Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

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Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Judas Kiss

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01.jpg (45.95 KiB) 132 mal betrachtet
Der schwule Filmemacher Zach Wells wollte mit einem umjubelten Kurzfilm Hollywood erobern und ist mittlerweile ein ausgebrannter Künstler mit Alkoholproblem, der nur hilflos zusehen kann, wie seine Karriere den Bach runtergeht. Als er eines Tages eine Rolle in der Jury des Filmfestivals übernehmen soll, dass er einst selbst gewonnen hat, sieht er sich auf einmal seinem jüngeren Ich gegenüber. Obwohl Zach eigentlich nicht versteht, was genau vor sich geht, hat er nun aber die einmalige Chance sein jüngeres Ich vor den Fehlern zu bewahren, die ihm seine Karriere gekostet haben. Doch da dieser genauso stursinnig ist, wie er es einst war, die diese Aufgabe auch keine leichte und Zachs Versuche in seine Vergangenheit einzugreifen sind schwieriger als gedacht.

Ein Film, bei dem man sich anhand des Covers eigentlich nicht viel erwartet und der sich dann als erfrischend origineller Film mit leichter Zeitreise-Komponente entpuppt. Im Grunde geht es in dem Streifen ja darum, begangene Fehler im Leben zu korrigieren und daher wird die Anomalie in der Zeit wie andere Dinge auch gar nicht näher erklärt, was den Film aber nicht minder sehenswert macht. „Judas Kiss“ ist nicht nur interessant erzählt, sondern bietet auch eine originelle Geschichte über Filmliebhaber, Chance und Verlockungen, denen man im Laufe des Lebens ausgesetzt ist. Wer hätte sich nicht schon mal im Leben gewünscht, dass man bestimmte Entscheidungen rückgängig machen könnte und der Filmemacher hier bekommt die einmalige Chance dazu. Herausgekommen ist ein schwuler Streifen, der auch in jedem anderen Umfeld funktioniert hätte und der sich statt nackter Hauf auch auf seine Geschichte verlässt und eine schöne Überraschung darstellt. „Judas Kiss“ ist wirklich gut gemacht, Noir-artig erzählt und bis zum Ende erfrischend originell.
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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

LA Plays Itself - The Fred Halsted Collection

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01.png (131.02 KiB) 119 mal betrachtet
Drei Erwachsenenfilme von Regisseur Fred Halsted zwischen 35 und 60 Minuten, die dem Zuschauer in einer Mischung aus Experimentalfilm und schwuler Pornographie eine sehr bunte Mischung aus Sex-Szenen zumuten, die man so in dieser Form auf der großen Leinwand bis dahin noch nicht gesehen hat. „LA Plays Itself“ beginnt ja recht harmlos mit einem Pärchen in der Bergwelt Südkaliforniens, die sich vergnügen und switcht dann zu einer zweiten Geschichte über einen Texaner, der im Sündenmoloch Los Angeles an den falschen Mann gerät. Dann folgt auch die Antwort auf die Frage, wieviel Hand im Unterleib einen Mannes Platz haben und der menschliche Körper wirklich so einiges auszuhalten vermag. „Sex Garage“ wirkt da schon fast verhalten, während „Sextool“ beim Thema Fisting wieder voll aufdreht und dem Zuschauer allerlei andere Dinge im Spannungsfeld von Sadismus und Masochismus vor die Linse knallt. Fred Halsted hat ja definitiv keine Wohlfühlfilme gedreht und dass die Protagonisten größtenteils getrieben wirken, lässt auch kaum die Vermutung zu, dass Sex den Beteiligten nebenher auch noch Spaß machen kann. Vielmehr wird dieser hier fast schon zu einem Akt der Zerstörung und leider auch wenig verwunderlich, dass Halsted nicht nur sein Publikum verstört zurückgelassen hat, sondern auch in späteren Jahren Selbstmord begangen hat, nachdem er wohl selber nichts ausgelassen hat.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Jack Be Nimble
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01.png (182.49 KiB) 111 mal betrachtet

Aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen landen die beiden Kinder Jack und Dora in einem Waisenhaus, wo sie kurz darauf getrennt voneinander an Familien vergeben werden. Während Dora wohlbehütet und geliebt aufwächst, ist bei Jack das Gegenteil der Fall. Die Jahre der Unterdrückung hinterlassen jedoch seelische Spuren und als Jack endlich die Kraft findet, seine Pflegefamilie zu verlassen, hinterlässt er eine Katastrophe. Währenddessen beginnt Dora Stimmen zu hören und spürt auch eine besondere Beziehung zu ihrem Bruder, der auf seinem Weg seine Schwester zu finden, ebenfalls Leichen hinterlässt. Als die beiden endlich wieder aufeinandertreffen, ist die Rache von Jack aber noch lange nicht zu Ende und er macht sich auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern, ohne zu ahnen, dass seine Handlungen ebenfalls bittere Konsequenzen nach sich ziehen…

Hui… große Überraschung und „Jack Be Nimble“ ist ein wunderbar düsterer Comig-of-Age-Streifen aus Neuseeland, der mich sehr an den ebenfalls empfehlenswerten „Schrei in der Stille“ erinnert hat. Die Geschichte zweier Pflegekinder ist eher sehr dramatisch gehalten, ehe der Streifen dann mit übernatürlicher Komponente in Richtung surreales Horrordrama abdriftet. Im Grunde geht es um eine verpfuschte Kindheit durch elterliche Gewalt und Vernachlässigung, und wie sehr diese bei den Betroffenen seelische Narben hinterlassen können. Trotz neuzeitlichen Settings wirkt „Jack Be Nimble“ zugleich auch immer etwas entrückt und ist dabei auch unvorhersehbar und schräg ausgefallen. Neben den wunderbaren Bildern und der überraschend langsamen Erzählweise sind es auch die Darsteller, die „Jack Be Nimble“ sehr eindringlich und intensiv wirken lassen. Die ungewöhnliche Mischung aus Drama, alptraumhaften Entwicklungen und übernatürlicher Entrückheit hat jedenfalls genau meinen Geschmack getroffen. Zwar ist so ein Streifen sicherlich nichts für die breite Masse, aber definitiv für die zahlreichen Mitglieder hier, die einen ruhigen, abseitigen Film zu schätzen wissen. Tipp!
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Jeffrey - It's just Sex

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jogiwan hat geschrieben: Mi 14. Jun 2017, 07:56 Kann man einen lustigen Film über eine eigentlich so ernste Sache wie Aids, HIV-Infektionen und dem Tod im schwulen New York der Neunziger machen? Man kann und im Falle von „Jeffrey“ ist das sogar noch sehr gelungen. Der Streifen steckt voller Situationskomik, ist herrlich überdreht und bietet schräge und neurotische Charaktere und Situationen, die genüsslich überzeichnet werden und doch versteckt sich zwischen Witz und Tempo auch eine ernste Botschaft. „Jeffrey“ mahnt nicht nur zu mehr Eigenverantwortung sich und seinem Körper gegenüber, sondern warnt auch vor vereinfachten Lösungsansätzen. Kein Sex ist eben auch keine Lösung und Lust und Liebe lässt sich auf Dauer ebenfalls nicht unterdrücken. Die Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks hat nicht nur Mut zum Kitsch, sondern hat dabei stets auch die Lacher auf seiner Seite und präsentiert seinen Hauptdarsteller und sein Umfeld in einer Vielzahl schräger Momente vom der tagträumerischen Tanznummer bis hin zur Gay-Parade im Central Park. Dass „Jeffrey“ zu einer Zeit entstanden ist, das noch nicht von Internet und Datings-Apps geprägt ist, macht ihn ebenfalls zu einem interessanten und vor allem humorvollen Zeitdokument mit wunderbaren Cast. Und wo sieht man schon sonst auch mal Mutter Theresa mit einer Kippe am Klavier? Eben!
Gestern wieder geguckt und auch wenn der 90er-Humor von "Jeffrey" nicht mehr ganz so meinen Geschmack trifft, so ist er doch ein liebenswerter Film über ein sehr ernstes Thema, dass aktuell ja aufgrund Prep und Co ja eher wieder etwas in den Hintergrund rückt. Eigenverantwortung ist aber noch immer wichtig und lässt sich auch nicht delegieren und nur teils mit Tabletten kompensieren. "Jeffrey" ist flott, bunt, überspitzt und doch auch sehr in seiner Zeit verhaftet - was man je nachdem als Vor- oder Nachteil sehen kann.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Hamam - Das türkische Bad

