Der Mann, der aus dem Norden kam - José Luis Merino (1967)

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sid.vicious
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Der Mann, der aus dem Norden kam - José Luis Merino (1967)

Beitrag von sid.vicious »

Originaltitel: Frontera al sur
Regisseur: José Luis Merino
Kamera: Fausto Rossi
Musik: Joseph Kosma, Angelo Francesco Lavagnino
Drehbuch: José Luis Merino, Fulvio Gicca Palli
Darsteller: George Hilton, Krista Nell, Piero Lulli, Enrique Ávila, Ricardo Palacios, Gustavo Rojo, Ada Tauler, Verónica Luján, Guillermo Méndez,José Bastida, Rafael Morales, Ricardo Díaz, Ricardo Rubinstein, Francisco Nieto, Pablo Blanco, Manuel Ruiz, Luis Barboo, Rafael Vaquero, Joaquín Solís
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David Kitosch ist im Berufsleben hin und wieder als Scout für die North-West Mounted Police und im Privatleben routinemäßig als passionierter Schürzenjäger aktiv, der sich mit hübschen Indianerinnen vergnügt. Solch zügelloses Benehmen missfällt Häuptling Weiße Feder, der Kitosch nun in die ewigen Jagdgründe schicken will. Da in diesem Kontext guter Rat nicht unbedingt teuer, aber händeringend nötig ist, nimmt der Gelegenheitsscout die Identität des urplötzlich verschwundenen Major Becker an und wird zum Führer eines als Trauermarsch getarnten Goldtransports. Auch wenn nur Eingeweihte von dem transportierten Edelmetall wissen, schwebt über der Reisegruppe die Gefahr eines Überfalls, denn McCoy alias Renegade ist schon manch raffinierten Strategen auf die Schliche gekommen.

Ich hoffe, dass ich die Rahmenhandlung korrekt wiedergegeben habe. José Luis Merinos Handlungsgestaltung ist nämlich alles andere als sattelfest und rechtfertigt die altbekannte Floskel von der holprigen Inszenierungsweise. Der legendäre und bei einer Filmsichtung unverzichtbare Funke ist überaus instabil und kann angesichts seines verhaltenen Glühens über die gesamte Spielzeit nicht wirklich auf den Zuschauer überspringen. Was den Film vor einem Worst Case Szenario rettet, ist die bundesdeutsche Synchronisation (eine der berühmt-berüchtigten DEFA- Synchros hätten den Film definitiv unerträglich gemacht), welche nicht nur Chevalier, sondern reihenweise Schenkelklopfer (wie sie Brunnemann respektive Brandt häufig George Hilton in den Mund legten) an Bord hat.

DER MANN, DER AUS DEM NORDEN KAM wird gemeinhin als Italo- respektive als Paella-Western bezeichnet. Mir klingt das zu oberflächlich, sodass ich - um die Sache zu konkretisieren - den Begriff Mountie-Western aufs Tapet bringe. Ein Subgenre, das in den USA bereits zur Stummfilmzeit mit einigen Kurzfilmen wie beispielsweise WHEELS OF FATE und BLOODHOUNDS OF THE NORTH (beide 1913 fertig gestellt) bedient wurde. Seinen Einstand beim Tonfilm feierte der Mountie-Western mit den abendfüllenden Lichtspielen IN LINE OF DUTY (USA, 1931, Bert Glennon) oder MOUNTED FURY (USA, 1931, Stuart Paton). Da ich keine Möglichkeit habe die genannten Filme zu sichten und einhergehend ihre Credits zu inspizieren, verlasse ich mich auf meine Literaturquellen als auch auf meine Kombinationsgabe. Demgemäß sind die getätigten Angaben ohne Gewähr zu verstehen. Die bekannteste Vertreter im Areal der Mountie-Western sind - diesmal mit Gewähr als auch Brief und Siegel - Cecil B. DeMilles DIE SCHARLACHROTEN REITER (USA, 1940) und Raoul Walshs SASKATSCHEWAN (USA, 1954). In den südeuropäischen Lichtspielen nahm man sich der Thematik sehr selten an. Die wenigen Ausnahmen sind neben DER MANN, DER AUS DEM NORDEN KAM, Joe D'Amatos DIE ROTRÖCKE (ITA, 1957), Amando de Ossorios DIE UNVERSÖHNLICHEN (ITA / ESP, 1975) und Ramón Torrados LA CARGA DE LA POLICIA MONTADA (ESP, 1964).

Die North-West Mounted Police, die ab 1920 Royal Canadian Mounted Police firmierte, wurde 1873 von der kanadischen Regierung gegründet, um Recht und Ordnung in den North West Territorries aufrecht zu halten. Ihr Hauptquartier befand sich in Regina, die Hauptstadt der kanadischen Provinz Saskatchewan. Die Mounties galten als fair und wurden von den Indianern respektiert. Gemeinhin bescheinigt man ihnen (den Mounties), dass sie ihr Einsatzgebiet weitestgehend von jener Gesetzlosigkeit, die den amerikanischen Westen dominierte, verschonten. Nachdem die pflichtbewussten wie emsig werkenden Mounties die kanadischen Prärien beschwichtigt hatten, wurde ihnen ein neues Aufgabengebiet zugewiesen, das sich mit dem Yukon-Goldrausch ausbuchstabieren lässt.

