bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Sperling und der gefallene Engel

„Knast tut niemandem gut.“

Die zweite abendfüllende Episode der 18-teiligen ZDF-Krimireihe „Sperling“ trägt den bedeutungsschwangeren Titel „Sperling und der gefallene Engel“ und ist die erste von vier 1997 ausgestrahlten Folgen. Das Drehbuch stammt erneut von Rolf Basedow; mit der Inszenierung wurde diesmal Kai Wessel („Um jeden Preis“) betraut, der bei insgesamt zwei „Sperling“-Episoden die Regie übernahm. Am 1. Februar 1997 erfolgte die Erstausstrahlung.

„Was bist du eigentlich für‘n Polizist?“

Der Berliner Kriminalhauptkommissar Hans Sperling (Dieter Pfaff) und sein Kollege Karsten Rohde (Benno Fürmann) sehen sich mit einer Einbruchserie konfrontiert. Parallel dazu wird der ehemalige Boxer Ewald Ries (Sylvester Groth, „Momo“) aus dem Knast entlassen und kehrt zu seiner Frau Magda (Meret Becker, „Die Sieger“) zurück, die sich ihre Einsamkeit gern mit dem Wachmann Berger (Christian Redl, „Schicksalsspiel“) vertrieb. Dieser jedoch hat sich in sie verliebt und möchte sie ungern wieder hergeben Ein Konflikt zwischen den Männern entbrennt. Als ein weiterer Überfall verübt wird – diesmal auf eine Jahrmarkt-Schaustellerin (Franziska Troegner, „Kinder ohne Gnade“) – zählt Ries zum Kreis der Verdächtigen und hat als Zeugen ausgerechnet Berger gegen sich…

„Die Wahrheit zu finden, ist harte Arbeit!“

Nach Sperlings Voice-over-Monolog, der offenbar als fester Bestandteil jeder Episode etabliert wird, eröffnet dieser Fall mit einem Einbruchdiebstahl, bei dem der Einbrecher versehentlich das Fernsehgerät einschaltet – was aber ohne Folgen bleibt. Speziell darum wird es im weiteren Verlauf auch gar nicht gehen. Vielmehr führt man in die ungesunde Ménage à trois ein, während Sperling bei seinem Friseur (Heinrich Giskes, „Superstau“) über das Schlafverhalten von Delphinen philosophiert. Dass just in diesem Moment auch der Friseursalon überfallen wird, nimmt Sperling mit kaum mehr als einem Achselzucken hin. Der Täter flieht unverrichteter Dinge und Sperling hat auch gar kein gesteigertes Interesse daran, ihn zu verfolgen. Ein Indiz für diese eigenartige Mischung aus Prioritätensetzung, Krafteinteilung, menschlichem Laissez-faire, Realismus und Resignation, die die Stimmung Sperlings beschreibt und damit auch zum Ausdruck der Atmosphäre nicht nur dieser Episode wird.

„Jetzt mal von gefiedertem Freund zu gefiedertem Freund...“

Wesentlich stärker scheint Sperling die Riesenradfahrt zuzusetzen, von der aus er den nächsten Überfall beobachtet. Solche Überfälle gehören zur Folklore dieser Episode und finden mal stärker fokussiert, mal eher am Rande statt. Als Ries auf der Wache verhört wird, beteuert er seine Unschuld und versucht in einer cool choreographierten Sequenz, sich aus seiner Situation herauszuprügeln. Rohde hat darüber hinaus auch noch privat Stress mit seiner Alten und unternimmt eine Kamikazefahrt durch Berlin mit Sperling auf dem Beifahrersitz, der sich währenddessen ins Riesenrad zurückwünschen dürfte. Aber er hat den richtigen Riecher und ermittelt u.a. im Rotlichtmilieu, dem Magda entstammt. Man erfährt, dass Ries seinerzeit für sie mit Drogen dealte, was ihn in den Knast brachte, und dass sie morphiumabhängig ist. Dies macht sie zu einer Art sozialrealistischer Femme fatale und die Dinge noch einmal komplizierter. Regisseur Wessel gewährt auch Sperling ein paar spezielle, intime Momente und lässt ihn entgegen seinem Naturell richtig ungemütlich werden, nachdem Ries Rohde erneut niedergeschlagen hat und ihm diesmal entkommen ist. Das ist selbst einem Sperling zu viel! Ähnliches bekommt später auch einer der Täter zu spüren.

