Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Schicki-Micki
„Auch unter den Kriminellen gibt es Anständige und weniger Anständige.“
Ludwig Lenz‘ (Helmut Fischer) fünfter Fall als Kriminalhauptkommissar entstand im September und Oktober des Jahres 1985 unter der Regie Hans-Reinhard Müllers („Tiefe blaue See“), der damit seinen einzigen „Tatort“ inszenierte und zugleich seine letzte Regiearbeit ablieferte. Der am 29. Dezember 1985 erstausgestrahlte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe basiert auf den Erfahrungen der „Süddeutsche Zeitung“-Journalisten Ernst Fischer und Herbert Riehl-Heyse, die auch das Drehbuch verfassten.
„Das hat eine Methode!“
Stadtrat Völk (Norbert Gastell, „Die Wiesingers“) hält bei den Feierlichkeiten eines neuen Nobelrestaurants im Münchner Stadtteil Schwabing eine Lobrede auf Großgastronom Hörmann (Hans-Reinhard Müller, „Die Undankbare“), während der „Stadtindianer“ und ehemalige Gastronom Dallinger (Volker Prechtel, „Jeder für sich und Gott gegen alle“) draußen vor der Tür gegen die von Hörmann betriebene zunehmende Gentrifizierung des Stadtteils, in deren Zuge alteingesessene Lokale auch mit unlauteren Methoden verdrängt werden, lauthals anschimpft. In der Redaktion einer Münchner Tageszeitung kritisiert der sozial engagierte Journalist Zoller (Felix von Manteuffel, „Marie Ward – Zwischen Galgen und Glorie“) eben diese Verdrängung und verabredet sich telefonisch mit einem Informanten, wovon weder sein Chef noch sein Kollege Richert (Erich Hallhuber junior, „Geschichten aus dem Nachbarhaus“) sonderlich begeistert sind. Zunächst aber trifft er sich in einem Schwabinger Lokal zusammen mit seiner Kollegin Vera Jansen (Hannelore Elsner, „Die Herren mit der weißen Weste“) für eine Reportage mit Kriminalhauptkommissar Lenz und dessen Stammtischbrüdern. Als eine Gruppe Rocker dort Ärger macht, lässt Zoller sich auf eine Prügelei mit ihnen ein und folgt ihnen, als sie das Weite suchen wollen. Am nächsten Morgen wird er erschlagen im Englischen Garten aufgefunden. Der Verdacht fällt sofort auf die Rocker…
„A g’scheiter Indianer kennt keinen Schmerz!“
Nach seinen ersten „Tatorten“, in denen Helmut Fischer den Hauptermittler verkörperte, wurde die famose und überaus publikumswirksame Vorabendserie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ ausgestrahlt, was zur Folge hatte, dass Fischer fortan vornehmlich mit jener Rolle des charmanten, aber auch belächelnswerten Schwabinger Lebemanns in Verbindung gebracht wurde – zumal Lenz und der Stenz nicht nur phonetisch von vornherein gewisse Parallelen aufwiesen. In diesem „Tatort“ ist er nun beinahe ganz der Stenz: Er hängt, wann immer sich die Gelegenheit bietet, in Kneipen herum, interessiert sich für Frauen bzw. beklagt sich über mangelnden Erfolg bei der Damenwelt und agiert nicht immer sonderlich souverän, verfügt aber fast durchgehend über spitzbübischen Charme. Zudem spielt dieser mit einigem feinen Witz erzählte Fall fast schon demonstrativ in Schwabing.
„Jetzt machen Sie sich doch nicht unglücklich!“ – „Das bin ich schon lang!“
Von der medizinischen Massage geht’s ins Lokal, dann in die Rockerkneipe, wo Lenz inkognito – verkleidet als einer der ihren – ermittelt, aber zum Sound von Motörheads Evergreen „Ace of Spades“ gleich von der Wirtin enttarnt wird. So richtig zielführend sind die Ermittlungen zunächst nicht; Zeugenaussagen und Befragungen werden in Schwarzweiß-Rückblenden eingefügt, während die Polizei auf der Stelle zu treten scheint und sogar den „Stadtindianer“, einen alten, als amerikanischen Ureinwohner verkleideten, zivilen Ungehorsam übenden, kauzig-knorrigen Mann, als Täter in Betracht zieht. Lenz‘ Genie blitzt auf, als er sich nicht in die Irre führen lässt und nicht an Dallingers Schuld glaubt. In der Zeitungsredaktion gelangt Lenz schließlich auf die richtige Spur, nämlich die eines geschmierten Journalisten.
