Im Schatten der Frauen - Philippe Garrel (2015)

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Salvatore Baccaro
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Im Schatten der Frauen - Philippe Garrel (2015)

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Drei sich teilweise ergänzende, sich teilweise widersprechende Thesen zu Philippe Garrels Film L'OMBRE DES FEMMES.

1. L’OMBRE DES FEMMES ist ein irrelevanter Film.

Seit nunmehr über dreißig Jahren dreht Philippe Garrel, hat es den Anschein, im Grunde immer wieder ein und denselben Film. In den 60ern und 70ern ist er noch für einige der mutigsten französischen Experimentalfilme verantwortlich - als Teil der losen sogenannten Zanzibar-Bewegung, die sich zum Ziel setzt, mit radikalen Mitteln dort weiterzumachen, wo die Nouvelle Vague kurz vorher angefangen hat, dann aber, im Falle von Regisseuren wie Truffaut oder Rohmer, doch wieder aufs klassische Narrationskino geschwenkt ist. Seine frühen Werke wie LE RÉVÈLATEUR (1967), LE LIT DE LA VIERGE (1968) oder LES HAUTES SOLITUDES (1974) zeichnen sich dadurch aus, dass sie so ziemlich alles unternehmen, um mit gängigen Konventionen zu brechen und ihrem Publikum so unkonsumierbar wie möglich gegenüberzutreten. Sie haben eine spröde Schwarz-Weiß-Ästhetik, sind größtenteils komplett ohne Ton gedreht, ihre Laufzeit pendelt sich meist bei einer knappe Stunde ein, ihre Themenfelder bestehen aus Drogensucht, Suizid, familiäre Gewalt, existenzialistisches Leben und Sterben zwischen Kunst-Untergrund, Großstadtpuls und surrealen Landschaften. Ende der 70er fängt Garrel dann aber an, sich doch allmählich dem kommerziell operierenden Kinosystem anzunähern. Hinter ihm liegt eine aufreibende Beziehung mit Sängerin Nico, Armut, Sucht, Depressionen. Während der Arbeit an L’ENFANT SECRET (1979) – wohl einer der grimmigsten Filme, die jemals produziert worden sind -, lebt und schläft er in einem kleinen Schneidraum, finanziert kann das Werk nur werden, weil die Schauspieler wie Tina Aumont auf ihre Gagen verzichten, und Garrel sich über die Jahre sowieso eine absolut ökonomische Arbeitsweise angeeignet hat: Gefilmt wird an Originalschauplätzen, die nicht mehr zu sein brauchen als karge Pariser Wohnungen, meist mit Laien, low-budget-Ausrüstung und DIY-Ästhetik. Dann aber 1984 der Bruch: LIBERTÉ, LA NUIT sieht schon, die nach wie vor reduzierte Bild- und Farbsprache abgezogen, mehr wie ein ,richtiger` Film aus, ELLE A PASSÈ TANT D’HEURES SOUS LES SUNLIGHTS… (1985) noch viel mehr. Garrel findet die Themen seines Spätwerks: Reflexionen über das Filmemachen an sich, das Leben, die Liebe in allen erdenklichen Facetten.
