriotismus. Mahnende Worte stammen von einem Kriegsveteran, der die Schrecken des Kriegs am eigenen Leib erlebt hat und weit davon entfernt ist, ihn zu glorifizieren. Schmerzlich muss Jody erfahren, was es bedeutet, wenn der Krieg heimgeholt wird und Terror und Totschlag um ihn herum zu wüten beginnen. Geschieht der erste Mord noch im Off, wird es zunehmend expliziter. Lustig setzt auf eine starke Symbolsprache, wenn er den untoten Sam im Uncle-Sam-Kostüm metzeln lässt und nicht nur dieses uramerikanische Identifikationsmerkmal durch den blutigen Kakao zieht.

Der eigentliche Horroranteil des Streifens war 1996 natürlich längst nicht mehr sonderlich originell und Lustig hält sich auch gar nicht erst lange mit irgendwelchen Erklärungsversuchen auf. Manch Charakter hätte dann aber doch gern etwas mehr an Hintergrundinformation vertragen können; beispielsweise wird nie richtig klar, was mit dem Jungen im Rollstuhl geschehen ist. Ohne zu sehr ins Komödiantische abzudriften, gelingt es Lustig und Cohen aber, eine exploitative Parabel auf die gesellschaftlichen Befindlichkeiten vor dem Hintergrund kriegerischer US-Aggression zu schaffen, die mit Kurzweil, viel Augenzwinkern und handgemachter Masken- und Spezialeffekt-Arbeit den Genrefan gut unterhält und die eine oder andere spektakuläre Szene zu bieten hat (Stichwort Feuerwerk...). Ob ich nun so weit gehen würde, das Kanonenfeuer auf Sam, bei dem ein ganzes Haus abgefackelt wird, als Seitenhieb auf „Kollateralschäden“ zu interpretieren, sei einmal dahingestellt, ein hübsch infernalisches Finale ist’s aber allemal. Für meinen (zugegebenerweise mitunter als etwas fragwürdig empfundenen) Geschmack reiht sich der Lucio Fulci gewidmete „I Want You Dead, Uncle Sam“ in jene US-Genrefilme ein, die in den 1990ern weit davon entfernt waren, ähnlichen Kultstatus zu erlangen wie die zehn oder 20 Jahre älteren Vorbilder, aber neben einer soliden Inszenierung über genügend Köpfchen verfügen, um sich von billigst heruntergekurbelter Videothekenware wohltuend abzugrenzen.
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Das Wunder der Liebe
Oswalt Kolle, der schon in Zeitungsartikeln und Büchern über die Sexualität der Deutschen schrieb, hat mit "Das Wunder der Liebe" seinen ersten Aufklärungsfilm inszeniert. Zuerst geht er in einer kurzen Diskussionsrunde auf das Thema ein, danach verdeutlicht er die sexuellen Probleme von Ehepaaren in zwei Episoden. In der ersten Episode geht es um ein frisch verheiratetes Paar, in der zweiten Episode um ein Paar welches bereits sechs Jahre verheiratet ist und somit gerade das "verflixte siebte Ehejahr" durchlebt. Oswalt Kolle steht dabei, mit seinen Kommentaren, den Zuschauern stets zur Seite.
„Damit dieser Film jedem verständlich wird, musste ich mehr Sexualität in die Szene bringen, als es bisher im Film üblich war.“

Um die sexuelle Aufklärung war es bis weit in die 1960er hinein in der BRD nicht sonderlich gut bestellt. 1967 war es dann soweit und mit „Helga - Vom Werden des menschlichen Lebens“ wurde ein Aufklärungsfilm vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben, der vor allem dadurch Aufsehen erregte, dass eine Geburt in voller „Pracht“ gezeigt wurde. Journalist Oswalt Kolle publizierte derweil in der Illustrierten „Neue Revue“ seine Aufklärungsreihe „Das Wunder der Liebe“ und machte sich damit nicht nur bei den Zensurbehörden, sondern vor allem bei einer Vielzahl Leser einen Namen. Im gleichen Jahr erschien der erste von acht Aufklärungsfilmen Kolles unter demselben Namen, als Regisseur engagierte man Franz Josef Gottlieb („Zärtlich, aber frech wie Oskar“). Die Zensur untersagte ihm, in Farbe zu drehen, um sich von Pornographie abzugrenzen und setzte zudem den Zusatztitel „Sexualität in der Ehe“ durch, um bloß nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, Sexualität könne auch außerhalb einer ehelichen Gemeinschaft stattfinden.

„Es ist ja nicht damit getan, dass jemand eine Geige hat. Es kommt darauf an, wie er sie spielt.“

Kolle eröffnet seinen Film betont sachlich und trocken, während er in den Illustrierten blättert, die seine Abhandlungen gedruckt haben. Es folgt eine Talkrunde mit den rauchenden wissenschaftlichen Beratern Prof. Dr. Dr. Hans Giese und Prof. Dr. W. Hochheimer, was ein bisschen wie eine Parodie von Loriot wirkt. Nach einer knappen Viertelstunde geht es dann endlich mit gespielten Sequenzen los und man widmet sich Fehlern in der Kindererziehung: Unterdrückung der kindlichen Neugierde in Bezug auf die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, die Vermittlung falscher Männlichkeitsideale, die Verteufelung von Selbstbefriedigung, die aufgrund nie erfolgter Aufklärung als erschreckendes Ereignis aufgefasste erste Menstruation. Etwas aus der Reihe fällt da eine Exhibitionistenattacke, die den Höhepunkt unfreiwilliger Komik dieser gestellten Szenen darstellt. Ferner wird die Doppelmoral in Bezug auf häufiger wechselnde Sexualpartner aufgegriffen und ein vermeintlicher Nachhilfeunterricht zwischen zwei jugendlichen Schülern entpuppt sich als Vorwand für ganz etwas anderes.

