bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Bettkantengeschichten

German Grusel

Da gibt es diesen Dokumentarfilm „German Grusel“ von Oliver Schwehm über die Edgar-Wallace-Verfilmungen. Im Ausland jedoch gelten auch ganz andere deutsche Film- und Fernsehproduktionen als gruselig. Ich erinnere mich an ein Interview mit einem Metal-Musiker in einer Musikzeitschrift, in dem der Interviewte zu Protokoll gab, die Krimiserie „Derrick“ als besonders gruselig empfunden zu haben. Tapperts Tränensäcke inmitten bundesdeutscher Tristesse – wer will es dem Musikus verdenken?

Ich hingegen musste an etwas ganz anderes denken, nämlich an die Serie „Bettkantengeschichten“, deren rund halbstündige Episoden von 1983 bis 1990 im Kinderprogramm des ZDF liefen. Meine Erinnerungen an jene auf pädagogischen Wert getrimmte Serie lassen mich erschaudern, vereinen sich in ihr doch trostlose Schwarzweißbilder, ein von Entbehrungen geprägtes Nachkriegsdeutschland und verwunschene Mystik. Letztere vernehme ich bereits beim Vorspann, in dem eine mittelalterlich instrumentierte, irgendwie melancholisch-düstere Melodie zu Bildern sich in einem endlos scheinenden Schlafsaal räkelnder Kinder erklingt, die von allerlei grotesken Gestalten in irren Kostümen offenbar Geschichten – vermutlich von Tod und Teufel! – erzählt bekommen. Ein zuvor in der beklemmenden Dunkelheit des Massenschlafsaals kaum zu erkennender Junge erhebt sich am Schluss, wirkt ganz schlaftrunken und spricht nichts außer den geheimnisumwitterten Namen der Serie in die Kamera: „Bettkantengeschichten“ – ein Titel, der zeitgleich inklusive eines Deppenleerzeichens eingeblendet wird: „Bettkanten Geschichten“.

Das Konzept der Serie sieht vor, dass ein kleines Kind am Ende seines Tages irgendein Problem hat, woraufhin sich ein Elternteil oder eine andere erwachsene Bezugsperson zum Kind ans Bett setzt und ihm eine lehrreiche Anekdote aus der eigenen Kindheit erzählt, die zumeist Parallelen zum vom Kind Erlebten aufweist. Diese Geschichten werden in ausgedehnten Rückblenden visualisiert, die das in der Gegenwart Spielende zur Rahmenhandlung degradieren. Die Geschichten sind in sich abgeschlossen und die Figuren wie auch die Regisseurinnen und Regisseure sowie Autorinnen und Autoren – jeweils um die 20 an der Zahl – changieren von Episode zu Episode, an deren Ende jeweils ein Happy End steht – und hoffentlich kein traumatisiertes Kind vor dem Fernseher.

„Ich krich ‘ne Gänsehaut...“

Episode 1: Brotmarken

Es geht direkt ans Eingemachte: Die kleine Petra wurde von ihrer Mutter geschlagen und liegt nun trotzig im Bett, wo es zur Aussprache kommt. Die Ohrfeige wird in einer Rückblende in Zeitlupe ausgekostet. Petras Mutter erklärt sich, woraufhin eine Schwarzweißrückblende in die frühe Nachkriegszeit installiert wird, in der die Mutter als Off-Erzählerin fungiert und ihr junges Alter Ego von Alexandra Burgholz gespielt wird. Sie erzählt von Entbehrung, Zerstörung und Tod, angereichert mit vielen Originalarchivaufnahmen und sogar abgefilmten Fotos. Die Mutter der Mutter Petras, als Petras Großmutter, hatte Petras Mutter ein rotes Kleid aus einer Hakenkreuzfahne genäht. Sie soll Brot holen, hat aber ihre Lebensmittelmarken verloren und sucht diese verzweifelt. Zusammen mit ihrer Freundin Sabine (Julia Grupp, „Smaragd“) will sie wenigstens Suppe mitbringen, muss aber erst einmal einen Topf ohne Löcher finden. Die Suppe bekommt man angeblich ohne Marken. Tatsächlich kann man sie mit nach Hause bringen, Muttis Mutti ist aber trotzdem alles andere als begeistert.

Die Spielszenen sind gut ins Archivmaterial eingefügt, zwischendurch geht’s immer mal wieder kurz zurück zur farbigen Rahmenhandlung. Sabine sieht aus wie die junge Anke Engelke, ansonsten ist hier aber alles betont traurig und trist. Es gibt auch keinerlei musikalische Untermalung. Man buhlt um Verständnis dafür, dass einer kriegstraumatisierten Generation auch mal die Hand ausrutscht, und schließt mit einem melancholischen Bild der als Kind im Kornfeld sitzenden Mutter. Vorher erfährt Petra noch: „Satt waren wir eigentlich nie. Die nächsten Tage haben wir noch mehr gehungert.“ Gruselig? Definitiv!

Wird fortgesetzt…
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Bed of the Dead

„Hättest du uns nicht 'n normales Hotel buchen können?“

Der kanadische Horrorfilm „Bed of the Dead” aus dem Jahre 2016 ist Jeff Mahers bisher einzige Regiearbeit, zuvor ist er lediglich als Schauspieler in Erscheinung getreten.

„Er wurde komplett ausgeweidet!“

Aus dem Holz eines Baums, an dem Mönche in grauer Vorzeit Sünder aufgeknüpft hatten, wurde ein großes, mit Holzschnitzereien verziertes Bett gefertigt, das mittlerweile ins Zimmer eines Sexclubs Einzug gehalten hat. Ausgerechnet auf diesem wollen zwei Pärchen (Dennis Andres und Alysa King, beide „Lady Psycho Killer“, George Krissa, „Road Trip Romance“, Gwenlyn Cumyn, „Almost Adults“) sich einmal an Gruppensex probieren. Schnell müssen sie jedoch erkennen, dass das Bett verflucht ist und jeden tötet, der ihm zu entkommen versucht. Nach dem ersten Toten sind die Verbliebenen auf dem Bett gefangen und müssen darauf hoffen, dass Polizist Virgil (Colin Price, „Es war Mord!“) in der Zukunft die Ursache für den Brand im Sexclub ermittelt – mit diesem stehen sie aus ihrer Gegenwart heraus nämlich in SMS-Kontakt…

Was hier reichlich seltsam und krude klingt, ist auch genau das. Nach einer als Prolog installierten, zeitlich im Mittelalter angesiedelten Zeitlupensequenz, die einen Mord und die Holzschnitzereien zeigt, wird der Film in der Gegenwart des trinkfreudigen Polizisten Virgil angesiedelt. Dieser muss in einem Brandfall mit vielen Toten ermitteln, der sich in eben jenem Sexclub ereignete. Die Verabredung zum Gruppensex der beiden Pärchen wird dann in einer weiteren Zeitebene, nämlich der jüngsten Vergangenheit, angesiedelt, worauf man als Zuschauer(in) erst einmal kommen muss. Diese ungewöhnliche narrative Struktur wird im weiteren Verlauf beibehalten, wobei die beiden Zeitebenen zunächst nicht miteinander kommunizieren.