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01.jpg (65.36 KiB) 92 mal betrachtet
Ein sonderbar entrückt-melancholischer Film über Sehnsüchte und dem Wunsch auch mal eine Zeit lang der modernen Leistungsgesellschaft zu entfliehen um Ruhe und inneren Frieden zu erlangen. Hier ist es ein italienischer Innenarchitekt, der in einem historischen Viertel von Istanbul nicht nur eine Art Ersatzfamilie, sondern auch sich selbst findet. Zwar läuft der Film immer wieder unter dem Etikett "Gay-Interest", dabei ist Ferzan Ozpeteks Streifen aber so viel mehr als nur ein Kuss in einem dampfigen Hamam. Dass der Streifen in türkischer Co-Produktion entstanden ist, verwundert auch niemanden, der jemals selbst in Istanbul gewesen ist - eine Stadt, die sich als weltoffene und moderne Metropole präsentiert, ohne ihre Tradition zu verleugnen. Die Musik ist ebenfalls wunderbar und in Kombination mit den wunderbaren Drehorten und subtilen Geschichte schon einer meiner absoluten Lieblingsfilme, dessen wunderbares Ende über den Dächern von Istanbul mich jedes Mal aufs neue packt.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Ernesto

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Der siebzehnjährige Ernesto lebt in Triest des Jahres 1911 mit seiner verwitweten Mutter bei seinem wohlhabenden Onkel und arbeitet als Bürogehilfe bei einem Handelsunternehmer. Eines Tages verabredet er sich mit einem wesentlich älteren Lagerarbeiter und stürzt sich mit ihm in eine homosexuelle Affäre. Doch bald erlischt sein Verlangen und um dem Arbeiter aus dem Weg zu gehen, kündigt er seinen Job um forthin als Violinen-Spieler Karriere zu machen. Er geht zu einer Prostituierten und lernt den Jüngling Emilio und dessen Zwillingsschwester Rachel kennen. Beiden verlieben sich in den umtriebigen Ernesto, der die Aufmerksamkeit des Zwillingspaares wie sein Leben in vollen Zügen genießt.

Salvatore Samperis Verfilmung eines Skandalromans berichtet von einer homosexuellen Beziehung eines Minderjährigen mit einem Lagerarbeiter, die hier unaufgeregt, in schönen Bildern und ironischer Grundstimmung auf die Leinwand gezaubert wird. Der Siebzehnjährige Ernesto ist zielstrebig, verlässt sich auf seine Attraktivität und holt sich von Männern und Frauen was er will. Vor einigen Jahrzehnten war das noch skandalös, mittlerweile lockt so etwas ja auch niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Sonderlich auf- oder anregend ist „Ernesto“ auch nicht geworden und erinnert etwas an die zahlreichen Erotikfilmchen mit Lolita-Thematik, die es in den Siebzigern ja irgendwie auch zuhauf gab. Hier ist es nun eben mal ein heranwachsender Mann, der seine erotischen Reize gezielt einzusetzen weiß und sich ein schönes Leben macht. Heutzutage hätte Ernesto wohl einen OnlyFans-Account, aber im Jahr 1911 musste man noch etwas tiefer in die Trickkiste greifen. Abgesehen von der Tatsache, dass Michele Placido hier einen schwulen Lagerarbeiter spielt und Lara Wendel in einer Doppelrolle sowohl eine männliche, wie auch weibliche Rolle übernimmt, ist „Ernesto“ aber nicht sonderlich nachhaltig, sondern eher leichte „Coming-of-Age“-Unterhaltung, die an manchen Tagen und Abenden des Lebens ja auch nicht so verkehrt ist.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Vampire Girl vs. Frankenstein Girl