L’OMBRE DES FEMMES, sein bislang letzter und mittlerweile einunddreißigster Film, unterstreicht deutlich, dass Garrel inzwischen genau an dem Ort angelangt ist, gegen den er in seinem wüsten Frühwerk permanent eine Salve nach der andern abgefeuert hat. Tatsächlich könnte L’OMBRE DES FEMMES problemlos auch dreißig oder vierzig Jahre früher spielen und inszeniert worden sein. Garrels Filme seit den 80ern sind, bis auf wenige Ausnahmen, anachronistisch. Die nach wie vor schlichten Wohnungskulissen, in denen seine Protagonisten fortlaufend die gleichen Liebeshöhenflüge, Liebesverwicklungen und Liebesenttäuschungen erleben, weisen kaum einmal ein Interieur-Stück auf, das nicht auch aus den 60ern stammen könnte. Altmodisch schreiben Garrels Helden sich Briefe statt SMS. Selbst die Filme, die sie drehen – denn oft und gerne sind sie, quasi nebenbei, irgendwie mit dem Kino verbandelt – werden noch als analoge Rollen konserviert. In L’OMBRE DES FEMMES setzt Garrel uns gleich ein Filmemachepaar als Identifikationsfiguren vor. Manon und Pierre tragen Eheringe und die Last, Dokumentarfilme drehen zu wollen, jedoch niemanden zu finden, der ihnen dabei finanziell unter die Arme greifen würde. So jobben sie beide nebenher in Brotberufen, um in ihrer Freizeit ihr bislang ehrgeizigstes Projekt zu verwirklichen: Eine Reportage über greise Resistance-Kämpfer. Manons Mutter zweifelt an Pierre. Könnte das nicht jeder, ein paar alte Männer in ihren Wohnungen interviewen, man muss doch bloß Fragen stellen und zuhören? Manon verteidigt ihren Ehemann. Nein, es sei die Art, sagt sie, wie Pierre zuhört, welche Fragen er stellt, wann er eine Pause entstehen lässt, wann nicht. Sie steht übrigens in seinem Schatten, ist seine rechte und helfende Hand, während sein Namen quer über die Filme geschrieben steht – auch das ein altmodisches Geschlechtermodell, das Garrel direkt aus dem Jahrzehnt, in dem er mit dem Filmemachen angefangen hat, ins einundzwanzigste Jahrhundert überführt.
Was passiert sonst in diesem gerade mal siebzig Minuten langen, hauptsächlich aus emotionslosen Dialogszenen und hübschen, aber irgendwie toten Schwarzweißbildern bestehenden Film? Nun, das Übliche bei Garrel seitdem er sich von seinen Untergrund-Wurzeln getrennt hat: Pierre betrügt Manon mit Elisabeth. Elisabeth wiederum ertappt Manon zweimal bei einem Rendez-vous mit ihrem eigenen Lover in einem Café. Pierre stellt Manon zur Rede, verlangt, dass sie sich von ihrem Liebhaber lossage. Sie tut es, er schließlich auch. Trotzdem finden sie nicht mehr zueinander. Die Seitensprünge stehen zwischen ihnen, der Zauber ist verflogen. Eine unschöne Trennung folgt. Dann stirbt einer der Renaissance-Veteranen, die sie interviewt haben. Bei der Beerdigung erfährt Pierre von Manon: Der Mann hat sie nach Strich und Faden belogen, in Wirklichkeit sei er mehr ein Kollaborateur als Partisane gewesen. Er ist entsetzt. Manon sieht darin eine Chance: Wieso nicht den Film trotzdem drehen, nun aber über einen Kollaborateur, der sich die Realität zurechtbiegt und sich zum Widerstandskämpfer hochstilisiert? Sie finden zueinander, umarmen, küssen sich. Fin. Genauso unspektakulär wie meine Inhaltsbeschreibung des reinen Plots von L’OMBRE DES FEMMES klingt, genauso unspektakulär entrollt Garrel die Geschichte auf der Leinwand. Ereignis folgt auf Ereignis, gefangen in den Statuten einer Ästhetik, die schon lange aufgehört hat, innovativ zu sein, und ohne jeglichen Bezug zur Gegenwart, so, als lebe Garrel noch immer eingekapselt im Paris der 68er - und vielleicht tut er das ja auch. Lakonisch berichtet sein Sohn Louis als Erzähler aus dem Off von dem Gefühlsleben der Protagonisten, da es unmöglich ist, hinter deren verhaltene Fassaden zu schauen. Lakonisch wird an den richtigen Stellen zarte Musik – Klavier und Akustikgitarre – eingestreut. Ansonsten redet man unablässig, ohne dass dabei großartig etwas herumkommt. Man stelle sich einen Eric-Rohmer-Film vor, nur aufs absolut Basalste reduziert – und Rohmer ist ja schon einer Ästhetik der Reduktion verschrieben.
