Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

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Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Der Trost von Fremden

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01.jpg (18.8 KiB) 265 mal betrachtet
Die englische Paar Colin und Mary sind auf Besuch in Venedig, doch zwischen Kunst und Kultur will zwischen den Beiden keine richtige Urlaubsstimmung aufkommen. Das unverheiratete Paar hat sich etwas entfremdet und die große Liebe ist etwas der täglichen Routine und Alltagssorgen gewichen. Eines Abends treffen die beiden zufällig den Venezianer Robert, der die Beiden in eine Bar mitnimmt. Am nächsten Tag lädt er die beiden in seinen Palazzo, wo Colin und Mary auch dessen exzentrische Frau Caroline kennenlernen. Nett, bestimmt, aber auch etwas aufdringlich entwickelt sich der Tag aber aufgrund unterschiedlicher Moralvorstellungen etwas seltsam und nach dem Abendessen sind sich die beiden Briten sicher, das andere Paar nicht mehr sehen zu wollen. Doch das Schicksal führt alle scheinbar wieder zusammen, wobei das erneute Zusammentreffen nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Um einen Film wie „Der Trost von Fremden“ zu verstehen muss man wohl selbst in Venedig gewesen und dem Charme dieser Stadt erlegen sein. In geistiger Verwandtschaft zu „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ entwickelt Regisseur Paul Schrader einen subtil beunruhigen Film über zwei unterschiedliche Paare, die sich scheinbar zufällig in der Lagunenstadt begegnen. Doch anstatt unbeschwerter Freundlichkeit, liegt von Beginn an ein unheimlicher und nicht erklärbarer Schatten über der Begegnung und so freundlich sich Robert auch benimmt, so undurchschaubar wirkt sein Handeln - genauso wie das seiner etwas aufdringlich erscheinenden Gattin, die sich ihrem Gatten völlig unterordnet und gesellschaftliche Werte aus einer vergangenen Zeit repräsentiert. Auf der anderen Seite gibt es das moderne und aufgeschlossene Paar aus England, das für ganz andere Werte steht und das Aufeinandertreffen bleibt nicht ohne Folgen. Die Handlung von „Der Trost von Fremden“ ist dabei über weite Strecken nicht wirklich greifbar der Reiz ist hier sicher die unterschwellige Erotik und Aggression, die gegenseitige Neugier und Ablehnung, der Drang das Gesicht zu wahren und das Prickeln Dinge zu tun, obwohl die internen Alarmsignale längst ertönt sind. Das Ende mag dann vielleicht etwas abrupt und seltsam erscheinen und auch die Motivation wird nicht enthüllt und dennoch ist „The Comfort of Strangers“ doch ein sehr empfehlenswerter Streifen für Menschen, die bereitwillig dem bisweilen destruktiven Charme schöner Dinge mit aller Konsequenz erliegen.
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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Der Todesengel

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01.jpg (28.01 KiB) 250 mal betrachtet
Der erfolgreiche Werbegrafiker Stefano verbringt ein paar Urlaubstage mit seiner Geliebten in Venedig, als er scheinbar zufällig mehrere Male dem exzentrischen Grafen Matteo über den Weg läuft. Zwischen den beiden, höchst unterschiedlichen Männern entsteht über Wochen eine Freundschaft und als Matteo merkt, wie sehr Stefano unter dem Verhalten seiner Frau leidet, von der er wirtschaftlich abhängig ist, schlägt er Stefano einen zweifelhaften Deal vor. Matteo ermordet Stefanos Frau Luisa, während dieser den verhassten Bruder des Grafen aus dem Weg räumen soll. Während der Grafiker die krude Idee rasch wieder verwirft und versucht auf anderen Weg die Geschäftsprobleme mit seiner Gattin zu lösen, hat Matteo bereits ein Netz der Verschwörung um den Grafiker gesponnen und wenig später ist Luisa tatsächlich tot und während Stefano fortan seine Unschuld beweisen muss, fordert der Graf die Einhaltung des fragwürdigen Pakts.

