Von Einer, die auszog, das Gruseln zu lernen - Elmar Weihsmann, Stefan Peczelt (2005)

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Salvatore Baccaro
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Von Einer, die auszog, das Gruseln zu lernen - Elmar Weihsmann, Stefan Peczelt (2005)

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Originaltitel: Von Einer, die auszog, das Gruseln zu lernen

Produktionsland: Österreich 2005

Regie: Elmar Weihsmann, Stefan Peczelt

Cast: Christine Dune und zahlreiche Krampusse und Perchten aus Kärnten


VON EINER, DIE AUSZOG, DAS GRUSELN ZU LERNEN entsteht als Nebenprodukt während der Vorbereitungen für Elmar Weihsmanns und Stefan Peczelts (vernachlässigbarem) Krampus-Slasher TAG DER TEUFEL, und möchte während seiner halben Stunde Laufzeit die kulturellen Hintergründe besagten Films (namentlich: das Perchtenbrauchtum) erhellen. Hierzu hat man TAG-DER-TEUFEL-Hauptdarstellerin Christine Untermoser, (deren Künstlername Christine Dune lautet, weil sie während des Grübelns darüber, wie sie sich in der Filmwelt denn nennen könnte, zufällig auf ein Plakat von David Lynchs DUNE-Verfilmung geschaut hat), als furchtlose Reporterin in medias res geschickt, sprich, die junge Frau interviewt Soziologen (einen gewissen Prof. Dr. Roland Girtler), Krampusse und Perchtenläufer, Schaulustige, die bei derartigen Events Zaungast spielen, lässt sich den Allerwertesten mit Ruten versohlen und besucht einen traditionellen Schnitzer von Perchtenmasken in seiner Werkstatt.

Interessanterweise ist das Ergebnis gar nicht allzu weit entfernt von der natürlich wesentlich höher budgetierten und wesentlich fokussierteren Dokumentation GRUSS VOM KRAMPUS von Gabriele Neudecker aus dem Jahre 2019: Auch in VON EINER, DIE AUSZOG, DAS GRUSELN ZU LERNEN erfahren wir etwas über die historischen Quellen der Perchten, (dass das Perchtentum beispielweise eine „Vermischung“ unterschiedlichster lokaler Bräuche darstellt und frühestens im 13. Jahrhundert dokumentiert ist), und werden darüber aufgeklärt, was denn nun eigentlich der Unterschied ist zwischen einem Krampus und einer Perchte; ebenso werden Themen wie Schwarze Pädagogik (Krampus und Perchte als Schreckgespenst für die Kleinsten und Stoff späterer Traumata, wenn die Kleinsten ihren Kinderschuhen entwachsen sind), Geschlechterdimensionen (die Frage, ob denn Frauen überhaupt unter die Krampus-Garnitur schlüpfen dürfen), und der Widerstreit zwischen Tradition und Moderne angeschnitten, (wenn in einer gar nicht mal schlechtgemachten finalen Schuss/Gegenschuss-Montage eine konservative Krampus-Gruppe und eine effekthascherische Showtruppe einander gegenübergestellt werden); nicht zuletzt begegnen wir sowohl dem „erotischen Krampus“, der in früheren Zeiten durchaus Stoff für sexuelle Phantasien hergab beziehungsweise handfest dabei mitwirkte, dass junge Menschen miteinander im Schutz der Maskerade anbandeln konnten, wie auch dem Krampus als Knecht Ruprecht, der den Heiligen Nikolaus bei seinen Hausbesuchen begleitet, wenn dieser artigen Kindern Süßwaren austeilt.

Obwohl VON EINER, DIE AUSZOG, DAS GRUSELN ZU LERNEN in jedweden Belangen dem „Hauptfilm“ TAG DER TEUFEL überlegen ist, hat sich in den reichlich mit der heißen Nadel gestrickt wirkenden Film doch die eine oder andere Eigenartigkeit eingeschlichen: Weshalb beispielweise filmt man vornehmlich die Hände des erwähnten Soziologen, während dieser seinen Monolog hält?; wieso wird ein Interviewpartner einfach nur als „Experte“ vorgestellt, ohne dass wir etwas Näheres darüber erfahren, was genau diesen denn nun überhaupt zum Experten macht?; warum werden die interviewten Personen im Abspann aufgelistet, als würde es sich um Schauspieler handeln, die Rollen wie „Der Volkskundler“ oder „Die Traditionalisten“ verkörpern? Ebenso beginnt der Film völlig unvermittelt, ohne dass irgendwelche einleitende Worte zu seinem Sujet fallen würden, und ein besonders unfreiwillig komischer Moment bietet sich, wenn zuerst der Organisator des Feldkirchener Perchtentreibens davon spricht, das Schönste bei seiner Veranstaltung seien die „strahlenden Kinderaugen“, und Christine Dune eine Szene später während besagten Perchtentreibens zu Protokoll gibt: „Ich habe schon einige weinende Kinder gesehen!“, (wobei sie tatsächlich in die Kamera grinst, als habe sie soeben im Lotto gewonnen.) Die Musik (vornehmlich eine fröhliche Gitarrenmelodie) wurde spätestens übrigens auch in TAG DER TEUFEL verbraten.

Für eine Independent-Reportage, die anscheinend nur dazu gedacht gewesen ist, den in Produktion befindlichen „ersten Perchten-Horrorthriller“ TAG DER TEUFEL zu promoten, kann sich VON EINER, DIE AUSZOG, DAS GRUSELN ZU LERNEN jedenfalls durchaus sehen lassen und ist als Einstieg ins Thema „Krampus“ oder „Perchten“ und sowieso als eigenständiger Film eine wesentlich erfreulichere Angelegenheit als sein umständlich und zähflüssig erzählter Begleitspielfilm.
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