Tatort: Siebenschläfer
„Alles wird gut sein. Wir sind zusammen. Für immer.“
Der 19. Dresdner „Tatort“ um Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) ist der erste, der ohne Hauptkommissarin Karin Gorniak auskommen muss, nachdem diese sich mit dem vorausgegangenen Fall verabschiedet hatte. Ersetzt wurde ihre Rolle nicht, sodass Schnabel und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nun ein Duo bilden – was auch bedeutet, dass Schnabel stärker in die Ermittlungen eingebunden ist. Der von Silke Zertz sowie Frauke Hunfeld geschriebene und von Thomas Sieben („Prey“) inszenierte „Siebenschläger“ ist mehr Sozialdrama denn klassischer Krimi und wurde am 12. Oktober 2025 erstausgestrahlt.
„Pascal ist ein schwer traumatisiertes Kind…“
Die jugendlichen Heimkinder Lilly (Dilara Aylin Ziem, „Wunderschön“) und Pascal (Florian Geißelmann, „Wer wir sind“) reißen nachts aus dem Jugendheim „Siebenschläfer“ aus. Lilly wird diese Nacht nicht überleben, am nächsten Morgen wird ihre Leiche aus einem Waldsee geborgen. Pascal beobachtet dies aus einiger Entfernung und sucht das Weite. Er leidet unter mangelnder Impulskontrolle, wird schnell aggressiv und gewalttätig. Was hat er mit Lillys Tod zu tun? Die Polizei sucht den Jungen, Schnabel und Winkler von der Kripo schauen sich zudem im Umfeld der beiden, im Jugendheim und im Jugendamt um, führen viele Gespräche, versuchen, das System und dessen Schwächen zu durchschauen, um zu Anhaltspunkten zu gelangen. Einer der Gesprächspartner ist Psychiater Dr. Lukas Brückner (Hanno Koffler, „Anatomie 2“), der Pascal betreute und dessen Methoden sich als unorthodox erweisen…
„Eine Familie kann auch eine Hölle sein.“
Zu Beginn erklingen Lillys Gedanken aus dem Off, der gemeinsame Ausriss mit Pascal trägt außenseiterromantische Züge. Diese enden jäh mit Lillys Tod. Klar, dass der erste Verdacht auf Pascal fällt, den Lillys Freundin Cheyenne (Louise Sophie Arnold, „Das Pubertier – Die Serie“) bekräftigt. Dessen bisher behauptetes Aggressionsproblem wird den Zuschauerinnen und Zuschauern gegenüber bestätigt, als er eine Vertrauensperson angreift und schwer verletzt. Ein Nebenstrang behandelt Jugendamtsmitarbeiter Torsten Hess (Peter Moltzen, „Die Schimmelreiter“) und dessen Familie, was sich schnell mit dem eigentlichen Fall vermengt. Eigentlich handelt es sich um ein zunächst undurchsichtiges Geflecht mehrerer Fälle, einer davon ist strenggenommen das überforderte System aus Behörden, Einrichtungen und Ärzten. Der eklatante Personalmangel ist ein großes, aber nicht das einzige Problem. In diesem Zuge darf die Kripo ihr Leid über die eigene lückenhafte Personaldecke auch einmal klagen.
„Ihr habt sie umgebracht!“
Zurück zur Toten: Die Polizei tappt zunächst weiter im Dunkeln, allen teils sehr modernen Ermittlungsmethoden, die dieser „Tatort“ einmal mehr der Zuschauerschaft näherbringt, zum Trotz. Möglicherweise hat man es auch mit einem Suizid zu tun – Lillys Tagebuch gestattet derartige Vermutungen. Zumindest etwas mehr Aufschluss bringt das Verhör Pascals, das in Rückblenden eine unglücklich endende Liebe zeigt. Im letzten Drittel geht’s dann noch mal ans Eingemachte, es beginnt mit einem weiteren Toten und offeriert eine überraschende Wendung, die mit Rache-Thriller-Motiven arbeitet.
„Wir haben hier eine mehrfache Übertötung.“
„Siebenschläfer“ übt harsche, aber gerechtfertigte Systemkritik, ohne dabei die allem innewohnende Ambivalenz außer Acht zu lassen und beispielsweise um Verständnis fürs Jugendamt zu werben. Lucas‘ Psychiater wiederum erinnert an reale Fälle von auf dem Rücken Schutzbefohlener ausgetragener Scharlatanerie. Winkler und Schnabel bilden ein tolles, funktionales Ermittlungsduo, das sich ob seiner Verschiedenheit gut ergänzt, der junge Pascal-Darsteller Geißelmann empfiehlt sich mit seiner Leistung für weitere größere Rollen, auch auf visuell-technischer Ebene punktet dieser „Tatort“ einmal mehr – und am Ende hatte ich Gänsehaut. So kann’s in Dresden gern weitergehen.
Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!