Keine Ahnung warum ich mir mit der Sichtung so lange Zeit gelassen habe, aber „Der Todesengel“ ist schon ein absolutes Highlight des italienischen Genre-Kinos, dass mich sehr beeindruckt hat. Vielleicht nicht unbedingt das, was ich inhaltlich unter einem hundertprozentigen Giallo verstehe, aber schon ein toller Suspense-Streifen mit wunderbarer Grundstimmung, interessanten Figuren, Handlungsorten und Darstellern. Die Geschichte über den Pakt und einen scheinbar perfekten Mord ist ja eigentlich hinlänglich bekannt und wird dennoch durch die exzentrischen Figuren, das Mode-Umfeld, die wunderbaren Kulissen und idyllischen Drehorte getragen und dem Zuschauer in spannender Form präsentiert. Stefano ist eine ideale Identifikationsfigur, dessen Handlungen nachvollziehbar scheinen und der sich immer tiefer in ein scheinbar auswegloses Netz aus Intrigen verstrickt. Ihm gegenüber steht eine nicht minder interessante Figur, die sich exzentrisch-schwuchtelig und mitfühlend präsentiert und dessen Handlungen auch bis zum Ende undurchschaubar bleiben. Das Finale in Venedig kann man zwar sicherlich erahnen, aber die Art und Weise wie am Ende die Spannungs- und Temposchraube angezogen wird ist schon ziemlich beeindruckend und lässt dem Zuschauer den Atem stocken und das Herz pochen. Es wäre endlich an der Zeit, dass hier auch eine würdige Veröffentlichung in deutscher Sprache kommt, die auch der wunderbar abgehobenen Qualität des Films gerecht wird. Ich bin begeistert!
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Herr der Diebe

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01.jpg (37.29 KiB) 231 mal betrachtet
Die beiden Waisenkinder Prosper und Bo sollen von ihrer Tante getrennt werden und während der jünger Bo adoptiert wird, soll Prosper in ein Heim kommen. Eines Nachts flüchten beide mit dem Zug nach Venedig, wo sie wenig später auf Scipio, der mit einer Gruppe von anderen Waisenkindern in einem aufgelassenen Kino lebt und seinen Lebensunterhalt mit Diebstählen von Kunstgegenständen bestreitet. Während die beiden Ausreißer freundlich aufgenommen werden, engagiert die Tante jedoch einen Privatdetektiv, der die beiden in Venedig aufspüren und Bo zurückbringen soll. Doch auch Scipio spielt aber nicht mit offenen Karten und als er den Auftrag zum Diebstahl einer ominösen Antiquität bekommt, ist das der Auftakt zu einem bespiellosen Abenteuer, dass die Freundschaf und Loyalität der jugendlichen Gruppe auf die Probe stellen.

Cornelia Funke war mir ja bislang kein Begriff, auch wenn ich „Tintenherz“ auch schon mal irgendwo gehört habe. „Herr der Diebe“ ist auch ein erfolgreiches und von vielen geliebtes Buch, dass 2006 unter der Regie von Richard Claus an Schauplätzen in Venedig gedreht wurde. Leider ist der Film aber arg auf ein jugendliches Publikum hin gestrickt, was bedeutet, dass man als Erwachsener leider weniger auf seine Kosten kommt. Ich fand die Ereignisse auch weniger herzlich, die Figuren arg oberflächlich gezeichnet und die Geschichte zu sehr auf Action und Fantasy getrimmt und insgesamt nicht sonderlich stimmig. Während die Kinderfiguren ja noch passabel sind, wird bei den völlig überzeichneten Erwachsenen kein Klischee ausgelassen. Die Bösen bekommen einen auf den Latz, für die Guten wartet das Happy-End und auch sonst ist hier alles durchkalkuliert, erwartbar und ohne nennenswerte Überraschungen. Ich nehme mal an, dass das Buch besser sein wird, aber die Verfilmung ist jetzt trotz hübscher Drehorte kein Highlight und eignet es auch für den verregneten Nachmittag und in Begleitung kleinerer Erdenbürger.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Fellinis Casanova