Nach dem Weg über Kindheit und Jugend kommt Kolle zum Kernstück seines Films und zeigt zwei längere, zusammenhängende Episoden inklusive nun mehr oder weniger offener Nacktheit, von denen die erste von einem frisch vermählten Paar handelt. Die Frau findet keine Befriedigung, da der Mann egoistisch auf die schnelle Auslebung seines eigenen Sexualtriebs fixiert ist. Das mitunter laienhaft und verschämt anmutende Schauspiel ist erneut von unfreiwilliger Komik und stellt das Kennenlernen der beiden nach, das mit Musik unterlegt wird. Offenbar wird versucht, tatsächlich so etwas wie eine erotische Atmosphäre auf die Leinwand zu transportieren und den dokumentarischen Pfad zu verlassen. Wenn auch die meisten Vorwürfe gegen Kolle selbstverständlich Quatsch waren, kann ich nachempfinden, dass er sich hierfür der Selbstzweckhaftigkeit verdächtig machte. Der erste Sex jenes Paars entpuppt sich dann als handfeste Vergewaltigung, ohne dass sie als solche bezeichnet würde oder der Kommentar näher darauf einginge. In der filmischen Gegenwart verarbeitet das Paar diese Erfahrung nachträglich und dröselt seine gesamte Sexualität auf, in deren Rahmen weitere Rückblenden Verwendung finden. Ab einem späteren Zeitpunkt kommentiert Kolle wieder aus dem Off und dank des sich Bewusstwerdens der Bedürfnisse des jeweiligen Partners bewendet sich alles zum Guten.

Die nächste Episode beginnt damit, dass die Kinder der Familie das gute alte DDR-Sandmännchen gucken. Ob das ein Seitenhieb Kolles auf den verglichen mit der DDR in Aufklärungsfragen peinlich rückständigen Westen war? Wie auch immer, der Familienvater hat jedenfalls nur noch seine Arbeit im Kopf und vernachlässigt seine Frau gerade auch in sexueller Hinsicht, weshalb sie Gefahr läuft, ihn zu betrügen. Überblendungen versinnbildlichen ihre Fantasien während der Selbstbefriedigung – erstmals agieren Kamera und Schnitt richtiggehend künstlerisch und versuchen sich merklich wieder an der Erzeugung erotischer Stimmung, den engen Rahmen sachlicher Aufklärung deutlich sprengend, so auch in späteren ausgewalzten Erotikszenen. Kolles Aussage, dass man durch ein offenes Miteinander, durch das Thematisieren von Problemen und Befindlichkeiten zahlreiche Eheprobleme bewältigen könne, erscheint trivial, musste in Zeiten der Tabuisierung der Sexualität aber anscheinend ausgesprochen werden und hat vielleicht wirklich neuen Pepp in manch „eingeschlafene“ Ehe gebracht.

Kolle schließt seinen Film mit geradezu mahnenden Worten und das war er dann – der erste nichtstaatliche deutsche Aufklärungsfilm, noch getriezt von der Zensur, einen etwas abenteuerlichen Spagat zwischen wissenschaftlicher Sachlichkeit und trotz aller nackter Tatsachen eher verklemmten denn offenen Erotik wagend, offensichtlich diverse Zugeständnisse machend, nicht nur deshalb aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch – wobei letzteres vor allem auch dem Umstand gilt, dass derlei Filme überhaupt notwendig waren und sich die bundesdeutsche Gesellschaft so lange hat unter die Knute heuchlerischer Pseudomoral drängen lassen. Quasi alles, was Kolle in „Das Wunder der Liebe“ ansprach, ist richtig und heutiges Allgemeinwissen und somit kann ich dem Film weder guten Willen, noch inhaltliche Relevanz absprechen. Zudem traf er den Nerv seiner Zeit und avancierte zu einem vollen Erfolg, zum Missfallen moralistischer Kreise, die ihn selbstredend verächtlich beäugten. Filmhistorisch ist er ohnehin und nicht nur im (semi-)dokumentarischen Kontext von Interesse, denn gerade diese Art von Filmen war es schließlich auch, die die sexuelle Revolution auf der Leinwand weiter vorantrieben und einen Pseudo-Reportagenstil zu etablieren halfen, der sich bis heute gerade im eindeutig nichtwissenschaftlichen Erotik-Bereich exploitativer Ausschlachtung und damit einhergehend gewisser Beliebtheit erfreut.
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Hydra – Verschollen in Galaxis 4
Nachdem eine Crew von Astronauten in Richtung Venus gestartet ist, wird die Erde von einer Wasserstoffbombenexplosion zerstört. Nunmehr ist es die Aufgabe der Überlebenden, einen Planeten zu finden, auf dem sie eine neue Zivilisation aufbauen können...
„Es hat auch Vorteile, Frauen an Bord zu haben!“ – „Ja, freilich! Vielleicht zum Sockenwaschen!“

Die Entstehungsgeschichte des US-Science-Fiction-Heulers „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“ ist eine alles andere als glücklich verlaufene und datiert eigentlich auf das Jahr 1967, in dem der Großteil des Drehs stattfand. Erst 1972 jedoch wurde der Film mehr schlecht als recht fertiggestellt; Improvisationstalent war gefragt, denn die Originalbesetzung stand nicht mehr zur Verfügung. Als Regisseure werden Harry Hope und Lee Sholem angegeben. Hopes weitere Filmographie beschränkt sich auf den 1987 veröffentlichten Film „Hateman ...aus Hass geboren“, Sholem kann immerhin auf Kuriositäten wie „Superman and the Mole-Men“ und „Cannibal Attack“ verweisen und hat ansonsten verstärkt an TV-Serien mitgewirkt.

Da die Chinesen eine gigantische Wasserstoffbombe entwickelt haben und anscheinend nicht zögern, sie auch einzusetzen, wird kurzfristig im Zuge einer bemannten Raumfahrt zur Venus umdisponiert: Die US-Regierung zieht drei männliche Wissenschaftler wieder ab und ersetzt diese durch drei weibliche Passagiere: Lieutenant Katie Carlson (Lori Scott), Dr. Marion Turner (Ruta Lee) und die Russin Major Georgianna Bronski (Mala Powers). Kommandant Colonel Price (Denny Miller) muss sich dem wohl oder übel fügen. Kurz nachdem die Mission gestartet ist, wird der Grund für diese Maßnahme deutlich: Mit Zündung der Bombe haben die Chinesen eine Kettenreaktion ausgelöst, die kurzerhand Mutter Erde für immer auslöscht. Die Raumfahrer und Raumfahrerinnen sind nun die letzten Überlebenden der menschlichen Zivilisationen und angehalten, im All neuen Lebensraum zu finden, um sich dort niederzulassen und fleißig zu vermehren…