Einerseits macht „Sperling und der gefallene Engel“ mit seinen vielen losen Enden einen etwas überfrachteten Eindruck, andererseits droht er unterkomplex zu werden. Dass Berger versucht, Ries wieder hinter Gitter zu bringen, ist allzu schnell klar. Die Handlung löst dies mit einem Kniff, der Berger zumindest zum Teil entlastet. Für zusätzliche Action sorgt eine Wohnungsstürmung durch die Bullen, während es am Ende Sperling-typisch menschelt und man etwas mehr aus der Vergangenheit des adipösen Kommissars erfährt.

Verbrechen und Schuld werden hier ebenso verhandelt wie Liebe und Eifersucht sowie psychische wie körperliche Abhängigkeit von Menschen und Drogen, ummantelt von ‘90er-Jahre-Stimmung zwischen „Alles geht“, Frust und Nihilismus. Als musikalische Untermalung greift man vermehrt auf jazzige Klänge zurück. Und während ich immer noch so meine Probleme damit habe, Günni aus „Und tschüss!“ hier den Bullen abzukaufen, überzeugt Meret Becker mit nuanciertem Spiel und sieht einfach toll aus.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Die Nächte einer schönen Frau

„Heirat oder Luxus?“

Charles Chaplins Stummfilm „Die Nächte einer schönen Frau“ aus dem Jahre 1923 ist die erste Produktion der von ihm zusammen mit Douglas Fairbanks und Mary Pickford gegründeten Firma United Artists – und zugleich Chaplins erster nicht vorwiegend komödiantischer Film, sondern vielmehr ein Drama um eine unglückliche Liebe.

Marie (Edna Purviance, „Der Vagabund und das Kind“), eine attraktive junge Frau, ist geplagt von ihrem herrischen Stiefvater (Clarence Geldert, „Irrwege einer Ehe“). Ihr Verlobeter Jean (Carl Miller, „A Bit o’ Heaven“) wiederum leidet darunter, dass seine Eltern nicht glauben, dass Marie die richtige Frau für ihn ist. Gemeinsam wollen die beiden nach Paris abhauen, doch während Marie am Bahnhof auf Jean wartet, erscheint dieser nicht, weil gerade sein Vater (Charles K. French, „Das Piratenschiff“) verstorben ist. Davon weiß Marie jedoch nichts und reist allein nach Paris, wo sie den vermögenden Lebemann Pierre Revel (Adolphe Menjou, „Die drei Musketiere“) kennenlernt, dessen Mätresse sie wird und sich von ihm in ein dekadentes luxuriöses Leben einführen lässt. Eines Tages jedoch begegnet sie Jean wieder, als dieser in Paris als Künstler Fuß zu fassen versucht. Von nun an steht sie zwischen zwei Männern bzw. der Fortführung ihres sorg-, aber auch lieblosen Lotterlebens und der Entscheidung, ihrem Herzen zu folgen…

In einer Texttafel weist Chaplin zu Beginn darauf hin, dass er selbst nicht in diesem Film mitspielt. Nicht nur damit unterlief er die Erwartungshaltung des Kinopublikums, das zudem, so heißt es, gehofft haben soll, es mit einer weiteren Chaplin-Komödie zu tun zu bekommen, in der er in seine Paraderolle als Tramp schlüpft. Chaplin erlaubt sich jedoch lediglich einen kurzen Cameo als Gepäckträger am Bahnhof. So kam es, dass der Film trotz guter Kritiken an der Kinokasse floppte und Chaplin ihn anschließend für Jahrzehnte aus dem Verkehr zog. Das ist schade, denn „Die Nächte einer schönen Frau“ ist inszenatorisch überaus gelungen, arbeitet mit zahlreichen Details und vermeidet jegliche Geschwätzigkeit, was einem Stummfilm natürlich nur guttut. Weder in Bezug auf die Ausstattung noch aufs Ensemble gibt es etwas zu bekritteln. Zudem kommt auch der Humor durchaus wohldosiert zum Zuge, beispielsweise bei köstlichen Seitenhieben auf die Haute Cuisine. Auf einer der ausschweifenden Partys des Pariser Nachtlebens sorgt gar ein Striptease für Furore, der im Film natürlich offscreen stattfindet.

