Arnold Schwarzenegger - Die Verkörperung des American Dream - Jérôme Momcilovic / Camille Juza (2019) [Doku]

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 38557
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Arnold Schwarzenegger - Die Verkörperung des American Dream - Jérôme Momcilovic / Camille Juza (2019) [Doku]

Beitrag von buxtebrawler »

Arnold Schwarzenegger - Die Verkörperung des American Dream.jpg
Arnold Schwarzenegger - Die Verkörperung des American Dream.jpg (101.96 KiB) 339 mal betrachtet

Originaltitel: La fabrique d'Arnold Schwarzenegger

Herstellungsland: Frankreich / 2019

Regie: Jérôme Momcilovic, Camille Juza
Er bezeichnete sich selbst als den „leibhaftigen amerikanischen Traum“, seine Geschichte ist eine der großen Legenden Amerikas: Doch was steckt eigentlich hinter Arnold Schwarzeneggers Erfolgsgeschichte? Vom Österreich der Nachkriegszeit über Bodybuilding-Arenen und Hollywood-Studios bis zum Sitz des kalifornischen Gouverneurs ist seine beeindruckende Laufbahn symptomatisch für eine Epoche. Die Dokumentation blickt zurück auf den Mythos Schwarzenegger, der als ein lebendes Denkmal viele (Alp-)Träume seiner Zeit widerspiegelt - in einem Amerika, in dem der amerikanische Traum beinahe ausgeträumt zu sein scheint…
Quelle: https://programm.ard.de/TV/Programm/Jet ... 3367764276

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 38557
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Arnold Schwarzenegger - Die Verkörperung des American Dream - Jérôme Momcilovic / Camille Juza (2019) [Doku]

Beitrag von buxtebrawler »

„Seine Geschichte ist eine der letzten großen Mythen Amerikas!“

Es gibt so einige Dokumentation über den österreichisch-US-amerikanischen Bodybuilder, Schauspieler, Politiker, Unternehmer und ehemaligen Mr. Universum Arnold Schwarzenegger; diese für den französisch-deutschen Kulturaustauschsender Arte produzierte, rund 50-minütige von Jérôme Momcilovic und Camille Juza ist die bis dato jüngste: Sie wurde am 10. Februar 2019 erstausgestrahlt.

„Er steht für die Maßlosigkeit der Reagan-Ära – gleichermaßen als Sinnbild wie als Karikatur.“

Momcilovic und Juza lassen mithilfe der Voice-over-Erzählerin Élodie Huber (im französischen Original) Schwarzeneggers beeindruckende Karriere als „leibhaftiger amerikanischer Traum“, vom Bodybuilder-Champion über den Hollywood-Actionfilm-Star bis zum kalifornischen Gouverneur, Revue passieren und beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit der Zeitgeist und der US-„Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Mythos Schwarzenegger prägten – und umgekehrt.

„Schwarzeneggers unwirklicher Körper ist eine Verheißung des neuen Menschen, der in den Labors des Silicon Valley entworfen wird. Die Fantasie vom totalen Selfmade-Man, künstlich hergestellt vom Scheitel bis zur Sohle.“

Mit Schwarzenegger persönlich hat man für diesen Film nicht gesprochen. Man bewegt sich auf der Grundlage von Archivmaterial wie zahlreichen Talkshow-Auszügen, öffentlichen Auftritten und Filmausschnitten sowie Fotos mit Schwarzeneggers Kindheit beginnend chronologisch an seinem Lebenslauf entlang und definiert ihn als überaus disziplinierten und ehrgeizigen „verkörperte[n] Traum der Selbstoptimierungs- und Fitnessbewegung“, der bereits von seinem Vater gedrillt worden sei. Die Erzählerin entwickelt dabei einen Hang zu Überschwang und Pathos und wird nicht müde zu betonen, dass es sich bei Arnie um das „lebende Aushängeschild des American Dream“ handele. Der Inhalt dieser Floskel wird in zahlreichen Variationen wiederholt.