„Er hat’n Höhenkoller! Bestimmt hat er zu viele Science-Fiction-Storys gelesen!“

Die Ansiedelung der Handlung in der Zukunft des Jahres 1992 zeugt einerseits von einem unheimlichen Optimismus die Möglichkeiten der Raumfahrt in naher Zukunft betreffend, andererseits von einem ausgeprägten Pessimismus das friedliche Zusammenleben der Menschen und damit den Fortbestand der Erde betreffend bei gleichzeitiger völliger Naivität hinsichtlich physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Ähnlich wenig durchdacht, um es einmal möglichst neutral auszudrücken, wirkt die in schlimmster Kalter-Kriegs-Manier an Volksverhetzung grenzende Darstellung der Chinesen als kriegswütige, letztlich die Erde auslöschende (!) Weltmacht. Auch das transportierte Frauenbild hat nichts mit Science-Fiction, sondern vielmehr mit peinlichem Chauvinismus gemein. Nachdem ein Sprecher aus dem Off in die aktuelle Situation einführte, strotzen die Charaktere nur so vor Rollenklischees und liefern sich manch denkwürdigen Dialog.

„Im Ernstfall würd ich ganz gern mit dir einen neuen Planeten besiedeln!“ (so flirtet man im All…)

Beim Start der Mission gelingt es leidlich, die Illusion eines Raumschiffinneren zu erzeugen. Die Innenkulissen wirken klaustrophobisch eng, werden dafür kunterbunt ausgeleuchtet. Von außen wiederum sieht das Raumschiff ständig anders aus, offenbar eine Folge der Entlehnung jener Aufnahmen aus anderen Filmen. Nachdem die Besatzung den Schock – recht schnell – verdaut hat, die geliebte Erde aus dem All heraus untergehen zu sehen, stürzt man sich unmittelbar in Liebeleien untereinander voller Machismo. Immerhin will ein Supercomputer errechnet haben, dass die Anwesenden prima zueinander passen, was sie jedoch nicht daran hindert, sich in Machtspielchen und Eifersüchteleien zu ergehen.

„Wie konnten die Chinesen so wahnsinnig sein?“

Die Suche nach neuem Lebensraum gestaltet sich jedenfalls recht schwierig und zum Finale hin werden dann tatsächlich zwei neue Darsteller eingeführt, die stets ihre Helme aufbehalten, damit niemand sieht, dass man die Rollenbesetzungen kurzerhand wechseln musste. Die Handlung konzentriert sich nun ausschließlich auf diese beiden, von den anderen ist nicht mehr die Rede. Dass man möglichst schnell zum Ende kommen musste, kann das notdürftig zusammengeflickte Finale kaum verschleiern; das Erklingen einer unbekannten Stimme aus den Weiten des Alls informiert zwar über das generelle Scheitern der Mission, reiht sich jedoch derart nahtlos in den Trash-Gehalt des Films ein, dass jegliche pessimistische Wirkung der „Pointe“ verpufft wie ein Furz im Raumanzug. Um die Konfusion perfekt zu machen, wurde die ursprüngliche deutsche Fassung auch noch umgeschnitten, Szenen wurden entfernt, neue hinzugefügt, so dass diese letztlich einen etwas anderen Verlauf nimmt.

Bar jeder Selbstironie und jeglichen Qualitätsanspruchs ist „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“ die unfreiwillige Trash-Karikatur eines Science-Fiction-Films der alten Schule, der nahezu völlig misslungen ist, dem es dann auch nicht unbedingt gut tut, wenn die schauspielerischen Leistungen bisweilen ok gehen, die (sich vornehmlich aus TV-Serien rekrutierenden) Darsteller offensichtlich nicht wirklich wussten, wo sie hineingeraten sind, in dialogfreien Szenen aber dann auch sichtlich an ihre Grenzen geraten. Auch ohne seine dubiose Produktionsgeschichte wäre vermutlich ein ähnliches Machwerk von erschreckender Naivität und Oberflächlichkeit, ohne derweil wirkliche Schauwerte zu bieten zu haben, herausgekommen, wie es das vorliegende Ergebnis ist – zur Freude von Trashologen, zum Leidwesen all derer, die aufgrund des angegebenen Veröffentlichungsjahres einen interessanteren Post-Mondlandungs-Genre-Beitrag erwartet haben.
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Landhaus der Verfluchten
Brutale Morde schockieren Thailand. Die Täter halten sich für unschuldig, doch scheinbar war immer Eifersucht das Motiv. Eine Journalistin wird auf diese mysteriösen Fälle angesetzt und findet bald eine weitere Gemeinsamkeit: Die mordenden Ärzte haben alle in demselben Haus gewohnt. Bald muss sie erkennen, dass auch ihre Ehe auf dem Spiel steht und dass sie sich zu weit vorgewagt hat. (Quelle: Covertext / Internet)
„Wieso fragen Sie mich nach diesem Haus?“

Der dritte von bis dato vier Filmen des thailändischen Phantastik-Regisseurs Monthon Arayangkoon („The Victim“) ist der im Jahre 2007 entstandene Horrorfilm „Landhaus der Verfluchten“.

Journalistin Chalini (Intira Jaroenpura, „Mother“) befasst sich mit dem Fall des zum Tode verurteilten Arztes Vasan (Worapong Nimwijitr) – dieser hat vor einiger Zeit seine Ehefrau ermordet. Chalini stößt darauf, dass der Arzt, der vor Vasan im selben Haus lebte, Dr. Chalerm (Khomsan Nanthajit, „O-Negative“), ebenfalls seine Frau getötet hatte und daher dasselbe Schicksal teilt. Sie versucht, dieser mysteriösen Analogie auf den Grund zu gehen, sucht das Haus mit der Nummer 700/5 auf und wird mit unheimlichen Geistererscheinungen konfrontiert – was sie nicht davon abhält, an diesem Fall dranzubleiben. Schließlich gerät auch ihr Freund Nu (Chutcha Rujinanon, „The Eye“) in den Bann des unheimlichen Gemäuers…