Unsere Pärchen ereilen dämonische Visionen und schon bald springt der erste von ihnen über die Bettkante und damit über die Klinge. Perfiderweise sehen Menschen, die das Zimmer betreten, etwas ganz anderes als die ebenso bittere wie absurde Realität, in der sich die drei Übrigen Twens gefangen sehen. Der Sprung im Raumzeitkontinuum, über den fortan die Kommunikationsversuche stattfinden, ist nicht uninteressant gemacht, hinzu kommen Tagträume des Drogenmissbrauch betreibenden und saufenden Bullen aufgrund eines unverarbeiteten Traumas. Auch eines der Mädels ist traumatisiert, wie eine Rückblende zeigt. Als sich herausstellt, dass auch die beiden weiblichen Bettinsassinnen ganz unterschiedliche Wahrnehmungen haben, entbrennt ein Streit. „Bed of the Dead“ entwickelt sich zunehmend zum Bullendrama, als eine weitere Rückblende Virgils Mord an einem schwarzen Jugendlichen zeigt, während es bei den Damen und auf dem Bett immer melodramatischer zugeht.

Was zunächst den Anschein erweckte, den Film um spannende psychologische Ebenen zu erweitern, erweist sich leider als einschläfernde Streckmaßnahme. Persönliche Probleme werden gewälzt, zugleich wird der Film immer ruhiger. Seiner Prämisse zum Trotz enthält er nicht einmal ein Quäntchen Erotik – und das ewig gleiche Soundgewaber auf der Tonspur ist ein weiterer Stein im Mosaik der Monotonie. Weitere böse Geschichten ums Bett kommen ans Licht und werden – natürlich – in Rückblenden serviert. Über all diese Umwege schält sich ein Subtext heraus, der aus „Bed of the Dead“ gern einen Film über die Überwindung von Schuldgefühlen gemacht hätte, und die Wendung am Ende ist tatsächlich recht gewitzt. Welchen Dreck die Partner der beiden Mädels am Stecken hatten, dass das Bett auch sie zu bestrafen suchte, bleibt jedoch im Dunkeln.

Eine Tötungsszene sieht aus wie aus „The Ring“ stibitzt, die Optik des Films ist aber im Großen und Ganzen recht gelungen und der eine oder andere blutige Spezialeffekt ansehnlich. Demgegenüber steht jedoch das Ensemble aus No-Names, das zu unemotional und wenig mitreißend agiert. Das ist deshalb von Bedeutung, weil sich der Film ernstzunehmen scheint, also kein freiwilliger Trash à la Troma und Konsorten intendiert war. Mehr als letztlich leider irgendwie gesichtsloser Durchschnitt ist aber nicht dabei herumgekommen. Wer also lieber im eigenen Bett bleibt, statt das „Bed of the Dead“ probezuliegen, versäumt nicht viel.
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Tatort: Schwarze Einser

„Simultan arbeiten, Lenz, simultan!“

TV-Regisseur Wolf Dietrichs zweite von insgesamt vier Münchner „Tatort“- Inszenierungen in der 1970er-Dekade entstand nach einem Drehbuch Willy Puruckers und wurde am 3. Dezember 1978 erstausgestrahlt: Kriminalhauptkommissar Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) und seinen Mannen ermitteln in „Schwarze Einser“ zum elften Mal innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe.

„Von reiche Leut kann man sparen lernen…“

Eine Frau stürzt in einem Münchner Eigentumswohnungsviertel vom Dach in den Tod. Ein Tippelbruder (Carl Heinz Friese, „Abseits“) beobachtet dies, entwendet das Armband der Leiche und wird wiederum von einem Kellner gesehen, wie er sich von der Toten entfernt. Unfall, Selbstmord, Mord? Diese Fragen stellt sich auch Kriminalhauptkommissar Veigl, der noch schläft, als man ihn in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett klingelt. Die Ermittlungen der Münchner Mordkommission führen zum Arzt der Toten, zu ihrer Schwester Herta (Renate Grosser, „Mädchen Mädchen“), ihren Schwager Hans Simon (Joseph Saxinger, „Goya“) und Hertas aktuellen Freund, den Cellisten Dr. Prelinger (Karlheinz Böhm, „Augen der Angst“). Das Arm-reich-Gefälle innerhalb dieser Verhältnisse macht Veigl stutzig, tatsächlich verlieh die tote Irmgard Döring sogar innerhalb der Verwandtschaft nur gegen Zinsen ihr Geld. Wer profitiert in welchem Maße von ihrem Tod und macht sich damit eventuell eines Mordes verdächtig…?

„Du bist vielleicht ‘n bisschen… pervers.“

„Schwarze Einser“ sind bayrisch-sächsische Briefmarkenpioniere, die zusammen mit anderen Wertgegenständen der Toten offenbar gestohlen wurden, spielen hier ansonsten aber keine Rolle – außer vielleicht, dass die eine oder andere Person übermäßig an schwarzen Zahlen interessiert ist bzw. war. Relativ minutiös klappert man hier wieder die einzelnen Stationen der Ermittlungsarbeiten ab, redet dabei viel und legt verschiedene Fährten: Die Tote sei bei einem Dr. Richter in psychologischer Behandlung gewesen. Dieser wiederum bringt ihren Bruder (Hans-Reinhard Müller, „Im bayerischen Stil“) ins Spiel, der sie beerbt. Und ihr Schwager hat ein stattliches Darlehen von ihr erhalten. Bis man endlich auf den Tippelbruder kommt und ihn als Zeugen befragen kann, dauert es eine ganze Weile. Als Running Gag hält her, dass der früh aufgestandene Veigl nirgends Kaffee bekommt und daher permanent schlechtgelaunt ist.