Was hätte Garrel nicht alles sagen können über das Paris des Jahres 2015, über die politische Situation in der französischen Hauptstadt, über den Wandel in einer Gesellschaft zwischen Terrorangst und erstarkender Rechten. Bezeichnend ist sein Schwelgen in der Vergangenheit: Natürlich, Manon und Pierre richten ihre Kameras nicht auf aktuelle Demos, noch lebende Politiker, auf die Ereignisse in den Straßenschluchten bei ihnen um die Ecke, sondern es müssen alte Männer sein, die von ihren Heldentaten im Zweiten Weltkrieg berichten, wie viele Nazis sie erschlagen haben, und wann sie mit welchem gefälschten Pass sie es über welche Grenzen schafften. Schön fasst der Film-im-Film Garrels eigenes Dilemma zusammen: Für ihn ist die Uhr stehengeblieben, und seine Filme wohl nur noch genießbar für Männer seines Alters, die sich zurücksehnen zu der Zeit, als sie jung und wild waren, und ihr Leben einem Liebeskarussell wie dem in L’OMBRE DES FEMMES glich.

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2. L’OMBRE DES FEMMES ist ein bescheidener Film.

Es ist erstaunlich, wie konsequent und unbeirrt Garrel den Stil, den er seit nunmehr dreißig Jahren für sich gefunden hat, in nahezu allen seinen Filmen seit 1984 durchexerziert, und lediglich kleineren Variationen unterwirft. Garrels Markenzeichen ist eine absolute Bescheidenheit: Er erzählt simple, nahezu banale Liebesgeschichten in schlichten, nahezu schmucklosen Bildern auf eine zurückhaltende, nahezu schüchterne Art und Weise. Als Schauplätze dienen Garrel, wie den Regisseuren der Nouvelle Vague, auf die er sich unübersehbar bezieht, Pariser Straßen und Wohnungen, eingerichtet nur mit dem Notdürftigsten, genauso schmucklos und schüchtern wie Erzählstil und Bildsprache, und bemerkenswerterweise ohne das geringste Eingeständnis an die multimediale Moderne unserer Tage. Nicht nur der reine Plot von L’OMBRE DES FEMMES erzählt eine im Grunde universale Geschichte um Ehebruch und den Versuch, die aus diesem ersten Bruch resultierenden Brüche innerhalb einer Liebesbeziehung wieder zu kitten, auch die Interieurs, die Mode, die Objekte, mit denen Garrels Figuren sich umgeben, ist kaum verortbar in einer konkreten Epoche zwischen den, sagen wir, 60ern und den 2010er Jahren. Kein einziges Smartphone ist in L’OMBRE DES FEMMES in Sicht, keine Szene, die Paris anders zeigen würde wie als Ensemble aus seltsam menschenleeren, an die berühmten Photographie von Atget erinnernden Hintergassen, introvertierten Hausfassaden, karg möblierte Stuben, und prinzipiell gehen Garrels Protagonisten zu Fuß durch diese Welt, in der die Zeit stillzustehen scheint, höchstens sitzt man mal, wie die Helden der Nouvelle Vague in den 60ern, in Cafés herum und redet über die Liebe und das Leben.