„Dieses Haus ist gefüllt mit Hass!“

Wenig originell präsentiert sich Arayangkoons Film, der sich sowohl stilistisch als auch inhaltlich eng an gängigen ostasiatischen Geistergrusel anlehnt, ohne wirklich an die Vorbilder heranzureichen. Einmal mehr geht es um einen Rachegeist und einmal mehr sind die Ursachen in verlorener bzw. ausgenutzter, missbrauchter Liebe zu finden. Während Chalini von Geisterscheinungen verfolgt wird und aufgrund dessen ständig am Kreischen ist, wird billige Effekthascherei mittels unwillkürlich einsetzender Gewitter betrieben und somit jedes Klischee bedient. Die auf viel Kunstblut zurückgreifende Masken- und Spezialeffektarbeit geht in Ordnung, solange sie handgemacht ist, die CGI-Effekte fallen etwas ab. Zwingend gruselig wird es nur selten, per Kunstblut setzt man immerhin erfolgreich auf einen gewissen Ekelfaktor. Die typisch ostasiatische Technik-Affinität spiegelt sich im häufigen Gebrauch elektronischer Geräte wider, die sich zum Teil auch verselbständigen. Aufgezeichnete Statements die Todesfälle betreffend werden zwischenzeitlich immer wieder eingestreut.

Das Geheimnis des Haunted House und der immer wieder auftauchenden Krankenschwester in der blauen Bluse wird schließlich kurzerhand gelüftet, indem sich Chalini mit dem Geist letztgenannter verhältnismäßig normal unterhält. Wenn es doch nur immer so einfach wäre… Eine wirklich überraschende Wendung ist dies jedenfalls nicht und auch sicherlich nur schwerlich geeignet, den Horroranteil auf die Spitze zu treiben. Dies geschieht eher durch die charakterlichen Veränderungen, denen sich Chalinis Freund Nu ausgesetzt sieht, wodurch tatsächlich ernsthaft bedrohliche Stimmung aufkeimt. An den übrigen Spukerscheinungen nach Schema F hat man sich als Genrefreund tendenziell bereits in vergleichsweise besseren Produktionen sattgesehen. Am besten wissen prinzipiell die Kameraarbeit und die düstere Farbgebung zu gefallen, die noch am ehesten geeignet sind, „Landhaus der Verfluchten“ mit Grusel-Atmosphäre zu versehen.

Ist erst einmal ermittelt worden, dass sich der aus verlorener Liebe resultierende Hass im Haus gebündelt hat, wird der Film leider krampfhaft auf Beziehungsdrama zu bürsten versucht, was ihm nicht sonderlich gut zu Gesicht steht – auch diese grundsätzlich nicht uninteressante Melange haben andere bereits weitaus ansprechender, aufregender/emotionaler, spannender hinbekommen. So bleibt unterm Strich nur schauspielerisch passable Durchschnittsware, an der vornehmlich Ostasia-Grusel-Allesgucker noch ihre Freude haben dürften. Wirklich etwas verpassen tut man nicht, lässt man diesen Film aus.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Ich bin neugierig – blau
Lena, ein junges, blondes Mädchen aus Schweden, emanzipiert sich! Sie ist es leid, Nachrichten einfach nur hinzunehmen und stellt Fragen. Bewaffnet mit einem Mikrofon stellt sie berühmten und unbekannten Menschen unangenehme Fragen. Zeitgleich ist sie auf der Suche nach ihrer Sexualität und geht so den Weg ihrer persönlichen Emazipation!
Nachdem sein semidokumentarischer, sexuell freizügiger „Skandalfilm“ „Ich bin neugierig – gelb“ trotz oder gerade wegen vieler Zensurbemühungen von unvorstellbarem Publikumszuspruch gekrönt worden war, schickte der schwedische Filmemacher Vilgot Sjöman 1968, also gleich im darauffolgenden Jahr, mit „Ich bin neugierig – blau“ einen Nachfolger hinterher, der weder Prequel noch Fortsetzung im eigentlichen Sinne ist, sondern parallel zur Handlung des Vorgängers spielt, andere Perspektiven einnimmt, zuvor unverwendete Szenen zeigt etc. In Deutschland lief der Film ursprünglich unter dem Titel „Sie will’s wissen“.

Wieder steht die junge Lena Nyman im Mittelpunkt, die unter ihrem echten Namen ihre Rolle als neugieriges Früchtchen antritt, das Passanten auf der Straße nach gesellschaftspolitischen Themen durchaus provokant befragt, sich in einer kriselnden Beziehung mit ihrem Regisseur Sjöman (spielt sich ebenfalls wieder selbst) befindet und sich sexuell ausprobiert.

Vieles, was bereits über „Ich bin neugierig – gelb“ geschrieben wurde, behält auch hier seine Gültigkeit: Die experimentelle Herangehensweise, die kein klassisches Drehbuch vorsah, der Dreh in Schwarzweiß, die Vermengung von fiktiver, dokumentarischer und Meta-Ebene sowie politischer Themen – in diesem Falle die Trennung von Kirche und Staat, die Rolle der Frau in der schwedischen Gesellschaft und der Umgang mit Strafgefangenen – mit sexuellen. Dadurch, dass ein paar Kontroversen weniger als zuvor angesprochen werden, bleibt etwas Zeit für zumindest ein wenig mehr Tiefgang. Die veränderte Perspektive macht sich insbesondere in der gezeigten Beziehung zwischen Sjöman und Nyman bemerkbar, die nun nicht mehr wirkt, als würde Sjöman als Regisseur seine Schutzbefohlene missbrauchen, sondern als würde er ernsthaftes Interesse hegen, das jedoch nicht recht von der sprunghaften jungen Dame erwidert wird. Skandalträchtig in sexueller Hinsicht dürfte diesmal in erster Linie die offene Thematisierung gleichgeschlechtlicher weiblicher Sexualität gewesen sein.