„Ein Gemütsmensch…“

Was diesen Fall von ermüdenden „Laber-Tatorten“ unterscheidet, ist vornehmlich der in der zweiten Hälfte etablierte Parallelstrang um Prelinger und seine alte Bekannte Brigitta Alhauser (Helena Rosenkranz, „Magdalena – Vom Teufel besessen“), durch den man den bayrischen Ermittlern nicht mehr permanent am Lederhosenzipfel hängt, sondern ihnen gegenüber einen Wissensvorsprung gewährt bekommt. Prelinger und Alhauser sind schwer miteinander am Flirten und reisen überraschend nach Nizza, wohin ihnen Veigl und damit die Handlung sowie das „Tatort“-Publikum folgen. Fernwehweckende Urlaubsbilder sorgen im letzten Drittel für eine ganz andere Krimistimmung, innerhalb derer ein verblüffend harsches Ende seinen tödlichen Lauf nimmt.
► Text zeigen
Die erste Hälfte hätte etwas mehr Pepp vertragen können und als Norddeutscher trifft man leider wieder auf einige Sprachbarrieren, doch davon abgesehen bietet dieser „Tatort“ angenehm solide bis gute Krimiunterhaltung mit hartem Ausgang. Zwar nicht gerade die Blaue Mauritius unter den deutschen Fernsehkrimis, aber 6,5 von 10 Schwarzen Einsern klebe ich dafür in meine Philatelie.
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Der Exorzist und die Kindhexe

„Irrtum und Pervertiertheit existieren. Wir sind von teuflischer Gegenwart umgeben.“

Nach seinen „Reitende Leichen“-Filmen schrieb und inszenierte der spanische Genrefilmer Amando de Ossorio mit dem im Jahre 1975 veröffentlichen „Der Exorzist und die Kindhexe“ einen hübsch schundigen „Der Exorzist“-Epigonen, der zwar geschmacklos einige Sinti-und-Roma-Klischees ausbeutet, aber dennoch kaum versucht, sich wirklich von Friedkins großem Vorbild zu emanzipieren.

„Heutzutage pumpen sich die Jugendlichen voll mit Sex und Drogen auf der Flucht vor der Wirklichkeit.“

Eine der schwarzen Magie mächtige „Zigeunerin“ (Kali Hansa, „The Perverse Countess“) belegt Susan (Marián Salgado, „Tödliche Befehle aus dem All“), die jugendliche Tochter des reaktionären Bullen Mr. Barnes (Ángel del Pozo, „Horror-Express“), mit einem dämonischen Fluch, nachdem dieser wenig zimperlich gegen ihre Familie vorgegangen war und sie ihn mitverantwortlich für den Tod ihrer alten Mutter (Tota Alba, „Um sie war der Hauch des Todes“) macht. Susan ist nicht mehr wiederzuerkennen, verfügt über übernatürliche Fähigkeiten und schickt den einen oder anderen ihr unliebsamen Zeitgenossen über’n Jordan – denn der Geist der Toten hat Kontrolle von ihr ergriffen und sinnt auf Rache…

„Satan, erhöre uns! Gib uns deine Macht!“

Eine fluchende alte Hexe, Diebin und Kindesentführerin mit Haarausfall stürzt sich während eines Polizeiverhörs aus dem Fenster in den Tod – jene Mutter der jüngeren Hexe, die daraufhin Barnes‘ Tochter Susan eine Halskette und eine Dämonenfigur schenkt, die diese nichts Böses ahnend annimmt. Daraufhin beginnt Susan, Anne (Lone Fleming, „Die Nacht der reitenden Leichen“), die Assistentin ihres Vaters, und deren Freund Bill (Daniel Martín, „Für eine Handvoll Dollar“) zu beschimpfen wie ein Rohrspatz – dabei ist die Seele der toten Alten noch gar nicht in den Körper des Mädchens gefahren, dies geschieht erst in der nächsten Szene. Die Tochter des fahrenden Volkes, die den Fluch ausgesprochen hat – übrigens eine ausgesprochene Sexyhexy –, betreibt Mummenschanz und beschwört den Deibel, dem sich Susan dann in Trance verschreibt. Susans Gesicht verwandelt sich in das der Toten, was schauerlich grotesk aussieht und mittels großzügiger Make-up-Effekte inklusive Zeitraffer erreicht wird. Sie opfert ein Baby, dessen Blut ein Satanskult trinkt. Anschließend sieht sie wieder normal aus.

„Epilepsie, Drogen, Schizophrenie…“

In Sachen kruder Gewalt geht de Ossorio also wesentlich weiter als Friedkin und bricht das Tabu, dass keine Kinder getötet werden. Pater Juan (Julián Mateos, „Die Grausamen“) gegenüber stellt Susan völlig zurecht das Zölibat infrage, woraufhin de Ossorio respektive sein Cutter eine Rückblende installieren, die zeigt, wie Juan seine damalige Freundin sitzenließ, um Priester zu werden. In weniger irdisch-sachlich anmutenden Momenten kriecht Susan wie alldieweil Regan auf dem Rücken, bewegt sie Möbel und andere Gegenstände und spricht sie angeblich in etlichen verschiedenen Sprachen – woran man das Publikum aber nicht teilhaben lässt (wäre vielleicht zu aufwändig geworden). Geister- und Schwebeeffekte, durch die Wohnung hüpfende Kröten und klappernde Türen, ganz normaler Spuk also. So richtig aufhorchen lässt der Film aber, als man das Grab der Alten öffnet, sie verbrennt – und sich als noch gar nicht so richtig totgewesen erweist… Eine wahrlich schauerliche Szene.

„Ob Medizin oder Teufelsaustreibung – das ist mir vollkommen egal!“

Ein Doktor (Fernando Hilbeck, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“) quatscht reichlich pseudowissenschaftliches Zeug daher, dass es – zumindest in der deutschen Synchro – ein wahres Vergnügen ist, und manch Seitenhieb auf die Sensationspresse verleiht dem Film sogar ein wenig Sozialkritik. Ein urplötzlich angerissener, aber im weiteren Verlauf keine weitere Rolle spielender Nebenhandlungsstrang um Juans Ex-Freundin Esther (María Kosty, „Das Blutgericht der reitenden Leichen“), die sich nun als Hure verdingt, Juan dafür die Schuld gibt und ihn zu sich bestellt, irritiert indes und reißt aus der eigentlichen Handlung heraus. Wieder interessanter wird es, wenn Susan mit verstellter Stimme Annes Freund herbeilockt… Anne bemüht sich derweil um den obligatorischen Exorzismus, der für Bill aber zu spät kommt: Susan tötet ihn und schneidet ihm seine Testikel ab. Als sie ein weiteres Baby entführt und dem Satanskult heranträgt, stürmt die Polizei die Party und ein fetter Schnauzbart erschießt unsere Sexyhexy ohne jede Not – das war Mord, Bulle!