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01.jpg (59.97 KiB) 223 mal betrachtet
Der Ketzerei angeklagt wird Giacomo Casanova nach einer Verhandlung in Venedig in den Kerker gesteckt, wo er kurze Zeit darauf fliehen kann. Fortan reist er wie ein Nomade durch Europa um bei Adel und Politik seinen Ruf als Dichter, Poet und Wissenschaftler zu festigen. Doch sein Ruf als Liebhaber eilt ihm überall voraus und trotz seiner Bestrebungen auch anderweitig Spuren zu hinterlassen, wird er doch immer nur auf seine Potenz reduziert. Später scheint er zu resignieren und lässt auch keine Gelegenheit sich und seine Manneskraft zu beweisen, während die Jahre vergehen und er die Hoffnung zu begraben scheint, sein geliebtes Venedig je wieder zu sehen…

Die Figur des Casanovas kennt wohl jeder, die historische Geschichte dahinter wohl weniger und außer der Tatsache, dass er viele Frauen beglückt hat und aus dem Gefängnis des Dogenpalastes ausgebrochen ist, weiß ich eigentlich auch nicht viel über den ollen venezianischen Womanizer. Das hat sich mit „Fellinis Casanova“ nun auch nicht geändert, der aus der Geschichte der Figur einen sperrigen und leider auch nichtssagenden Film gemacht hat, der auch nur mit seiner Ausstattung punkten kann. Bei Fellini wird Casanova zur grotesk-überzeichneten Figur und seine Abenteuer und Lebensgeschichte zur skurrilen Freakshow, die mit so etwas wie Erotik auch nichts am Hut hat. Episode an Episode reiht Fellini in knapp 150 Minuten aneinander und macht aus Casanova den zweifelnden Feministen, der von seiner Umgebung auf eine Sache reduziert wird, obwohl seine Persönlichkeit noch viele Facetten zu bieten hätte und irgendwann daran verzweifelt. Viel mehr wird dem Zuschauer aber nicht präsentiert und nach einer halben Stunde wird es auch eher fad, wenn sich die Geschichte ewig wiederholt und die Ereignisse immer grotesker und auf die Spitze getrieben werden. Ich war zwar nicht verzweifelt, aber weder Figur noch Mythos werden beleuchtet und es scheint, als hätte der Regisseur auch kein Interesse an seiner Figur, sondern am Entwurf eines Sittenbildes, dass sich am Abgrund bewegt. Keine Ahnung was Fellini hier wollte und welches Publikum sich hier angesprochen fühlen sollte, aber herausgekommen ist ein opulent ausgestatteter Kostümfilm, der leider auch völlig an mir vorbeigegangen ist.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Casanova

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01.jpg (15.13 KiB) 210 mal betrachtet
Durch sein ausschweifendes Leben und seine amourösen Abenteuer gerät Casanova durch das Gesetz in Bedrängnis und wird von seinem Protegé zur Hochzeit gedrängt. Mit Victoria ist rasch eine bezaubernde Jungfrau gefunden die sich dafür eignet, als sich der smarte Schürzenjäger jedoch in Francesca verguckt. Diese ist selbstbewusst, resolut, gebildet und nicht bereit sich den Männern und ihren Vorstellungen zu unterwerfen. Dummerweise ist sie jedoch auch schon einen reichen Kaufmann versprochen, dessen Ankunft kurz bevorsteht. Als auch Casanovas zweifelhafter Ruf bis nach Rom dringt und Kardinal Pucci höchstpersönlich in die Lagunenstadt reist um mit Frauenhelden, zweifelhaften Moralvorstellungen und ketzerischen Schriftstellern aufzuräumen, steuert alles dank Doppelleben und Geheimnisse aller Protagonisten auf einem turbulenten Höhepunkt entgegen.