Weniger sprunghaft als „gelb“ wirkt indes dieser Nachfolger, andererseits ist die Erwartungshaltung des Zuschauers vermutlich bereits entsprechend geeicht, wenn er schon den Vorgänger kennt. Mit den meisten Charakteren dürfte man daher dann auch bereits vertraut sein, so dass sich „blau“ insgesamt einfacher konsumieren lässt. Der Überraschungseffekt ist dennoch dahin, da Sjöman nicht viel Neues zu berichten weiß und aus heutiger Sicht fragwürdige Gesangseinlagen Sjömans und seiner Hippiefreunde noch am schockierendsten wirken.
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Total Recall – Die totale Erinnerung
Douglas Quaid ist ein normaler Arbeiter, der ein glückliches Leben führt, bis er, gegen den Rat seiner Frau, zu einer ominösen Firma namens Recall geht und sich die Erinnerung an einen künstlichen Marsurlaub implantieren lässt. Etwas geht schief, Quaid wird lobotomiert und urplötzlich sind ihm offenbar grundlos brutale Killer auf den Fersen. Durch einen Hinweis reisst der gejagte Quaid auf den Mars. Hier versucht er, die Hintergründe der mysteriösen Vorfälle zu ergründen und stösst auf eine gigantische Verschwörung, in die der grausame Marsdiktator Cohaagen bis zum Hals verstrickt ist...
„Lass es uns tun!“ – „Was tun?“ – „Auf den Mars ziehen!“

Nachdem dem niederländischen Regisseur Paul Verhoeven 1987 mit der Science-Fiction-Action-Satire „RoboCop“ der Durchbruch gelungen war, adaptierte er für seinen nächsten US-Film „Total Recall – Die totale Erinnerung“, der 1990 in die Kinos fand, zusammen mit Ronald Shusett und Dan O’Bannon die Geschichte „Erinnerungen en gros“ des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick, der u.a. die literarische Vorlage für „Blade Runner“ lieferte. Stilistisch und inhaltlich schlägt „Total Recall“ in eine ähnliche Kerbe wie „RoboCop“ und ist ebenfalls als Science-Fiction-Action-Spektakel mit satirischen Elementen zu betrachten, wurde jedoch ungleich aufwändiger produziert: Die Produktionskosten schlugen mit rund 70 Millionen Dollar zu Buche.

„Wir nennen es Ego-Trip!“ – „Nein, daran bin ich nicht interessiert!“

Im Jahre 2084 ist es dank dem Unternehmen „Rekall Inc.“ möglich, sich künstliche, nie wirklich selbst erlebte Erinnerungen implantieren zu lassen und auf diesem Wege beispielsweise einen Abenteuerurlaub zu „erleben“. Dies ist auch der Plan des Bauarbeiters Quaid (Arnold Schwarzenegger, „Der Terminator“), der fasziniert ist vom mittlerweile besiedelten Mars und – obwohl sein Arbeitskollege Harry (Robert Costanzo, „Nur Samstag Nacht“) ihm entschieden davon abrät – in seiner Erinnerung gern in die Rolle eines Geheimagenten auf dem roten Planeten schlüpfen möchte. Dies scheint jedoch schiefzugehen, da in Quaid bereits die Erinnerungen an seine tatsächliche Tätigkeit auf dem Mars deaktiviert und durch andere Informationen ersetzt wurden. In Wirklichkeit scheint es sich bei Quaid um Hauser zu handeln, der zunächst im Auftrag des diktatorischen Mars-Gouverneurs Vilos Cohaagen (Ronny Cox, „RoboCop“) tätig war, schließlich aber die Seiten wechselte und die Rebellen im Kampf gegen Cohaagen unterstützte. Ohne davon zu ahnen, wird der verwirrte Quaid nach Hause geschickt, doch Cohaagens Männer sind bereits hinter ihm her. Er kann niemandem mehr trauen, nicht einmal mehr seiner Frau (Sharon Stone). Nach und nach erfährt er von seiner Vergangenheit und reist schließlich wieder auf den Mars, um seine Mission fortzusetzen…

„Schaff deinen Hintern auf den Mars.“

Obwohl noch Ende der 1980er produziert, hatte der hochmoderne Look des Films bereits nichts mehr mit der Ästhetik jenes Jahrzehnts gemein, und damit meine ich nicht nur das naturgemäß bzw. im Idealfall futuristische Ambiente der Ausstattung. Dieses ist tatsächlich verdammt gut gelungen und wurde mit vielen eingestreuten, aufregenden Details versetzt. Die Tricktechnik ist eine weitere große Stärke des Films, die sich längst nicht nur auf die comichaft-überzeichneten, bisweilen geradezu splatterigen Spezialfeffekte beschränkt, die aus den meist brutal ausgehenden Action-Einlagen resultieren. Einen Teil davon bekommt man bereits mit der Traumsequenz zu sehen, mit der der Film startet, bevor er nahtlos in eine erotische Bettszene mit der sich hier für Verhoevens „Basis Instinct“ empfehlenden Sharon Stone übergeht. In Sachen Make-up- und Maskenarbeit tobt man sich hinsichtlich der Mutanten aus, denn der Mars ist besiedelt von manch absonderlicher Gestalt. Gesteigerten Wert legt Verhoeven aber eben erneut auf den Actionanteil, was in viele wenig realistische Prügeleien und Schießereien mündet, für die man Arnold Schwarzenegger als erfahrenen Action-, jedoch nur marginal erfahrenen Charakterdarsteller verpflichtete. In einem Verhoeven’schen oder Cameron’schen Science-Fiction-Sujet halte ich diese testosterongeschwängerten One-Man-Army-Action-Szenen noch für am ehesten genießbar, wenngleich Schwarzenegger hier schauspielerisch an seine Grenzen gerät und die Glaubwürdigkeit seiner Rolle arg leidet bzw. nie ganz hergestellt werden kann.

