Terror Creek - Andreas Bethmann (2014)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 2992
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Terror Creek - Andreas Bethmann (2014)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

--.jpg
--.jpg (1.35 MiB) 412 mal betrachtet

Originaltitel: Terror Creek

Produktionsland: Deutschland 2014

Regie: Andreas Bethmann

Darsteller: Julie Anderson, Renee Pornero, Oliver Behr, Jens Jansen, Andreas Pape, Martin Hentschel, Thomas Kercmar


In einem Internetforum haben sich Julie und Lisa kennengelernt und kurzerhand beschlossen, ihr erstes Live-Treffen im Rahmen eines gemeinsamen Kurzurlaubs stattfinden zu lassen. Ziel des Ausflugs ist eine Waldhütte, die Lisas Eltern gehört, und die derart verlassen irgendwo in den Bergen liegt, dass einen von der nächsten Parkmöglichkeit aus nur ein stundenlanger Fußmarsch dorthin bringt. Während Lisa, wie sie erzählt, vor Kurzem von ihrem Freund verlassen worden ist, schwebt die frischverliebte Julie im siebten Himmel, wenn sie es mittlerweile auch ein bisschen nervig findet, dass ihr neuer Liebster Steve sie permanent mit Anrufen und SMSen überschüttet. Es dauert indes nicht lange und die beiden Frauen nähern sich einander an: Ein alkoholschwangerer Abend reicht aus, um sie miteinander intim werden zu lassen. Einen erheblichen Störfaktor bildet allerdings die Anwesenheit eines offenbar mental derangierten Jägers, der in der Gegend um die Hütte herum seine Wildschweinfallen aufgestellt hat. Zunächst stattet der Jüngling unseren Heldinnen einen abendlichen Besuch ab, bei dem er sich ihre Sympathien durch die Übergabe eines frischgefangenen Wiesels zu versichern versucht. Später ertappt die joggende Julie ihn dabei, wie er sich sexuell an einer toten Bache vergeht. Es folgen ein Vergewaltigungsversuch und ihre Flucht in die Arme Lisas, die ihr zustimmt, es sei vielleicht besser, über einen frühzeitigen Abbruch ihrer rustikalen Ferien nachzudenken, - denn immerhin ist der Jägersbursche nicht nur geistig umnachtet, sondern zudem mit einem Gewehr bewaffnet. Als Lisa dann aber kurz darauf erstmals ein Photo von Steve unter die Augen kommt, nehmen die Dinge für die verängstigte Julie eine unerwartete und vor allem noch unangenehmere Wendung…

Mit Fug und Recht kann man Andreas Bethmanns Vorgängerfilm HELP ME I AM DEAD als ein Verlassen der ausgetretenen Sexploitation-Pfade bezeichnen, auf denen sich der deutsche Ausnahmeregisseur bis dato seit vielen Jahren bewegt hat. In HELP ME I AM DEAD, dieser Geschichte um Schuld, Sühne, Vergangenheits- und Gegenwartsbewältigung, flirtet Bethmann offen mit Arthouse und Experimentalkino, und legt sein mit Abstand künstlerisch interessantestes Werk vor. Ein Neubeginn hätte das werden können, eine Neuausrichtung, die Bethmanns Oeuvre endlich freimacht von plumpem Porn und selbstzweckhaftem Splatter, - doch löst der nur ein Jahr später veröffentlichte TERROR CREEK letztendlich genauso viele der in HELP ME I AM DEAD gegebenen Versprechen ein wie er sie vom Tisch wischt.

Ist HELP ME I AM DEAD wahrscheinlich Bethmanns sperrigstes Werk, handelt es sich bei TERROR CREEK um sein zugänglichstes. Hätte ich nicht im Vorhinein gewusst, wessen Geistes Kind dieser Film ist, hätte man mir TERROR CREEK problemlos auch als zeitgenössisches B-Movie irgendeiner US-amerikanischen Direct-to-Video-Schmiede verkaufen können. Der experimentelle Anstrich von HELP ME I AM DEAD ist einer Mainstream-Ästhetik gewichen, bei der so gut wie nichts mehr an Bethmanns Amateur-Vergangenheit erinnert. TERROR CREEK sieht nicht nur aus wie ein „richtiger“ Spielfilm, er fühlt sich auch genauso an: Schnitt, Kameraführung, Beleuchtung – all die relevanten technischen Faktoren rangieren auf einem zwar konventionellen, jedoch absolut professionellen Level. Für die Effekte Ittenbachs gilt (einmal mehr) dasselbe: Der Mann versteht sein Handwerk, - und darf es in TERROR CREEK genauso wohldosiert einsetzen wie in HELP ME I AM DEAD. In anderen Worten: Da werden zwar durchaus Nägel in Füße gehämmert und Augen ausgepikst und Kettensägen geschwungen, doch im Gegensatz zu Bethmanns Frühwerken hält sich das alles in Grenzen, die zumeist von der Narration determiniert werden. Wie schon bei HELP ME I AM DEAD sind auch die nackten Tatsachen kaum noch der Rede wert: Entblätterte Brüste gibt es zu sehen, ja, doch auch das nur insoweit, wie es das Drehbuch fordert – und Porno-Szenen muss man in TERROR CREEK sowieso vergebens suchen, (und das, obwohl die beiden weiblichen Hauptrollen von Damen gespielt werden, die sich im horizontalen Filmfach bereits die eine oder andere Meriten verdient haben: Die Österreicherin Renee Pornero kennt man beispielweise bereits aus Bethmanns EXITUS INTERUPTUS, während Julie Anderson sich schon in der Fortsetzung EXITUS II: HOUSE OF PAIN sehen ließ, doch anderweitig hat man in seiner Filmographie solche Titel stehen wie FICKEN BIS DIE SPÄNE FLIEGEN! (Pornero) oder FRAUEN, FÜSSE, FEUCHTE FICKSPALTEN (Anderson unter dem Alias Suzi-Anne.))