Eine weitere Schwarzweiß-Rückblende rekonstruiert gegen Ende, was sich vorm Totschlag zugetragen hatte, und letztlich auch – dann in Farbe – dessen Ausführung. So richtig gut inszeniert ist dieses Quasi-Finale nicht und zuvor wirkten bereits die Rocker alles andere als authentisch, eher wie verkleidete Komparsen mit Sprechrollen. Auch eine Discotanzszene ist im besten Falle kurios, im schlechtesten unfreiwillig komisch. Ferner hätte man in dieser frühen Gentrifizierungskritik die Unterschiede zwischen Hörmanns (titelgebenden) Schicki-Micki-Buden und der organisch gewachsenen Schwabinger Gastronomie- und Kulturlandschaft gern stärker hervorkehren dürfen. Grundsätzlich gut gelungen, wenn auch zuweilen etwas plakativ, ist aber die Vermischung der Themen Gentrifizierung und Kritik an käuflichem Journalismus, ohne in eine pauschale journalistenschelte zu verfallen, wenngleich die Art der Inszenierung angesichts der verhandelten Thematik etwas arg leichtfüßig inszeniert wirkt – und sich wieder ein bisschen viel für nordischere Ohren unverständliches Bayrisch in die Dialoge eingeschlichen hat.
Nichtsdestotrotz möchte man am Schluss am liebsten sofort mit Lenz noch ein Bier trinken gehen.
„Auch unter den Kriminellen gibt es Anständige und weniger Anständige.“
Ludwig Lenz‘ (Helmut Fischer) fünfter Fall als Kriminalhauptkommissar entstand im September und Oktober des Jahres 1985 unter der Regie Hans-Reinhard Müllers („Tiefe blaue See“), der damit seinen einzigen „Tatort“ inszenierte und zugleich seine letzte Regiearbeit ablieferte. Der am 29. Dezember 1985 erstausgestrahlte Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe basiert auf den Erfahrungen der „Süddeutsche Zeitung“-Journalisten Ernst Fischer und Herbert Riehl-Heyse, die auch das Drehbuch verfassten.
„Das hat eine Methode!“
Stadtrat Völk (Norbert Gastell, „Die Wiesingers“) hält bei den Feierlichkeiten eines neuen Nobelrestaurants im Münchner Stadtteil Schwabing eine Lobrede auf Großgastronom Hörmann (Hans-Reinhard Müller, „Die Undankbare“), während der „Stadtindianer“ und ehemalige Gastronom Dallinger (Volker Prechtel, „Jeder für sich und Gott gegen alle“) draußen vor der Tür gegen die von Hörmann betriebene zunehmende Gentrifizierung des Stadtteils, in deren Zuge alteingesessene Lokale auch mit unlauteren Methoden verdrängt werden, lauthals anschimpft. In der Redaktion einer Münchner Tageszeitung kritisiert der sozial engagierte Journalist Zoller (Felix von Manteuffel, „Marie Ward – Zwischen Galgen und Glorie“) eben diese Verdrängung und verabredet sich telefonisch mit einem Informanten, wovon weder sein Chef noch sein Kollege Richert (Erich Hallhuber junior, „Geschichten aus dem Nachbarhaus“) sonderlich begeistert sind. Zunächst aber trifft er sich in einem Schwabinger Lokal zusammen mit seiner Kollegin Vera Jansen (Hannelore Elsner, „Die Herren mit der weißen Weste“) für eine Reportage mit Kriminalhauptkommissar Lenz und dessen Stammtischbrüdern. Als eine Gruppe Rocker dort Ärger macht, lässt Zoller sich auf eine Prügelei mit ihnen ein und folgt ihnen, als sie das Weite suchen wollen. Am nächsten Morgen wird er erschlagen im Englischen Garten aufgefunden. Der Verdacht fällt sofort auf die Rocker…
„A g’scheiter Indianer kennt keinen Schmerz!“
Nach seinen ersten „Tatorten“, in denen Helmut Fischer den Hauptermittler verkörperte, wurde die famose und überaus publikumswirksame Vorabendserie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ ausgestrahlt, was zur Folge hatte, dass Fischer fortan vornehmlich mit jener Rolle des charmanten, aber auch belächelnswerten Schwabinger Lebemanns in Verbindung gebracht wurde – zumal Lenz und der Stenz nicht nur phonetisch von vornherein gewisse Parallelen aufwiesen. In diesem „Tatort“ ist er nun beinahe ganz der Stenz: Er hängt, wann immer sich die Gelegenheit bietet, in Kneipen herum, interessiert sich für Frauen bzw. beklagt sich über mangelnden Erfolg bei der Damenwelt und agiert nicht immer sonderlich souverän, verfügt aber fast durchgehend über spitzbübischen Charme. Zudem spielt dieser mit einigem feinen Witz erzählte Fall fast schon demonstrativ in Schwabing.