In seiner Jugend sei Schwarzenegger auch ein von Leinwandhelden besessener Filmfan gewesen, die seinen Selbstoptimierungswahn zusätzlich befeuert haben dürften. Auf dem Höhepunkt seiner Prä-Film-Bodybuilding-Karriere, vollgepumpt mit Steroiden, sah er vollkommen absurd aus – ein „Gesamtkunstwerk“, meint die Sprecherin. Sein Fehler, nach Erlangen des Mr.-Universum-Titels und seiner Auswanderung in die USA, genauer: nach Los Angeles im Jahre 1968, den verbrecherischen US-Präsidenten Richard Nixon anzuhimmeln, erwähnt man nur beiläufig und zudem wertfrei. In den USA schloss sich Schwarzenegger den Republikanern an, studierte Geldmacherei und begann zunächst recht holprig seine Film- und TV-Karriere. Was genau Schwarzenegger dazu trieb, ausgerechnet zur damaligen Zeit den Republikanern beizutreten, verrät die Doku leider nicht.

Dafür kommt zumindest in Ansätzen die Diskrepanz zwischen dem von Schwarzenegger und Konsorten betriebenen totalen Körperkult und dem damaligen Zeitgeist zur Sprache – und wie sich Bodybuilding dann langsam, aber sicher dennoch auf breiterer Front durchsetzte. Arnie verdingte sich unter dem Pseudonym „Arnold Strong“ als Mannequin für Fitness-Magazin-Herausgeber Joe Wieder und wurde dank des Dokumentarfilms „Pumping Iron“ überregional bekannt. Und war freiwillige Leibesertüchtigung für viele damals noch ein Fremdwort, so brach sich bald die Fitnessrevolution bahn, von der Schwarzenegger ebenfalls profitierte. Welch großer Unterschied zwischen gesunder körperlicher Fitness und Anabolika-Konsum zu Protzzwecken besteht, verschweigt der Film.

Schauspieler Ronald Reagans US-Präsidentschaft bringt der Film mit Körper- und Männlichkeitskult in Verbindung, was sicherlich nicht falsch ist: In jene Ära fallen zahlreiche Action- und militaristische US-Propagandafilme, die fragwürdiges Heldentum, Militärglanz und durchtrainierte, quasi unverwundbare Ein-Mann-Armeen ersponnen und das Trauma des verlorenen Angriffskriegs gegen Vietnam zu überwinden versuchten. Schwarzenegger, der bald selbst zum Action-Schauspieler werden sollte, stand seinerzeit für seinen nächsten Trash-Film, den Barbaren-Fantasy-Unfug „Conan“, vor der Kamera. 1984 folgte sein erster wirklich guter Film: „Terminator“ – eine Rolle als böse Kampfmaschine, für die er tatsächlich prädestiniert war. Immerhin lassen Momcilovic und Juza leise Kritik an der Reagan-Ära zu.

Mit seinem nächsten Coup führte Arnie das politischen Selbstverständnis des Zwei-Parteien-Systems der USA ad absurdum – oder trat einen Beweis dafür an, wie wenig aussagekräftig und letztlich nebensächlich Parteizugehörigkeit eigentlich ist: Er ehelichte Maria Shriver, eine Tochter des demokratischen Kennedy-Clans. Zusammen wurden sie zu einem Medientraumpaar. 1989 löste der kriegstreiberische US-Präsident George Bush Ronald Reagan ab, die 1990er standen vor der Tür. Anfang jenes Jahrzehnts landete Schwarzenegger mit der gehypten, gefälligen und schwächeren, aber im Mainstream weitaus erfolgreicheren „Terminator“-Fortsetzung einen seinen erfolgreichsten Filme, bevor sich die Filmwelt nachhaltig veränderte und Schwarzenegger sein Heil in selbstironischen Rollen suchte. Die Sprecherin wird nun regelrecht philosophisch, als wolle sie der bis hierhin über weite Strecken relativ konventionellen Vermittlung biografischen Wissens eine tiefere Ebene verleihen.