Aber was war denn nun mit dem Exorzismus? Den handelt de Ossorio gegen Ende spontan anmutend, jedenfalls sehr rasch und unspektakulär ab, wahrscheinlich wohlwissend, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, ein solch nervenaufreibendes psychologisches Duell wie einst Friedkin zu inszenieren. Immerhin wird in diesem Zusammenhang dann doch noch einmal Juans Verflossene kurz aufgegriffen. „Der Exorzist und die Kindhexe“ ist ein dreister, billiger „Der Exorzist“-Rip-Off mit mehr Toten und ein paar absonderlichen Ideen – und deshalb für Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks ziemlich unterhaltsam!

Im Original handelt es sich bei Barnes übrigens um keinen Polizisten, sondern einen Politiker. Möglich also, dass die ursprünglich intendierten Dialoge einen höheren Anspruch verfolgen als die deutsche Fassung und sich kritisch mit spanischer Reaktion und Franco-Faschismus auseinandersetzen – angesichts des Erscheinungsjahres, nämlich dem des Todes Francos, vielleicht kein allzu weit hergeholter Gedanke, der meinen Eingangssatz von de Ossorios mangelnder Emanzipation von Friedkin relativiert.
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Contagion

„Entschuldige bitte die Panik...“

Zwischen seinen Kinofilmen „Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls“ und „Haywire“ erschien US-Regisseur Steven Soderberghs vielbeachtetes Pandemiedrama „Contagion“ aus dem Jahre 2011, für das er ein Drehbuch Scott Z. Burns‘ verfilmte.

„Dieser Grippequatsch ist ziemlich gruselig!“

Beth (Gwyneth Paltrow, „Sieben“) kehrt nach einem Geschäftstermin in die USA zu Ihrem Mann (Matt Damon, „Departed – Unter Feinden“) zurück und stirbt nur einen Tag später nach unvermittelten Krampfanfällen überraschend. Ihr gemeinsamer Sohn folgt seiner Mutter. Sie war, ohne es zu bemerken, in Fernost mit einem neuartigen, hochansteckenden Virus infiziert worden, das sich nun weltweit rasant ausbreitet. Während Blogger Alan Krumwiede (Jude Law, „Aviator“) Parallelen zu anderen ungewöhnlichen Todesfällen nach zunächst harmlos erscheinenden grippeartigen Symptomen recherchiert, sind Dr. Elliot Carver (Laurence Fishburne, „Nightmare 3 – Freddy Krueger lebt“) und sein Team von der US-Seuchenbekämpfungsbehörde alarmiert. WHO-Mitglied Dr. Leonoara Orantes (Marion Cotillard, „Big Fish“) reist nach Hongkong, um Ursachenforschung zu betreiben, doch die Zeit arbeitet gegen die Menschen und Panik macht sich breit…

Mehrere Städtenamen werden mit ihren jeweiligen Einwohnerzahlen eingeblendet, der Auftakt ist eine Art Collage der verschiedenen Schauplätze. Der Film beginnt ungewöhnlicherweise mit „Tag 2“, der jeweilige Handlungsort wird ebenfalls eingeblendet. So bleibt der Überblick über die globalen Ereignisse gewährleistet und wird zugleich ein betont sachlicher Erzählstil etabliert, der auch nicht davor Halt macht, einen in der Pathologie aufgesägten Kopf zu zeigen. Teile von Fledermaus- und Schweineviren werden entdeckt und die Tote entpuppt sich als Fremdgängerin zu Lebzeiten. Es dauert nicht lange und Verschwörungstheorien verbreiten sich im Internet, während die WHO-Doktorin in ein asiatisches Dorf entführt wird, wodurch man zu erreichen sucht, dass den Menschen dort priorisiert geholfen wird. Blogger Krumwiede will sich auf seine Recherchen hin selbst mit Forsythie heilen, Hamsterkäufe werden zum Volkssport, die Gesellschaft verroht, Gewalt und Plünderungen sind die Folge. Erst nach Millionen Toten wird eine Ausgangssperre verhängt.

Blogger Krumwiede changiert zwischen kritischer Begleitung, mit der er auch mal richtig liegt (Dr. Cheever bringt seine Freunde in Sicherheit und hält der Öffentlichkeit gegenüber tatsächlich Informationen zurück, zudem weist Krumwiede auf die Probleme beschleunigter Impfstoffzulassungen hin), aber eben auch Verschwörungsgeschwurbel und Scharlatanerie. Um Dr. Orantes zu befreien, werden ihre Entführer mit Placebos abgespeist. Hier wird sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, unterschiedliche Menschen reagieren mit unterschiedlichem Fehlverhalten oder zumindest moralisch fragwürdigen Entscheidungen auf die extremen Umstände. Es ist äußerst angenehm, wie es Soderbergh und Burns umgehen, sich auf Einzelschicksale zu fokussieren, eine Romanze einzuflechten oder gar eine einzelne Heldenfigur pathetisch zu porträtieren. Im Gegensatz zu anderen Katastrophenfilmen gelingt es Soderbergh, in nüchternem Erzählstil einen globalen Eindruck zu vermitteln. Daraus resultiert – auch in wissenschaftlicher Hinsicht – aller kühlen Distanziertheit zum Trotz ein hohes Maß an beunruhigender Authentizität, wozu auch die pulsierende elektronische Filmmusik passt.

Die Drehbuchidee basiert auf der SARS-Pandemie, die Anfang des Jahrtausends ja nie so richtig im Westen der Welt angekommen war – zumindest keinen Vergleich zur Covid-19-Pandemie darstellte –, aber offenbar dazu geführt hatte, Szenarien wie die daraufhin im Film gezeigten gedanklich einmal durchzuspielen. Dadurch wirkt der starbesetzte „Contagion“ retrospektiv erstaunlich vorausschauend. Auch hier entstammt das Virus der Tierhaltung, wobei Soderbergh gern verdeutlichen hätten können, welches Problem gerade die Massentierhaltung hinsichtlich der Entstehung und Verbreitung von Seuchen ist. Zugegeben, hier wird die Geschichte einer Pandemie auf rund 100 Minuten verdichtet, sodass einige Abstriche gemacht werden müssen.