Inhaltlich ist der Film zum einen eine melodramatische Liebesgeschichte, zum anderen ein Porträt des Pariser Milieus, in dem er sich bewegt. Pierre Revel ist ein überheblicher, stets gut gelaunter, im Endeffekt aber zynischer Reicher, der zwar die Umgangsformen beherrscht, aber keinen wirklichen, ehrlichen Respekt vor Marie oder Jean aufbringt. Statt eindimensionale Frauenfiguren zu zeichnen, beweist Chaplin Empathie für die Beweggründe und inneren wie äußeren Konflikte der weiblichen Rollen und übt leise Kritik am klassischen Familienmodell. Der melodramatische Anteil entwickelt sich ganz furchtbar – sonst wäre es ja nicht melodramatisch –, endet jedoch mit der konstruktiven These Chaplins, das Glück liege in der Hingabe für andere, und einem Vorschlag zu einem möglichen Umgang mit Trauer und Verlust. Der Film schließt mit einer Gegenüberstellung erfüllten einfachen Lebens mit der Luxuswelt als finale Pointe.

„Die Nächte einer schönen Frau“ gilt als einer der ersten realistischen Filme und trägt zwar mitunter reichlich dick auf, hat aber auch für Melodrammuffel ausreichend Chaplin-Charme sowie den für ihn typischen Humanismus zu bieten und ist filmhistorisch wohl ein echter Meilenstein.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Sperling und die verlorenen Steine

„Ein Araberhengst in einem israelischen Flugzeug – manchmal ist die Welt einfach nur in Ordnung...“

Die dritte abendfüllende Episode der 18-teiligen ZDF-Krimireihe „Sperling“ entstand interessanterweise in deutsch-niederländischer Koproduktion und wurde vom Niederländer Guido Pieters („Ciske, die Ratte“) nach einem Drehbuch Peter Steinbachs inszeniert. Für die Musik diesmal verantwortlich: niemand Geringerer als Klaus Doldinger. Pieters einzige Regiearbeit für die öffentlich-rechtliche Krimireihe trägt den Titel „Sperling und die verlorenen Steine“ und wurde am 1. März 1997 erstausgestrahlt.

„Von hinten 20 und von vorne scheintot.“

Eigentlich wollte der Berliner Hauptkommissar Sperling (Dieter Pfaff) zum Urlaub nach Lanzarote, entscheidet sich jedoch in letzter Minute um – schließlich sei er mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau auch nie in den Urlaub geflogen, wie er kurz darauf seinem Vater (Ulrich Matschoss, Duisburger „Tatort“) erzählt. Entsprechend überrascht reagiert sein Team, als er an einem Tatort in einer Berliner Kneipe auftaucht. Ein alter Herr wurde ermordet, Täter und Motiv sind unbekannt. In seinem Jackensaum stößt die Polizei auf hochkarätige Edelsteine. Ging es dem Mörder um diese? Der Tote entpuppt sich als Anselm Hasster und die Ermittlungen lassen vermuten, dass er in der Nazizeit daran beteiligt war, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger um wertvollen Besitz zu erleichtern…

„Jetzt ist einer auferstanden aus der guten alten Zeit – und der schießt.“

Der Auftakt charakterisiert Sperling als traurigen Mann, der den Tod seiner Frau nicht überwunden hat und ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn er sich Müßiggang und Genuss hingibt. Das ist fast komödiantisch inszeniert, eigentlich aber bitter. Gut, dass er in Berlin bleibt, möchte man meinen, denn diesmal gibt’s einen Toten. Sperling und Rohde (Benno Fürmann) ermitteln in der Kneipe und im Altenheim bei Altnazi Herzog (Günter Kütemeyer, „Neues aus Büttenwarder“). Alte Videoaufnahmen aus der Nazizeit werden wiederkehrend zwischengeschnitten. Ebenso deftig wie eigenartig: Sperling und Rohde verursachen bei Herzog einen Schlaganfall, ohne dass dies problematisiert würde. Und kurios: Irgendjemand hat Sperling 128 Azaleen in seine Wohnung geschickt. Zum Kreis der Verdächtigen zählen auch die in einem Wohnwagen Hasster gegenüberlebende jüdische Mara von Geldern (Gisela Trowe, „Alles im Eimer“) und der jüdische Herr Lichtblau (Ernst Jacobi, „Die Blechtrommel“), der sich geschworen hat, kein Wort Deutsch mehr zu sprechen, aber eng mit von Geldern befreundet zu sein scheint.