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jogiwan hat geschrieben: Sa 3. Nov 2012, 10:08 Den unglaublich blutigen Trailer durfte ich ja vergangenes Wochenende gleich zweimal auf großer Leinwand betrachten und auch wenn der ein bissl mehr an Gore verspricht, was der kurzweilige Film letztendlich hält, so macht "Vampire Girl vs. Frankenstein Girl" doch großen Spass. Eine vollkommen geschmacksbefreite Mischung auch Schulmädchen-Melodram, Komödie und Over-the-Top-Splatter, die auch zweifelsfrei sehr gut funktioniert und dem Zuschauer mit seinen Variationen an Vampir- und Frankenstein-Thematik auch kaum Zeit zum durchatmen lassen. Der rote Lebenssaft fließt nicht nur in Strömen, der spritzt den hübschen Darstellerinnen gleich hektoliterweise um die Ohren und was hier an Körperteilen zusammengesteckt wird, sollte man schon gesehen haben. Wer im November daher die Möglichkeit hat, beim Phantastival in Bremen zu sein, sollte sich das unglaubliche und spaßige Teil auch unbedingt auf der großen Leinwand geben. Prädikat: vollkommen, aber auch vollkommen durchgeknallt.
Meinen Enthusiasmus von 2012 kann ich nach der erneuten Sichtung nun nicht mehr ganz so nachvollziehen. Zwar ist der Film immer noch sehr schräg, aber ohne Überraschungseffekt wirkt das teilweise auch alles sehr kostengünstig und das ständige Overacting vieler Figuren ist auf Dauer doch auch etwas nervig. Auf jede tolle Idee, kommen zwei schlechte und irgendwie hätte man aus der ganzen Geschichte mit ihren popkulturellen Strömungen ja noch viel mehr machen können, als der Blut- und Special-Effekt-Reigen, der es schlußendlich geworden ist. Mittlerweile würde ich meinen, dass der Film zwar unterhaltsam ist, aber doch zu sehr von seinem Potential liegen lässt - vor allem, wenn man bedenkt, dass er seinerzeit zur Sperrspitze der Welle gezählt hat. "Tokyo Gore Police" und "Mutant Girl Squad" muss ich aber wohl auch nochmal schauen.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Die Ahnungslosen

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jogiwan hat geschrieben: Fr 4. Okt 2019, 07:21 Im Jahr 1999 hat Pedro Almodóvar „Alles über meine Mutter“ gedreht - mein absoluter Lieblingsfilm - der nicht nur den Auslands-Oscar abgeräumt hat, sondern wohl auch bei Ferzan Ozpetek ziemlich Eindruck hinterlassen hat. Der hat mit „Die Ahnungslosen“ kurze Zeit drauf einen Film gedreht, der in hunderten Dingen Parallelen aufweist und eigentlich fast wie ein dreistes Remake daherkommt. Von den Figuren, über die Settings, den inhaltlichen Themen wie Verlust, Trauer, Solidarität bis HIV und sogar der Score wirkt alles von Almodóvar inspiriert, nur dass es im Falle von „Die Ahnungslosen“ immer etwas weniger schrill, weniger herzlich und weniger kompakt daherkommt. Die Figuren bleiben blass, die Geschichte über große und kleine Lügen etwas seltsam und auch der vermittelte Toleranz-Gedanke wirkt hier meines Erachtens etwas zu aufgesetzt. Zwar lässt sich der Film immer noch gut schauen und bietet auch Erica Blanc in einer Nebenrolle, aber so richtige Freude wollte sich bei der Sichtung nicht einstellen und im Vergleich zu „Alles über meine Mutter“ wirkt „Die Ahnunglosen“ bemüht, bieder und schon fast wie ein schlecht gealtertes Zeitdokument des gesellschaftlichen Umbruchs Anfang der Nullerjahre.
Auch die Zweitsichtung macht den Streifen nicht wirklich besser. Zu konstruiert und bemüht das Szenario und zu aufgesetzt kommen die viele Außenseiter-Charaktere daher, die hier in einer Art großen WG eine Ersatzfamilie bilden und sich einen Ort kreieren, wo sie so sein können, wie sie möchten. Die Art und Weise wie Ferzan Ozpetek seine Figuren und ihre Handlungen entwirft, wirkt teilweise sehr seltsam und was soll es bringen, wenn man nur für ein paar Stunden einem Leben entfliehen kann, das man so gar nicht möchte. Diese große Frage bleibt aber auch in "Die Ahnungslosen" unbeantwortet und ein auf Lug und Trug basierende Lebensentwurf kann auf Dauer auch nicht funktionieren. Genauso wie der Versuch hier ernste Themen auf leichte Weise zu präsentieren.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Tokyo Gore Police