Geschickt reicht Soderbergh den Tag 1 – der Film begann ja mit Tag 2 – erst am Schluss nach – die Kirsche auf der Sahnehaube eines ebenso spannenden wie klugen und lehrreichen Hollywood-Spektakels, das sich angenehm von typischen Katastrophenfilmen unterscheidet und mit Covid-19 in weiten Teilen von der Realität eingeholt wurde.
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Wer klopft denn da an meine Tür?

„Ich glaub', ich muss mal zum Psychiater!“

Nach vier Kurzfilmen ist „Wer klopft denn da an meine Tür?“ das Langfilmdebüt niemand Geringeren als Martin Scorseses („Taxi Driver“), dem Ausnahmeregisseur von der US-amerikanischen Westküste. Der Dreh dieses Schwarzweiß-No-Budget-Liebesdramas begann im Jahre 1965 als Uni-Projekt, das lediglich die Cliquenszenen enthielt. Zwei Jahre später wurde die Liebesgeschichte addiert und mit Zina Bethune („The Nurses“) eine professionelle Schauspielerin für die Rolle des namenlosen Love Interest des Protagonisten verpflichtet. Die Sexszenen wurden erst 1969 für den Verleih nachgedreht.

„Mit so was verschwend' ich meine Tage...“

J.R. (Harvey Keitel, „Bad Lieutenant“), ein junger New Yorker aus einer italienischstämmigen Familie, ist ein Tunichtgut, der dem Glücksspiel frönt, Teil einer komplizierten Dreierclique ist sich in erster Linie für alkoholgeschwängerte Partys und schnellen Sex interessiert. Als er eine attraktive junge Frau kennenlernt, in die er sich verliebt, beschließt er, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sie zu ehelichen. Als er jedoch erfährt, dass sie einst vergewaltigt wurde, erweist er sich als unsensibler und unreifer Macho, der mit dieser Tatsache nicht umgehen kann.

„Ich liebe dich wirklich und ich will, dass es ewig so ist!“

Scorsese eröffnet sein Debüt mit treibender perkussiver Musik zu Bildern einer amerikanisch-italienischen Mama, die Essen für ihre Familie zubereitet, gefolgt von Rock’n’Roll, wenn Halbstarke auf der Straße jemanden zusammenschlagen – womit das Milieu, in dem der Film spielt, grob umrissen ist. Seine Herzdame lernt J.R. während eines Dialogs über einen John-Wayne-Film kennen. Fortan sieht man eine ganze Weile abwechselnd dabei zu, wie J.R. mit den Jungs, von denen einer eine miese Spelunke betreibt, herumhängt und wie er sich in Beziehungsanbahnung zur jungen Lady versucht. Während einer Knutschszene bekommen wir es mit einer distanzlosen, aufdringlich nah an den Liebenden klebenden Kamera zu tun. Auf einer Hausparty zückt jemand einen Revolver und als er zu schießen beginnt, montiert Scorsese Standbilder aus John-Wayne-Filmen in die Sequenz. Diese verfügt weder über O-Ton noch Nachsynchronisation, sondern ist mit Rock’n’Roll und karibischen Klängen unterlegt. Ähnliches gilt für die Nacktszenen J.R.s sowie anderer Frauen beim Sex. Ferner wird mit Standbildern, Rückblenden und Parallelmontagen gearbeitet. All dies verleiht dem Film zuweilen einen experimentellen Charakter.

Scorsese nimmt Tempo heraus, als die Clique nach Copake fährt, eine ländliche Kleinstadt im Staate New York, um dort durch die Natur zu wandern und einen Berg zu besteigen. Erst nach ungefähr einer Stunde nimmt der Film dramatische Züge an: Eine Rückblende zeigt die Vergewaltigung, den ihr vorausgegangenen Kampf sogar recht ausführlich. J.R. reagiert komplett scheiße und glaubt ihr nicht. Auf einer Party offeriert sich ihm eine Prostituierte, die für alle mitgebracht wurde, doch die Party endet im Chaos statt in einer Orgie. Er kehrt zu seiner Freundin zurück, versaut auf idiotische Weise aber alles, wird sogar übel beleidigend. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ mit Scorseses zukünftigem Stammmimen Harvey Keitel ist damit ein Film über ungerechtfertigte Schuldzuweisungen durch Männer an durch andere Männer vergewaltigte Frauen geworden, zu einer Abrechnung Scorseses mit dem toxischen, letztlich armseligen Machismo junger, männlicher, proletarischer Cliquen, die glauben, selbst durch die Gegend vögeln zu dürfen, aber dass weibliche Opfer sexualisierter Gewalt selbst schuld und „Nutten“ seien.

Spätestens, wenn der katholische J.R. am Schluss Abbitte in der Kirche sucht – inszeniert in bizarren Bildern –, wird deutlich, dass sich Scorsese, selbst Katholik und italienischer Abstammung, auch hier bereits mit den religiösen Widersprüchen Gläubiger auseinandersetzt. Gewissermaßen zeigt der Film auch das Aufeinandertreffen machohaften Proletariats und gebildeter, emanzipierter Frauen, wenngleich dieser Aspekt nicht dominiert. „Wer klopft denn da an meine Tür?“ erinnert stark an die Nouvelle Vague, ist dabei noch nicht derart unterhaltsam wie spätere Filme Scorseses, weist inhaltlich aber bereits einige seiner wiederkehrenden Topoi auf und beweist in den Bildern seiner 1967 nachgedrehten Romanze ein sehr gutes Gespür für fesselnde Kameraarbeit. Auch Keitel stand damals noch am Anfang seiner bis heute währenden Schauspielkarriere. Filmhistorisch hochinteressanter Stoff!
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Evelyn Hamann – „sie war tatsächlich fabelhaft“

Anlässlich des zehnten Todestages im Jahre 2017 der mit nur 65 Jahren viel zu früh verstorbenen Hamburger Schauspielerin Evelyn Hamann verwirklichte Autorin und Regisseurin Katharina Wendt („40 Jahre Dalli Dalli – Eine Legende lebt“) diese eineinhalbstündige Mischung aus Porträt und Werksschau für den Norddeutschen Rundfunk.