Spaßige Mischung aus romantischer Verwechslungskomödie, Kostümfilm und Werbevideo für Venedig, das unter der Regie von Lasse Hallström auch mit einer sympathischen Leichtigkeit daherkommt. Die Figur des Casanovas wird in Anlehnung historischer Tatsachen in eine turbulente Geschichte manövriert, die zwar verhalten anfängt, aber dafür in einem spaßigen Finale gipfelt, in der auch so einiges zusammenkommt. Natürlich bleibt alles oberflächlich und auch Folterungen und sonstigen Begebenheiten bleiben natürlich harmlos und arten niemals aus. Ich bin ja kein großer Fan derartiger Werke, aber an den richtigen Abenden macht „Casanova“ dann schon Laune und Venedig wird hier auch ins beste Licht gerückt. Gedreht wurde ja ausschließlich an Originalschauplätzen, die auch Geschichte versprühen und bei denen man sich wundert, dass die Venezianer die Amis tatsächlich drehen haben lassen. Der früh verstorbene Heath Ledger macht seine Sache gut und auch der Rest des Cast hatte wohl Spaß an der Geschichte um die ganzen Verwicklungen um den Schürzenjäger. Technisch versiert in Szene gesetzt ist das Ganze ebenfalls. Wer sich jeoch einen Film erwartet, der sich an historische Tatsachen hält, ist hier aber an der völlig falschen Adresse.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Il Mostro di Venezia

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jogiwan hat geschrieben: Fr 1. Jan 2016, 10:21 Weithin unterschätzte Mischung aus Gothic-Horror und Früh-Giallo über einen mysteriösen Killer, der im Taucherkostüm junge Mädchen entführt und deren Leichen für seine Sammlung an hübschen Frauen einbalsamiert und einem jungen Journalisten, der dieser Bestie über eine Reisegruppe junger Mädchen auf die Spur kommt. Dino Tavellas Streifen ist dabei meines Erachtens auch sehr gelungen, selbst wenn der Streifen für heutige Verhältnisse natürlich weder sonderlich spektakulär, noch besonders grafisch daherkommt. Wer aber italienische S/W-Horror mag, bekommt mit „Monster of Venice“ aber einen schönen Streifen mit viel venezianischem Flair präsentiert, der vor allem in seinem atmosphärischen und spannenden Finale in den Katakomben eines Palazzos punkten kann und auch ansonsten recht schön und bisweilen auch überraschend kompromisslos gemacht ist. Die schlechten Stimmen im Netz dürften dabei wohl auch von miesen DVD-Umsetzungen stammen, wobei die von mir gesichtete Scheibe von Retromedia wesentlich besser ausgefallen sein soll, als der Rest der sich im Umlauf befindet. Als delirierender Italo-Filmfan habe ich an Dino Tavellas Streifen wenig zu bemängeln und auch Dick Maas könnte den Streifen vielleicht gesehen haben, da dieser mit „Verfluchtes Amsterdam“ ja quasi ein Remake von „Il mostro di Venezia“ gedreht hat.
Vielleicht ist "Il Mostro di Venezia" nicht der beste Vertreter des Italo-Horros, aber doch eine unterhaltsame und schöne Mischung aus Gothic-Horror und Früh-Giallo. Selbst wenn die Auflösung doch etwas seltsam erscheint und der Weg dort hin mit ein oder zwei kleineren Längen gepflastert ist. Die Abenteuer des forschen Journalisten und einer weiblichen Reisegruppe in Venedig lassen sich schon gut gucken und abermals unterstreicht die venezianische Stadt den morbiden Charakter der Geschichte, auch wenn es im Falle von DinoTavella die Kanäle gar nicht mal so nebelverhangen daherkommen, wie man es sich vielleicht vorstellen würde und auch die ein oder andere Action-Choreografie ebenfalls verbesserungfähig erscheint. Ansonsten ist aber alles im grünen Bereich und wer das Teil vor die Linse bekommt, kann schon einen Blick riskieren.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Anonimo Veneziano