„Möchten Sie die Zukunft kennen?“ – „Wie wär’s mit der Vergangenheit?“

Inhaltlich ist „Total Recall“ insbesondere deshalb interessant, weil er permanent die Realität infrage stellt und Quaid alias Hauser schließlich nicht einmal mehr sicher sein kann, ob er sich selbst überhaupt noch trauen kann. Diesen Umgang mit Selbstzweifeln und Paranoia, die nicht nur die Realität, sondern auch die eigenen subjektiven Erinnerungen wie beliebig austauschbare Gebilde im Spiel politischer Mächte und individueller Interessen erscheinen lassen, beherrschen Verhoeven & Co. über weite Strecken gut; die Handlung entwickelt sich zunächst spannend, schlägt jedoch bald derart viele Haken, dass sie konfus anmutet – wenn auch bewusst eingesetzt als Teil des Konzepts. Dadurch bleibt der weitere Verlauf stets unvorhersehbar, jedoch kann auch zu jedem Zeitpunkt quasi alles passieren, worunter die Spannung letztlich leidet. Wer sich darauf freut, am Ende darüber aufgeklärt werden, ob all dies möglicherweise längst Quaids künstlicher Abenteuerurlaub ist und man als Zuschauer lediglich diesen zu sehen bekommt, wird enttäuscht, denn wirklich gelöst wird dieses Geheimnis nicht und der Film dadurch um seine Pointe gebracht. Dafür werden gerade zum Finale hin aus den Actionstandards deftige, wirklich spannende Szenen, die mit zum Besten gehören dürften, was damals im hochbudgetierten Unterhaltungskino geboten wurde. Und Jerry Goldsmith transportiert mit seinem orchestralen Soundtrack den epischen Blockbuster-Bombast in die Lautsprecher, der den Anspruch dieser auf den Massenmarkt ausgerichteten, dafür ungewöhnlich blutigen A-Produktion unterstreicht. „Total Recall“ hat viel von dem, was späterem prätentiösen Hollywood-Kino abging: Dank Verhoevens satirischem Anspruch schönen augenzwinkernden Humor und konsequente, handgemachte Schauwerte – und vor allem originelle Ideen.
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Die unglaubliche Geschichte der Mrs. K.
Die Hausfrau Pat Kramer (Lily Tomlin) wird einem Mix aus verschiedenen Haushaltschemikalien ausgesetzt und beginnt von da an unaufhaltsam zu schrumpfen. Das bringt nicht nur ihre Familie durcheinander, auch die Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel. Während sie die Medien groß rausbringen, plant eine Gruppe Finstermänner jedoch schon die Erringung der Weltherrschaft. Der Schlüssel: Pat Kramer.
„Ausgelöst durch das Zusammenwirken von Leitungswasser, Grippeimpfung, Parfum, Kleber, Lösungsmittel und Schaumbad, Körperpuder, Shampoo, Haarspülung, Haarfestiger, Handlotion, Mundwasser, Haarspray, Mundspray und Intimspray, Deodorant, Zahnpasta, Waschmittel, Augentropfen, Nasentropfen, Haarfärbung, kalorienarme Limonade, Anti-Baby-Pille und Smog! Und durch ein Ungleichgewicht in Ihrem Organismus!“

Ein Frühwerk des US-Regisseurs Joel Schumachers („8MM“), genauer: nach zwei Spielfilmen in den 1970ern seine dritte Regiearbeit, ist „Die unglaubliche Geschichte der Mrs. K.“, nach Jack Arnolds „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ zweite Verfilmung der Science-Fiction-Geschichte Richard Mathesons um einen schrumpfenden Menschen. Drehbuchautorin Jane Wagner änderte derweil nicht nur das Geschlecht der Hauptperson.

Haus- und Ehefrau eines Werbefachmanns Pat Kramer (Lily Tomlin, „Solo für 2“) kommt mit den verschiedensten Haushaltschemikalien in Berührung. Als ihr Mann eines Tages den neuartigen Klebstoff „Galaxy Blue“ mitbringt, löst er eine verhängnisvolle chemische Reaktion aus, die Pat Kramer – zunächst unbemerkt – langsam immer weiter schrumpfen lässt. Den Alltag zu bewältigen fällt ihr zunehmend schwerer und ein Gegenmittel ist nicht in Sicht. Als die Medien auf ihr Schicksal aufmerksam werden und ihr zu ungeahnter Popularität verhelfen, weckt sie auch Begehrlichkeiten bei kriminellen Wissenschaftlern, die sie schließlich entführen, um hinter das Geheimnis ihrer Schrumpfung zu kommen. Das Motiv: Sie wollen die gesamte Menschheit verkleinern…

Diese in Form einer Science-Fiction-Komödie daherkommende Variation des Matheson’schen Stoffs bedeutete Schumachers Einstand in den 1980ern – und was für einen! Bereits zu jenem frühen Zeitpunkt des Jahrzehnts – der Film entstand 1981 – taucht Schumacher das Ambiente in kunterbunte Farben und lässt es dadurch bereits aussehen, wie die 1980er der westlichen Welt sich selbst gern sahen, sie zeitweise tatsächlich aussahen und rückblickend-verklärt gern dem einen oder anderen in Erinnerung blieben. Grund hierfür ist die satirische Karikatur der US-Vorstadt-Heile-Welt-Idylle (wie sie später beispielweise – wenn auch bezogen auf ein anderes Jahrzehnt – von „Pleasantville“ aufgegriffen wurde), der in den 1980ern ihren vorläufigen Höhepunkt erreichenden Konsumgesellschaft sowie der Werbe- und Medienlandschaft. Auch die klassische Rolle der Hausfrau und Mutter wird ein Stück weit aufs Korn genommen, wenn die eigentlich bedauernswerte, aber starke und lebenslustige Pat nicht nur zum unfreiwilligen Versuchskaninchen der Chemie-Industrie wird, sondern daraus resultierend ein Puppenhaus im Zimmer ihrer Kinder beziehen muss und schließlich im Müllschlucker landet. Klassische Situationskomik wechselt sich mit den genannten Ingredienzien ab, diesbezüglicher Höhepunkt dürften die chaotischen Szenen im Kinderzimmer sein. Gegen Ende wird verstärkt mit Slapstick-Einlagen gearbeitet.