Am populärsten sind ihre Rollen an der Seite Loriots, in denen sie auf famose Weise kleinbürgerliche Macken und Befindlichkeiten verkörperte. In der sich ohne Off-Sprecherin oder -Sprecher aus Statements von Kolleginnen und Kollegen sowie Weggefährtinnen und -gefährten wie Margot Kroymann, Hella von Sinnen, Gerhard Garbers, Regisseur Stefan Ukschy, Produzent Markus Trebitsch und nicht zuletzt ihrem Ex-Mann Hans-Walther Braun sowie Ausschnitten aus ihren Arbeiten für Fernsehen und Kino zusammensetzenden Ehrerbietung werden die verschiedenen Stationen ihres Lebens und Œuvres beleuchtet. Ganze Sketche und Sequenzen wurden implementiert und mit Auszügen aus Talkshow-Auftritten ergänzt.

Das musikalisch und schauspielerisch begabte Multitalent, das in Film und Theater zu Hause war und mit seinem Privatleben nicht hausieren ging, wirkte stets bescheiden und sympathisch und war, den Ausführungen ihrer o.g. Mitmenschen zufolge, offenbar ein Vollprofi ohne jeden Anflug von Arroganz. Sogar in der Schwarzwaldklinik“ und auf dem „Traumschiff“ war sie dabei, aber neben den Loriot-Reihen und -Filmen ist sie dem Fernsehpublikum vor allem durch die ihr auf den Leib geschneiderten Serien „Geschichten aus dem Leben“, „Adelheid und ihre Mörder“ und „Rosa Roth“ bekannt, auf die dieser Film richtig Lust macht. Der eine oder andere Sketch wird detailliert auseinandergenommen und auf ihre Lesereisen eingegangen, Ausschnitte ihrer TV-Geburtstagsgala aus dem Jahre 2002 stimmen bereits ein wenig wehmütig. Katharina Wendt schließt ihren Film mit Loriots Kondolenz 2007 sowie weiteren Nachrufen.

Diese TV-Produktion ist eine äußerst respektvolle Verneigung vor einer großen deutschen Schauspielerin und ein schönes, verdientes Dankeschön für ihr Wesen und ihre Kunst, währenddessen ich den Entschluss fasste – sollte ich das Rentenalter erreichen –, es mir mit der Gesamtausgabe von „Adelheid und ihre Mörder“ vor dem Fernseher gemütlich zu machen.
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Tatort: Alles umsonst

„Ist hier Märchenstunde?“

Auch Diether Krebs („Ein Herz und eine Seele“), vornehmlich aus dem komödiantischen Fach bekannt, schlüpfte einst in den Mantel eines „Tatort“-Kommissars und somit in eine ernste Rolle. Es blieb jedoch bei nur einem Einsatz als Braunschweiger Kommissar Nagel, denn er habe dem NDR seinerzeit lediglich als Lückenbüßer gedient und ohnehin nie in Serie gehen sollen. Sein einziger Fall „Alles umsonst“ wurde von Theodor Schübel geschrieben und von Hartmut Griesmayr inszeniert, der damit innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe debütierte. Es sollten bis dato satte 26 weitere „Tatorte“ folgen. „Alles umsonst“ wurde am 11.03.1979 erstausgestrahlt.

„So was kommt immer wieder mal vor…“

Das Verhältnis zwischen Bäckermeister Erich Schmidt (Horst Michael Neutze, „Polizeirevier Davidswache“) ist seiner Ehefrau Olga (Katharina Tüschen, „Sommergäste“) ist zerrüttet. Olga behandelt ihn bevormundend und respektlos. Wesentlich besser versteht er sich mit seiner Angestellten Anni Klein (Monica Bleibtreu, „Menschenfresser“), die seine Frau jedoch kurzerhand aus dem gemeinsamen Familienbetrieb feuert. Erich bändelt daraufhin mit der wesentlich jüngeren Anni an und würde sich am liebsten scheiden lassen, was jedoch seinen finanziellen Ruin bedeuten würde: Der Bäckereibetrieb gehört seiner Frau, er hat lediglich eingeheiratet. Als Olga einen Autounfall erleidet, den sie für Erich überraschend überlebt, reift in ihm die Vorstellung, wie schön es wäre, wäre sie nicht mehr am Leben. Die derzeit grassierende Einbruchswelle in seinem Stadtteil nimmt er zum Anlass, zusammen mit Anni als Komplizin einen Einbruchmord zu fingieren und Olga zu ermorden. Kommissar Nagel hat nun eine schwere Nuss zu knacken…

Olga Schmidt wird als superätzende Chefin in die Handlung eingeführt, die passiv-aggressiv mit Anni und eben auch ihrem Mann umspringt. Ihr Unfall wird nicht visualisiert, der spätere Mord an ihr ebenso wenig. Amouröse Szenen zwischen Erich und Anni? Fehlanzeige. Dieser „Tatort“ verzichtet somit auf sämtliche potenziellen Schauwerte, was ihm einerseits einige Emotionalität nimmt und ihn Gefahr laufen lässt, zu einem drögen Laberfall zu verkommen. Andererseits verzichtet Griesmayr darauf, alles haarklein lang und breit verbal auszuformulieren und ist gut in seiner Wahl, was er in Dialogform verarbeitet und was gerade nicht. So verzichtet er beispielsweise beinahe vollends auf die Planungen des verhinderten Liebespaars und lässt sie erst im Nachhinein ihre Tat und deren Entstehung reflektieren. Dadurch wirkt „Alles umsonst“ weit weniger geschwätzig als vergleichbare Episoden und gewinnt der Fall an dramaturgischer Finesse.

Kommissar Nagel stößt erst im zweiten Drittel zur Handlung hinzu und wird als von vornherein skeptischer, besonnen-ruhiger und intelligent-nachdenklicher Ermittler umrissen. Zusammen mit Kriminalhauptmeister Henkel (Günther Heising, in derselben Rolle zuvor viermal an der Seite Knut Hinz‘ in den Hannoveraner „Tatorten“ in Erscheinung getreten) befragt er viele mögliche Zeuginnen und Zeugen, Betroffene, Täterin und Täter. Durch den Verzicht aufs Whodunit? leben diese Sequenzen davon, dass man als Zuschauerin oder Zuschauer sicherlich eher geneigt ist, mit dem Täterduo mitzufiebern. Schauspielerisch weiß das Ensemble zu überzeugen, wobei insbesondere Neutze als Erich Schmidt hervorzuheben ist – sein Blick, als er nach Olgas Unfall erfährt, dass sie mitnichten tot ist, und er so tun muss, als freue ihn dies, ist Gold wert.

