DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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DrDjangoMD
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT

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Originaltitel: Hexen bis aufs Blut gequält
Alternativtitel: Mark of the Devil; Brenn, Hexe, brenn; Austria 1700; Hexen geschändet und bis aufs Blut gequält
Land: Deutschland
Jahr: 1970
Genre: Hexenverfolgungsploitation
Regie: Adrian Hoven, Michael Armstrong

Handlung:
Der Hexenjäger Albino (Reggie Nalder) terrorisiert eine kleine Stadt durch willkürliche Hinrichtungen. Eines Tages kommt der Adelige Lord Cumberland (Herbert Lom) mit seinen Helfern in selbige Stadt um die Hexenverfolgung in größerem Stil voranzutreiben. Sein Schüler Christian (Udo Kier) verliebt sich derweil in die Wirtin Vanessa (Olivera Vuco) und kommt in arge Bedrängnis, als eben diese der Hexerei bezichtigt wird. Was folgt ist die Visualisierung des Titels…

Kritik:
Vor kurzem unternahm ich einen Ausflug in das Nunsploitation-Genre. Ich war, wie man lesen kann, nicht sonderlich begeistert, doch dazugelernt habe ich auch nichts, denn heute wenden wir uns einem in gewisser Weise ähnlichem (religiöse Motive, Setting in der Frühen Neuzeit,…) Genre zu, der Hexenverfolgungsploitation (nicht die offizielle Bezeichnung). Der wohl berüchtigtste Film dieser Kategorie ist „Hexen bis aufs Blut gequält“. Für die Regie zeichnet sich, neben dem Engländer Michael Armstrong, Adrian Hoven verantwortlich, und wenn es einen Mann gibt, dem ich es zutraue minutenlange Folterszenen mitreißend, bewegend und tiefsinnig zu inszenieren, dann der Typ, dem wir „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ zu verdanken haben. :nick:
Nach allem, was ich dem auf der DVD enthaltenen Udo-Kier-Interview (nebenbei bemerkt der angenehmste Zeitgenosse scheint der olle Udo nicht zu sein) und einer Internetrecherche entnehmen konnte, war Hoven anfangs nur für die Produktion zuständig. Erst als sich der künstlerisch ambitionierte Armstrong zu viel Zeit ließ, übernahm Hoven den Regiestuhl und hatte im Endeffekt zirka zwei Drittel des Filmes zu verantworten. Dies hat dem Streifen jedoch durchaus gut getan, denn das Endergebnis ist eines dieser wunderbaren Meisterwerke, in welchen sich überwältigende Kunst und unterhaltsamer Kommerz die Klinke in die Hand drücken.
In „Hexen bis aufs Blut gequält“ gibt es einige sehr schöne Momente, oft hervorgerufen durch typische Heimatfilmästhetik, und einige sehr schreckliche Momente, die für eine Beschlagnahmung des Filmes in mehreren Ländern sorgten. Das Wunderbare ist nun, dass sich die ästhetischen und die grausamen Stellen immer in der richtigen Mischung und mit dem richtigen Timing ablösen. Ein Beispiel hierfür ist der Anfang: Wir sehen eine Kutsche durch eine lauschige österreichische Landschaft dahinrollen und dazu hören wir ein Titelthema so entspannend, dass es sich nicht mal hinter „Cannibal Holocaust“ oder „Nekromantik“ zu verstecken hat. Gerade als uns die Schönheit dieses Szenarios vollkommen überwältigt hat, wird die Kutsche überfallen und Vergewaltigung und Mord sind die Folgen. :o
Ein anderes gutes Beispiel für das Gleichgewicht von Schönheit und Schrecken bietet eine Szenenfolge, irgendwann in der Mitte des Filmes: Wir mussten wieder einiges an Folter mit ansehen und sind noch ganz entsetzt als ein Schnitt erfolgt und uns zwei vollkommen unbekannte Charaktere beim Liebe Machen vorgesetzt werden. Diese Szene ist wundervoll gefilmt, sehr viele Großaufnahmen, sehr ruhige Kameraführung und gerade als uns diese beiden Liebenden das furchtbare Geschehen haben vergessen lassen, schneien Nalder and Friends bei der Tür rein und das Morden geht von Neuem los. Dadurch ist der Zuseher ununterbrochen zwischen Hingezogen- und Abgestoßen sein hin- und hergerissen, und dies verleiht dem Film eine einmalige Wirkung.
Die Gewalt selbst strebt für die Zeit in der Tat einen enormen Härtegrad an und ist manchmal nur schwer mit anzusehen. Im Endeffekt wurde sie sogar vermarktet, als Beispiel seien hier die Kotztüten genannt, die der Kinobesucher 1970 zusammen mit seiner Eintrittskarte bekam. Sämtliche Foltermethoden des Mittelalters werden hier mittels Kunstblut und Großaufnahmen wiedergegeben und trotzdem fühlt es sich nie so an, als sei die Gewalt nur der Gewalt Willen in dem Film. Vielleicht ist sie es, aber zumindest konnten mir Hoven und Armstrong das Gefühl geben, dass die Grausamkeiten stets im Dienste von Moral und Figurenzeichnung stehen.
Apropos Figurenzeichnung: Olivera Vuco gibt als Vanessa eine wunderbare weibliche Hauptrolle ab: Sie ist lebenslustig, weiß sich gegen unfeine Annäherungsversuche zu wehren, hat ihre eigenen Weltanschauungen und beteiligt sich aktiv am Geschehen (immerhin ist sie es, welche die Bevölkerung gegen Ende zum Aufruhr aufhetzt). So ähnliche Figuren gab es schon Früher, aber wenn wurden sie meist in undankbare Nebenrollen gepresst wo sie die zweite Geige hinter irgendeiner Barby-Puppe zu spielen hatten. „Hexen bis aufs Blut gequält“ richtet sich jedoch nicht nach dieser klischeehaften Figurenkonstellation und verpasst der Person mit den interessanten Charakterzügen die Hauptrolle.
Zusammen mit Udo Kier als Christian bildet sie ein nettes Pärchen auf dessen Seite wir den ganzen Film lang voll und ganz stehen können. Ihre Liebe zu Christian nehmen wir ihr auch ab, denn immerhin ist er höflich, vornehm, zurückhaltend, ihre gemeinsamen Szenen sind von der schönsten Musik die bis dato in Noten gefasst wurde begleitet, er rettete ihr Leben und Last but not Least sieht ihre einzige Alternative in Sachen Liebhaber so aus:
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:angst:
Unsere Helden sind also so richtig schön sympathisch und des Beste ist: Die Schurken sind wiederrum so richtig schön unsympathisch, dass man sie fast schon wieder gerne haben muss: Dem Oberfiesling Herbert Lom stehen gleich drei überschmierige Sleazebolzen zur Verfügung: Reggie Nalder als kleinkalibriger Hexenjäger ist furchteinflößend; Johannes Buzalski als der Advokat ist schleimig; und Herbert Fux als Henker und Foltermeister ist einfach genial!
Seine Figur ist nicht die hellste (dargestellt durch hinreißend zusammengekniffene Augen, wenn er versucht nachzudenken) und trotzdem steht er, von Lom ausgenommen, immer über allem und jedem, sehr schön beispielsweise, wenn er dem ebenfalls diabolischem Nalder mittels Peitsche zeigt, wer hier der Herr im Hause ist. In einer seiner besten Szenen bindet er einem lebenden Hasen Fäden um und spielt mit ihm Marionette. Warum tut er das? Keine Ahnung, aber wenn Herbert Fux Lust hat einem lebendem Hasen Fäden umzubinden und mit ihm Marionette zu spielen, dann ist das nicht zu hinterfragen. Plus er und Herbert Lom, die sich beide selbst synchronisieren haben einfach unsagbar einnehmende Stimmen.
Interessant fand ich auch zu beobachten, dass Nalder, Lom und Kier (gemeint sind hier natürlich ihre jeweiligen Rollen) alle aus verschiedenen Motivationen die Hexenjagd betreiben: Nalder ist ein Psychopath der Menschen gerne leiden sieht, weswegen er sie ohne Prozess foltern und hinrichten lässt. Herbert Lom ist diabolisch intelligent und verfolgt finanzielle Interessen oder versucht seinen Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren. Und der naive Udo Kier glaubt einfach an den ganzen Hokus Pokus und denkt, er tut der Menschheit mit der Hexenverfolgung einen Gefallen. Es ist faszinierend zu untersuchen, welcher von den dreien wohl der Gefährlichste ist.
Damit die Bösen auch so richtig böse wirken gibt es natürlich auch die symbolische Unschuld, die unter ihnen leidet, nämlich Mr. und Mrs. Marionettenspieler und deren Sprösslinge. Mr. Marionettenspieler (gespielt von dem Produzenten/Regisseur/Drehbuchautor himself Adrian Hoven) ist ein fescher grundguter Samariter und seine Frau (Ingeborg Schöner) zeigt sich als naiver unschuldiger in Zucker getauchter Engel, der direkt einem Heimatfilm entsprungen zu sein scheint (kein Witz, schaut euch Schöners Filmographie an). Ihr Nachwuchs besteht selbstverständlich aus einem Jungen (Hovens eigener Sohn Percy) und einem Mädchen, beide selbstverständlich blond gelockt. Solche Charaktere wären zwar als Hauptfiguren unbrauchbar weil langweilig, aber in einer reinen Opferrolle sind sie schlichtweg perfekt.
Kurz noch zur Musik, die einfach unbeschreiblich wundervoll ist, und das obwohl sie von niemand anderem stammt als dem Schlagerraunzer, der uns gelehrt hat, dass Tränen nicht lügen, Michael Holm: Die Hexenjäger werden von einem unheimlichen Geigen-Gequietsche begleitet, das durch Mark und Bein geht und als die aufgebrachte Bevölkerung rebelliert bekommen wir einen schönen Marsch, welcher der Marseillaise um nichts nachsteht. Beide Kompositionen sind jedoch gar nichts gegen das romantische Thema, dass wir im Film in den verschiedensten Arrangements bekommen, nicht selten durch wohlklingende Sängerinnen unterstützt. Ich las oft, dass diese wundervolle Melodie mit Ortolanis Thema zu „Cannibal Holocaust“ verglichen wird und besonders als Holm in der Anfangsszene säuselnde Geigen mit ruhigem Schlagzeug mischte erkannte ich wieso, dass die entspannenden Töne in beiden Szenen über eine harmonische Landschaft gelegt werden verstärkt die Ähnlichkeit noch zusätzlich. Ich persönlich halte Ortolanis Musikstück für ein klitzekleines Bisschen gelungener aber nichtsdestotrotz bleibt Michael Holms musikalische Untermalung zu „Hexen bis aufs Blut gequält“ ein durch und durch göttliches Erzeugnis unvorstellbarer Schönheit.
Das deprimierende Ende erinnerte mich übrigens ein wenig an den vor kurzem Besprochenen „Greta – Haus ohne Männer“: Die Unterdrückten lehnen sich endlich auf, aber sonderlich rosig wird es trotzdem nicht. Bei beiden Filmen verfehlen die mitreißenden und pessimistischen Showdowns ihre Wirkungen nicht.
Fazit: Die Regie mischt auf stimmige Weise idyllische Postkartenmotive mit furchtbaren Folterszenen, unterstützt von einem der schönsten Soundtracks aller Zeiten und Olivera Vuco sieht sich als sympathische und intelligente Heldin mit einer Übermacht diabolischer schmieriger Schurken konfrontiert. So muss ein Film sein, viel besser geht’s nicht. 10/10 :thup: :thup: :thup:
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SPASMO

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Originaltitel: Spasmo
Land: Italien
Jahr: 1974
Genre: Giallo
Regie: Umberto Lenzi

Handlung:
Eines Tages lernt Christian (Robert Hoffmann) die mysteriöse Barbara (Suzy Kendall) kennen. Sie stellen fest, dass sie beide existent sind und beschließen aus diesem Grund miteinander zu schlafen. Bevor es jedoch dazu kommt bricht ein Mann (Adolfo Lastretti) in ihr Motelzimmer ein, versucht sie zu erschießen und wird dabei von Christian aus Notwehr umgebracht, doch die Leiche verschwindet spurlos. Ist der Mann gar nicht tot? Was haben die Schaufensterpuppen die überall auftauchen zu bedeuten? Und was hat Christians Bruder (Ivan Rassimov) damit zu tun?