Schumacher gelingt das Kunststück, seinen Film einerseits familientauglich zu gestalten und bisweilen bewusst gerade auch auf ein kindliches Publikum zuzuschneiden, das sich an der zwar durchschaubaren, aber effektiven Tricktechnik (übergroße Gegenstände statt wirklich schrumpfender Frau, Mann im Gorilla-Kostüm etc.) ebenso erfreut wie an den anarchischen Zuständen im Haushalt und der Farbenfreude des Films, andererseits mit seiner nie wirklich ätzenden, aber doch unüberseh- und -hörbaren Kritik an Industrie und Gesellschaft die erwachsenen Zuschauer anzusprechen. Und retrospektiv ist „Die unglaubliche Geschichte der Mrs. K.“ aufgrund seines überzeichneten Zeitkolorits für am Jahrzehnt Interessierte von besonderem Interesse. Natürlich sitzt längst nicht jeder Gag und wer die hier verwendete Ästhetik spätestens Mitte der 1990er überwunden hoffte, wird möglicherweise einen kleinen Kulturschock erleiden. Auch versucht Schumacher nie wirklich mehr, als an der Oberfläche zu kratzen, seine Charaktere sind ihm weit weniger wichtig als das Gesamtbild. Eher in der Rolle des Beobachters denn des Mitfühlers, entwickelt sich für das erwachsene Publikum längere Zeit nur bedingt Spannung, doch zum Finale hin setzt Schumacher geschickt auf eine Art Dreiteilung, die versöhnlich stimmt (Achtung, Spoiler): Nach einem scheinbar unerwartet tragischen Ausgang platziert er ein etwas aufgesetzt wirkendes, übertriebenes Happy End, das letztlich wiederum von einer wirklich netten Pointe konterkariert wird.

Unterm Strich erscheint mir diese Herangehensweise Schumachers und Wagners interessanter, als wenn man ein Quasi-1:1-Remake der Arnold’schen Erstverfilmung nur mit vertauschten Geschlechtern unter Verwendung modernerer, aber uncharmanterer Tricktechniken angestrebt hätte.
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Kenny
Film über das Leben des schwerbehinderten Kenny Easterday, dem beide Beine fehlen. Der Film dokumentiert die Probleme des Jungen, aber auch wie er sein Leben meistert. Der Film basiert auf Tatsachen...
„Woher wissen die besser als ich, was gut für mich ist?“

Im Jahre 1987 verfilmte Regisseur Claude Gagnon im japanisch-kanadisch-US-amerikanischer Koproduktion die Geschichte des 1973 mit dem Gendefekt Sakrokokzygeale Agenesie geboren Jungen Kenny Easterday, der sein Leben ohne Beine bewältigen muss. Es wurde Gagnons zweite Regiearbeit nach dem japanischen Liebesdrama „Keiko“. Die Hauptrolle spielt Kenny Easterday höchstpersönlich. Beim Film handelt es sich um ein halbdokumentarisches und -biographisches Drama, das sich vornehmlich auf einen begrenzten Zeitraum im Leben Kennys konzentriert.

Gagnons Film nimmt sich zunächst einmal Zeit für eine schöne Kamerafahrt über Pittsburgh und spielt dazu ein schönes, typisches Saxophonstück der 1980er. Weiteres herrliches Zeitkolorit findet sich im klobigen Walkman, im BMX-Rad, im bauchfreien Jungenshirt Kennys Bruders. An seiner neuen Schule soll Kenny eine Beinprothese tragen, wogegen er sich jedoch zu wehren versucht. Dadurch wird Kenny von vornherein als selbstbewusst mit seiner Behinderung umgehender Junge porträtiert, der erstaunlich gut mit den Umständen zurechtkommt und keine Veranlassung sieht, mittels Prothesen o.ä. um oberflächliche „Normalität“ zu buhlen, die ihn letztlich stärker behindert als seine eigentliche Behinderung. Auch seine Familie ist eine weitestgehend „normale“ proletarische, die sich gut mit der Situation arrangiert hat. Kenny gerät zwar des Öfteren in Streit mit seinem großen Bruder, doch auch das ist eben normal und gehört zum Heranwachsen dazu. Die Herausforderung, Kennys Leben darüber hinaus zu dokumentieren, löst das Drehbuch, indem es ein französisches Dokumentarfilm-Team zur Familie stoßen lässt, das über Kenny berichten möchte. So erfährt man aus den Interviews zunächst von Kennys Babyzeit, bevor augenzwinkernde, quasi selbstironische Kritik am Dokumentarfilm aufkommt, indem die Absurdität gestellter Familienaufnahmen gezeigt wird und Kennys Mutter sich über mangelnde Authentizität beschwert. Doch auch weiterhin sieht man viel durch die Kameralinse des Filmteams, so auch einen Besuch bei Kennys Arzt.

Kenny nimmt das alles mit Humor, betont, dass er sich nicht behindert fühlt und erstaunt mit beeindruckenden sportlichen Leistungen. Wenn er nach knapp 40 Minuten in einer Beinprothese gezeigt wird, wirkt das schon befremdlicher als sein normaler Anblick. Schließlich tendiert der Film aber verstärkt in Richtung eines Familiendramas, wenn durch den Wiedereinzug der älteren Schwester innerfamiliäre Konflikte wieder hochkochen und die Arbeitslosigkeit des Vaters thematisiert wird. Als Kennys Schwester schließlich entnervt wieder das Weite sucht, ist es Kenny mit seiner ansteckenden Lebensenergie, der ihren frustrierten Ex-Freund zum Football-Training animiert – und eines Tages mir nichts, dir nichts mit seinem Skateboard davontrampt, um seiner Schwester einen Überraschungsbesuch in ihrem neuen Domizil in einer anderen Stadt abzustatten. Dieser Besuch ist es letztlich, der einen tieferen Einblick in die dann eben doch nicht so einfache Familiengeschichte gewährt und mit sämtlichen Heile-Welt-trotz-Behinderungen-Vorstellungen bricht, wenn unangenehme psychologische Traumata an die Oberfläche sickern. Der daraus resultierende emotionale Ausbruch ist berührend und schließlich findet „Kenny“ doch noch sein Happy End, um seine positive Botschaft nicht zu negieren.

Als ich Ende der 1980er als junger „Bravo“-Leser im Rahmen der Filmankündigung von Kenny erfuhr, betrachtete ich faszinierend die Bilder des „Jungen ohne Unterleib“, Filmausschnitte im Kinderprogramm weckten zusätzliches Interesse. Meine Neu- oder gar Erstsichtung des Films (ich weiß es gar nicht mehr genau) bedeutete den Genuss eines wahrlich schönen und inspirierenden Films, der gänzlich kitschfrei anspruchsvolle Unterhaltung für die ganze Familie bietet, indem er ein leuchtendes Beispiel für den selbstbewussten Umgang mit einer körperlichen Behinderung zeigt und frei jeglichen moralischen Fingerzeigs um Verständnis wirbt. Die Leichtigkeit, mit der das geschieht, wäre allerdings sicher nicht mehr ohne Weiteres möglich gewesen, hätte man ein, zwei Jahre länger und damit bis zum pubertätsbedingten Erwachen von Kennys Sexualität gewartet, was sicherlich mit neuen Herausforderungen für Kenny einhergegangen wäre.