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jogiwan hat geschrieben: Fr 9. Apr 2021, 06:57 Meine Überraschung war ja groß, als gestern auf Netflix auf einmal „Anonimo Veneziano“ aufgepoppt ist, der mit Tony Musante und Florinda Bolkan auch prominent besetzt ist. Noch größer wurden meine Augen, als ich auch noch feststellen durfte, dass es sich dabei um das Regie-Debüt von Enrico Maria Salerno aus dem Jahr 1970 handelt, dass anscheinend zwar in den deutschen Kinos lief, seitdem aber anscheinend nicht auf etwaigen Datenträger veröffentlicht wurde. „Anonimo Veneziano“ ist aber kein Film aus der Genre-Ecke, sondern ein Drama über ein Paar, dass ehemals eine leidenschaftliche Liebe verband und dass sich nach Jahren wieder an die große Liebe erinnert. Dabei überrascht der Streifen mit Bildern eines authentischen Venedigs abseits allzu touristischer Hotspots, der Musik von Stelvio Cipriani und zwei großartigen Hauptdarstellern, insbesondere einer wunderbaren Florinda Bolkan, die sich selbstbewusst gegen toxische Männlichkeit und gesellschaftliche Normen Ende der Sechziger auflehnt und Tony Musante als todkranker Musiker, der in seinem Leben noch ein paar Dinge regeln möchte. Die Geschichte erinnert dabei entfernt an die erwachsene Variante von „Love Story“ und als Zuschauer kann man ja auch bald einmal erahnen, warum der Musiker das Wiedersehen mit seiner Valeria inszeniert hat. Doch statt Traurigkeit überwiegen hier die schönen Momente und die interessante Inszenierung für ein erwachsenes Publikum hat auch keine schwülstigen Momente notwendig hat um mit ihren spannenden Figuren die Zuschauer zu fesseln. Ein wunderbares Arthouse-Drama, das ganz auf seine beiden Hauptdarsteller zugeschnitten ist und das mich abgesehen vom deutschen Titel auch ziemlich begeistert hat.
Auch die zweite Sichtung innerhalb meiner kleinen Venedig-Retrospektive bestätigt die positiven Eindrücke des Beziehungsdramas, das Film-Noir artig die toxische Beziehung von Valeria und Enrico aufrollt. Der Besuch in der Lagunenstadt beginnt unterkühlt bei regnerischem Wetter und das Wiedersehen bleibt frostig, ehe sich das Paar an unterschiedlichen Orten in Venedig wieder an die schönen Seiten der Beziehung erinnert. Doch Enrico hat Valeria nicht ohne Grund zu einem Wiedersehen gebeten und so bleibt auch dieses Mal ein Happy End in weiter Ferne. "Anonymous Venezia" ist im Grunde ein Zwei-Personen-Stück. in dem Venedig eine große Rolle spielt und den örtlichen Rahmen für ein melancholisch gestimmtes Drama bietet. Der Film ist voll und ganz auf die großartige Florinda Bolkan zugeschnitten, mit der Regisseur Salerno ja kurz zuvor "Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger" gedreht hatte. Tony Musante hat ja den Nachteil, dass seine Rolle nicht sympathisch erscheint und die Versuche einer Quasi-Wiedergutmachung eher egozentrischer Natur erscheinen. Natürlich ist der Streifen auch von seinerzeitigen Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Dingen geprägt, wobei Valeria eine erstaunlich selbstbewusste Rolle zugestanden wird, was in einem bürgerlichen Drama im erzkonservativen Italien der Siebziger ja wohl nicht selbstverständlich erscheint. Auch sonst gibt es in dem Streifen nicht viel zu meckern und die Klippen des Kitsches werden von Salerno stets gut umgondelt bzw. umschifft. Noch immer eine ganz große Entdeckung, die auf Netflix eigentlich nix verloren hat.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Der Kaufmann von Venedig