Kritik:
Schon lange hat mich kein Film so beschäftigt wie dieser. Nicht etwa weil er besonders verstörend wäre, auch nicht weil er besonders gut wäre und schon gar nicht weil er besonders schlecht wäre, sondern weil er so enttäuschend begann um dann so befriedigend zu enden. Die ersten beiden Drittel fand ich furchtbar, doch in der letzten halben Stunde wird plötzlich ein Kurs eingeschlagen, der sie irgendwie wieder rechtfertigte. Diese Tatsache werde ich jedoch kurz mal ignorieren um die Gründe meiner Enttäuschung über den Großteil des Filmes ungestört in Worte fassen zu können, bis ich gegen Ende auf die Genialität zu sprechen kommen werde, mit der die negativen Aspekte positiv gemacht wurden:
Robert Hoffmann als Christian ist eine Katastrophe: Mit seinem betröppelten Gesichtsausdruck wirkt er über weite Strecken wie eine humanoide Schlaftablette. Zwar kann man auf ihn ganz am Anfang noch die wegen Hugo Stiglitz eingeführte Regel anwenden: „Schauspieler mit Steingesichtern in Filmen von Umberto Lenzi sind unterhaltsam, solange sie witzige Bärtchen haben.“, aber schon zehn Minuten nach Beginn des Filmes säbelt sich der Eumel besagtes Bärtchen ab (Kein Witz, ich beschloss schon VOR der Rasierszene den Typen allein aufgrund seines lustigen Bärtchens zu mögen, meine Enttäuschung als er zur Schere griff lässt sich also vorstellen). Zudem gehen viele Handlungen auf sein Konto, die einfach nicht zu seinem Charakter zu passen scheinen: Er präsentiert sich als schüchterner nervöser Typ, den die rätselhaften Ereignisse sichtlich fertig machen, aber er weigert sich konstant die Polizei einzuschalten und außerdem vergewaltigt er nach einer Weile völlig aus dem Nichts eine Frau (mir ist es egal, ob es ihr im Endeffekt zu gefallen scheint, solange sie anfangs protestiert ist es eine Vergewaltigung und ich mag den Typen nicht mehr).
Er ist also langweilig und verwirrend, aber wenigstens noch erträglich verglichen mit (macht euch bereit einen Lynchmob gegen mich zu bilden) Suzy Kendall als Barbara. Bevor die Kendall-Fans allzu sauer werden: Sie gehört zu den fixen Größen des Genres und leistete in anderen Filmen hervorragende Arbeiten, aber ich gehöre weiß Gott nicht zu den Leuten, die gewissen Schauspielern alles durchgehen lassen, nur weil ich sie mag *hüstel* [beliebige Anthony-Steffen-Referenz einfügen] :palm: . Jedenfalls fand ich, dass die Figur und Kendalls Darstellung derselben einfach zu unschlüssig waren. Sicher, sie soll eine mysteriöse Frau sein, von der wir nicht genau wissen, wer sie ist, aber es geht einfach zu weit, wenn sie in der Hälfte ihrer Szenen jeder Situation mit einer kühlen Gelassenheit begegnet, vor Einbrüchen nicht zurückschreckt und bei potentiellen Gefahren sarkastische Sprüche ablässt und in der anderen Hälfte einen auf schreckhaftes kleines Mäuschen, schwach und zur Hysterie neigend, macht.
An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass dies (wie auch meine Ansichten über Hoffmanns Figur)meine Meinung ist, wenn ihr diesen ständigen Wechsel gegensätzlicher Charaktereigenschaften als ein Anzeichen ihrer Komplexität seht oder als Beweis für ihre undurchsichtige Figur ist das fein, für mich wirkte es allerdings so, als wäre es den Drehbuchschreibern einfach egal wie sie die Rolle beschreiben (oder sie waren sich nicht einig, immerhin waren vier Leute für das Skript verantwortlich), als wäre es Suzy Kendall egal wie sie die Rolle auslegt und als wäre es Umberto Lenzi sowieso egal wie er sie in Szene setzt.
Diese beiden, Christian und Barbara, sollen nun, nach ihren Dialogen und nach der manchmal ein wenig überdeutlichen Musik von Meister Morricone zu urteilen, in wahrer Liebe verbunden sein. Allerdings, wenn eine Beziehung mal so beginnt, dass sie sich einen Tag nach ihrem Kennenlernen weniger als halbherzig zu einer Liebesnacht entschließen, die nicht zustande kommt, weil sie gelangweilt seinen Bart irgendwie doof findet und er es irgendwie doof findet, das Ding abzuschneiden, dann habe ich so meine Zweifel an der wahren Liebe, die uns spätere Szenen signalisieren. Romeo und Julia fanden zueinander, obwohl der tödliche Hass ihrer Familien zwischen ihnen stand, die beiden Gefühlsamöben aus „Spasmo“ fanden (anfangs, er rasiert sich ja schließlich doch) nicht zueinander, weil ein wenig Gesichtsbehaarung zwischen ihnen stand.
Die Crew hinter der Kamera leistet allerdings hervorragende Arbeit: Ennio Morricone setzt wie oft in seinen Giallo-Soundtracks auf ein melancholisches Gesäusel (im positiven Sinn des Wortes) und Lenzi kreiert zusammen mit seinem Kameramann Guglielmo Mancori einige beeindruckend durchkomponierte Bilder. Beide verstehen es die wunderbaren Orte der Handlung, besonders das schlossartige Haus an der Steilküste, hervorragend stimmig in Szene zu setzten.
Doch diese Bemühungen von Seiten des Teams sind leider umsonst, da sich jede Szene, jede Einstellung, immer um die beiden Hauptcharaktere dreht. Ich hab kein Interesse an den beiden, also habe ich auch kein Interesse an Szenen, welche nur den beiden gewidmet sind. Es gibt keine Subplots (so wie in beispielsweise „Casablanca Express“, in dem ich die miesen Protagonisten aus diesem Grund verschmerzen konnte), es gibt nicht Mal Morde, wir haben anfangs einen Bodycount von 0, es gibt wenig Action, es gibt nur Charakterisierung von zwei Charakteren die mich nicht interessieren. Ich sage nicht, dass ein Giallo sonderlich viele Morde braucht, Spannung kann auch ohne Tote erzeugt werden, solange wir um das Leben der Protagonisten fürchten. Aber mir ist es egal ob die beiden draufgehen oder nicht, im Gegenteil, ich habe gehofft, dass sie zu Opfern des Killers werden, denn dann könnte der Film einen auf „Der Schwanz des Skorpions“ machen und nach dem Tod der vermeintlichen Hauptfiguren einfach neue einführen. Vielleicht ein putziges Ermittler-Pärchen, vorzugsweise gespielt von Edwige Fenech und George Hilton. Edwige könnte ihre Rolle aus „Politess im Sittenstress“ spielen und George die seinige aus „Time to kill, Darling“. Die beiden würden ein wenig ermitteln, dann würde der Mörder versuchen sie zu beseitigen, aber sie sind taffer als der Killer und überlisten ihn am Schluss und so weiter :D …Das hätte den Film für mich gerettet.
Nun brach jedoch die letzte halbe Stunde an und oh Wunder, der Film wurde für mich gerettet ohne ein putziges Ermittler-Pärchen, gespielt von Edwige Fenech und George Hilton, einzuführen. Zunächst bekommen wir mal durch Ivan Rassimovs Rolle eine Figur, die wir wirklich mögen können, die einerseits sympathisch ist, sich andererseits aber auch zu moralisch nicht ganz einwandfreien Handlungen hinreißen lassen muss, was sie obendrein noch interessant macht. Das weiteren schlägt der Streifen bezüglich Christian und Barbara plötzlich eine vollkommen andere Richtung ein.
Dies war besonders schön für mich, denn ich dachte, dass ich weiß wie es ausgehen wird, ich glaubte zu wissen, wer hinter den rätselhaften Ereignissen steckt, ich glaubte zu wissen, wer am Ende umkommt und wer mit einem Happy End gesegnet wird. Und was ich da zu wissen glaubte gefiel mir ganz und gar nicht. Doch ich sollte mich irren, die letzte halbe Stunde lenkt die Handlung in eine komplett andere Richtung, weg von herkömmlichen Konventionen und hinein in eine faszinierende originelle Wendung.
Plötzlich ergab alles Sinn, damit meine ich nicht nur die Handlung (die oft kritisierte „verwirrende“ Handlung störte mich weniger als gar nicht) sondern das Verhalten der Hauptpersonen, selbst, dass Barbara Christian eine Rasur aufzwingt ist im Nachhinein betrachtet gar nicht mal so dumm. Die Art wie Hoffmann die Figur auslegte ergibt plötzlich Sinn, die Art wie Suzy Kendall ihre auslegte ist nicht mehr ganz so sinnlos wie vorher (allerdings bin ich immer noch nicht vollkommen zu Frieden mit ihr), ich erkannte, dass alles, worüber ich mich in den ersten beiden Dritteln geärgert hatte, nur dazu diente das Ende umso besser zu machen.
Die Kernfrage, die bei einer Bewertung von „Spasmo“ zu stellen ist lautet also: Heiligt der Zweck die Mittel? Eine schwierige Frage und ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich das Teil jetzt bewerten soll: Die Inszenierung war nicht schlecht, es störten mich allein die Hauptcharaktere, die wurden aber so vehement in den Mittelpunkt gerückt, dass der ganze Film mit ihnen aufsteigt oder fällt, was darin resultierte, dass mir die ersten beiden Drittel unendlich langweilig vorkamen. Doch der Schluss war so befriedigend, nicht zuletzt wegen den Aspekten, die mich vorher noch so aufregten, dass der Film einen positiven Eindruck hinterlässt. Bei einer Zweitsichtung hingegen werde ich wohl konstant ein Lächeln auf den Lippen haben, das Ende wird mich jedoch natürlich nicht mehr so positiv überraschen…
Ich tendiere dazu, dem Film seine Schwächen, die mich eine Stunde lang wirklich gequält haben, zu verzeihen, da mir, berücksichtigt man das Ende, nicht wirklich viel eingefallen ist, was Lenzi hätte besser machen können. Er hätte höchstens Rassimovs Figur schon ein wenig früher auftreten lassen, damit mir zumindest ein Charakter Freude bereitet (und er hätte ein putziges Ermittler-Pärchen, gespielt von Edwige Fenech und George Hilton, einführen können :pfeif: ) aber sonst gibt’s nicht viel auszubessern, weil alles Miese im Dienste des genialen Gesamtwerkes steht.
Fazit: Durch die beiden augenscheinlich miesen Hauptcharaktere, die ständig ins Zentrum des Geschehens gerückt werden, wird die erste Stunde von „Spasmo“ unerträglich langweilig, bis im letzten Drittel die gesamte Handlung eine Wendung nimmt, die auf wundersame Weise alle Kritikpunkte in Pluspunkte zu verwandeln weiß.
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THE EXTERMINATOR

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Originaltitel: The Exterminator
Land: USA
Jahr: 1980
Genre: Vigilante-Film
Regie: James Glickenhaus

Handlung:
Als sein bester Freund (Steve James) von einer Straßengang schwer verletzt wird, nimmt Vietnamveteran John Eastland (Robert Ginty) Rache und macht besagte Gang dem Erdboden gleich. Doch die Verbrecherschaft New Yorks ist zahlreich und Eastland hat sowohl Waffenerfahrung als auch eine Menge Freizeit, weswegen er die städtischen Kriminellen nach Strich und Faden dezimiert. Bald wird die Polizei auf ihn aufmerksam und der Ermittler James Dalton (Christopher George) heftet sich an seine Fersen…