Die schauspielerischen Leistungen Kennys bewegen sich übrigens keinesfalls auf Amateurniveau und die der anderen Darsteller, u.a. der viel zu früh verstorbenen Caitlin Clarke („Crocodile Dundee“), Zach Greniers („Fight Club“) und Liane Curtis‘ („Critters II“), sind angenehm zurückhaltend und natürlich. Ein gelungener, sensibler Film, vor dessen kleinem Protagonisten man nur den Hut ziehen kann.
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Das alte finstere Haus
Der junge Amerikaner Tom Penderel soll einem exentrischen Kunden ein Auto in ein englisches Schloß liefern. Dort angekommen sieht er sich jedoch einer ganzen Horde von seltsamen Gestalten gegenüber, die alle aufgrund des Testaments eines Vorfahren sich im Haus aufhalten müssen, auf das sie nicht enterbt werden wollen. Sein Kunde ist bereits verschieden und Tom, der die Nacht in dem Haus zwangsweise verbringen muß, sieht sich bald in ein mordlüstiges Durcheinander verstrickt, in dem eine Reihe von Bomben, die im Haus versteckt sind, eine nicht unerhebliche Rolle spielt...
„Heute ist ein Sarg geliefert worden!“

Im Jahre 1963 ergab sich für US-Genrefilm-Ikone William Castle („Mörderisch“), der seine Horrorfilme und Thriller mit publikumswirksamen Gimmicks auszustatten pflegte, die Möglichkeit zur Kooperation mit der britischen „Hammer“-Produktionsschmiede. Ergebnis ist eine komplett farbig gehaltene Neuverfilmung des Romans „Von der Nacht überrascht“ aus der Feder J.B. Priestleys, erstverfilmt 1932 von James Whale. Beide Verfilmungen unterscheiden sich stark voneinander, sind jedoch grundsätzlich dem komödiantischen Grusel zuzurechnen.

Der US-Amerikaner Tom Penderel (Tom Poston, „Verrückte Weihnachten“) teilt sich eine Wohnung mit dem seltsamen Caspar Femm (Peter Bull, „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“): Während Caspar sie nur tagsüber nutzt, bewohnt Tom sie während Caspars nächtlicher Abwesenheit. Caspar pflegt seine Nächte stets im herrschaftlichen Familienanwesen auf dem Land zu verbringen. Dorthin soll ihm Tom eines Tages ein Auto überführen. Als er dort eintrifft, ist Caspar jedoch schon tot; dafür lernt er dessen exzentrische Familie kennen, die aufgrund einer alten Erbschaft wie ans Haus gefesselt sind. Nach und nach wird die Familie jedoch dezimiert. Mittendrin in dieser unheimlichen Mordserie: Tom Penderel, den man ebenfalls nicht gehen lassen möchte…

„Ich zähl‘ einfach Leichen bis zum Einschlafen!“

Nach einem gezeichneten Intro, das bereits auf den komödiantischen Charakter des Films verweist, beginnt der in England gedrehte und auch dort spielende Film in einem Spielcasino, wo die Charaktere Toms und Caspars eingeführt werden. Hier dominiert vor allem der Sprachwitz, bevor Penderel sich auf den Weg macht, das Auto abzuliefern. Dieses nimmt witzigerweise auf der Fahrt immer mehr Schaden und wird nach seiner Ankunft gar gänzlich demoliert. Von nun an führt Castle einen Charakter nach dem anderen ein, beginnend mit Caspars Onkel Potiphar (Mervyn Johns, „Traum ohne Ende“) über Caspars Cousine Cecily (Janette Scott, „Paranoiac“) und Onkel Roderick (Robert Morley, „African Queen“) bis hin zu Caspars Mutter (Joyce Grenfell, „Die rote Lola“) und Mrs. Morgana (Fenella Fielding, „Ist ja irre – Alarm im Gruselschloß“) sowie deren grobschlächtigen Vater (Danny Green, „Ladykillers“). Der verblichene Caspar scheint schließlich gar von den Toten auferstanden zu sein, doch handelt es sich um dessen Zwillingsbruder Jasper. Schnell reduziert sich diese Menschenansammlung durch die Mordserie wieder, wobei der Mörder derart geschickt vorgeht, dass er unerkannt bleibt, dafür sorgt, dass sich die Hinterbliebenen gegenseitig verdächtigen und dank Kreativität und technischem Geschick sich zeitweise nicht einmal selbst die Finger schmutzig zu machen braucht.

Man setzt auf eine Vielzahl skurriler Charaktere, jeder mit einer anderen schweren Macke ausgestattet (Höhepunkt ist sicherlich Potiphar, der doch tatsächlich an einer Arche baut und Penderel sowie Mrs. Morgana als zwei paarungsfähige Exemplare der menschlichen Spezies mitnehmen möchte), von denen man niemandem über den Weg traut. Angereichert mit einigen Slapstick-Einlagen tendiert Castle immer stärker in Richtung eines Grusel-Krimis, wobei der Gruselanteil in erster Linie durch die an typische Gothic-Horror-Anwesen erinnernden alten Gemäuer entsteht und eine untergeordnete Rolle spielt. Dies gilt ebenso für die nur marginal vorhandenen Spezialeffekte, für die man auch schon einmal auf eine billige ausgestopfte Hyäne zurückgreift. In erster Linie sind es die schauspielerischen Leistungen der vielen Charaktergesichter und die aus der Mördersuche resultierende Spannung, die den Film tragen. Die Komik ist vor allem Ergebnis der absurden Situation, in die Penderel geraten ist und in der sich der Femm’sche Familienclan seit langer Zeit befindet, gar nicht unbedingt der offensichtlichen Gags an sich.

William Castles britische Exkursion dürfte Freunden etwas eigenwilligen, kauzigen, letztlich jedoch harmlosen Humors durchaus Freude bereiten; eine interessante Variation des klassischen Stoffs ist „Das alte finstere Haus“ in jedem Fall geworden. Well done.
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