Zwei blaue Vergissmeinnicht - Helmuth M. Backhaus (1963)

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Maulwurf
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Zwei blaue Vergissmeinnicht - Helmuth M. Backhaus (1963)

Beitrag von Maulwurf »

Zwei blaue Vergissmeinnicht
Deutschland 1963
Regie: Helmuth M. Backhaus
Rex Gildo, Gitta Winter, Gunnar Möller, Margitta Scherr, Michael Cramer, Elma Karlowa, Carola Höhn, Franz-Otto Krüger, Dagmar Hank, Hans Elwenspoek, Ingela Brander, Mario del Marius


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Zu Beginn der 60er-Jahre waren leichte Musikfilme recht erfolgreich und konnten sich eine Zeitlang dem Trend der schließenden Kinos tatsächlich entgegenstemmen. Im Kern dieser Filme ging es dabei meist um eine Gruppe von Menschen die amouröse Verwicklungen erlebt, gerne auch mal garniert mit einem unwesentlichen Kriminalfall, und dabei wird viel gesungen und getanzt. Kennt man bis heute, und wird (heute) auch meistens mit ganzem Herzen gehasst.
Den Maßstab dazu, gerade auch in Sachen Erfolg, legte Franz Marischka mit seinen SCHLAGERPARADE-Filmen 1960 und 1961, denen er dann 1962 SO TOLL WIE ANNO DAZUMAL und 1963 ALLOTRIA IN ZELL AM SEE folgen ließ. Alles Filme, die flott daherkommen, deren Humor sich auch heute noch nicht komplett abgenutzt hat, bei denen das Verhältnis von Inhalt und Verpackung stimmt, die Schauspieler erstklassig sind und die Musik spritzig ist und zündet.

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Flott, erstklassig, lustig, wendungsreich, spritzig – Die Attribute, welche die Marischka-Filme dieser Zeit perfekt beschreiben. Aber auch diejenigen Attribute, die ZWEI BLAUE VERGISSMEINNICHT erfolgreich unterdrückt. Die Gags sind müde, die Schauspieler sind größtenteils der zweiten und dritten Reihe zuzuordnen und haben eine entsprechende Wirkung, die Musik ist farblos und die Handlung sprunghaft und macht nicht mal dann Spaß, wenn man sie nur als Abfolge von Sketchen versteht.

Auffällig ist vor allem, dass die Schauspieler nicht wirken. Margitta Scherr wirkt vollkommen blass und verschenkt als Gangster-Hascherl, während die eigentliche weibliche Hauptrolle Gitta Winter zwar sympathisch und lebendig daherkommt, aber kein männliches Pendant neben sich hat, um gekonnt Bälle hin- und herzuspielen. Denn Rex Gildo wird zwar als supernetter Schwiegersohn von Nebenan eingeführt, wandelt sich aber innerhalb kürzester Zeit zum eifersüchtigen Arschloch, und verspielt alle Sympathien die er zu Beginn neben dem etwas nervigen Gunnar Möller noch bekommen konnte. Selbst Chris Howland, in Bezug auf Komik und guten Schlager sonst immer eine Bank, wirkt hier durch die wenige Screentime eher verschenkt, ja er hat gar nicht erst die Möglichkeit den Film in ruhigeres bzw. heitereres Wasser zu lenken. Die schwedische Saxophonistin Ingela Brander last but not least wäre eine tolle weibliche Hauptrolle gewesen – Da kocht der Bildschirm, wenn sich die süße Musikerin als Mischung aus Vivi Bach (sexy) und Peter Kraus (rockig) entpuppt und gemeinsam mit Gunnar Möller am Schlagzeug einen Beat-Schuppen aufmischt. Aber auch hier versagt die Regie und erkennt nicht, welches Potential in dieser Dame gesteckt hätte, weswegen ihre Szenen wie Wassertropfen in der Wüste verdunsten …
Bleibt Frank Cramer als Gangster Nelken-Frank. Er allein rettet den Film vor dem völligen Untergang. Nelken-Frank ist süffisant, ist charmant, ist brutal … Er ist das Abbild eines kleinen Gauners mit Köpfchen, der auf dem Sprung nach oben ist und seine Chancen nutzen kann, aber durch einen leicht vertrottelten britischen Detektiv leider daran gehindert wird. Bei aller Gelacktheit gehören ihm unsere Sympathien, denn die andern Charaktere sind leider fast alle doof, und der Wettkampf mit Rex Gildo um die gleiche Frau wird, zumindest von den Sympathiewerten her, locker vom Bösewicht gewonnen.

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Die Handlung? Habe ich bisher weggelassen, denn die besteht im Wesentlichen aus einer unlogischen Abfolge von Episödchen, die nicht immer zusammenhängend sind, manche Drehbuchideen von Seite 3 auf Seite 4 schon wieder vergessen haben, und die in der Inszenierung einfach ebenfalls verschenkt werden. Die Liebeleien wirken uninteressant und aufgesetzt, und die verschiedenen Happy-Ends sind auch nicht wirklich nachvollziehbar. Und um der Chronistenpflicht Genüge zu tun: Rein prinzipiell geht es um einen Privatdetektivsgehilfen, der mit seiner Kollegin eine Kreuzfahrt von Jugoslawien nach Italien macht. Mit an Bord sind die radelnden Studenten Rolf und Ronny, deren Love Interest Heidi, eine spießbürgerliche Familie aus Deutschland sowie der Drogen- und Falschgeldschmuggler Nelken-Frank mitsamt Liebchen. Es kommt zu Irrungen und Wirrungen, zu Verwicklungen rund um die Liebe, und zu kriminaltechnisch hochdramatischen Ereignissen. Die neue Schiffsköchin Selma bezirzt den Kapitän, Rex Gildo singt sich eins, und am Schluss siegt das Gute.

Und so uninspiriert sich das jetzt liest, so uninspiriert sieht es leider auch aus. Das Drehbuch ist mau, und es liegt einzig an den Schauspielern, wenigstens ein paar Lacher abzustauben, aber für eine beschwingte Musikkomödie ist das einfach zu wenig. Da schau ich mir lieber noch mal SO LIEBT UND KÜSST MAN IN TIROL vom Marischka an, der hat nämlich alles das, was Regisseur Backhaus hier erreichen wollte und meilenweit daran vorbeigesegelt ist: Witz, Schwung, flotte Melodien, tolle Schauspieler, Leichtigkeit und Liebe zum Detail. Wenn das einzig Positive, dass man über einen Film sagen kann, ist, dass die Laufzeit mit 78 Minuten nicht allzu viel Lebenszeit verschwendet, dann sagt das wohl so einiges aus …

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