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jogiwan hat geschrieben: So 18. Mai 2014, 10:22 Vollkommen abgedrehter Sci-Fi-Splatter-Overkill, der einmal komplett durch die Fleischtheke und den Fetischladen wildert und dabei auch jeder noch so bizarren Idee immer noch eine Wildere draufsetzt. Zwar sind diese "Over-The-Top-Japan-Gore"-Streifen irgendwie doch alle sehr ähnlich, aber "Tokyo Gore Police" wirkt im Vergleich zu den Vorgängern und Nachfolgern durch seine tragische Hauptfigur doch insgesamt etwas "ernster" wie seine nicht minder überdrehten Vorgänger- und Nachfolgefilme. Zwar muss man diese sehr spezielle Art von japanischer Genre-Ware schon mögen und Feingeister werden sich angesichts sexualisierter Fleischwolf-Fantasien und hektoliterweisen Blutfontänen wohl eher abwenden, aber ansonsten ist Nishimuras knallbunt-ausgeleuchteter Streifen eigentlich schon sehr gelungen und überzeugt auch durch seine Hauptdarstellerin Eihi Shiini. Die Blu-Ray aus dem Hause Dragon hingegen eher weniger und hat neben einer Bildqualität, die wohl nicht wirklich von einer DVD nicht zu unterscheiden ist, auch recht kleine Untertitel, die am untersten Bildrand platziert sind und mit manch seltsamer Wortkreation überrascht.
"Tokyo Gore Police" bietet viele wilde Ideen und völlig bizarre Fleischwolf-Kreationen, ist aber leider auch viel zu lange und der ernste Unterton steht dem Splatterspaß auch immer etwas im Weg und lässt das Gesamtergebnis zusätzlich zwiespältig wirken. Irgendwie gab es in den Nuller-Jahren ja meines Erachtens auch einfach zu viele von diesen Filmen, sodass man die Welle an wilder Splatterfilmen mit ein paar Jahren Abstand ruhig etwas kritischer sehen darf. "Tokyo Gore Police" macht vieles richtig, aber auch vieles falsch und bietet im Versuch immer noch wilder zu sein als seine Artgenossen zu sein, auch so manche Szene, die ich persönlich nicht gebraucht hätte. So unterhaltsam wie ich das Ganze in Erinnerung hatte, war Nishimuras Streifen bei der erneuten Sichtung aber nicht mehr und das ganze Over-the-Top-Geschmodder mit minutenlangen Blutfontänen auf Dauer auch etwas ermüdend.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Fag Hag

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01.jpg (42.64 KiB) 40 mal betrachtet
Destiny wächst in einem amerikanischen Kaff auf, wo ihre ambitionierten Karrierepläne regelmäßig an der harten Realität und tristen Alltag scheitern. Dennoch gibt sie nicht auf und will trotz ihrer absoluten Talentfreiheit einen Schönheitswettbewerb gewinnen um dann als Schauspielerin durchzustarten. Ähnlich erfolgreich im Leben ist auch Scott, der als erster HIV-positiver, weißer Rapper die Welt im Sturm erobern möchte. Als sich die beiden zufällig treffen ist das der Beginn einer Freundschaft, die beide ein Stück weit ihren Träumen näherbringt.

Eher mäßig gelungener Versuch einer Komödie über eine junge Frau, die als Schauspielerin Karriere machen möchte und dabei auf einen jungen Mann trifft, mit dem es das Leben auch nicht so gut gemeint hat. „Fag Hag“ ist ja der wenig schmeichelhafte Begriff für eine meistens etwas fülligere Frau, die sich meist nur mit Schwulen umgibt und auch für Destiny ist der Eintritt in die schwule Community ihrer Stadt so etwas wie eine Initialzündung zu einem besseren Leben. Die Dialoge sind sehr unflätig und „Fag Hag“ erinnert etwas an frühe John Waters Filme, ohne deren Schock-Komponente. Ein bissl fluchen, ein paar Witze über Randgruppen, Sex und Religion mögen hierzulande ja echt niemanden mehr zu schockieren Leider hat der Streifen auch nur ein paar gute Momente und ist sonst eher völlig verlabert. Es wird die ganze Zeit unflätig geredet, hoffnungslos überzeichnet und versucht irgendwie satirisch zu wirken, was aber doch etwas in die Hose geht. „Fag Hag“ ist trotz kurzer Laufzeit auch eher nervig als witzig und bis auf die beiden wirklich gelungenen Gesangsnummern wirkt hier alles doch etwas arg improvisiert bis unterdurchschnittlich.
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