„Jetzt machen Sie sich doch nicht unglücklich!“ – „Das bin ich schon lang!“
Von der medizinischen Massage geht’s ins Lokal, dann in die Rockerkneipe, wo Lenz inkognito – verkleidet als einer der ihren – ermittelt, aber zum Sound von Motörheads Evergreen „Ace of Spades“ gleich von der Wirtin enttarnt wird. So richtig zielführend sind die Ermittlungen zunächst nicht; Zeugenaussagen und Befragungen werden in Schwarzweiß-Rückblenden eingefügt, während die Polizei auf der Stelle zu treten scheint und sogar den „Stadtindianer“, einen alten, als amerikanischen Ureinwohner verkleideten, zivilen Ungehorsam übenden, kauzig-knorrigen Mann, als Täter in Betracht zieht. Lenz‘ Genie blitzt auf, als er sich nicht in die Irre führen lässt und nicht an Dallingers Schuld glaubt. In der Zeitungsredaktion gelangt Lenz schließlich auf die richtige Spur, nämlich die eines geschmierten Journalisten.
Eine weitere Schwarzweiß-Rückblende rekonstruiert gegen Ende, was sich vorm Totschlag zugetragen hatte, und letztlich auch – dann in Farbe – dessen Ausführung. So richtig gut inszeniert ist dieses Quasi-Finale nicht und zuvor wirkten bereits die Rocker alles andere als authentisch, eher wie verkleidete Komparsen mit Sprechrollen. Auch eine Discotanzszene ist im besten Falle kurios, im schlechtesten unfreiwillig komisch. Ferner hätte man in dieser frühen Gentrifizierungskritik die Unterschiede zwischen Hörmanns (titelgebenden) Schicki-Micki-Buden und der organisch gewachsenen Schwabinger Gastronomie- und Kulturlandschaft gern stärker hervorkehren dürfen. Grundsätzlich gut gelungen, wenn auch zuweilen etwas plakativ, ist aber die Vermischung der Themen Gentrifizierung und Kritik an käuflichem Journalismus, ohne in eine pauschale journalistenschelte zu verfallen, wenngleich die Art der Inszenierung angesichts der verhandelten Thematik etwas arg leichtfüßig inszeniert wirkt – und sich wieder ein bisschen viel für nordischere Ohren unverständliches Bayrisch in die Dialoge eingeschlichen hat.
Nichtsdestotrotz möchte man am Schluss am liebsten sofort mit Lenz noch ein Bier trinken gehen.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Geisterfahrt
„Hier wird nichts ausgefahren, ist’n Tatort!“
Nach nur sechs (respektive fünf, wenn man Lindholms Solo-Exkurs abzieht) Fällen zerbricht das Göttinger „Tatort“-Team aus Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) in diesem von Christine Hartmann und Stefan Dähnert geschriebenen und von Hartmann auch inszenierten Kriminal-/Sozialdrama. Es ist ihre bereits zehnte Regiearbeit für die öffentlich-rechtliche Krimireihe. „Geisterfahrt“ wurde bereits gegen Ende des Jahres 2022 gedreht und auf dem Filmfest Oldenburg am 16. September 2023 uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte erst am 11. Februar 2024.