Kritik:
James Glickenhaus‘ „The Exterminator“ wird immer wieder mit „Ein Mann sieht rot“ verglichen. Die Selbstjustiz-Thematik, der beide Filme folgen, veranlasste schon so viele Kritiker in einer Rezension des einen Filmes auch den anderen zu erwähnen, dass ich mir das eigentlich sparen könnte. Nichts sollte mir fernerliegen als eine ganze Kritik der Frage zu widmen, welchen der beiden Streifen ich lieber mag. Aber ich tu’s trotzdem! Warum tu ich das? Weil die Antwort auf diese Frage schwieriger zu finden war, als ich eigentlich dachte…
Als ich „The Exterminator“ zum ersten Mal sah hatte ich, ohne genauer darüber nachzudenken gemischte Gefühle: Der Film war zweifellos gelungen, ich mochte die schmuddelige Atmosphäre, ich fand Robert Ginty passt hervorragend in die Rolle, aber trotzdem fand ich die Geschichte ein wenig unlinear erzählt, es fehlte an Fokus. Alles in allem fand ich den Film gut, doch er war gar nichts gegen den großen „Ein Mann sieht rot“.
So dachte ich jedenfalls anfangs, doch dann hatte ich plötzlich den unstillbaren Drang mir das Teil ein zweites Mal anzusehen. Einzelne Szenen kamen mir ins Gedächtnis, die stets ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern konnten. Nur zwei Wochen hielt ich es ohne eine erneute Sichtung von „The Exterminator“ aus, wogegen „Ein Mann sieht rot“ schon ein Jahr auf seine Zweitsichtung wartet.
Nach Überlegungen woran das liegen könnte kam mir ein Gedanke: „Ein Mann sieht rot“ ist ein in seiner Gesamtheit gelungener Film, mit geschicktem Aufbau, dramatischer Struktur, grundsolider Regie, etc. aber „The Exterminator“, der in dieser Hinsicht ein wenig schwächelt, hat in meinen Augen die besseren einzelnen Szenen. Erstgenannter Film erzählt viel mehr gelungen eine durchgehende Geschichte und besitzt eine moralische Fragestellung, welche die Zuseher zum Nachdenken bringt. Glickenhaus‘ Film reduziert die narrativen Elemente auf ein möglichstes Minimum und in Sachen moralische Fragestellung reicht ihm „Verbrecher: Böse; Mann mit Flammenwerfer: Cool“.
Glickenhaus hat seine Schwierigkeiten mit Fokus, Aufbau oder einer guten Szenenfolge. Stattdessen schafft er es jede einzelne Sequenz so gut wie möglich zu machen. Ein Beispiel: Gleich nachdem sein Freund attackiert wurde, verspricht Eastland die Täter zu finden, schnitt auf ihn, wie er einen der Täter ausquetscht. Diese Szenenfolge mag abrupt sein, sie mag viele Fragen offen lassen, aber das ist egal, weil die folgende Verhörszene verdammt gut gemacht ist. Oder: Nachdem sich Eastland um einen Mafiosi „gekümmert“ hat erfolgt ein Schnitt auf einen bandagierten Mann im Krankenhaus: Dieser Schnitt mag seinen Zweck verfehlen, da wir fälschlicherweise annehmen, der Mann sei der Mafiosi, aber das ist egal, weil sowohl die Mafiosi-Szene als auch die folgende Krankenhausszene für sich allein echt gut gemacht sind. Der gesamte Subplot, welcher der Romanze zwischen Christopher George und Miss Ärztin gewidmet wurde, ist für die eigentliche Handlung – Miss Ärztin trifft kein einziges Mal auf den Exterminator – recht irrelevant, aber das ist zu verzeihen, da diese Nebenhandlung für sich allein stehend gelungen ist.
Ein Problem von „The Exterminator“, welches mich jedoch nur bei der Erstsichtung gestört hat, ist, dass er kein wirkliches Ende hat. Gegen Schluss kommt es zum Kampf zwischen Eastland auf der einen Seite und dem korrupten FBI, welches ihn aus dem Weg räumen will, auf der anderen Seite. Dieser Kampf wird nicht beendet, keiner der beiden Parteien wird unschädlich gemacht, ergo hat der Film keinen befriedigenden Abschluss, außer der Aussicht, dass sich nichts ändern wird und es einfach so weiter gehen wird, wie bisher. Ich habe mal gehört, dass dieses Problem im Originaldrehbuch durch den Tod einer bestimmten Figur verhindert wurde. Ich weiß nicht, wem die Idee kam, besagte Figur schlussendlich überleben zu lassen, aber dies bewirkte, dass ich bei der Erstsichtung, auf ein reguläres Ende wartend, enttäuscht wurde. Allerdings: Als ich den Film nach zwei Wochen erneut sichtete, störte mich diese Tatsache überhaupt nicht, ich wusste ja wie es ausgeht und konnte ungestört die einzelnen Szenen genießen, die immer noch ein Genuss sondergleichen waren.
Dass ich mir einzelne Stellen des Filmes immer und immer wieder ansehen könnte, liegt einerseits an Glickenhaus, welcher es wunderbar schafft, dem Film eine schmuddelig-düstere Atmosphäre zu verleihen: New York ist bei ihm ein Sündenpfuhl, bei dem der Sleaze aus jedem Rinnstein hervorquillt und dessen Bevölkerung, von ein paar Ausnahmen mal abgesehen, nur aus Mafiosi, Kleinkriminellen, Perversen und Prostituierten zu bestehen scheint. Zudem wählt er passende Kamera-Einstellungen schafft es in genau den richtigen Momenten zur Zeitlupe zu greifen, sodass einige Aktionen Eastlands schon mal rein visuell unvergesslich bleiben.
Der Gewaltanteil ist hier auch wesentlich höher als in beispielsweise „Ein Mann sieht rot“, dies schadet vielleicht der Moral und dem Realismus des Filmes, aber es macht ihn ungemein erinnerungswürdig: Wenn Charles Bronsons Charakter beschließt, die Stadt vor Verbrechern zu säubern, dann nimmt er sich eine Pistole und erschießt einige Straßenräuber. Ja, das wirkt logisch und ich werde mal drüber nachdenken ob sein Verhalten „richtig“ oder „falsch“ ist. Wenn Robert Gintys Charakter in „The Exterminator“ dasselbe beschließt, dann schnappt er sich hochrangige Verbrecherbosse und dreht sie durch den Fleischwolf. Nein, nicht metaphorisch, wortwörtlich. Dies mag nicht glaubwürdig sein, und es mag moralisch noch verwerflicher sein, als das, was Bronson tut, aber es ist auf jeden Fall erinnerungswürdiger.
Ginty passt hervorragend in die Rolle. Man hätte keinen Schauspieler finden können, der eine gewöhnlichere Ausstrahlung haben könnte als Ginty, er sieht nicht sonderlich hart aus, er spielt die Rolle nicht mal sonderlich charismatisch, aber genau das macht seine Performance so gelungen. Er ist kein muskelbepackter Actionheld, kein außergewöhnlicher Meisterschütze, nicht mal ein besonders schwacher Mann, der über sich hinauswächst, er ist ganz einfach (wie die Tagline des Filmes sagt) „the Man, they pushed too far“. Und ich fand das großartig! Zu sehen wie dieser gewöhnliche Mensch diese brutalen Gewalttaten verübt, weil er das ganze Verbrechen einfach nicht mehr aushält, ist wesentlich ergreifender als wenn ein irgendein Actionheld irgendwelche Bösewichter niederschießt.
Einen Schauspieler gibt es jedoch der Ginty locker an die Wand spielen kann und das ist Christopher George. Dies heißt jedoch keinesfalls, dass Ginty schlecht wäre, dies heißt einfach, dass Christopher George so genial ist, dass er jeden an die Wand spielen kann (selbst meinen Liebling Franco Nero, wie uns „Ninja – Die Killermaschine“ bewies). Hier ist der Unterschied zwischen George und Ginty in diesem Film: Ginty kann ohnehin gute Szenen noch besser machen; George kann belanglose Szenen überspitze machen.
Nehmen wir als Beispiel die Stelle, in welcher Ginty eine Straßengang in ihrem Clubhaus aufsucht, während im Radio „Disco Inferno“ läuft. Tolle Szene, unter anderem, weil Ginty seine Rolle so gut spielt, aber auch weil es eine spannende Schießereie gibt, weil Mr. Kameramann das Gerät toll führt, weil Mr. Special-Effect-Typ die Schusswunden realistisch schminkt, weil Glickenhaus wiedermal zu einer passenden Zeitlupe greift und last but not least, weil „Disco Inferno“ läuft. Auf der anderen Seite betrachten wir mal die Szene, in welcher sich Christopher George ein Würstchen warm macht, während er mit seiner Freundin am Telefon über irgendwas spricht, dem ich keine Beachtung schenkte: Der Inhalt der Szene ist nicht sonderlich interessant, sie ist in einer einzigen langweiligen Einstellung gefilmt, es läuft kein 70er-Song im Radio, aber die Szene gehört trotzdem zu den absoluten Höhepunkten des Filmes, eben weil Christopher George einfach so eine unsagbar unterhaltsame Ausstrahlung hat.
Abschließend noch eine kleine Nettigkeit, die mir aufgefallen ist: Der Standartspruch unseres Exterminators ist „I’ll be back.“ Er sagt es in ergreifender Weise zu dem Typen, den er mit dem Flammenwerfer bedroht hat und zu dem Typen, der über dem Fleischwolf baumelt. Vier Jahre später, ließ James Cameron das „Ex“ weg und „The Terminator“ kam in die Kinos. Und wir wissen alle mit welchem Satz Arnold Schwarzenegger in diesem Film berühmt geworden ist. Ich weiß nicht, ob der Titanic-Typ oder Arnie „The Exterminator“ gesehen haben oder ob es bloß ein Zufall ist, aber es war nett zu beobachten.
Fazit: Wenn es um Aufbau, Struktur, Subtext oder Logik geht, so ist „The Exterminator“ sicher nicht perfekt, aber wenn es um Filme geht die unterhaltsam sind, lange im Gedächtnis bleiben und die man sich immer wieder ansehen kann, dann sucht er vergeblich seinesgleichen.
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THE KILLER MUST KILL AGAIN

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Originaltitel: L’Assassino è Costretto ad Uccidere Ancora
Alternativtitel: The Dark is Death’s Friend; Il Ragno
Land: Italien, Frankreich
Jahr: 1975
Genre: Giallo
Regie: Luigi Cozzi

Handlung:
Selten hatte ein Triebmörder so viel Pech: Kaum trennt sich Mr. Killer (Antoine Saint-John) per Seebestattung von seinem letzten Opfer, wird er von Giorgio Mainardi (George Hilton) gestellt. Dieser denkt aber nicht im Traum daran ihn der Polizei auszuliefern, sondern überredet ihn, die Gattin aus der Welt zu räumen. Mr. Killer tut wie ihm geheißen, doch kaum hat er Mrs. Mainardi (Tere Velázquez) gemordet und in den Kofferraum eines Autos verfrachtet, wird ihm dieses von einem jugendlichen Pärchen (Cristina Galbó und Alessio Orano) gestohlen. Die beiden planen ein romantisches Wochenende am Strand zu verbringen und ahnen weder etwas von der Leiche im Kofferraum, noch von dem Täter, der ihnen auf den Fersen ist…

Kritik:
Ich ging mit großer Vorfreude an diesen Film heran, die nicht nur daraus resultierte, dass es sich bei „The killer must kill again“ um einen Giallo von Luigi Cozzi handelt (und ich gespannt war, wie sich der Trashkünstler in dem Gebiet wohl tut) sondern auch daraus, dass auf der Besetzungsliste sowohl die Namen George Hilton als auch Eduardo Fajardo auftauchten. Ich sah die beiden nie in einem gemeinsamen Film und war deswegen schon besonders gespannt. Der einzige Wehrmutstropfen war die Furcht, dass man Fajardo wohl wieder auf eine Kleinstrolle reduzieren würde, die wenig macht und bald den Löffel abgibt, wie es außerhalb des Italowesterns in späteren Jahren ja leider oft das Schicksal dieses großen Mimen war.
…Doch was ist das??? Er ist an einem Tatort und verhört Verdächtige? Soll das etwa bedeuten, dass…JA!!! EDUARDO FAJARDO SPIELT DEN COMMISSARIO!!! Hurra, welch Freudentag, wie cool ist das denn?! Ich kann gar nicht ausdrücken wie schön es für mich war zu sehen wie Eduardo (mit coolen Oberlippenbart) mal die Ermittlungen leiten darf und George Hilton so richtig in die Mangel nimmt. Seinen größten Auftritt hat er in der letzten Szene, wenn er einen beruflichen Erfolg zu verbuchen hat und bewusst lässig den Täter stellt – ganz großes Lob an wer auch immer für die Besetzung zuständig war!
Im visuellen Bereich leistet Luigi Cozzi samt Kameramann und Cutter Wunder. Er experimentierte sichtlich mit Kameraeinstellungen, Schnitttechnik und einigen visuellen Tricks herum. Zugegebenermaßen kann das manchmal ein wenig in die Hose gehen (so empfand ich es beispielsweise als ein bisschen albern, als das Bild plötzlich einfror und sich eine Irisblende halb zu schließen begann) aber meistens sorgen Cozzis einmalige Einstellungen und gewagte Schnitte für besonders spannende Sequenzen. Die Kamera kann konstant eine unheimliche bedrohliche Stimmung aufbauen, jede Minute erwarten wir, dass irgendetwas Furchtbares geschieht und einzelne Momente werden mittels Parallelcutting besonders eindrucksvoll gestaltet. So schneidet Cozzi in die Szene, in welcher Hilton mit seiner Gattin schläft, Einstellungen aus der Szene, in welcher er dem Mörder aufträgt eben diese zu töten. Als es schließlich soweit ist und Velázquez‘ Rolle das Zeitliche segnen muss, zeigt uns Cozzi gleichzeitig wie ihr teuflischer Gatte auf einer Party gerade die Zeit seines Lebens hat. Und schlussendlich als der Killer Cristina Galbós Charakter vergewaltigt, zeigt uns Cozzi mittels Parallelcutting wie sich ihr Freund gerade mit Femi Benussi vergnügt.
Besonders letztgenannte Szene wirkt unsagbar verstörend, auf der einen Seite ist dies auf die Schnitttechnik Cozzis zurückzuführen und auf der anderen darauf, dass uns das bedauernswerte Opfer, Cristina Galbó, so sympathisch ist. In der ersten Hälfte des Filmes, als wir nichts über sie wissen außer, dass sie mit ihrem Freund gerne Autos klaut, war mir zwar mehr oder weniger egal was mit ihr geschieht, aber schon bald wächst einem die junge Frau mit dem konstant traurigen Blick so ans Herz, dass man wirklich nicht will, dass ihr irgendetwas Böses wiederfährt. Dies macht den Film zu einem atemberaubenden Erlebnis, denn im gesamten letzten Drittel befindet sie sich konstant auf Messers Schneide. Nett war es aber auch, dass sie mit der Zeit quasi zur Protagonistin wurde und auch ein paar Sachen machen durfte, die sich nicht auf eine Opferrolle beschränken.
Die anderen darstellerischen Leistungen reichen von hervorragend bis solide: George Hilton ist gewohnt super und darf hier – war er sonst entweder als Held oder als zwielichtige Figur unterwegs – mal von Anfang an den Mistkerl raushängen lassen. Tere Velázquez gibt ihm eine liebende verständnisvolle intelligente attraktive Gattin, die er umbringen lassen möchte, bloß damit er seine diversen Affären nicht aufgeben muss und diesen schmierigen Fiesling spielt Hilton ziemlich gut.
Antoine Saint-John hat wegen seinem markanten Gesicht eigentlich schon gewonnen, liefert aber auch eine brauchbare Performance. Lässig, unheimlich und skrupellos vollführt er seine Verbrechen, wirkt dabei aber nie vollkommen unmenschlich und kann einem, wenn er bei der Ausführung seines Mordes allzu arg vom Pech verfolgt wird, fast schon leidtun. Alessio Orano spielt solide, nicht mehr und nicht weniger. Er macht seine Arbeit gut, aber ich werde seine Figur wohl schon bald vergessen haben. Diese nervt mich nicht so, dass ich ihr den Tod wünschen würde, aber sollte dieser eintreffen würde ich um ihn sicherlich keine Träne vergießen. Ähnliches lässt sich auch über Femi Benussis Rolle als Protagonistin jedes Blondinenwitzes der jemals gemacht wurde sagen: Ich will sicher nicht, dass man sie aus dem Film herausmordet, aber wenn’s eintreffen würde, wäre es auch zu verkraften. Allerdings macht es Spaß anzusehen, mit welcher Inbrunst und Hingabe Femi diesen uninteressanten eindimensionalen Charakter anlegt. Ihre Rolle ist nicht das Gelbe vom Ei, aber ihre Darstellung macht jede Menge Freude.
Abschließend sollte noch betont werden, dass dieser Film keine Sekunde langweilig ist: Entweder vermitteln die gekonnten Kameraeinstellungen und einzelne Musiktöne gelungen eine bedrohliche Atmosphäre oder die Kopräsenz vom Christina Galbó und dem Killer verpasst uns eine Gänsehaut oder Eduardo Fajardo ist da und macht Spaß. Selbst in Szenen die unter Umständen langweilig sein könnten, bringt Cozzi irgendein Element herein, was bei Laune hält. Wenn zum Beispiel Hilton und der Killer ihren Plan besprechen, besprechen sie nicht einfach ihren Plan, sie besprechen ihren Plan während sie einer Eiskunstläuferin zusehen. Warum sehen sie einer Eiskunstläuferin zu, während sie ihren Plan besprechen? Keine Ahnung aber es hält die Zuseher auf jeden Fall bei Laune.
Fazit: Total subjektiv gesehen wird der Film durch die Tatsache, dass Eduardo Fajardo den Ermittler spielt zu dem besten Steffen-losen Film aller Zeiten… Und ein wenig objektiver gesehen hat der Film aufgrund der erstaunlich atmosphärischen Inszenierung von Seiten Luigi Cozzis und der Sorge um Cristina Galbós Charakter auch einiges zu bieten und wird zu einem nervenaufreibenden Erlebnis vom Anfang bis zum Ende. 9/10
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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THE RIFFS III – DIE RATTEN VON MANHATTAN