Dieser mit viel Berliner Schnauze daherkommende Fall dreht sich um alte Schuld, Hass, Vergeltung und Vergebung, spielt in einer diesmal verregneten Bundeshauptstadt und ist im Prinzip ein klassicher Whodunit?-Krimi inklusive Motivsuche. Dieser wirkt im Mittelteil etwas zäh, gewinnt dann aber dramaturgisch, u.a. mit einer Motorrad-Verfolgungsjagd. Nettes Detail: Vorm Zirkus, in dem Sperling eine Unterredung mit Leiterin Alice Scupnik (Ingrid van Bergen, „Vier gegen die Bank“) hat, findet eine Tierrechtsdemo statt. Von der zu Sperlings festem Team gehörenden Vera Kowalski (Petra Kleinert) ist diesmal mehr zu sehen als von Rohde, der im einen oder anderen Dialog etwas auf Kriegsfuß mit der deutschen Sprache steht – keine Ahnung, ob dies beabsichtigt war, um ihn besonders drömelig wirken zu lassen.

Im letzten Akt einen ganz neuen Verdächtigen aus dem Hut zu zaubern, ist so’n bisschen naja, Auflösung und Motiv sind dann auch ziemlich an den Haaren herbeigezogen. „Sperling und die verlorenen Steine“ ist gutgemeint, wäre aber besser gegangen. Er erscheint mir etwas schludrig und sich an seinem großen Thema zu verheben. Zudem wollen einzelne Elemente nicht so recht in die hier melancholisch-trist zu zeichnen versuchte urbane Atmosphäre passen: Fürmann als Rohde wirkt hier wie ein Fremdkörper und das Verhalten mancher Figur unbeabsichtigt skurril.
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Die Bumsköpfe

„Sind das Idioten...“

Im Jahre 1975 entstand eine parallel zur „Flotte Teens“-Reihe verlaufende Fortsetzungsreihe der Commedia sexy all'italiana, die, fünf Filme umfassend, mit dem von Nando Cicero („Zwei Trottel an der Front“) inszenierten „Die Bumsköpfe“ ihren Anfang nahm (und deren Fortsetzungen vom deutschen Verleih fröhlich mit den „Flotte Teens“-Filmen durcheinandergeworfen wurden, wobei es zugebenermaßen viele Überschneidungen beim jeweiligen Ensemble gab).

„Sie wollte sich nicht ausziehen, die dumme Kuh!“

Pennäler Franco (Alfredo Pea, „Die Rache des Paten“), Spross vermögender Eltern (Francesca Romana Coluzzi, „Themroc“ und Vittorio Caprioli, „Der Teufel führt Regie“), macht sich zusammen mit seinen Mitschülern La Rosa (Stefano Amato, „Sabata kehrt zurück“) und Tatuzzo (Alvaro Vitali, „Federico Fellinis Amarcord“) regelmäßig einen Spaß daraus, dem Lehrkörper seiner Schule Streiche zu spielen. Doch als sie Sportlehrer Puntiglio (Gianfranco D'Angelo, „Mondo Candido“) vor versammelter Schulklasse bloßstellen, treiben sie es zu weit. Puntiglio droht dem wenig autoritären Schulleiter Margana (Mari Carutenuto, „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“), ihn bei der Schulbehörde zu verpfeifen, und dieser wiederum hat Francos Vater, einem Stadtbeamten, versprochen, dessen Sohn durchzubringen – doch so aufgeweckt Franco bei seinen Streichen ist, so verbesserungswürdig sind seine schulischen Leistungen. Also engagieren Francos Eltern nach Rücksprache mit Margana die Verlobte des Sportlehrers, Giovanna Pagaus (Edwige Fenech, „Der Killer von Wien“), als Nachhilfelehrerin für ihren Filius. Sie soll mit ihm Griechisch pauken, doch Franco ist ganz hin und weg von der betörenden Schönheit Giovannas und will Sex mit ihr – mit allen Mitteln…