„Bei Stress ham‘ die keine Möglichkeit, ‘ne Toilette aufzusuchen.“
Der rumänischstämmige DDP-Paketfahrer Ilie Balan (Adrian Djokic, „Wolfsland: Tote schlafen schlecht“) fährt mit seinem Lieferwagen in eine Menschenmenge, die Folge sind Tote und Verletzte – zu letzteren zählt auch er; schwerverletzt kommt er auf die Intensivstation des Krankenhauses, wo er im Koma um sein Leben kämpft. Kurz zuvor hatte er noch ein Paket an die Polizei ausgeliefert, wo er auch Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm begegnet war. Diese will nicht so recht an die insbesondere von ihrem Vorgesetzen, Kriminaldirektor Gerd Liebig (Luc Feit, „Erkan & Stefan“), vertretene These glauben, es habe sich um eine terroristisch motivierte Amokfahrt gehandelt. Zusammen mit ihrer Kollegin Anaïs Schmitz ermittelt sie bei DDP, wo sie auf ein Geflecht aus Sub- und Subsubunternehmen sowie prekäre Arbeitsbedingungen trifft. DDP-Subunternehmer Mischa Reichelt (Christoph Letkowski, „Feuchtgebiete“) scheint gegen Liebig, der Probleme mit seiner Ehefrau Tereza (Bibiana Beglau, „1000 Arten Regen zu beschreiben“) hat, mit irgendetwas in der Hand zu haben und zeigt sich bei den Ermittlungen wenig kooperativ; und das angespannte Verhältnis zwischen Lindholm und Schmitz wird auf eine weitere Zerreißprobe gestellt…
„Täter sind oft selbst Opfer.“
Wir sehen zunächst eine Übergabe vertraulicher Informationen von Reichelt an Liebig, ohne uns so recht etwas darunter vorstellen zu können. Daraus versucht diese „Tatort“-Episode jedoch Spannung und Rätselraten zu generieren, denn der eigentliche Fall ist weitestgehend klar. Dieser wird in einer 24 Stunden zurückliegenden Rückblende inszeniert: Liebig feierte seinen 60. Geburtstag im Kollegenkreis, eines seiner Geburtstagsgeschenke wurde mit leichter Verspätung vom abgehetzten DDP-Fahrer Balan zugestellt. Parallel wird skizziert, wie stressig es bei DDP zugeht. Auf der Feier sorgt das Göttingen-Lied der französischen Chanson-Sängerin Barbara für ein wenig Lokalkolorit. Balans Unfall ist dann unschwer erkennbar auf seine Überlastung zurückzuführen, der ausgesprochene Amokfahrt-Verdacht für die Zuschauerinnen und Zuschauer somit hinfällig.
„Alle Fahrer agieren komplett eigenverantwortlich!“
Wie im im Dezember des Vorjahrs ausgestrahlten „Tatort: Des anderen Last“ dreht sich die Handlung von nun an um die Schattenseiten der Paketlieferbranche. Ein gesellschaftlich und politisch relevantes Thema, das hier nun aber leider wenig originell erscheint, da die Ausstrahlung des artverwandten (und fast zeitgleich mit „Geisterfahrt“ gedrehten) Kölner „Tatorts“ erst kurz zurückliegt. In Göttingen jedoch verliert man diesen Fokus bald zunehmend aus den Augen, und zwar zugunsten persönlicher Verbindungen der Figuren, die sich nach und nach herauskristallisieren. Es stellt sich heraus, dass DDP-Subunternehmer Reichelt Polizeichef Liebig erpresst, weshalb dieser die Ermittlungen sabotiert. Womit genau, weiß man noch nicht, lässt sich jedoch umso besser erahnen, je mehr sich der Verdacht häuslicher Gewalt Liebigs gegen seine Frau Tereza erhärtet. Dies verlegt den Fall endgültig auf eine persönliche Ebene. Reichelt darf immerhin versuchen, die Verantwortung für die Missstände seiner Branche auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuwälzen, bevor in einem dritten Handlungsstrang die horizontale Erzählung der Göttinger „Tatorte“ weiter- und auserzählt wird.