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Originaltitel: Rats – Notte di terrore
Land: Italien
Jahr: 1984
Genre: Horror
Regie: Bruno Mattei, Claudio Fragasso

Handlung:
In einer postapokalyptischen Zukunft wird die karge Landschaft von bunt zusammengewürfelten Biker-Gangs beherrscht. Eine dieser Gruppen findet ein verlassenes Wirtshaus und beschließt die Nacht dort zu verbringen, als plötzlich Bruno Mattei einen wütenden Anruf von seinem Produzenten erhält, der ihm vorwirft, dass er das Budget, statt wie geplant für einen Horrorfilm, für einen Endzeitfilm ausgibt. Diese schicksalhafte Wendung resultiert darin, dass das Gebäude voller mörderrischer Ratten ist, die bald beginnen unsere Mad-Max-Truppe zu dezimieren…

Kritik:
Dieser Film ist ein wunderbares Beispiel für die unfassbare Genialität von crazy Bruno und crazy Claudio (Claudio Fragasso stand Bruno Mattei offenbar wiedermal von der Konzeption über das Drehbuch bis hin zur Inszenierung helfend zur Seite): Jeder andere Regisseur, der einen Horrorfilm mit Killerratten gedreht hätte, hätte wohl einfach einen normalen Horrorfilm mit Killerratten gedreht, doch nicht unsere beiden glorreichen Regie-Halunken, diese drehten nämlich einen Horrorfilm mit Killerratten, der in einer postapokalyptischen Zukunft spielt!
Diese Tatsache dient drei Aspekten: 1. Der dramaturgischen Notwendigkeit einen menschenleeren Schauplatz zu haben, 2. der deutschen Vermarktung, die den Film kurzerhand als eine Fortsetzung von „The Riffs“ verkaufte, 3. den Protagonisten, die aus diesem Grund aus einer erinnerungswürdigen Gruppe voller verrückter Zukunftscharaktere besteht.
Jeder einzelne Biker ist so individuell kostümiert, dass man sie stets gut voneinander unterscheiden kann. Dies und die Tatsache, dass sie von einer Reihe unbekannter, aber ambitionierter junger Darsteller verkörpert werden, macht jeden einzelnen von ihnen zu einer unabhängigen Figur, die in der Regel cool, sympathisch oder in den meisten Fällen cool und sympathisch ist: Wir bekommen Italienischen Kurt Russel als obercoolen Kurt, 80s Girl als einfühlsame Diana, Italienischen Ian Sera als ulkigen „Computerexperten“, die eine, die immer wieder in Endzeitfilmen ist, als lässige Chocolate, Italienischen Charles Bronson als aufrührerischen Duke, Weiblichen Mark Hamill als hysterische Myrna, Italienischen Yul Brynner als erhabenen Mongolen, Barbara Bouchet für Arme als überdrehtes Cape-Girl, Italienischen Raimund Harmstorf als Typ im Hintergrund, irgendeinen Typen als Lucifer und (den echten) Massimo Vanni als Torence oder Terence oder so.
Außer Vanni war mir, wie man im oberen Absatz sehen kann, keiner der Darsteller ein wirklicher Begriff, aber sie alle machen ihre Sache ziemlich gut und hängen sich stets total rein, was in einigen herrlichen Over-Acting-Momenten, ganz besonders ist hier Barbara Bouchet für Arme zu nennen, resultiert. Jede Figur habe ich gemocht und konnte (abgesehen von Duke, der aber unsympathisch sein sollte und dieser Lucifer war mir auch recht egal, aber er gibt auch bald den Löffel ab) 100% hinter ihnen stehen und hoffen, dass sie nicht von den Ratten erwischt werden.
Daraus resultiert, dass ich an vielen Stellen zwischen Lachen und Weinen hin- und hergerissen wurde. Der Film hat nämlich einiges an Trash zu bieten, hat unsagbar dämliche Dialoge und einige herrlich unlogische Handlungsverläufe, sodass ich beispielsweise bei einigen Sterbeszenen nicht wusste, ob ich amüsiert sein soll, weil der Film so abstruse Todesarten beinhaltet, oder ob ich traurig sein soll, weil einer der geliebten Charaktere aus dem Film verschwindet. Ganz krass wird dieser Zwiespalt als ich aufgrund all des Unsinns mit dem mich Mattei/Fragasso konfrontierten in einem Zustand des Dauergrinsens war, als Diana plötzlich beschließt Selbstmord zu begehen. Was folgt ist eine sehr tragische, und aufgrund der Sympathie für die Charaktere gelungene, Szene, bei der ich mir trotzdem das Lachen verkneifen musste, weil ich ständig an den unterhaltsamen Müll der vergangenen Szenen denken musste.
Bedenkt man, dass Bruno Mattei der Meister des Rip-Offs ist, so wirkt „The Riffs III – Die Ratten von Manhattan“ erstaunlich individuell. Der Film ist unvorhersehbar bis zum geht nicht mehr (es ist unmöglich zu sagen, welche Charaktere in welcher Reihenfolge ins Gras beißen) und soweit ich weiß ist Handlung und Inszenierung nicht so direkt von einem erfolgreichen Film geklaut übernommen, wie bei vielen anderen Filmen Brunos. Wenn ich jedoch nach der Inspirationsquelle für dieses Meisterwerk suche, dann stoße ich komischerweise immer wieder auf Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“, welches zwei Jahre zuvor erschienen ist. Dass Mattei Carpenters Alien/Arktis-Horror gesehen hat, bevor er seinen Ratten/Endzeit-Horror drehte ist vielleicht nicht naheliegend, aber gehen wir doch mal die Ähnlichkeiten durch:
1. Das Setting ist eine menschenleere Gegend, hier die Arktis, dort die postapokalyptische Zukunft, wodurch unsere Charaktere zusammen mit der Gefahr von der restlichen Menschheit isoliert sind.
2. Wir folgen einer Gruppe individueller Charaktere, die wir gut auseinanderhalten können und die einer nach dem anderen umgebracht werden.
3. Der Hauptcharakter ist ident: Sicherlich, Italienischer Kurt Russel ist nicht der echte Kurt Russel, aber er sieht aus wie MacReady aus „Das Ding aus einer anderen Welt“, er benimmt sich wie MacReady, er ist kostümiert wie MacReady und er hat genauso wie MacReady einen Flammenwerfer. Und sollte irgendjemand diese Ähnlichkeiten nicht bemerken, wird es überdeutlich gemacht, indem man ihm den Rollennamen „Kurt“ gegeben hat.
4. In einer Extremsituation werden die Führungsqualitäten einer bestimmten Person angezweifelt: In „Das Ding aus einer anderen Welt“ versucht MacReady die Oberhand zu behalten, doch seine Männer misstrauen ihm und in „The Riffs III“ versucht Duke Kurt die Führungsposition streitig zu machen.
5. Bei beiden Filmen befinden sich die Charaktere in einer verzweifelten Lage. Es ist nicht so wie in vielen Slashern, dass die Personen keine Ahnung von der Gefahr haben und wenn ihnen diese bewusst wird halt versuchen um ihr Leben zu rennen. Nein, sowohl bei Carpenters als auch bei Matteis Film ist den Figuren der Schrecken von Anfang an bewusst, einige werden zur Hysterie getrieben und Selbstmorde werden geplant (in „Das Ding aus einer anderen Welt“ Off-Screen im Norweger-Camp und in „The Riffs III“ versucht sich Diana On-Screen umzubringen).
6. Die Todesarten sind ziemlich obskur, grotesk und grausig übertrieben: Carpenter nutzt, dass sein Monster ein Gestaltwandler ist, der Mensch infizieren kann, so kommt es beispielsweise vor, dass einem Typen plötzlich Beinchen aus den Ohren wachsen, woraufhin sein Kopf abfällt und davon krabbelt, oder ein Bauch kann sich plötzlich in einem riesigen Mund mit scharfen Zähnen verwandeln, usw. Die Ratten sind zwar keine Gestaltwandler, aber sie fallen auch sehr originell über ihre Opfer her, denken wir an den einen, der so mit Ratten vollgestopft wird, dass er von innen explodiert (inklusive kleine Rauchwolke, wenn ich mich recht erinnere) oder an die eine besonders bedauernswerte, der eine Ratte in...naja, das verschweige ich lieber, soviel sei gesagt: Ihre Leiche weist im Endeffekt keine Spuren von äußerer Gewalteinwirkung auf. :(
7. Beide Filme haben ein offenes Ende: Nachdem die Gefahr scheinbar besiegt wurde, finden sich die Überlebenden (bei beiden Filme sind diese quantitativ gleich) in einer Lage wieder, bei der sie nicht wissen, ob sie davonkommen oder dem Tod geweiht sind.
„The Riffs III – Die Ratten von Manhattan“ mag nicht ganz so gut funktionieren wie „Das Ding aus einer anderen Welt“ – die spannende Gestaltwandler-Situation wurde weggelassen und inszenatorisch ist der olle Bruno auch kein John Carpenter – aber es funktioniert zum Teil aus denselben Gründen: Bei beiden Filmen haben wir eine erfolgreiche Mischung aus höchst atmosphärischen Spannungsmomenten, überdreht-unterhaltsamen Szenen und vielen Identifikationsfiguren, eine Trias, die im richtigen Verhältnis hervorragende Horrorfilme hervorbringen kann.
Soweit ich weiß hat Mattei in einem Interview mal gesagt, dass dieser Film unter seinen Werken sein Liebstes ist, und soweit ich seine Filmographie bis jetzt abgearbeitet habe, kann ich ihm da zustimmen. Sicher, das Vergnügen ist Großteils trashiger Natur und wirklich ernst kann man den Streifen nicht nehmen, aber in Sachen Unterhaltungswert übersteigt er in meinen Augen sogar „Hölle der lebenden Toten“ und „SS-Girls“!
Fazit: Horrorfilm nach einem hervorragenden Rezept gedreht und mit unzähligen aberwitzigen Trasheinlagen verfeinert. 8/10
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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VERFLUCHT ZUM TÖTEN