Doch stattdessen geht es nach Erwähnung von Schwarzeneggers Herz-OP und seinem Amtsantritt als „Gouvernator“ Anfang des Jahrtausends in erster Linie um die Entwicklung seiner politische Karriere: So hatte er bereits 1988 George Bush mit einem bizarren Auftritt unterstützt und daraufhin mit ihm als eine Art verhinderter Sportminister zusammengearbeitet. Aber auch außerhalb der Politik hat sich Schwarzenegger sehr für Breitensport eingesetzt, sodass es den Anschein hatte, er nutze seine politische Einflussnahme in erster Linie für dieses Anliegen.

Schnell schwenkt der Film jedoch zum Wahlkampf um den Posten des kalifornischen Gouverneurs, was in der Tat sehr spannend und interessant ist, im Rahmen dieser nicht einmal einstündigen Dokumentation jedoch nur angerissen werden kann. Sie zollt ihm für sein auch politisches Durchsetzungsvermögen spürbar Respekt und zieht eine positive Bilanz, insbesondere sein Einsatz für den Umweltschutz wird positiv hervorgehoben. Dass an Schwarzeneggers Händen Blut klebt, da er auch als Gouverneur keinen Millimeter von der Todesstrafe abrückte und sie trotz persönlich an ihn gerichteter Gnadengesuche vollstrecken ließ, wird mit keiner Silbe erwähnt. Nicht einmal der unbezahlte Zwangsurlaub für Angestellte, die Kürzungen und Entlassungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen sowie die Erhöhungen der Schulgelder werden genannt.

2011 war endlich Schluss mit den Arnienomics. Die Rückkehr ins Filmgeschäft sowie – laut dieser Doku sein einziger Misserfolg – die Scheidung von seiner Frau standen an. Über Schwarzeneggers filmisches Spätwerk, postmoderne, ironisierte Reißer à la „The Expendables“, äußert sich die Sprecherin überraschend despektierlich. Mit dem etwas faltigeren Arnie ist sie offenbar durch, für sie ist er ein „rührendes Relikt“ – angesichts sämtlicher ausgelassener, tatsächlicher Anknüpfmöglichkeiten für Kritik an Schwarzenegger ist das großer, boulevardesker, unsachlicher Quatsch.

Heute ist Schwarzenegger darauf bedacht, altersweise zu wirken. Ein gewisses Ausmaß an Selbstironie scheint er aus seinen Filmen übernommen zu haben und auf jemanden wie Trump ist er nicht hereingefallen. Er meldet sich dann und wann über soziale Medien zu Wort und wirkt dabei abgeklärt und sympathisch. Das war für diese Dokumentation indes noch zu neu, die ja zudem eigentlich einen ganz anderen Anspruch verfolgte: die Wechselwirkung zwischen Schwarzenegger und der US-Kultur bzw. -Gesellschaft zu analysieren. Dies lieferte zumindest den einen oder anderen Denkanstoß, wird jedoch kaum vertieft. Dasselbe gilt für den behaupteten, aber nur unzureichend belegten oder begründeten Abgesang auf den American Dream. So bleibt eine oberflächliche Betrachtung der Vita Schwarzeneggers, angereichert mit einigen Schlenkern in Richtung US-Politik und Popkultur, die vor allem aufgrund ihres massiven Einsatzes von Archivmaterial kurzweilig und unterhaltsam ausgefallen ist. Viel mehr als dies sowie die alles andere als neue Erkenntnis, dass sich Medieninhalte und die Realität gegenseitig beeinflussen, ist von „Arnold Schwarzenegger – Die Verkörperung des American Dream“ jedoch nicht zu erwarten.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Antworten