„Der Fisch stinkt immer vom Kopf!“
Gerichtsmediziner Nick Schmitz (Daniel Donskoy), Anaïs‘ Ehemann, liegt ein Stellenangebot aus Wien vor, mit dem er liebäugelt. Lindholm und er scheint so etwas wie Torschlusspanik zu befallen, anders ist das reichlich unmotiviert und vor allem unüberlegt wirkende, natürlich offscreen (und offenbar mit anbehaltener Unterwäsche) stattfindende Schäferstündchen der beiden miteinander nur schwer zu erklären. Zumindest versucht es die Handlung gar nicht erst. Mehr noch als zuvor regiert von nun an das Drama, das um den trauernden Vater (Attila Georg Borlan, „Die Ungewollten – Die Irrfahrt der St. Louis“) des DDP-Fahrers sogar noch erweitert wird. Die eigentlichen Ermittlungen fördern Aufputschmittel zutage, die in Balans Blut seltsamerweise gar nicht nachgewiesen wurden, doch die Nebenschauplätze dominieren mittlerweile den „Tatort“. Lindholm sucht ihre Psychologin auf und begibt sich auf eigene Faust in Ermittlungen gegen ihren Vorgesetzten. Ein gelungener dramaturgischer Kniff ist hierbei die Visualisierung ihrer Vermutungen und der Entgegnungen ihrer Psychologin, von der man zunächst nicht weiß, ob sie nicht auch die realen Ereignisse widerspiegelt – auch wenn man darüber nur kurz im Unklaren gelassen wird. Am Ende von „Geisterfahrt“ schlagen neben den Opfern aus Balans Unfallfahrt (die der Handlung keinerlei Aufmerksamkeit wert sind) zwei Tote und ein Selbstmordversuch zu Buche.
Und eben das Ende eines „Tatort“-Teams. Lindholm wird zurück nach Hannover gehen. Lindholm und Schmitz wurden für Freundinnen und Freunde des Dramas von vornherein als dysfunktionales Team angelegt, und wie wir jetzt wissen, ohne dass man sich im Laufe der Zeit so richtig zusammenraufen und zu „Buddys“ werden würde. Statt das dramatische Potential der Kriminalfälle auszuschöpfen, wird insbesondere in „Geisterfahrt“ eine über- und damit wenig glaubwürdig konstruierte Handlung fast schon nach Seifenoper-Manier aufgesetzt, die voller persönlicher Verwicklungen steckt, als handele sich bei der Universitätsstadt Göttingen um ein kleines Kaff, in dem jeder mit jedem klüngelt. Mit einer grundsätzlich interessanten Kommissarinnenfigur wie Anaïs Schmitz schien man in der „Tatort“-Redaktion wenig anfangen zu können, jedenfalls machte man nicht viel mehr aus ihr als die exotische, schroffe Schwarze mit der Glatze. So unnahbar, wie ihre Rolle auf andere Figuren wirken soll, blieb sie letztlich dann leider auch fürs Publikum. Nach Fällen wie dem Debüt „Das verschwundene Kind“ oder „National feminin“ ist all das ziemlich schade.
Die ungemütliche herbstliche Stimmung dieses Falls verführt weniger dazu, sich in Melancholie fallenzulassen, sondern eher, ihr möglichst bald wieder entkommen zu wollen. Nach rund eineinhalb Stunden hat man die Gelegenheit und darf gespannt sein, welches Unheil die eigenartige Kommissarin Lindholm als nächstes in Hannover anrichten wird. Oder man nutzt die Gelegenheit des Teambruchs, zukünftig einen „Tatort“-Ableger weniger im sonntäglichen Glotzplan vorzusehen…
„Hier wird nichts ausgefahren, ist’n Tatort!“
Nach nur sechs (respektive fünf, wenn man Lindholms Solo-Exkurs abzieht) Fällen zerbricht das Göttinger „Tatort“-Team aus Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) in diesem von Christine Hartmann und Stefan Dähnert geschriebenen und von Hartmann auch inszenierten Kriminal-/Sozialdrama. Es ist ihre bereits zehnte Regiearbeit für die öffentlich-rechtliche Krimireihe. „Geisterfahrt“ wurde bereits gegen Ende des Jahres 2022 gedreht und auf dem Filmfest Oldenburg am 16. September 2023 uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte erst am 11. Februar 2024.