„Jesus, steh mir bei!“

Zunächst einmal ist alles wie gehabt und aus solcherlei Filmen gewohnt: Von Erwachsenen gespielte Halbstarke spielen albern kostümierten, von Erwachsenen gespielten Erwachsenen fade Streiche, grimassieren, reißen eine Zote nach der anderen und stellen dem anderen Geschlecht nach. Die Achtklässler rauchen überall, auch beim Schulsport in der Turnhalle, und gesoffen wird J&B. Lose werden Handlungsfäden aufgenommen und unverarbeitet wieder fallengelassen. Selbst Szenen, die eine Pointe antäuschen, verlaufen ungenutzt im Sande. Dafür wird keine Gelegenheit zu frauenfeindlichem Zinnober ausgelassen, beispielsweise in Bezug auf das Hausmädchen mit üppiger Oberweite, aber Damenbart. Das ist genauso plump und doof wie es heutzutage ungeheuer exotisch und auf irgendwie belustigende Weise stumpfsinnig wirkt – man lacht nicht mit dem Film, sondern über ihn. Weder am Chargieren noch am Grimassieren ist der Lichtblick dieses Films: natürlich niemand Geringeres als die bezaubernde Edwige Fenech, die hier einmal mehr wie gemalt aussieht, sich seinerzeit aber offenbar für nichts zu schade war.

Diese versuchen Francos Eltern (Paps schleppt Franco auch schon mal ins Bordell) doch tatsächlich zu überreden, ihrem Jungen sexuelle Erfahrungen angedeihen zu lassen. Natürlich lehnt sie ab, ist fortan aber nicht mehr vor den Avancen und sexuellen Belästigungen Francos sicher, der hier anscheinend dem Publikum als Identifikationsfigur dienen soll, aber wie ein psychopathischer Triebtäter auftritt. Auf seinen ersten Vergewaltigungsversuch folgt ein zweiter, bei dem aus Giovanna Nein ein Ja wird und der Film endet ebenso verstörend wie kitschig damit, dass aus den beiden ein Liebespaar geworden ist. Man muss so’ne Olle eben zu ihrem Glück zwingen, mal ordentlich durchnehmen, notfalls mit Gewalt, damit sie weiß, was sie wirklich will! Das ist in etwa die Aussage dieses indiskutablen Drecksfilms, der besser „Rape – The Movie“ geheißen hätte und den Bodensatz dieses ohnehin schwierigen Italo-Genres darstellen dürfte – Edwige hin oder her.
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Verdacht

„Hören Sie jetzt endlich auf, an mir herumzufrisieren!“

„Verdacht“, eine eigentümliche Mischung aus Screwball-/Romantic-Comedy und Psycho-Thriller aus dem Jahre 1941, ist eine frühe US-Produktion des britischen Meisterregisseurs Alfred Hitchcock („Der Mann, der zuviel wusste“). Das Ergebnis ist ein ganz anderes, als es Hitchcock vorgeschwebt hatte, und basiert damit eher lose auf Anthony Berkeleys Romanvorlage „Vor der Tat“.

„Guten Abend, Mutzibutzi!“

Die schüchterne Lina (Joan Fontaine, „Rebecca“) lernt auf einer Zugfahrt Johnnie Aysgarth (Cary Grant, „Leoparden küsst man nicht“) kennen, einen attraktiven, charmanten Herrn. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen und trifft ihn bald auf einem Jägerball wieder, woraufhin sie sich schließlich näherkommen und gegen den Willen Linas Vaters überstürzt heiraten. Doch das junge Eheglück bekommt schnell erste Risse: Lina muss sich eingestehen, dass Johnnie ein windiger Habenichts ist, der keine Gelegenheit auslässt, ohne Arbeit an Geld zu kommen. Als sein Freund Beaky (Nigel Bruce, „Die Abenteuer des Sherlock Holmes“) unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt, geht Lina sogar vom Schlimmsten aus: Sie vermutet, ihr Ehemann könnte ein Mörder sein. Bald wähnt sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher…