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Originaltitel: La settima donna
Alternativtitel: Junge Mädchen zur Liebe gezwungen; In den Klauen des Schakals; Terror; The Last House on the Beach
Land: Italien
Jahr: 1978
Genre: Thriller
Regie: Franco Prosperi

Handlung:
Drei Bankräuber (unter ihnen Ray Lovelock) befinden sich nach einem brutalen Überfall auf der Flucht vor der Polizei. Sie kommen zu einem abgelegenen Strandhaus, bewohnt von einer Nonne (Florinda Bolkan) und fünf ihrer Klosterschülerinnen, nisten sich in diesem ein und machen durch Psychoterror der ärgsten Sorte das Leben der Frauen zur Hölle auf Erden. Als ein gewisser Punkt erreicht ist, sieht sich Schwester Florinda gezwungen handgreiflich gegen die drei Männer vorzugehen…

Kritik:
:( Gott, war dieser Film vielleicht unangenehm! Allerdings nicht auf eine verwerfliche Weise. Franco Prosperi wollte sichtlich einen unangenehmen Film erzeugen und dies machte er mit filmischen Mitteln, die teilweise so genial sind, dass ich mich vor dem Typen verbeugen muss, während ich ihm zürne, dass er mich um meine Nachtruhe gebracht hat.
Also wie hat er es geschafft, dass mich dieser fiktive Film so mitgenommen hat? Nun, beispielsweise damit, indem er anfangs die Erwartungen in Sachen Gewalt herunterschraubte (wir erinnern uns an „Greta – Haus ohne Männer“, wo selbige Taktik zu Einsatz kam). Der Film beginnt mit einem Banküberfall, bei dem die Kamera ständig auf den Boden gerichtet ist, so dass man die Brutalität der Räuber nicht so stark wahrnimmt. Gefolgt wird diese Szene von einer Einstellungsfolge in der die fünf Klosterschülerinnen am Strand sitzen und ihre Bikinis aufmachen, ohne dass man auch nur eine einzige Brustwarze sieht (für einen italienischen Film äußerst ungewöhnlich). Beide Szenen sind gut gemacht und erfüllen ihre Zwecke (die Räuber böse und die Mädchen sympathisch darzustellen), aber sie erwecken auch die Vermutung, dass sich der Regisseur wenig traut und auf grafische Szenen gänzlich verzichtet…eine Vermutung die täuscht und wie diese Vermutung täuscht.
Raubüberfall und fröhliche Klosterschülerinnen hintereinander zu zeigen hat auch den Sinn, dass beim Zuseher sofort die Angst geweckt wird, dass die skrupellosen Mörder aus Szene 1 und die bezaubernden Unschuldsengel aus Szene 2 früher oder später (Spoiler: FRÜHER! :( ) aufeinandertreffen werden, was gleich zu Beginn eine Spannung weckt, die sich durch den ganzen Film ziehen wird.
Der Film verfügt über einen kongenialen Schnitt, der Szenen, in denen nichts geschieht, nervenzerreißend und Szenen, in denen etwas geschieht, nahezu unerträglich macht. Wenn beispielsweise eine Figur fast den Killern entkommt oder fast umgebracht wird, dann werden wir erst mal im Ungewissen gelassen, und es wird plötzlich auf ein ruhiges Szenario oder ein banales Gespräch geschnitten, während dem wir natürlich aufgewühlt hin- und her-wippen, weil wir endlich wissen wollen ob Sherry Buchanan eh OK ist. Wenn auf der anderen Seite eine Szene besonders grausam ist (bleiben wir bei Sherry), dann hat Prosperi nicht den geringsten Skrupel uns die entsetzlichen Geschehnisse gleich zweimal hintereinander zu zeigen, was im letzten Akt einige quälende Sequenzen zur Folge hat.
Was den Film auch umso ergreifender macht, ist die Tatsache, dass er, obgleich spannend vom Anfang bis zum Schluss, auf alberne oder nur der Unterhaltung dienende Elemente großräumig verzichtet. Am DVD-Cover wird er als Antwort Italiens auf „Das letzte Haus links“ beschrieben (nein, das ist immer noch „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“). Bleiben wir bei dem Vergleich: Die verstörenden Szenen gehen bei beiden Filmen gleich schwer unter die Haut, aber wogegen „Das letzte Haus links“ zwischen den Downern zwei murrende Polizisten einfügt, die sich mit einer Hühnerlastwagenfahrerin herumstreiten, befindet sich zwischen den verstörenden Szenen in „Verflucht zum Töten“ gar nichts. Keine Lacher, keine Ablenkung, ständig akute Gefahr.
Man kann auch voll und ganz hinter der Nonne und ihren Schülerinnen stehen. Prosperi hat das Wunder vollbracht fünf junge schöne Frauen gleichzeitig einzuführen und ihnen trotzdem einzelne individuelle glaubhafte und gleichzeitig sehr sympathische Persönlichkeiten zu geben. Besonders hofft man selbstverständlich, dass Sherry Buchanan möglichst unbeschadet aus der Angelegenheit herauskommt. Nur leider weiß der skrupellose Prosperi, dass man das hofft. :(
Sämtliche Darsteller sind hervorragend und sorgen dafür, dass dem Film zu allem Übel (im positiven Sinne) auch noch eine realistische Glaubwürdigkeit anheftet. Die Bankräuber sind unheimlich bis zum Gehtnichtmehr, wir haben Mr. Rapist (Stefano Cedrati), Mr. Psycho (Flavio Andreini) und Ray Gold, der anfangs so tut als wäre er der Räuber mit dem Herz aus Lovelock, aber genauso gut der Schlimmste von den drein sein könnte. Die Besetzung von Schwester Nicht-Flavia mit Florinda Bolkan hätte nicht besser sein können. Die Gutste ist in meinen Augen eine der talentiertesten und coolsten Schauspielerinnen, die Italien zu bieten hat, und obwohl sie als liebevolle Nonne vollkommen überzeugt, zweifle ich keine Minute daran, dass sich das Blatt wenden kann und sie die drei Mörder fertig machen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Film nicht so gekonnt entsetzt, weil die Inhalte der Szenen so furchtbar sind. Sie sind es zweifellos, aber in anderen Filmen wirken dieselben Inhalte nicht halb so mitreißend. Denken wir einfach daran, dass das Schicksal Sherry Buchanans, über das ich mich die gesamte Kritik lang so aufgeregt habe, so ähnlich ist wie das von Mariangela Giordano in „Patrick lebt!“. Nur wo mich Landis Film in dieser Szene völlig kalt ließ, bin ich bei Prosperis Werk absolut bestürzt. Es ist also nicht das, was gezeigt wird, sondern wie es gezeigt wird: Prosperi lässt uns in den richtigen Momenten im Ungewissen; er wiegt uns manchmal in Sicherheit; er konzentriert sich auf das Wesentliche; wenn er zuschlägt, dann schlägt er richtig zu; er macht die Opfer liebenswert und die Täter skrupellos und dies ist es, was „Verflucht zum Töten“ so bewegend macht.
Objektives Fazit: Dadurch, dass Franco Prosperi einerseits absolut unbarmherzig ist und keinen Skrupel hat die Zuseher zu quälen, andererseits aber auch eine große Kunstfertigkeit, was das Filmemachen betrifft, besitzt und die filmischen Mittel perfekt gezielt einzusetzen weiß, wird „Verflucht zu Töten“ zu einem Film, der durchgehend nervenzerreißend spannend und streckenweise unangenehm ist. 10/10 :thup:
Subjektives Fazit: :cry: SHERRY!!!! :cry: Warum nur? Sherryyyyyyyy!!! :cry: :cry: :cry: :cry: :cry: :cry: :cry: :cry: :cry: :cry:
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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HÖLLENHUNDE DES SECRET SERVICE

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Originaltitel: Superseven chiama Cairo
Land: Italien, Frankreich
Jahr: 1965
Genre: Eurospy
Regie: Umberto Lenzi

Handlung:
Also: Irgendwo wird ein neues supercooles Metall entdeckt, welches sowohl 100x so radioaktiv wie Uran, als auch für den Menschen total unschädlich ist. Und was tut man, wenn man sowas entdeckt? Richtig: Man formt dieses kostbarste Metall wie einen Zoomer und steckt es auf eine Handkamera drauf. Irgendwie (die detailgenaue Backstory vergaß ich schon im Laufe des Filmes) kommt besagte Kamera an einen Straßenhändler, der sie, nicht von dem wertvollen Material wissend, in Kairo an einen Touristen verkauft. In diese obskure Situation mischt sich England ein, und der Chef des Geheimdienstes, der „Professor“ (der so heißt, weil der Buchstabe „M“ offenbar urheberrechtlich geschützt ist), schickt seinen besten Mann los um den unbekannten Touristen ausfindig zu machen und ihm die Kamera abzuluchsen. Und dieser beste Mann ist niemand anderes als…James Bond ein Typ namens Martin Stevens (Roger Browne). :roll:

Kritik:
Da es wohl keinen anderen Regisseur gibt, der sich mir schon in so vielen unterschiedlichen Genres präsentiert hat wie Umberto Lenzi, verwundert es nicht, dass der gute Mann Mitte der 60er auch den Eurospy-Streifen „Höllenhunde des Secret Service“ fabrizierte, in welchem er ein James-Bond-Klischee nach dem anderen aufgreift und versucht es zu kopieren. Ist ihm das gelungen? Naja…das Teil ist vielleicht ein wenig besser als „Stirb an einem anderen Tag“ würde ich sagen, aber allzu berauschend ist das Endergebnis trotzdem nicht.
Ein Hauptproblem kann ich allerdings beim besten Willen nicht ausmachen, es sind vielmehr eine Fülle von Kleinigkeiten, die durch ihre Quantität in der ersten Hälfte des Filmes noch ziemlich störend wirken, aber man gewöhnt sich dann doch an die kleineren Unstimmigkeiten, womit der Streifen zirka ab der Hälfte zu einem unterhaltsamen Abenteuer-Spaß wird, der im letzten Akt gut bei Laune halten kann. Zudem haben wir in bester „Spasmo“-Manier eine kleine Umstellung zweier Figurenpositionen, welche erstens für ein Bond-Ripp-Off ziemlich originell und zweitens sehr genugtuend war.
Aber beschäftigen wir uns zunächst mal mit den kleinen Problemen in der ersten Hälfte, die einzeln nicht sonderlich ins Gewicht fallen würden: Zunächst mal ist die Vorgeschichte, wie aus meiner Handlungsangabe ersichtlich, recht konfus. Als wäre „100x so radioaktiv wie Uran aber trotzdem vollkommen harmlos“ nicht schon schwer genug zu glauben, wird der Zuseher noch mit einem Verwirrspiel überfordert, bei welchem ich mir nicht ganz im Klaren war, wer die einzelnen verwickelten Parteien sind.
Dann haben wir die nicht gerade feinfühligen Bond-Anspielungen: Der Codename des Protagonisten ist „Agent SuperSeven“. Ernsthaft? Waren Agent 7-Up, Agent ProSieben und Agent David-Fincher-Film zu beschäftigt? Dann wird die Nationalität unseres (um Sheriff Pepper aus „Der Mann mit dem goldenen Colt“ zu zitieren) „englischen Geheimagenten aus England“ noch ständig mit Sätzen wie „Tragen die Frauen hier etwa Waffen mit sich herum, wie wir in England Regenschirme“ betont.
Roger Browne selbst hat den Vorteil, dass er ein ziemlich guter Sean-Connery-Imitator ist, allerdings den Nachteil, dass er weder Connerys Charisma, noch seinen Charme besitzt, ein Makel, der besonders in den Szenen, in welchen er angeblich verführerisch auf Damen wirkt, unangenehm auffällt. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die drei Frauen, die im Laufe des Filmes mit ihm ins Bett hüpfen, alle ausnahmslos von seinen Feinden dafür bezahlt wurden. Hoffe das gibt dir zu denken, Roger. Schade nur, dass der Film nicht erst in den späten 80ern gedreht wurde, dann hätte man nämlich wahrscheinlich versucht Timothy Daltons Bond nachzuäffen und den mochte ich am liebsten. :D
Kommen wir zum schönen Geschlecht. Da haben wir zunächst mal eine gewisse Cleopatra, der verpasst Roger aber schon in der Anfangsszene einen Bauchschuss (by the way, ich hab ja nichts dagegen, dass du feindliche Agentinnen niederschießt, aber zuerst mit ihnen kuscheln und sie dann mit einem doofen Grinser in die Hölle schicken ist doch ein wenig harsch, meinst du nicht, Roger?). Und dann haben wir Fabienne Dali als offensichtliches Bond-Girl und Rosalba Neri als offensichtliche Gehilfin der Schurken, der ich vom Anfang an keine großen Überlebenschancen zugetraut habe. Dies bringt mich übrigens auf ein Problem, welches ich mit vielen Bond-Filmen habe: WARUM SIND DIE TOLLEN SCHAUSPIELERINNEN IMMER DIE BÖSEN??? Warum sind in „Man lebt nur zweimal“ die Rollen von meiner Karin Dor und dieser Akiko Wakabayashi nicht vertauscht? Warum sind in „Der Spion der mich liebte“ die Rollen von meiner Caroline Munro und dieser Barbara Bach nicht vertauscht? Wer castet so unsagbar verkehrt? :(
Und dasselbe scheint in „Höllenhunde des Secret Service“ der Fall zu sein: Rosalba Neri ist toll wie immer, sie ist sympathisch, hat offenbar Spaß beim Drehen, ist energiegeladen und spielt obendrein noch überzeugend. Und daneben Fabienne Dali…humpf. Ich weiß nicht wie sie in anderen Filmen so ist, vielleicht ist sie sonst besser, aber hier… Ihre gesamte Mimik ist immer so unsagbar widersprüchlich: Sie begegnet Bond Martin Stevens mit einem missmutigen grummeligen Schmollmund und einer sehr unhöflichen Umgangsweise, aber kaum sagt er etwas Nettes, schmilzt sie wie Butter und wechselt in Dauergrinse-Modus. Oder: Als irgendein Typ, den sie nicht kennt erschossen wird, wird sie zappelig und möchte möglichst schnell weg, aber als eine Leiche in ihre eigene Wohnung deponiert wird behält sie ihren gelangweilten Gesichtsausdruck. Oder: Stevens bedroht einen Polizisten mit einer Waffe. Sie ist entsetzt und wirft es ihm vor. Eine Sekunde später schnappt sie sich auch eine Kanone, bedroht ebenso den Polizisten und sieht dabei aus als hätte sie noch Spaß dabei. Den Gipfel bildet ja eine Szene, in welcher Stevens Rosalba Neris Charakter überwältigt und Dali darauf pseudocool meint „Ich pass auf die Kleine auf.“ Nichts gegen dich, Fabienne, aber, du hast nicht das Recht ROSALBA NERI „Die Kleine“ zu nennen. Wenn Rosalba Neri nur wollte, könnte sie dich mit Leichtigkeit niederschlagen und flüchten. Und ratet mal was passiert? Rosalba Neri schlägt Fabienne Dali mit Leichtigkeit nieder und flüchtet. Soviel zu „Die Kleine“.
OK, zwei kleine Probleme fallen mir noch ein: Erstens sind die Schurken nicht sonderlich charismatisch (Bis natürlich auf Claudio Biava, der immer toll ist, weil er Claudio Biava ist :nick: ) und zweitens gibt es viele Elemente, deren Sinn sich mir (anfangs) nicht erschließen wollte: Warum ist das Gesicht des Touristen, der die Kamera gekauft hat, immer verdeckt, obwohl wir seine Identität schon kennen? Warum schießt Neris Rolle, die offenbar Stevens umbringen will so ungeschickt daneben? Warum erklärt Stevens Fabienne Dalis Figur (über die er absolut nichts weiß) sofort, dass er ein Geheimagent ist? Warum ist Stevens so dumm und verhört die Schurken, die er zusammengeprügelt hat nicht? Warum sind die Schurken so dumm und töten Stevens nicht, als sie die Gelegenheit haben? Warum sind die Schurken im Motorboot zu dumm dazu eine Kamera zu stibitzen die auf einem Steg in einem See liegt? Warum sind alle so dumm? Und vor allem: Warum spielt Claudio Biava nicht die Hauptrolle, denn Claudio Biava ist toll! :nick:
Durch diese vielen kleinen negativen Aspekte wurde erstens meine Kritik wieder ungewollt überlang (großes Lob an alle, die bis zu dieser Stelle gelesen haben :winke: ) und die erste Hälfte des Filmes eher mies. Doch zum Glück bessert sich der Streifen, zumindest für meinen Geschmack, ab der Mitte vehement: An viele Störfaktoren wie die eher langweiligen Bösewichter oder Fabienne Dalis Anwesenheit hat man sich mittlerweile gewöhnt; es gibt mehrere und spannender inszenierte Actionszenen; viele Momente aus der Kairo-Hälfte habe ich jetzt schon vergessen aber gegen Ende kommt es zu einigen netten erinnerungswürdigen Szenen; das Erzähltempo ist rasanter; die Schweiz und Italien sind zwei tolle Schauplätze, die ich immer gerne sehe; und Lenzi macht obendrein noch dasselbe, was er Jahre später in „Spasmo“ machen wird, nämlich die Positionen zweier Figuren in der Geschichte stark ändern, was ich, bedenkt man um welche Figuren es sich handelt, als sehr positiv auffasste. Dieser Wendepunkt konnte auch ein paar meiner Fragen beantworten. Nur warum sie Claudio Biava nicht als Hauptdarsteller besetzt haben bleibt unbeantwortet.
Fazit: Durch die erste Hälfte musste ich mich aufgrund vieler störender Kleinigkeiten durch quälen, aber nach einer Dreiviertelstunde gewinnt der Film an Fahrt und wird zu einem unterhaltsamen kleinen Erlebnis. Rosalba Neri ist gut wie immer und Claudio Biava wieder mal zu sehen freut auch. 6/10

P.S. DALTON RULES!!! 8-)
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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DJANGO UNCHAINED

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Originaltitel: Django Unchained
Land: USA
Jahr: 2012
Genre: Western
Regie: Quentin Tarantino

Handlung:
Um drei gesuchte Banditen wiederzuerkennen, benötigt der Kopfgeldjäger Dr. Schultz (Chritoph Waltz) die Hilfe des Sklaven Django (Jamie Foxx). Nach getaner Arbeit schenkt Schultz dem Sklaven nicht nur die Freiheit, sondern begibt sich auch mit ihm auf die Plantage des skrupellosen Candie (Leonardo DiCaprio), um Djangos Frau (Kerry Washington) aus den Fängen ihres sadistischen Besitzers zu befreien…