So radikal wie Garrels frühen Experimentalfilme gewesen sind – man denke an den unglaublich beklemmenden, komplett ohne Ton entstandenen LE RÉLÉVATEUR (1968), den er mit gerade mal zwanzig inszeniert hat, oder den visuell schlicht überwältigenden LA CICATRICE INTÉRIEURE (1972), einem seiner wenigen Farbfilme, in dem seine langjährige Freundin Nico durch surreale Landschaften quer über dem Globus streift, oder, wohl einer der traurigsten Filme, die ich jemals gesehen habe, L’ENFANT SECRET (1979), der gewissermaßen Garrels vorsichtiges Hinwenden zu traditionellen Erzählformen markiert -, so radikal gestaltet sich auch Garrels Alterswerk. Während radikal in Garrels Oeuvre der 60er und 70er indes bedeutet, dass da jemand sein (überschaubares) Publikum mit Konventionsbrüchen konfrontiert, die den jeweiligen Film für Mainstream-Cineasten fast unkonsumierbar machen, so bedeutet die Radikalität des reifen, inzwischen fast siebzigjährigen Garrel etwas, das ich einmal als Subversion durch Bescheidenheit bezeichnen möchte. Noch immer verweigert Garrel sich, nur anders, milder. Es mag sein, seit LIBERTÉ, LA NUIT (1984) haben seine Filme sich zunehmend genau in die Richtung entwickelt, der er in den 60ern noch diametral gegenüberstand. Sie sind narrativ, eingebettet in ein kommerzielles Vertriebssystem, verfügen über Schauspieler, über Ton, über vertraute Strukturen und formale Aspekte, werden auf Festivals gezeigt, mittlerweile sogar in ,normalen‘ Kinos. Dennoch tut Garrel nichtsdestotrotz vielleicht nicht alles, aber viel dafür, sie nicht zu beliebigen Herzschmerzmelodram werden zu lassen, die man einmal nachmittags bei einem kurzfristigen Kinobesuch wegschauen kann, um sich unterhalten zu fühlen. Nüchtern, irgendwie distanziert, aber dennoch voller Zärtlichkeit betrachtet Garrel seine Figuren – in diesem Fall Manon und Pierre, natürlich, wie so oft bei ihm, zwei Filmemacher, die Brotberufen nachgehen müssen, um ihr bislang ehrgeizigstes Projekt, eine Reportage über Resistance-Veteranen, verwirklichen zu können -, ehrlich und in gewisser Weise schonungslos seziert er die komplexen Spiele, die die Liebe mit ihnen treibt – Pierre betrügt Manon mit Elisabeth, sie hat ebenfalls einen Liebhaber, und als sie das voneinander erfahren, lösen sie sich von den Bettgeschichten, und versuchen, ihre Ehe zu retten, doch die Seitensprünge stehen weiterhin zwischen ihnen, und verhindern, dass ihre Körper und Herzen wieder aneinander andocken -, aufs absolut Wesentliche beschränkt, quasi ohne Schauwerte, entrollt Garrel Bilder vor uns, die kaum klarer sein könnten, und in denen nichts uns ablenkt von dem, was Garrel am meisten interessiert: Wie Körper sich annähern, wie sie einander verletzen, wie sie miteinander ins Reine kommen. Selbst für französisches Arthouse-Kino ist die Art wie Garrel seine Liebesgeschichte erzählt, völlig losgekoppelt nämlich von politischen, gesellschaftlichen Bezügen, extrem in ihrem Minimalismus. Eine Szene unterstreicht das formvollendet: Pierre und Manon haben sich getrennt. Er ist allein in seiner neuen Wohnung. Während sonst stets Garrels Sohn Louis aus dem Off die Geschichte der Beiden erzählt hat – in lakonisch-poetischen Sätzen wie aus einem Roman der 20er -, ist es nun auf einmal Pierres eigene Stimme, die wir hören, ohne dass er, neben einer Leiter vor einer nackten Wand auf dem Boden kauernd, die Lippen bewegen würde. Es scheinen Sätze aus einem (imaginären?) Brief an Manon zu sein: Wie sehr er sie vermisse, wie lang das Leben für ihn ohne sie sei. Dabei verändert die Lichtsetzung der Szene sich unmerklich. Recht dunkel beginnt sie, dann hellt das Bild sich links langsam auf, macht Pierres Gestalt für uns immer deutlicher. Allein dieser Effekt, so lapidar, dass man sich sträubt, es überhaupt einen Effekt zu nennen, kann exemplarisch für das archaische Kino gelten, dem Garrel kontinuierlich, alle zwei Jahre, ein neues Meisterwerk hinzufügt.
Es gibt zurzeit wohl kaum einen Regisseur narrativer Filme, der mit so wenig auskommt wie Garrel, und der mit diesem Wenigen so viel erreicht.

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3. L’OMBRE DES FEMMES ist ein Liebesfilm.