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01.jpg (19.72 KiB) 172 mal betrachtet
Um seinen jugendlichen Freund Bassanio aus finanziellen Schwierigkeiten zu helfen, leiht sich Antonio von dem ihm verhassten und jüdischen Geldverleiher Shylock eine größere Summe Geld, damit dieser seine Herzallerliebste Portia freien kann. Dieses Geld soll nach drei Monaten fällig werden, anderenfalls kann sich Shylock ein großes Stück Fleisch aus dem Körper des angesehenen Kaufmanns schneiden. Wie das Leben so spielt, kommt jedoch keines von Antonios Schiffen von den Handelsreisen zurück und als die drei Monate vergangen sind, besteht Shylock darauf, dass der unsägliche Pakt eingehalten werden muss, während Bassanio, seine mittlerweile angetraute Portia und selbst die oberste Gesetzgebung von Venedig versucht, den Wuchere von seinem mörderischen Plan abzuhalten.

Hollywood-Verfilmung des bekannten Theaterstücks von Shakespeare mit seiner nicht unproblematischen Figurenkonstellation und Starbesetzung. Technisch und darstellerisch gibt es nicht viel zu meckern, auch wenn mir die Figuren und Settings irgendwie viel zu clean erscheinen. Schön natürlich die gewählte Ausdrucksform der Protagonisten und auch die opulente Ausstattung an Originalschauplätzen machen „Der Kaufmann zu Venedig“ schon zu einer lohnenden Sache, selbst wenn hier wieder einmal alles fast zu „clean“ erscheint und manch Nebenhandlungsstrang, wie das Umwerben von Portia irgendwie zu Lasten der Charakterisierung der Hauptfiguren geht. Al Pacino dreht als gedemütigter Geldverleiher auf Rachetrip ja voll auf, während Jeremy Irons leider etwas blass bleibt und eher den Leidenden gibt. Joseph Fiennes fand ich jetzt nicht so gut und auch die Versuche, das doch eher auf dramatisch ausgelegte Stück mit humoristischen Momenten aufzupeppen, hätte für meinen Geschmack nicht sein müssen. Aber das sind kleinere Schönheitsfehler in einer ansonsten durchaus gelungenen Hollywood-Verfilmung, die ja auch nicht auf meinen Geschmack, sondern auf ein breiteres Zielpublikum angelegt ist. Bei Shakespeare-Verfilmungen hab ich halt auch immer Polanskis düsteren "MacBeth" vor dem geisigen Auge und davon ist diese "cleane" Adaption ja schon sehr weit entfernt.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

All About Evil

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01.jpg (81.28 KiB) 161 mal betrachtet
Deborahs Vater, der Besitzer eines Kinos für schundige Filme, hat sich Zeit seines Lebens gewünscht, dass seine Tochter als Schauspielerin Karriere macht. Doch diese hat leider wenig Talent ist zudem auch noch total schüchtern, sodass sie Bibliothekarin wird. Als der Vater verstirbt und Deborah zur Hälfte das heruntergekommene Kino erbt, beschließt sie das Werk ihres Vaters fortzuführen. Bei einem Streit tötet sie im Affekt ihre verhasste Mutter und der von Überwachungskamera aufgezeichnete Mord landet durch Zufall auf der großen Leinwand, wo dieser vom Horrorpublikum bejubelt wird. Vom Erfolg angestachelt beginnt Deborah mit ihrem Vorführer einen weiteren Mord zu filmen und dem Publikum zu zeigen, dass immer zahlreicher in das Kino strömt, während niemand ahnt, warum die Effekte so realistisch erscheinen…