Hitchcock lässt seinen Film wie eine leichte Romanze beginnen: Johnnie geriert sich als Charmeur und hat einen Schlag bei den Frauen, auch Lina verfällt ihm. Er gibt ihr das das Gefühl, sich ausschließlich für sie zu interessieren, macht sich aber zunächst rar und sie damit ganz verrückt. Die deutliche Warnung ihres Vaters, der Johnnie für einen Taugenichts hält, schlägt Lina in den Wind. Nachdem sie zusammengekommen sind, sind sie ganz süß miteinander und klappern gemeinsam ganz Westeuropa ab. Anschließend zieht sie zu ihm in sein opulentes Heim. Erst jetzt erfährt sie, dass er gar kein Geld hat – er erwartet von ihr, dass sie die Wohnung zahlt, und entpuppt sich als arbeitsscheuer Hallodri. Bis hierhin handelt es sich um eine eher amüsante Romanze mit ernstem Unterton, der nach und nach in den Vordergrund rückt. Das Zusehen macht Spaß, weil Cary Grant in seiner Rolle gekonnt zwischen charmantem Lebemann und wenig ehrlichem, möglicherweise düstere Geheimnisse mit sich herumtragenden Tunichtgut changiert. Die Chemie zwischen ihm Joan Fontaine stimmt weitestgehend, wenngleich ihre Naivität heutzutage etwas arg anmutet. Aber immerhin reden wir hier von einem Film aus den frühen 1940ern.

Probleme und Schicksalsschläge geben sich im weiteren Verlauf die Klinke in die Hand: Johnnie hatte einen Job angenommen und wurde wegen Veruntreuung von Geld entlassen – was Lina erst nach sechs Wochen erfährt. Verständlicherweise will sie ihn daraufhin verlassen, doch als ihr Vater stirbt, bleibt sie bei ihrem Mann. Etwas viel auf einmal? Möglich, aber dadurch bleibt der Film dann eben doch glaubhaft, weil Linas Verhalten nachvollziehbar psychologisch motiviert erscheint. Beim Scrabble malt sie sich visualisiert aus, dass Johnny seinen Freund Beaky umbringt. Ab jetzt wird’s spannend, denn aus dem Film ist nun ein Psycho-Thriller geworden. Als Beaky tatsächlich überraschend in Paris stirbt, sieht sich Lina in ihren Befürchtungen bestätigt.

Wer keine Spoiler verträgt, hört bitte spätestens jetzt auf zu lesen und sieht sich, sofern neugierig geworden, den Film einfach an. Für alle anderen: Hitchcock hatte ein von der Romanvorlage abweichendes, aber nicht minder böses Ende im Sinn, das produktionsseitig jedoch verworfen wurde. Durch das neue Happy End und den Umschnitt ist „Verdacht“ auf psychologischer Ebene zwar weiterhin ein Film über Zweifel, Paranoia und darüber, dem eventuell Falschen mit Haut und Haar zu verfallen, doch im Gegensatz zu beispielsweise Hitchcocks späterem Film „Das Fenster zum Hof“ erweisen sich die Verdächtigungen hier als falsch. Dies ist die eigentliche Überraschung der Handlung – vielleicht gar überraschender, als es das böse Ende hätte sein können –; ein Effekt, der dadurch verstärkt wird, dass Hitchcock eigentlich auf ein anderes Ende hingearbeitet hatte. Durch die Änderungen gerät beispielsweise die Suspense-artige Szene, in der Johnnie seiner Frau ein Glas Milch serviert (durch unheimliche Beleuchtung besonders hervorgehoben), zum roten Hering.

Neben der Lesart, in der Rezeption ungerechtfertigten Zweifeln erlegen und Vorurteilen oder gar dem Wahn verfallen zu sein, kann man sich aber auch schlicht an der Nase herumgeführt fühlen, insbesondere bei etwaiger Kenntnis des Romans. Der viel mit eingeblendeten Briefen, Telegrammen, Notizen und ähnlichen Schriftstücken (dankenswerterweise meist in Form deutscher Inserts) arbeitende Film dürfte auch als Genre-Cocktail nicht jedem munden, denn atmosphärisch hat Hitchcock in seiner Karriere ganz andere Kaliber gedreht. Technisch mit kleinen Abstrichen sehr gut gemacht und durchweg unterhaltsam, wenn auch auf unterschiedliche Art, ist „Verdacht“ aber allemal.
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