Kritik:
Naja, der Film ging so: Jamie Foxx ist als Django total fehlbesetzt, da hätte man wirklich einen besseren Schauspieler finden können. Zum Beispiel diesen einen Typen, ich weiß nicht genau wer das ist, der spielt einen Freund oder Kollegen von Candie, der in einer Szene vorkommt, einen Tequilla bestellt, Django nach seinem Namen fragt und dann einfach geht. Total unwichtige Rolle, aber irgendwas sagt mir, der Typ, der sie spielt, hätte einen besseren Django abgegeben. Oh und Leonardo DiCaprio ist nicht schlecht, aber es fehlt ihm irgendetwas, ich weiß nicht genau wie ich es benennen soll, irgendwas fajardiges. Oh und Samuel L. Jacksons Charakter wäre wesentlich passender gewesen, wenn er kein Afro-Amerikaner sondern Mexikaner wäre und nicht so einen 0815-Namen hätte wie Stephen sondern irgendwas lustiges wie Igor oder Hugo oder so. Oh und Christoph Waltz, guter Schauspieler, aber bei weitem nicht so attraktiv wie Loredana Nusciak. Oh und was mich auch gestört hat: Der Film kam 2012 heraus. Das ist einfach keine schöne Zahl. Es gibt Zahlen die netter klingen, irgendwas mit zwei sechsen zum Beispiel, sowas wie 2066, 1966 oder 1866, irgendwas in der Richtung. Oh und die Handlung: Vielleicht ist das nur meine Meinung, aber wäre der Film nicht viel ergreifender, wenn Django seine Frau rächen und nicht retten müsste? Einen Aspekt am Film muss ich jedoch loben: Das Titelthema ist echt cool, das hat Tarantinos Komponist toll gemacht. Was sagst du da imdb? Es gibt andere Filme mit „Django“ im Titel? Einer davon von einem gewissen Sergio Corbucci? Vielleicht sollte ich mir den mal ansehen…
:kicher: OK, Spaß bei Seite, hier ist was ich wirklich finde: Ich ging mit recht hohen Erwartungen an diesen Film heran. Es gibt nämlich keinen Film, den ich mehr liebe als Sergio Corbuccis meiserhaften „Django“ von 1966 und ich dachte mir, wenn jemand eine Hommage an den Italowestern im Allgemeinen und „Django“ im Speziellen machen kann, dann ist es Tarantino, da ich weiß, dass sich der Typ wirklich in dem Genre auskennt und es sehr gerne hat. Die Liebe zum Ursprungsmaterial ist in diesem Fall sehr wichtig und wenn sie nicht vorhanden ist kommt meist ein ziemlich lahmer Film bei raus, so wie beispielsweise „Django – Ein Dollar für den Tod“ (nicht vergessen, „Django Unchained“ ist nicht die erste amerikanische Django-Hommage). Aber dem ollen Quentin hab ich es zugetraut, dass er das gut machen wird und oh Wunder: Er konnte meine Erwartungen in den ersten beiden Stunden sogar nochmals übertreffen, bevor der Streifen im letzten Drittel leider steil abfiel, aber dazu später.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ich in meiner Analyse sehr viele Twists und Entwicklungen verraten werde, vor Spoilern sei also gewarnt. Wenn Sie, lieber Leser, diese Kritik nur aufgeschlagen haben, weil Sie wissen wollten, ob ich den Film prinzipiell empfehle, dann sei hier gesagt: Ja, ich empfehle ihn. Also drehen Sie Ihren Computer ab, gehen Sie ins Kino, schauen Sie sich „Django Unchained“ an, dann kommen Sie zurück und drehen den Computer wieder auf. Ich werde solange warten…
Also: Der Film lässt sich quasi in drei Teile gliedern: 1. Waltz befreit Django aus der Sklaverei und die beiden freunden sich an; 2. Waltz und Django versuchen Leonardo DiCaprio Djangos Liebchen abzukaufen; 3. Django erschießt wahllos Leute. Diese drei Abschnitte sind dadurch recht eindeutig getrennt, dass sich sämtliche Figuren bis auf Django auf einen oder zwei davon beschränken: Waltz ist in Nr. 1 und 2, Don Johnson nur 1, DiCaprio nur 2, Samuel L. Jackson 2 und 3 usw.
In den ersten beiden Abschnitten gelingt es Tarantino Humor und Tragik mit Perfektion zu vermischen. Der Film ist streckenweise extrem witzig, in erster Linie von Christopher Waltz ausgehend, und streckenweise extrem blutig und hat durchaus auch seine ernsten Momente. Tarantino verknüpft beides aber so gekonnt miteinander, dass in ein und derselben Szene Lachen, angespanntes Schweigen und wieder Lachen schlagartig aufeinander folgen kann.
Visuell ist der Film sehr stimmig geraten. Auch in dieser Kategorie orientiert man sich stark am Italowestern. So kommt es in den richtigen Momenten zu Zooms, Großaufnahmen und anderen Feinheiten, welche die Spannung des Filmes untermalen. Tarantino arbeitet hier wieder mit sehr vielen Stilmitteln, so hat das Bild in Rückblicken beispielsweise eine andere Qualität, Zeitlupe wird in den richtigen Momenten eingesetzt und dergleichen. Auch die Ausstattung des Filmes kann sich sehen lassen und zeugt von einer detailverliebten Arbeit des ganzen Produktionsteams. Selbst solche Kleinigkeiten wie, dass Leonardo DiCaprio, der eine Zucker-Plantage besitzt, dauernd Süßigkeiten futtert und den Namen Candie trägt, schwarze Zähne hat, wie man sie vom zu viel Zucker Naschen bekommt, fallen angenehm auf.
Jamie Foxx ist großartig als Django. Er passt in meinen Augen wesentlich besser in die Rolle als der anfangs angekündigte Will Smith, da er ein härteres Gesicht hat und wir ihm daher den gepeinigten Sklaven vollends abkaufen. Ich habe gefürchtet, dass Quentin die Figur des Django in eine übliche Tarantino-Figur umschreiben wird, ihr wisst schon, so eine die viel quasselt, zitier würdige Sätze loslässt und in erster Linie der Comedy dient, doch das war nicht der Fall. Django ist, wie bei seinen italienischen Vorgängern ernst und schweigsam und das hat mir ziemlich gut gefallen.
Übliche Tarantino-Figuren bekommen wir aber trotzdem in Hülle und Fülle und da ist natürlich zu allererst einmal Christoph Waltz zu nennen, als übertrieben höflicher und charmanter aber gleichsam absolut kaltblütiger Kopfgeldjäger mit einem Herz aus Gold. Obwohl ich froh war, dass Django nicht zu so einer Figur geworden ist, muss ich zugeben, Waltz stielt jede einzelne Szene, in der er vorkommt. Er ist hinreißend, alles, was er sagt ist teilweise durch Tarantinos Dialoge und teilweise durch Waltz Performance unsagbar witzig, ihm gehören die besten Sprüche des ganzen Filmes, ihm gehören die denkwürdigsten Momente und trotzdem spielt er einen Charakter, den man ernst nehmen kann. Plus in vielen Szenen spricht er deutsch und das ist immer nett zu hören, besonders sein "Prost" oder die Art wie er "Brunhilde" ausspricht sind zum Schießen komisch.
DiCaprio und Samuel L. Jackson sind beide absolut grandios als die Bösewichter des Streifens. Über beide, besonders DiCaprio, lässt sich sagen, dass sie stellenweise total spaßige Figuren sind, die das Publikum zum Lachen bringen, nur um schon einen Augenblick später unsagbar furchteinflößend und verdammt bedrohlich zu wirken. Im ersten Abschnitt haben wir noch Don Johnson als Gegenspieler. Obwohl wie gesagt in den ersten beiden Stunden des Filmes Humor und Tragik Hand in Hand gehen, bedient Johnson meist nur den Humor. Szenen wie die, in der sich seine Ku-Klux-Klan-Mitglieder beschweren, dass sie bei ihren Kapuzen nichts sehen, sind - wenn auch sehr witzig - fast schon zu komödienhaft, aber darüber sehe ich gerne hinweg, einfach deshalb, weil es so viel Freude macht Johnson zuzusehen. Der Typ spielt die Rolle sicherlich nicht, weil er das Geld braucht oder weil es sein Beruf ist, nein, er spielt die Rolle, weil er Spaß daran hat und das sieht man, Johnson hat eindeutig die Zeit seines Lebens in dem Film. Kleiner Wehrmutstropfen: Ich habe ihn bis dato in zwei Filmen aus den 2000ern gesehen: Robert Rodriguez‘ „Machete“ und diesen hier und in beiden spielt er den Anführer einer sehr rassistischen und sehr gewalttätigen Untergrundorganisation, der im Endeffekt auf der Flucht von hinten erschossen wird. Hey, Robert, Quentin, der Typ war der Star von „Miami Vice“, zeigt wenigstens ein bisschen Respekt, ja?
Die ersten beiden Drittel haben mir also mehr als nur gefallen, sie waren ein Vergnügen sondergleichen, habe sie geliebt und ich habe mir schon ausgemalt wie ich diesem Film freudig die Höchstnote verleihen werde und wie ich eine glühende Kritik, die sich von einer Lobpreisung zur nächsten schwingen wird, verfassen werde. Doch dann brach der letzte Akt an und in meinen Augen…hat Tarantino den echt versaut. Übrigens, hier beginnen jetzt die massiven Spoiler, also, wenn Sie, lieber Leser, den Film noch nicht kennen, fühlen Sie sich gewarnt.
Also was passiert. DiCaprio ist bereit Waltz Djangos Gattin Brunhilde zu übergeben. Doch Waltz erschießt DiCaprio stattdessen, wird von einem seiner Männer niedergestreckt und Django schießt infolgedessen die halbe Plantage zusammen, wird gefasst, kann sich befreien und schießt noch die andere Hälfte zusammen. Und damit hatte ich so meine Probleme:
Erstens erscheint diese Entwicklung unlogisch und erzwungen. Ja, wir bekommen schon einen Grund, warum Waltz, der eigentlich hat, was er wollte, plötzlich die Waffe gegen DiCaprio erhebt, aber es ist ein schwacher unlogischer Grund, und Waltz handelt da ein wenig out of character. Zweitens: Da DiCaprio jetzt schon stirbt, haben wir keinen wirklich großen Bösewicht mehr. Wer bleibt übrig? Frauen und alte Leute, also werden die halt von unserem ach so heldenhaften Protagonisten im letzten Akt niedergeschossen. Drittens: Ich sage nicht, dass Waltz Figur hätte überleben sollen, aber er war der unterhaltsamste Charakter, der Film dauerte schon zwei Stunden und da beginne ich langsam müde zu werden. Und wenn einem dann plötzlich die Figur genommen wird, die am meisten Spaß macht, dann kann die letzte halbe Stunde schon schleppend wirken.
Tarantino schraubt dann auch den Humor und alles andere runter um Platz zu machen für Fontänen von Blut, eine Orgie der Gewalt. Es ist nun weiß Gott nicht so, dass ich Gewalt in Filmen als negativ werte. Corbuccis „Django“ ist mein Lieblingsfilm und der wurde aufgrund seiner Brutalität in Großbritannien beschlagnahmt, oder „Das Syndikat des Grauens“ ist mein liebster Poliziesco und der steht heute noch in Deutschland auf dem Index. ABER: Die Brutalität in diesen Filmen passt erstens zum gesamten Ton und erfüllt zweitens meistens irgendeinen Zweck. Auch wenn dieser Zweck nur so banal ist wie die Schurken zu dämonisieren bin ich schon vollends zufrieden. Einige der Gewalt in „Django Unchained“ erfüllt selben Zweck, wie der Sklave, den DiCaprio von Hunden zerfleischen lässt oder der blutige Kampfsport an dem sich DiCaprio in seiner ersten Szene ergötzt. Da die restliche Gewalt in den ersten beiden Stunden hart, aber immer nur kurz ist und von Humor abgelöst wird, setzt sie somit einen kurzzeitig brutalen aber meist unterhaltsamen Grundton. Dann kommt es zum ersten Massaker auf der Plantage und dies ist so lang und so blutig, dass ich es eigentlich als störend auffasste. Dass es so graphisch gestaltet ist, erfüllt soweit ich das sehe auch anders als in beispielsweise „Das Syndikat des Grauens“ keinen wirklichen Sinn außer der Tatsache, dass der olle Quentin halt echt gerne einen Western machen wollte, der blutiger ist als „Todesmarsch der Bestien“. Das hat er auch geschafft, „Django Unchained“ ist der blutigste Western, den ich je gesehen habe. Hurra, jetzt ist der olle Quentin glücklich, ich bin es aber nicht.
Dann kommt es eben noch zu der Stelle, wo Django total durchdreht und unter anderem die recht gutherzige Schwestern von DiCaprio und Samuel L. Jackson, der ihm auch nie wirklich was getan hat, kaltblütig niederballert. Und diese Szene hätte ganz ehrlich, in einem durch und durch ernsten Drama funktionieren können. Ich habe schon erkannt, was Tarantino damit ausdrücken wollte: Django, der sich für das Leben in Sklaverei rächt, erschießt die Schwester des Plantagenbesitzers und den alten Haussklaven, was zeigt, dass die Weißen, die nichts gegen das Sklaven-System machten und die Schwarzen die sich vollkommen darin fügten ebenso Schuld an der Lage hatten. Und in einem ernsten Drama über einen Sklaven der am Ende durchdreht wäre das eine ergreifende, seine Wirkung erzielende Szene. ABER: Tarantino hat uns jetzt über zwei Stunden lang mit Humor, Spaß und anderem unterhaltsamen Zeugs verhätschelt und damit seinen Film eindeutig als unterhaltsames Popcorn-Kino identifiziert. Hätte ich den ganzen Film seriöser nehmen können, dann hätte mich dieser harte Zug Djangos ergriffen. Da der Film aber Großteils nur ein (gelungener) Action-Spaß ist, wirkt der Protagonist am Ende einfach wie ein rassistischer fanatischer Mörder und gehört dafür aufgehängt. Punkt!
Das gleich nach dieser Szene eine Stelle kommt, in der Django sich erst in seiner eigenen Coolness suhlt und dann mit seinem Pferd herum blödelt, während ausgerechnet der Titelsong von „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ läuft, verschlimmert es noch vehement: Wenn ich den Film ernster genommen hätte, würde ich Djangos Morde am Schluss als intelligente Metapher sehen, aber dann würde die letzte Szene albern und dumm wirken. Würde ich den ganzen Film als pure Unterhaltung sehen, würde die letzte Szene cool wirken, aber Djangos Morde wären fehl am Platz und störend. Vielleicht hat sich Tarantino gedacht: Das Tolle am originalen „Django“ ist, dass der Protagonist ein selbstgefälliger kaltblütiger Bastard ist. Aber nein: Das Tolle am originalen „Django“ ist, dass der Protagonist ein selbstgefälliger kaltblütiger Bastard ist, dann jedoch geläutert wird und für die gute Sache (in diesem Fall seine Rache) eintritt. Nicht anders rum, Quentin!
Also meine Probleme mit dem letzten Drittel: Die unterhaltsamste Figur ist weg, der furchteinflößendste Bösewicht ist weg, Protagonist entwickelt sich zu einem Doofkopf, Quentin vergisst zu Gunsten von kontroverser Gewalt alles andere. Nun tritt wahrscheinlich das Argument auf: Aber die Entwicklungen, über die ich mich beschwere sind wenigstens originell. Das sind sie auch, ich habe sie nicht kommen gesehen. Aber originell heißt nicht automatisch gut. Wenn der Film so enden würde, dass sich Christoph Waltz ein Clownskostüm anzieht, einen Disco-Tanz im Travolta-Stil aufführt und „Girls just wanna have fun“ von Cyndi Lauper singt, dabei allerdings das Wort „Girls“ jedes Mal durch seinen Nachnamen ersetzt, wäre es auch ein origineller Schluss, den man nicht kommen sieht, aber es wäre ein ziemlich unpassender und dummer Schluss. :? Die alte Handlung Protagonist gegen Oberfiesling, die in einem Duell der beiden gipfelt wurde schon tausendmal zuvor gemacht, das ist wahr, aber sie wurde so oft gemacht WEIL sie so gut funktioniert. Und deswegen nimmt mich Franco Nero, der mit gebrochenen Händen Eduardo Fajardo, den Mörder seiner Frau, auf einem menschenleeren Friedhof erwartet, emotional wesentlich mehr mit, als all das Kunstblut, das Quentin in diesem Film vor die Kamera kippt.
So, nachdem ich jetzt seitenlang ausführlichst erklärt habe, warum das Ende für mich so überhaupt nicht funktionierte, könnte der Eindruck entstehen, dass mir der Film nicht gefallen hat. Das ist aber absolut nicht der Fall: Die ersten beiden Stunden waren kurzweilig, spaßig, gedenkwürdig und durch und durch gelungen. Und daher, will ich meine Kritik auch mit einem positiven Punkt enden nämlich mit den Anspielungen auf klassische Italo-Western. Nochmals: Wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, macht den Computer aus und lasst euch überraschen:
Zunächst mal: Nicht nur das Schriftdesign des Filmtitels im Vorspann erinnert an Corbuccis „Django“, wir hören auch das alte Django-Titelthema, welches ich absolut vom tiefsten Grunde meines Herzens liebe. Ich gehe sogar soweit zu sagen: Neben „Born to be Wild“ aus „Easy Rider“ und „Eye of the Tiger“ aus „Rocky 3“ ist das Titelthema aus „Django“ der coolste Song, der jemals je in einem Film Verwendung fand. Bacalov hat ihn großartig komponiert, das Lied ist voller Pathos, ergreifend, emotional, tragisch, hoffnungsreich, spannend, alles, was man sich von einem Titelthema nur wünschen kann und dies in einem großen Kinosaal zu hören ist natürlich ein Fest sondergleichen.
Die restliche Musik greift (wie erwartet) viel auf Morricone zurück, Ortolanis grandiose Melodie zu „Der Tod ritt dienstags“ ist auch zu hören und dass am Ende sogar der Song von „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ eingesetzt wurde konnte mich sehr überraschen. Franco Nero kommt nur eine Minute vor, gehört aber deshalb zu den (wenigen) Figuren, die überleben…hurra! Jamie Foxx, so gut ich ihn in der Rolle auch fand, hätte nämlich kein Recht gehabt, dem großen Francesco Sparanero auch nur ein Härchen zu krümmen. Für mich die grandioseste Anspielung war jedoch die weiße Blume in Leonardo DiCaprios Knopfloch. Jede Sekunde, wenn der Typ auf der Leinwand ist, kann ich nur an eines denken: „Sag bloß irgendwer schießt ihm direkt in die Blume, so wie auch Jack Palance in „Mercenario“ (Anm. „Mercenario“ ist einer meiner liebsten Italo-Western) erschossen wurde.“ Selbstverständlich geschieht eben das. Grandios! :thup:
So, das ist alles, was ich über diesen Film zu sagen habe…Was hat mir am besten gefallen? Sie haben als cash-ins einige alte Italo-Western veröffentlicht, die ich noch nicht gekannt hatte, unter anderem „Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“, den ich absolut großartig fand. Was hat mir am schlechtesten gefallen? Wenn mich in Zukunft (einmal ist mir das sogar jetzt schon passiert) jemand nach meinem Lieblings-Film fragt, werde ich immer an die Antwort ein „Nein, nicht der von Tarantino, der von Corbucci“ anfügen müssen. Das könnte irgendwann nervig werden. Sämtliche Aspekte des eigentlichen Films sind irgendwo zwischen diesen beiden Polen.
Fazit: Auch wenn Tarantino im letzten Drittel einige Entscheidungen traf, die störend wirken, so bestehen die ersten beiden Stunden dennoch aus einer perfekt abgestimmten Mischung aus ernster Handlung, harten Schießereien, ulkigen Situationen und spaßigen Charakteren. Besonders Christoph Waltz und Leonardo DiCaprio verstehen es meisterhaft ihre ernst zu nehmenden Charaktere so humorvoll wie möglich zu gestalten, wodurch die ersten beiden Akte des Filmes Unterhaltung der höchsten Stufe bieten.