Nach der Hälfte ungefähr scheint es einen tatsächlichen Zeugen zu geben, der jedoch a) einen Maurer verdächtigt und b) Sorge hat, in den Fall hineingezogen zu werden – dies erweist sich als zartes Anzeichen für eine interessante, den Fall mit Tragik anreichernde Wendung, die sich gegen Ende offenbart. Zuvor erfährt man etwas mehr über die Tote, die sie zu charakterisieren helfen, ohne dass konkret ausgesprochen würde, dass beispielsweise ein Schicksalsschlag ursächlich für ihren miesen Charakter gewesen wäre. Überhaupt ist es recht ernüchternd, was man über die Beziehung Olgas und Erichs miteinander erfährt: Es handelte sich offenbar um keine wirkliche Liebesheirat; als Spross einer aus dem Sudetenland nach dem Krieg vertriebenen Familie bestand eine große soziale Ungleichheit zwischen Erich und seiner späteren Frau und ihre Ehe manifestierte seine Abhängigkeit von ihr. Auch so etwa war Teil bundesdeutscher Realität. Dazu passt die niedersächsische Tristesse dieses kaum regionalisierten Falls, der in Braunschweig angesiedelt wurde und höchstens durch ein, zwei Gebäude Lokalkolorit aufweist.

Insbesondere aus heutiger Sicht wirkt Diether Krebs‘ einziger „Tatort“ sicherlich etwas behäbig, Drehbuch und Umsetzung sind aber durchaus gelungen. Für Freundinnen und Freunde des gediegenen, traurigen Fernsehkrimis der 1970er vielleicht ein kleiner Geheimtipp.
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Polizeiruf 110: Daniel A.

„In spätestens 48 Stunden sind wir alle tot!“

Der mittlerweile zweite Fall – der insgesamt 26. – des Rostocker „Polizeiruf 110“-Zweigs nach dem Ausscheiden Charly Hübners als Sascha Bukow führt Bukows Halbschwester Melly Böwe (Lina Beckmann) nach ihrem Gastauftritt in der vorausgegangenen Episode nun offiziell als Rostocker Ermittlerin an der Seite Katrin Königs (Anneke Kim Sarnau) ein. Benjamin Hessler schrieb dieses Kriminaldrama um einen Transmann, das von Regisseur Dustin Loose („Tatort: Der höllische Heinz“) inszeniert wurde. Seine Premiere feierte dieser Fall bereits am 1. September 2022 beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern, die TV-Erstausstrahlung folgte am 19. Februar 2023.

„Wir sind ‘ne ganz normale Familie!“

Transmann Daniel (Jonathan Perleth) ist erstmals eine Verabredung als Mann mit einer Frau eingegangen, der Lehrerin Nathalie (Lea Freund, „Zwischen uns die Mauer“). Nach dem gemeinsamen Besuch einer Bar trennen sich die Wege wieder, doch Nathalie wird von ihrem Nachsteller Marc Wigand (Max Krause, „Die Toten von Marnow“), einem alten Freund aus Kindheitstagen, abgepasst. Es kommt zum Streit, in dessen Verlauf er sie derart unglücklich umschubst, dass sie an ihren Kopfverletzungen noch am Tatort erliegt. Daniel sieht Marc noch davonfahren und wird damit zu einem wichtigen Zeugen, aber auch zum Hauptverdächtigen, ist er doch der Letzte, mit dem Nathalie lebend gesehen wurde. Fortan meidet Daniel jeden Kontakt zur Polizei und versucht, sich der auf Grundlage eines Phantombilds eingeleiteten Fahndung nach seiner Person zu entziehen, da er große Angst hat, dadurch geoutet werden zu würden. Bis auf seinen besten Freund Armin (Bernd Hölscher, „In einem Land, das es nicht mehr gibt“), einem bereits etwas älteren Transmann, und seine ehemalige Affäre Hanna (Alina Stiegler, „Sprich mit mir“) weiß niemand, dass er eigentlich Daniela heißt. Mit ihnen vereinbart er Stillschweigen, dem diese zähneknirschend zustimmen, doch die Polizei sucht fieberhaft nach ihm und sein innerer Konflikt droht ihn zu zerreißen…

Dass dieser „Polizeiruf 110“ mit Jonathan Perleth gedreht wurde, einem jungen, debütierenden Schauspieler, der auch in der Realität ein Transmann ist, sorgt im Verbund mit seiner darstellerischen Intensität und dem einfühlsamen Drehbuch für ein hohes Maß an Authentizität. Der Täter steht von vornherein fest, die Figur Daniel steht im Mittelpunkt dieses Falls. Man schafft Verständnis für Daniels schwierigen, von Dualismus, Rollen- und Versteckspiel geprägten Alltag und für seine Ängste, deren Ursachen sich nach und nach herauskristallisieren. Als ein Hauptproblem erweist sich seine Familie, die aus ihrem alleinstehenden Vater (Jörg Witte, „Der Ranger – Paradies Heimat“), dramatischerweise auch noch von Beruf Polizist, und einer 15-jährigen Schwester (Daria Wolf, „Six Minutes to Midnight“), die gerade ein Kind bekommen hat, besteht. Ihrem Vater ist es äußerst unangenehm, dass die minderjährige Tochter bereits Mutter geworden ist, und er ist mit dieser Situation heillos überfordert. Er ist um Normalität bemüht, die ausgerechnet Daniel(a) immer wieder herstellt, wenn sie Vater und Schwester beruhigt und sich liebevoll ums Neugeborene kümmert. Daniel(a) hat Sorge, dass sein/ihr gestresster Vater ein Outing nicht verkraften würde. Das gestörte Verhältnis zum Vater kulminiert gar in eine erschreckende visualisierte und erst etwas später als solche aufgelöste Gewaltfantasie.

Parallel dazu wird die horizontale Erzählebene fortgesetzt, indem Böwes Einstand eher miss- denn gelingt, da niemand ihre Kuchenbrötchen essen möchte, die miesepetrige und von Böwes Halbbruder jüngst sitzengelassene König sie als aufdringlich empfindet und die männlichen Kollegen über vermeintliche Stutenbissigkeit und Zickenkrieg feixen. Dennoch sucht Böwe immer wieder den kollegialen Kontakt zu König, was ebenso zum ein oder anderen humorigen Moment beim Aufeinandertreffen der gegensätzlichen Mentalitäten führt wie Böwes Naturell, das sie an keinem Süßgebäck ohne zuzugreifen vorbeigehen lässt. Dass ihre Zusammenarbeit trotzdem weitestgehend erfolgreich ist, ihr gemeinsamer Dienst also funktioniert, umschifft dabei gekonnt jeglichen männlichen Chauvinismus.

