Atlantis Inferno - Ruggero Deodato (1983)

Söldner, Mutanten und Kriegshelden

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buxtebrawler
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Re: Atlantis Inferno - Ruggero Deodato (1983)

Beitrag von buxtebrawler »

„Ihm hat der Orkan das Hirn ausgeblasen!“

Zwischen dem kruden, aber überdurchschnittlichen Thriller „Der Schlitzer“ sowie seinem ihm einen zweifelhaften Ruf eingebracht habenden Meisterwerk „Cannibal Holocaust“, aber noch vor seinem durchweg gelungenen Abenteuer-Actioner „Cut and Run“ versuchte sich der italienische Regisseur Ruggero Deodato am damals kassenträchtigen, i.d.R. „Mad Max II“-inspirierten Endzeit-Action-Genre: „Atlantis Inferno“, offenbar unter merkwürdigen Umständen mithilfe philippinischer Geldgeber(in) koproduziert, wurde im Jahre 1983 veröffentlicht und ist mit Sicherheit einer der schrägsten Italo-Endzeitfilme.

„Haben wir genug Munition?“ – „Sechs Schuss – damit können wir gerade uns selbst umlegen.“

Die ferne Zukunft des Jahres 1994: Die beiden draufgängerischen Berufsagenten/Söldner Mike Ross (Christopher Connelly, „The Riffs – Die Gewalt sind wir“) und Washington (Tony King, „Asphalt-Kannibalen“), der sich nach einer religiösen Erweckung nunmehr Mohammed nennt, wollen sich nach ihrem jüngsten Auftrag, einer Entführung, mit einer Yacht in die Karibik absetzen. Die geheime Bergung eines russischen Atom-U-Boots macht ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung, denn die austretende Radioaktivität spült die versunkene Stadt Atlantis an die Oberfläche und verursacht dabei ein schweres Seebeben. Mike und Mohammed retten einige der involvierten Wissenschaftler und sehen sich den Raiders, atlantischen Motorradrockern, ausgesetzt, die mit allem kurzen Prozess machen, was ihrer Führung, den „Wächtern von Atlantis“, nicht behagt. Werden die Raiders zusammen mit den Wächtern bald den ganzen Erdball mit Terror und Krieg überziehen? Oder wird es gelingen, sie zurück ins Meer zu schlagen? Viel Zeit zu überlegen bleibt nicht…

„Ja, du Erhabener!“

Wie jetzt? Atlantis taucht wieder auf und spuckt irgendwelche bewaffneten Motorradrocker aus? Das war meine spontane Reaktion, als ich zum ersten Mal von diesem Film hörte. Tatsächlich vermengt Deodato typische Endzeitfilm-Motive mit Versatzstücken aus dem Abenteuerbereich, der Science-Fiction und der Fantasy zu einem über weite Strecken mit viel Ernsthaftigkeit inszenierten Trash-Festival. Der Synthie-Soundtrack der Angelis-Brüder, besser bekannt als Oliver Onions, hier unter „Black Inferno“ firmierend, geht gut uns Ohr und der Film beginnt direkt mit einem spektakulären Überfall – ohne Exposition gibt’s gleich auf die Zwölf. Noch besser gefällt gar die unheimliche Szene mit der springenden De-Angelis-Komposition „Santa Maria“ in Endlosschleife, weil eine baumelnde Leiche permanent gegen die Jukebox knallt – düster, atmosphärisch und böse, vielleicht eine der stärksten Szenen der Italo-Endzeit überhaupt.

„Ich hab‘ das dumpfe Gefühl, die wollen aus uns Hamburger machen!“

Die stummen Wächter, von denen manche ihre Köpfe in Goldfischgläsern stecken haben, wüten fortan. Jemand eilt zu ihnen und will reden, wird dafür kaltgemacht. Daraufhin versucht’s der Nächste gleich noch mal. Äh, ja… Spätestens ab diesem Moment wird klar, dass der Film zwar sorgfältig inszeniert, jedoch mies und lieblos geschrieben wurde. Ein Guerillakampf gegen die stummen Wächter entbrennt, der an den einen oder anderen Söldnerschinken gemahnt, bevor sie sich dann irgendwann doch, zumindest ganz grob, erklären. Auch hier ist unschwer zu erkennen, dass niemand so recht Lust zu haben schien, eine halbwegs schlüssige Hintergrundgeschichte zu konzipieren. Erst nach 50 Minuten wird der Film um ein wenig Atlantis-Mythologie ergänzt. Eine neu eingeführte Figur wie Larry (Maurizio Fardo, „Der gezähmte Widerspenstige“) wird nach nur fünf Minuten erschossen und der Film verkommt zu ziemlich ermüdender Actiongülle, hin und wieder um etwas pseudowissenschaftliches Gequatsche erweitert. Plötzlich rennen alle mit primitiven Waffen bereitwillig ins MG-Feuer, ebenso plötzlich kommt ein weibliches Medium o.ä. ins Spiel. Das Drehbuch schlägt seine unfreiwillig komischen Kapriolen und flapsige Sprüche werden auch angesichts höchster Gefahr gerissen (zumindest in der deutschen Originalsynchronisation, die sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht auf der zudem lettergeboxten KSM-DVD befindet).

Immerhin ist das Ensemble namhaft und gerngesehen (in Nebenrollen: George Hilton, „Der Killer von Wien“, Ivan Rassimov, „Black Emanuelle - 2. Teil“, Gioia Scola, „Conquest“, Michele Soavi, „Ein Zombie hing am Glockenseil“), wenn manch italophile Genrefilmgröße auch etwas verschenkt wird. Sogar Deodato höchstpersönlich gönnt sich einen kurzen Gastauftritt. Auch die Kulissen können sich sehen lassen, die mehr zu bieten haben als die übliche wüstengleiche Einöde. Die „Dschungelszenen“ sind jedoch mitunter arg dunkel – eventuell Zensurnachdunklungen der deutschen VHS-Fassung? Wie dem auch sei: Für „Atlantis Inferno“ wurde ein dünnes Drehbuch mit massig Action gestreckt – wie leider so oft. Eine spannende Handlung bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie nicht nur der logische, sondern jeglicher Menschenverstand. Der Film hat sein Publikum gefunden, mich als Actiongülle-Muffel hat er nicht abgeholt: Ob Atlantis nun die Weltherrschaft an sich reißt oder sich die überirdisch sozialisierte Menschheit wird retten können, war mir vollkommen wurst.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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