Wo TERROR CREEK besonders brilliert, ist bei der Schaffung einer düster dräuenden Atmosphäre. Wenn Bethmann den Wald als quasi-mythischen Ort voller Schattenseiten und Schaurigkeiten inszeniert, erinnert das einmal mehr an Marian Dora, (dessen Ästhetik ja offenkundig auch bei HELP ME I AM DEAD Pate gestanden hat); hinzukommt eine unterschwellige Tiersymbolik, (vor allem Wildschweine und Wiesel haben es Bethmann diesmal angetan, - gefilmt laut Abspann übrigens im Tierpark Essehof unweit Braunschweigs, - doch auch Insekten kommen nicht zu kurz); obwohl ich mir insgesamt vielleicht gewünscht hätte, dass sich Bertucci noch mehr auf diese Faktoren konzentriert und sich weniger von seinem eigenen wenig originellen, in vielerlei Hinsicht sattsam bekannte Genre-Standardsituationen runterbetenden Drehbuch vereinnahmen lässt. Dass auch TERROR CREEK aufgebaut ist wie ein Kammerspiel, das sich nahezu ausschließlich in einer Waldhütte vollzieht, tut dem Film sichtlich gut, - und trotzdem gibt es da das eine oder andere Logikloch, in dem mehrere Kaninchenrudel Platz finden könnten. Ein bestimmtes Ereignis zum Beispiel, das die Beziehung zwischen Lisa und Julie vom Kopf auf die Füße stellt, ist derart unglaubwürdig und unwahrscheinlich, dass ich bei der Präsentation dieser Plot-Volte ziemlich schlucken musste, - zumal es mit einem minimalen Umschreiben der Hintergrundgeschichte, wie die beiden Frauen sich kennengelernt haben, problemlos möglich gewesen wäre, dieses haarsträubende Detail vollends auszumerzen. Wenn völlig unvermittelt ein Landstreicher aus dem Hut gezaubert wird, der sich angeblich seit Tagen (ohne Nahrung!) im Keller der Waldhütte aufgehalten hat, und dann nach wenigen Minuten Screentime schon wieder gemeuchelt aus der Handlung verschwindet, frage ich mich, ob Bethmann auf diese Figur nicht besser gleich komplett verzichtet hätte. Überhaupt sind die Entwicklungen der zweiten Hälfte für jemanden, der schon mehr als einen Backwood-Slasher gesehen hat, ungefähr so überraschend wie ein Sonnenuntergang an einem Tagesende. Dafür aber zeigt sich immerhin das Schauspielensemble bemüht, (gerade Frau Pornero ist mit unverhohlener Leidenschaft bei der Sache), leidet aber deftig unter der Post-Synchronisation.

Tja, und nach TERROR CREEK hüllt sich der Meister seit nunmehr sieben Jahre in Schweigen, - was mich umso mehr irritiert, da ich in TERROR CREEK durchaus das Potenzial sehe, ein breiteres Publikum anzusprechen. Derart dicht am Massengeschmack jedenfalls scheint mir Bethmann nie gewesen zu sein: Kein Trash, dafür eine halbwegs glaubwürdige Figurenzeichnung; blutige Effekte, doch niemals brutal genug, dass die Grenzen des guten Geschmacks mit Siebenmeilenstiefeln überschritten werden würden; gängige Genre-Topoi verrührt zu einem keine Innovationspreise einheimsenden, jedoch einigermaßen spannenden und atmosphärisch dichten Psychothriller, der sich wolkenkratzerhoch über den misogynen Entgleisungen eines, sagen wir, ROSSA VENEZIA erhebt. Sollte TERROR CREEK damals derart beim anvisierten Klientel durchgefallen sein, dass Bethmann danach beschloss, den Regiestuhl vollends an den Nagel zu hängen?
Antworten