„Daniel A.“ ist auch ohne Whodunit? ein über weite Strecken hervorragend erzähltes Krimidrama, das spannende Einblicke sowohl in mögliche Konflikte von Transmenschen, die ihr Coming-out noch vor sich haben, als auch in den Themenkomplex unglückliche Liebe und Nachstellerei gewährt – interessanterweise droht Daniel sich nämlich in eine ähnliche Richtung wie der Täter zu entwickeln, da er seinen Stress mit seiner Begierde nach Hanna zu kompensieren versucht und sich in fixen, der Realität entrückten Ideen verliert. Hanna hat sich jedoch eindeutig zu ihrem Ehemann (Maximilian Kraus, „Das Leben ist kein Kindergarten“) bekannt. Diese Gemengelage führt zu einer etwas übertrieben und überkonstruiert anmutenden Zuspitzung im Finale, das letztlich aber mit einem unaufdringlichen und kitschfreien Plädoyer für Coming-outs im Sinne von „Steh dazu, was, wer und wie du bist“ und Akzeptanz schließt. Der Rostocker „Polizeiruf 110“ bleibt damit auch im Fall Nr. 2 nach Hübner ein Pflichttermin im deutschen Fernsehen.
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Bonnie und Clyde

„Wir rauben Banken aus!“

Was US-Regisseur Arthur Penn mit der Gangster-Road-Movie-Ballade „Bonnie und Clyde“ zwischen seinen Filmen „Ein Mann wird gejagt“ und „Flesh and Blood“ im Jahre 1967 vollbrachte, nachdem die Journalisten David Newman und Robert Benton ihr Drehbuch zuvor François Truffaut (keine Zeit) und Jean-Luc Godard (keine Studiofinanzierung möglich) vorgelegt hatten, gilt neben „Die Reifeprüfung“ als Mitbegründer des New Hollywood: Ein an die Nouvelle Vague angelehnter, offenerer, freierer Inszenierungsstil und ein Bruch mit altgedienten Hollywood-Konventionen. „Bonnie und Clyde“ wurde zunächst verkannt, dann aber für zehn Oscars nominiert – von denen er zwei gewann.

„Du hast bei mir keinen Augenblick Ruhe!“ – „Versprichst du mir das?“

Die USA zur Zeit der Großen Depression: Kellnerin Bonnie (Faye Dunaway, „Morgen ist ein neuer Tag“) schließt sich kurzentschlossen dem Gangster Clyde Barrow (Warren Beatty, „Der Gentleman-Zinker“) an, fortan raubt man eine Bank nach der anderen aus. Bald wächst das Duo zu einer kleinen Bande heran, denn sie gewinnen in C. W. Moss (Michael J. Pollard, „Die wilden Engel“) einen Komplizen; Clydes Bruder Buck (Gene Hackman, „Lilith“) und dessen Frau Blanche (Estelle Parsons, „Ladybug Ladybug“) stoßen notgedrungen dazu, nachdem Buck während eines Treffens mit Clyde einen Verfolger erschossen hat, und sogar ein junges Ehepaar ist zwischenzeitlich mit von der Partie, als Bonnie und Clyde es kurzerhand entführen, sich aber schnell mit ihm anfreunden. Doch mittlerweile zählt man zu den meistgesuchten Verbrechern der Vereinigten Staaten, Bonnies Nerven liegen zunehmend blank – und die Schlinge der Polizei zieht sich immer weiter zu…

Zwei Texttafeln umreißen grob Bonnies und Clydes Vita, der Vorspann zeigt alte Schwarzweißfotos, doch mit Beginn der Handlung verliert man nicht mehr viel Zeit: Bonnie scheint sich Hals über Kopf in Clyde zu verknallen und die gemeinsame kriminelle Laufbahn nimmt ihren Lauf. Der Dreh an Originalschauplätzen verleiht der romantisierten Adaption der wahren Laufbahn des echten Gangsterpaars ein gewisses Maß an Authentizität. Die Autoren und Regisseur Penn fokussieren sich darauf, ein Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl zu vermitteln, das Bonnie und Clyde unter der einfachen Bevölkerung zahlreiche Sympathien bis hin zu Rückhalt einbringt, während (und gerade weil) Rechtsstaat und System als gescheitert erachtet werden. Dass sich Bonnie und Clyde mit der größten Bande – der systemerhaltenden Polizei – anlegen, wird ihnen indes zum Verhängnis werden. Und dass der kurzzeitig von ihnen entführte Eugene (Gene Wilder, „Frühling für Hitler“) ein Bestattungsinstitut betreibt, soll sich als böses Omen erweisen.

Die Kamera ist mal nah an den Figuren, mal fängt sie schöne Landschaftspanoramen ein. Der Hillbilly-Banjo-Soundtrack trägt zur Lokalisierung in den Südstaaten bei. Einige Schießereien und Verfolgungsjagden sorgen für Action und mit steigender Laufzeit wird der Film zunehmend härter, bis das ultrabrutale Ende einen aus dem romantischen Outlaw-Märchen heraus auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Es ist fast, als wolle der Film sagen: Vergiss deine Träumereien, „sie“ sind ohnehin stärker. Es kann aber auch als verzweifelter Versuch betrachtet werden, eine Gesellschaft am Rande zur Anomie durch ein Exempel gewaltsam zur Ordnung zu rufen, was letztlich eine weitere Eskalationsstufe bedeutet, die nicht dauerhaft unbeantwortet bleiben wird.

Schade ist es, dass die Handlung ihrer Sexualität beraubt wurde: Überlieferungen zufolge hatten die Autoren ursprünglich intendiert, Clyde als einen bisexuellen Mann zu zeichnen und aus der Beziehung Bonnies, Clydes und Moss‘ zueinander eine Ménage à trois zu machen. Statt einer weiteren Enttabuisierung und zusätzlichen provokativen Potentials blieb nach einigen Drehbuchbearbeitungen jedoch lediglich ein impotenter Bonnie übrig. Eine Kastration des Skripts im wahrsten Wortsinn. Dennoch wurde „Bonnie und Clyde“ ein Meisterstück mitreißenden Kinos, das eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verrat erzählt und zum einflussreichen Kultfilm avancierte, dessen spezielle Charakteristika sich über die Jahrzehnte hinweg immer wieder in Filmproduktionen ähnlicher Prämisse finden. Und nicht nur die Dunaway war hier eine echte Entdeckung, der anschließend eine große Karriere bevorstand.

Sollte man gesehen haben.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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