Die Sujets der Mountie-Filme orientieren sich hauptsächlich an zwei Autoren, die für ihre Mountie-Abenteuer-Literatur bekannt sind: Oliver Curwood und Laurie York Erskine. In den jeweiligen Lichtspielen mit Indianerthematik glänzten die Mounties als saubere Vorzeigesoldaten. In den Yukon-Filmen als unerschrockene Beschützer der bedrängten Goldsucher. Und wenn ihr Einsatzgebiet in die Wildnis verlagert wurde, agierten sie als silberwäldlerische Oberförster, die vermutlich selbst dem Lenzi (bevor Fragezeichen aufsteigen und hernach gemeinsam mit dem Missverständnis ziel- wie planlos durch die Lüfte schweben, ich spreche von Rudolf Lenz!) Konkurrenz gemacht hätten.

Letztere Kategorie ist im Großen und Ganzen DER MANN, DER AUS DEM NORDEN KAM verpflichtet, denn die Hauptfigur, David Kitosch, ist vornehmlich in der Wildnis zu Hause. Kitosch ist ein Schwerenöter, der immerzu auf der Suche nach heißblütigen Indianerinnen ist, um diese zu verführen. Die Konstruktionspläne zu dieser Figur (David Kitosch) lassen sich in der historischen Figur Maurice LeDuc finden. Ein französischer Trapper, der mit einem Ute-, Blackfeet- und Sioux-Mädel zusammenlebte. In der unzivilisierten Wildnis - kein Problem. Erst mit dem Voranschreiten der Zivilisierung wurden die Rassenvermählungen zu einer heiklen Sache und der Ausdruck Squaw-Man zu einem Schimpfwort. Kitosch denkt jedoch nicht einmal im Traum ans Heiraten. Stattdessen fokussiert er seine Triebe, womit er den Zorn von Weißer Wolf auf sich zieht. Somit hat Kitosch ein handfestes Problem und versucht dieses zu beseitigen, indem er in die Rolle des vermissten Major Becker schlüpft.

Ab diesem Moment mehren sich die kuriosen Kapriolen. Man trifft auf einen Trauerzug, der fünf Leichen (Sheriff, Deputy, 3 Helfer) in die Vereinigten Staaten überführen will - der genaue Zielort wird nicht genannt. Macht aber nichts, denn es ist eh ein Schwindel! Wer hätte das gedacht? Simultan zum aufgedeckten Clou stellen sich die trauernden Witwen als Saloon-Mitarbeiterinnen vor! Wer hätte das jetzt nicht gedacht? Damit verrate ich übrigens nicht zu viel, da diese Konstellation eh Teil des Klappentextes ist.

Weit weg vom Klappentext, deutlich näher an der Nervenheilanstalt, bekommt eines der Animiermädchen urplötzlich und vollkommen unerwartet einen hysterischen Anfall. Einen ganz fürchterlichen Schreikrampf. Eine der vermutlich putzigsten Darbietungen in der Geschichte des italienischen Westerns, welche die Tante nach einer sie beruhigenden Ohrfeige zur dauerhaft strahlenden Carollschen Grinsekatze transformieren lässt, die anscheinend viel zu fest an der Raupes Wasserpfeife zutzelte. Bei dem bemerkenswerten wie schauspielerisch legendärem Anblick würde selbst die brave Alice fluchtartig das Wunderland verlassen und Genius Syd Barrett umgehend zur LSD-Abstinenz konvertieren.

Über der Reisegesellschaft schwebt unentwegt die Gefahr eines Indianerangriffs als auch die Gefahr eines Angriffs durch Renegade und seiner Bande. Die Bedrohung kann allerdings zu keiner Zeit ernsthaft vermittelt werden. Brandt oder Brunnemann lassen sabbeln, sabbeln, sabbeln… und natürlich wird kraft dieses Gefasels wie Geschnodders nur wenig gesagt. Der Film erhält freilich noch seine deutlich mehr als minder überraschende Pointe, aber der Weg dahin ist von jeglicher Spannung, die den Zuschauer irgendwie zum Film verführen könnte, befreit. Die Mitglieder der Spaß- und gute Laune Abteilung, die hin und wieder gern den Lach- und Sachgeschichten von Hund, Katze, Maus lauschen, werden kraft der bereits erwähnten Kuriositäten zu dem ein oder anderen Lacher hingerissen, denn urplötzlich taucht ein Indianer auf, der sich als José vorstellt, sehr bibeltreu ist, einen Indianer mit Waffe als einen bösen Indianer suggeriert und pausenlos Unfug von sich gibt. Ich vermute, es sollte Ihnen nun dämmern, dass bei DER MANN, DER AUS DEM NORDEN KAM ein wenig neben der Spur liegt. Aber: Auch wenn mich das unfreiwillig Komische, das selten Blöde, stets köstlich amüsieren kann, war ich während der Sichtung alles andere als zufrieden und blieb hauptsächlich Dank Chevalliers toller Stimme und seinen begleitenden Gassenhauern am Ball. Denn im Großen und Ganzen ist DER MANN, DER AUS DEM NORDEN KAM eine verflucht öde Angelegenheit.
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