Abschließend ist noch zu sagen, sollten Sie, verehrter Leser, zufällig ein Musikproduzent sein…bitte produzieren Sie „Waltz just wanna have fun“, nachdem ich länger darüber nachgedacht habe kommt mir das wie eine echt gute Idee vor: „…when the workin‘ day is done; oh Waltz, he wanna have fun; oh Waltz just wanna have fun; Waltz he wanna, wanna have fun, Waltz, wanna have…“ :pfeif: :pfeif: :pfeif:
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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IN HOLLYWOOD IST DER TEUFEL LOS

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Originaltitel: Hollywood Boulevard
Land: USA
Jahr: 1976
Genre: Komödie
Regie: Joe Dante, Allan Arkush

Handlung:
Die junge Candy (Candice Rialson) träumt von einer Karriere als große Hollywood-Schauspielerin. Doch als sie in der weltberühmten Filmstadt ankommt muss sie feststellen, dass die Industrie in der Hand von schmierigen Produzenten liegt, welche mit billigen Schundfilmen versuchen, möglichst viele attraktive Schauspielerinnen auf ihre „Besetzungs-Coach“ zu bekommen. Schließlich findet Candy allerdings doch noch eine Rolle in dem Film „Maschinengewehr-Mädchen“, doch als ein unbekannter Killer beginnt ihre Kolleginnen zu morden muss Candy fürchten, dass sie die nächste sein könnte…

Kritik:
„In Hollywood ist der Teufel los“ ist ein billig produzierter auf Sex und Gewalt aufbauender Film, welcher billig produzierte auf Sex und Gewalt aufbauende Filme persifliert! Die Ironie, die darin liegt, kann deswegen so zielführend eingesetzt werden, da sich die Leute hinter dem Film wirklich in ihrem Metier auskennen. Produziert wurde das Ganze von Roger Corman, dem „King of B-Movies“, welcher bei seinen Billig-Produktionen jeden Cent zweimal umdreht (Wortwörtlich: Laut Wikipedia bestand das Budget für „In Hollywood ist der Teufel los“ aus 54.039 Dollar und 43 Cents :| ). Auch der Regisseur Joe Dante (später bekannt von solchen Hits wie „Gremlins“) arbeitete davor schon ein paarmal als Editor für Corman.
Mit Corman hinter dem Steuer wurde natürlich gespart wo es nur ging: Der Film strotzt nur so vor Szenen, die aus anderen Corman-Filmen wie „The Big Bird Cage“ oder „Frankensteins Todes-Rennen“ genommen wurden. Allerdings versteht Dante genug von Schnitt um dieses Archivmaterial so geschickt einzufügen, dass man es auf den ersten Blick nicht als solches identifizieren würde, sofern man die Originalfilme dazu nicht kennt. Außerdem ist der Film seiner billigen Machart äußerst bewusst und liefert immer wieder kleine Seitenhiebe (Beispielsweise erklärt der Agent Walter Paisley, gespielt von Dick Miller, dass er früher Schauspieler war, während er sich mit Candy „The Terror“ ansieht, wo Dick Miller ebenfalls eine Rolle übernahm).
Wenn man sich auch nur ein wenig in der Welt der 70er-B-Movies auskennt wird man eine große Freude mit „In Hollywood ist der Teufel los“ haben. Der Film macht sich zwar wohl über die Effekthascherei der damaligen Produzenten lustig, lässt seine Darstellerinnen aber trotzdem oben ohne ein Sonnenbad nehmen. Sätze wie „Der Produzent sagt in der Kreuzigungsszene brauchen wir mehr Humor…oder mehr Sex“, „Wir nehmen mehr Sex, ist billiger.“, sind gerade deshalb so lustig, weil ich überzeugt bin, dass Corman an irgendeinem Punkt seiner Karriere genau dieselbe Entscheidung treffen musste.
Diese Persiflage geht in erster Linie von der fiktiven Filmcrew aus, die aus sehr sehr kaltblütigen geldgeilen Egomanen besteht, die aufgrund ihrer Schrulligkeit aber schon wieder irgendwas Liebenswürdiges an sich haben. Besonders der Regisseur verbucht viele Lacher, da er es gewohnt ist seine Filme schnell und billig zu drehen, aber dennoch irgendwas Künstlerisches in seiner Arbeit sieht. Es kommt vor, dass er minutenlang darüber philosophier, was für eine ästhetische Poetik in der nächsten Szene liegt, bevor er mit „…und wir kurbeln das Ganze in einer Einstellung runter.“ schließt.
Die darstellerischen Leistungen befinden sich Großteils irgendwo zwischen solide und annehmbar mit zwei Ausnahmen: Candice Rialson als die Protagonistin Candy und Dick Miller als ihr Agent. Rialson sieht so aus, als würde man einen Eimer Zuckerglasur über die Tochter des Hallo-Kitty-Kätzchens und einer My-Little-Pony-Figur gießen (=Metapher für „süß“). Es reicht jedoch nicht nur ein hübsches Gesicht zu haben, Rialson tut auch was damit. Sie verfügt über ein breites Spektrum an komödiantischen Grimassen, welches in diesem Film für viele lustige Momente sorgt. Da ihre anfangs ins Alberne überzogene Naivität (hier musste ich unentwegt an „Candy“ denken, nicht nur weil die Namen der naiven Protagonistinnen ident sind, Rialsons erinnert auch vom Aussehen ein wenig an Ewa Aulin) immer weiter zurückgeht, umso länger sie für den Film arbeitet, kann man in ihrem Charakter auch so etwas wie eine Entwicklung beobachten, und das ist natürlich immer was Feines. Dick Miller, er sollte sich zu einem Standard-Schauspieler Joe Dantes entwickeln, ist absolut großartig in der Rolle als Candys Agent. In seiner ersten Szene kommt er sehr schmierig und geldgeil herüber, doch bald bemerkt man, dass er ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu seinen Klienten hat, was ihn mit der Zeit zu einer sehr sympathischen Figur werden lässt.
Im Gegensatz zu dem Gebrauch Archivmaterial und Nacktszenen, welcher ein ironisches Ziel verfolgt, hat der Film allerdings auch ein paar Probleme, die ich ihm nicht verzeihen kann. Hin und wieder wirkt der Schnitt ein wenig gehetzt und das Drehbuch weist einige große Probleme auf. So hat man sich für den Schluss – das Aufdecken des Mörder-Rätsels – viel zu wenig Zeit genommen und der Showdown ist vorbei, bevor er erst richtig begonnen hat. Überhaupt sind die beiden Handlungen Candy-findet-sich-in-der-Filmbranche-zurecht und Mr.-Crazy-ermordet-Leute nicht gut aufeinander abgestimmt. Es würde helfen, wenn man eine der beiden Handlungen als Haupt- und eine als Nebenhandlung identifizieren könnte. Aber beiden wird separat voneinander so viel Zeit gewidmet, dass sie voneinander ablenken. Es hätte nicht gestört, wenn man die Handlung um Candys Erfahrungssammlung kürzer gemacht hätte (auch wenn die witzigsten Szenen in diesem Teil des Filmes liegen) oder, und das hätte ich ehrlich gesagt noch zielführender gefunden, das Mörder-Rätsel ganz weggelassen hätte.
Fazit: Von einigen Problemen des Drehbuchs abgesehen ist der Film eine geniale Parodie auf die billigen Schundfilme der 70er, der besonders dadurch, dass er selbst ein billiger Schundfilm aus den 70ern ist, eine große Ironie entwickelt. Die Figuren und Dialoge sorgen für eine Menge Humor, der durch die komödiantischen Fähigkeiten der sympathischen Hauptdarstellerin nochmal verstärkt wird. Lang lebe Roger Corman! 7/10
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

Beitrag von DrDjangoMD »

DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR

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Originaltitel: La morte non conta i dollari
Land: Italien
Jahr: 1967
Genre: Western
Regie: Riccardo Freda

Handlung:
Vor Jahren wurde ein Marshall von dem Klan der Lesters (angeführt von Spartaco Conversi und Nello Pazzafini) ermordet. Nun kommt sein Sohn Lawrence (Stephen Forsyth) zum Ort des Geschehens zurück. Doch trotz dem Drängen seiner Schwester Jane (Luciana Gilli) denkt Lawrence überhaupt nicht an Rache, sondern will diese augenscheinlich dem Gesetz überlassen. Nur einer scheint sich den Lesters entgegenzustellen und das ist der mysteriöse Fremde Harry Boyd (Mark Damon). Wer ist er und was hat er mit dem Mord an dem Marshall zu tun?

Kritik:
Ich bin Quentin Tarantino so dankbar! Ich ärgere mich zwar immer noch ein wenig über die in meinen Augen total misslungene letzte Stunde von „Django: Unchained“, aber mittlerweile sind als cash-ins so viele wunderbare Italowestern veröffentlicht worden, dass ich mich vollkommen entschädigt fühle. So auch dieser kleine feine Film, bei dem niemand anderes Regie führte als Riccardo Freda, der zusammen mit Mario Bava wohl zu den Urvätern des italienischen Genre-Kinos zu zählen ist. Wogegen die Western von Bava mir aber eher nur mittelmäßig gefallen, konnte mich Fredas „Der Tod zählt keine Dollar“ richtig begeistern:
Die Action wurde im Vergleich zu einigen anderen Genrebeiträgen ein klein wenig zurückgeschraubt, aber nur um Platz zu schaffen für eine Reihe von Charakteren, die durch ihr ständig wechselndes Verhältnis zueinander den ganzen Film lang bei Laune halten. Am laufenden Band werden neue Identitäten aufgedeckt, Töchter haben plötzlich Väter, Väter plötzlich Söhne, Söhne sind plötzlich verlobt und diese Entwicklungen werden so geschickt gezeigt, dass es zu einigen überraschenden Twists kommt (auch wenn ein großer von der Inhaltsangabe auf der DVD gespoilert wurde :wart: ).
Die Darsteller, welche diese interessanten Figuren verkörpern sind alle bestens gelaunt, allen voran Mark Damon, der, bevor er in seinen üblichen Gentleman-Pistolero-Modus wechselt als ungehobelter Herumtreiber für einige Lacher sorgte. Besonders freut es, dass Nello Pazzafini anstatt irgendwo im Hintergrund erschossen zu werden, den großen Oberschurken geben darf, Luciano Pigozzi gewinnt in diesem Film in seiner Rolle als betrunkener Dorfrichter wieder mal den Peter-Lorre-Doppelgänger-Preis und Ignazio Spalla sorgt in einer kurzen Szene als gutmütiger mexikanischer Bandit mit einem Faible für Reinlichkeit für ein wenig Schmunzeln.
Dass Riccardo Freda sehr viel von der visuellen Komponente eines Filmes versteht, hat er schon oft bewiesen und „Der Tod zählt keine Dollar“ bietet da keine Ausnahme. Besonders im letzten Akt merkt man, was für ein talentierter Mensch (Kameramann war der Ungar Gabor Pogany, der selbige Aufgabe auch in Fredas "Das Gesicht im Dunkeln übernahm) hier hinter der Kamera stand. Der Showdown wird durch geschickt gewählte Einstellungen zu einem emotional äußerst ansprechenden Höhepunkt. Die Bilder des einsamen Luciano Pigozzis vor dem lehren Gerichtsgebäude werden wahrscheinlich unvergesslich bleiben. Ganz große Klasse war auch die Stelle, wo die Banditen plötzlich aus jedem Loch herauskriechen. Diese Szene erinnerte mich ein wenig an jene aus Corbuccis „Django“, in der Franco Nero mit seinem Sarg die Männer von Major Jackson erwartet, die plötzlich von überall kommen. Wogegen Corbucci in seiner Sequenz mehr auf den Schnitt setzt, zeigt uns Freda alles in einer einzigen beeindruckenden Kamerafahrt, die, auch wenn ich die Stelle aus „Django“ vielleicht noch ein klein wenig höher schätze, ungemein dramatisch erscheint. Diese emotionale Tiefe besonders in den letzten Szenen ist nicht zuletzt der epochalen Filmmusik von Nora Orlandi zu verdanken.
Fazit: Vor allem durch die interessanten Charakterentwicklungen und Fredas und Poganys Auge für die Kamera wird "Der Tod zählt keine Dollar" zu einem spannenden und mitreißenden Westernerlebnis. :thup:
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