Der Film mit seinem grottenhässlichen Cover ist mir ja schon oft vor die Linse gekommen, aber ich wäre wohl niemals auf die Idee gekommen, dass sich dahinter eine liebevoll gestaltete Horrorkomödie aus dem queeren Underground von San Franciso verbirgt. Joshua Grannell, der auch unter dem Drag-Alias Peaches Christ bekannt ist, führt(e) dort eine Reihe für Midnight Movies, aus dessen Ideen und Umfeld auch „All About Evil“ entstanden ist. Schon der Auftakt ist eine Hommage an die Filme, die wir lieben und auch sonst macht Joshua Grannell in seinem Langfilm-Debüt vieles richtig. Der Film rückt Außenseiter in den Fokus und setzt kleinen Programmkinos mit ihren in Zeiten von Blockbustern eher unkommerziellen Filmen ein Denkmal, was ebenfalls sehr sympathisch wirkt. „All About Evil“ hat das Herz jedenfalls am richtigen Fleck, bietet mit Cassandra Peterson und Mink Stole bekannte Gesichter und auch eine halbwegs originelle Geschichte, die jedoch etwas am schmalen Budget scheitert. Der Geist von John Waters schwingt hier jedenfalls immer mit, auch wenn „All About Evil“ letzten Endes nicht ganz so kontrovers oder progressiv daherkommt, wie ich es mir gewünscht hätte. Die unterschiedlichen Handlungsstränge wollen nicht so richtig zusammenfinden und obwohl die positiven Eindrücke überwiegen hätte ich „All About Evil“ mit all den Sympathiepunkten doch irgendwie besser finden wollen, als ich es letztendlich tue.

PS: wer auch immer für das deutsche Cover-Artwork verantwortlich ist, sollte wohl ein lebenslanges Berufsverbot bekommen.

PPS: unbedingt auch das Bonusmaterial sichten, in denen man einen kleinen Einblick in die Welt des "Midnight Mass" bekommt.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Buried Alive - Lebendig begraben!

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01.jpg (12.27 KiB) 148 mal betrachtet
Zanes Urgroßvater soll in der Wüste einst eine Goldader gefunden haben, doch anstatt des Reichtums zu genießen kam es zur großen Familientragödie, ein paar Leichen und einem Fluch, der seitdem auf der Familie zu lasten scheint. Das hält den Draufgänger jedoch nicht ab, gemeinsam mit seiner Cousine Rachel und einer Handvoll College-Freunde in das abgelegene Haus seiner Ahnen zu fahren, um dort selbst nach dem verschwundenen Gold zu suchen, das immer noch irgendwo vergraben liegen soll. Statt Erholung und Spaß stehen neben argwöhnischen Verwandten, jedoch bald mysteriöse Ereignisse am Programm und während die Gruppe versucht endlich Licht ins Dunkel der ominösen Familiengeschichte zu bringen, ist eine furchterregende Gestalt mit Axt bereits hinter den jungen Leuten her und dezimiert diese auf grausame Weise…

Bei einem Film wie „Buried Alive – Lebending Begraben“ stellt sich unweigerlich die Frage wie unoriginell man eigentlich einen Film gestalten kann. Hier sind es eine Handvoll Studenten, eine unrühmliche Familiengeschichte und eine Axt-schwingende Wüsten-Hexe, die gemeinsam mit einer großen Prise Edgar Allen Poe und Indianer-Mythologie zu einem Horror-Cocktail vermurkst bzw. vermixt werden. Die Geschichte ist doof, die Figuren unsympathisch und die Sache mit dem Aufnahmeritual der Studentinnen wohl auch nur deswegen dabei, dass man dem männlichen Zielpublikum ein bissl nackte Haut zeigen kann. Dazu ein paar splattrige Effekte und Tobin Bell als Zugpferd und fertig ist der billig heruntergekurbelte Backwood-Horror-Slasher-Murks ohne Spannungsbogen, nennenswerten Unterhaltungswert oder erinnerungswürdige Momente. Hier gibt es inklusive der Spezialeffekte doch tatsächlich nichts, was man nicht auch schon in anderen Filmen viel besser gesehen hätte. Mehr Worte mag ich auch gar nicht mehr schreiben außer einem: Schnarch!
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