Pierre und Manon sind Dokumentarfilmemacher. Zurzeit arbeiten sie an ihrem bislang ehrgeizigsten Projekt, einer Reportage über Resistance-Veteranen. Bei sich zu Hause interviewen sie einen Greis, der davon erzählt wie viele Nazis er seinerzeit totgeschlagen hat und wann er mit welchem gefälschten Pass über welche Landesgrenze gereist ist. Seine Frau bietet Manon und Pierre währenddessen Anisplätzchen an. Geld lässt sich damit aber keins verdienen. Pierre und Manon müssen Brotberufen nachgehen, um ihren Film finanzieren zu können. Bei einem dieser Gelegenheitsjobs lernt Pierre Elisabeth kennen. Sie landen in ihrem Bett. Sie weiß, er ist verheiratet, liebt ihn aber so sehr, dass sie ihm eines Tages folgt, ihn mit Manon zusammen sieht. Kurz darauf begegnet sie Manon erneut. Auch sie scheint einen Liebhaber zu haben. Küssend sitzen sie in einem Café. Elisabeth erzählt Pierre davon. Er stellt Manon zur Rede. Beide trennen sie sich von ihren Lovern, wollen ihre Ehe retten. Doch die Seitensprünge stehen weiter wie Gespenster zwischen ihnen, und verhindern, dass sich die frühere Vertrautheit so einfach wiederherstellen lässt.
Philippe Garrel ist auch ein Dokumentarfilmemacher. Den Eindruck hat man zumindest bei seinem neusten, mittlerweile einunddreißigsten Film L’OMBRE DES FEMMES von 2015. Er bleibt seinem Stil treu: Die menschliche Liebe wird in allen Facetten semi-dokumentarisch analysiert und illustriert. Was Garrel interessiert, das sind die Linien der ruhenden Körper nach dem Sex, und die Tränen in dem Moment, wenn zwei Menschen begreifen, dass für sie eine gemeinsame Zukunft eher unwahscheinlich ist, und die leisen Schritte, mit denen ein Mann, der gerade seine Frau betrogen hat, zum ehelichen Bett schleicht, und dort unter die Decke gleitet, ohne sie wecken zu wollen, damit ihr Blick nicht auf seine Scham fällt. Schon in den 60ern und 70ern, in seiner Experimentalfilmphase, hat Garrel die Liebe besungen, beziehungsweise Menschen, die er liebt, vor allem Nico, seine langjährige Freundin, die in einer ganzen Reihe von Filmen derart die Hauptrolle spielt, dass man den Eindruck visueller, an sie adressierte Liebesgedichte nicht loswird. L’ENFANT SECRET (1979) setzt dem Ende dieser Liebe, der gemeinsamen Drogensucht, Depressionen und Selbstmordversuchen ein erschütterndes Denkmal und zugleich die Note für die konventionelleren Filme, die folgen werden: Garrel erzählt von der Liebe zu seiner Familie – sein Vater, sein Sohn, seine neue Frau sind integraler Bestandteil der nüchtern-kargen Schwarzweißwerke -, von der Liebe erfundener Personen, die sich finden, verlieren und wiederfinden, und immer wieder von Nico, selbst lange nach ihrem Tod noch. Sein Blick auf die Dinge ist geschärft, minimalistisch, ehrlich, durchaus sanft: In von Maestro Renarto Berta wunderschön photographierten Bildern verheddern sich Manon und Pierre, wie fast alle seine Helden, in ihren eigenen unergründlichen Gefühlen, straucheln, rappeln sich wieder hoch, und das Ganze ohne Hollywood-Melodramatik, ohne große Schauwerte, ohne dass wir das Gefühl bekommen würden, das sei nur eine weitere abgeschmackte Herzschmerzgeschichte, mit der wir über unseren eigenen Herzschmerz hinweggetröstet werden sollen. Stattdessen können Garrels Filme, in der richtigen Stimmung, das eigene Herz genauso zum Schmerzen bringen wie die Tränen zum Fließen. Kaum ein zeitgenössischer Regisseur des narrativen Films verhandelt alltägliche Emotionen derart unaufgeregt, unspektakulär, unprätentiös wie Garrel. Man hat eher das Gefühl: All diese Dinge sind genauso geschehen, können wieder geschehen, geschehen exakt in diesem Moment, wenn ich den Film schaue, und vielleicht erlebe ich es morgen schon selbst, in meiner karg möblierten Wohnstube, wo die Zeit stillzustehen scheint.
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