„Bei Stress ham‘ die keine Möglichkeit, ‘ne Toilette aufzusuchen.“
Der rumänischstämmige DDP-Paketfahrer Ilie Balan (Adrian Djokic, „Wolfsland: Tote schlafen schlecht“) fährt mit seinem Lieferwagen in eine Menschenmenge, die Folge sind Tote und Verletzte – zu letzteren zählt auch er; schwerverletzt kommt er auf die Intensivstation des Krankenhauses, wo er im Koma um sein Leben kämpft. Kurz zuvor hatte er noch ein Paket an die Polizei ausgeliefert, wo er auch Kriminalhauptkommissarin Charlotte Lindholm begegnet war. Diese will nicht so recht an die insbesondere von ihrem Vorgesetzen, Kriminaldirektor Gerd Liebig (Luc Feit, „Erkan & Stefan“), vertretene These glauben, es habe sich um eine terroristisch motivierte Amokfahrt gehandelt. Zusammen mit ihrer Kollegin Anaïs Schmitz ermittelt sie bei DDP, wo sie auf ein Geflecht aus Sub- und Subsubunternehmen sowie prekäre Arbeitsbedingungen trifft. DDP-Subunternehmer Mischa Reichelt (Christoph Letkowski, „Feuchtgebiete“) scheint gegen Liebig, der Probleme mit seiner Ehefrau Tereza (Bibiana Beglau, „1000 Arten Regen zu beschreiben“) hat, mit irgendetwas in der Hand zu haben und zeigt sich bei den Ermittlungen wenig kooperativ; und das angespannte Verhältnis zwischen Lindholm und Schmitz wird auf eine weitere Zerreißprobe gestellt…
„Täter sind oft selbst Opfer.“
Wir sehen zunächst eine Übergabe vertraulicher Informationen von Reichelt an Liebig, ohne uns so recht etwas darunter vorstellen zu können. Daraus versucht diese „Tatort“-Episode jedoch Spannung und Rätselraten zu generieren, denn der eigentliche Fall ist weitestgehend klar. Dieser wird in einer 24 Stunden zurückliegenden Rückblende inszeniert: Liebig feierte seinen 60. Geburtstag im Kollegenkreis, eines seiner Geburtstagsgeschenke wurde mit leichter Verspätung vom abgehetzten DDP-Fahrer Balan zugestellt. Parallel wird skizziert, wie stressig es bei DDP zugeht. Auf der Feier sorgt das Göttingen-Lied der französischen Chanson-Sängerin Barbara für ein wenig Lokalkolorit. Balans Unfall ist dann unschwer erkennbar auf seine Überlastung zurückzuführen, der ausgesprochene Amokfahrt-Verdacht für die Zuschauerinnen und Zuschauer somit hinfällig.
„Alle Fahrer agieren komplett eigenverantwortlich!“
Wie im im Dezember des Vorjahrs ausgestrahlten „Tatort: Des anderen Last“ dreht sich die Handlung von nun an um die Schattenseiten der Paketlieferbranche. Ein gesellschaftlich und politisch relevantes Thema, das hier nun aber leider wenig originell erscheint, da die Ausstrahlung des artverwandten (und fast zeitgleich mit „Geisterfahrt“ gedrehten) Kölner „Tatorts“ erst kurz zurückliegt. In Göttingen jedoch verliert man diesen Fokus bald zunehmend aus den Augen, und zwar zugunsten persönlicher Verbindungen der Figuren, die sich nach und nach herauskristallisieren. Es stellt sich heraus, dass DDP-Subunternehmer Reichelt Polizeichef Liebig erpresst, weshalb dieser die Ermittlungen sabotiert. Womit genau, weiß man noch nicht, lässt sich jedoch umso besser erahnen, je mehr sich der Verdacht häuslicher Gewalt Liebigs gegen seine Frau Tereza erhärtet. Dies verlegt den Fall endgültig auf eine persönliche Ebene. Reichelt darf immerhin versuchen, die Verantwortung für die Missstände seiner Branche auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuwälzen, bevor in einem dritten Handlungsstrang die horizontale Erzählung der Göttinger „Tatorte“ weiter- und auserzählt wird.
„Der Fisch stinkt immer vom Kopf!“
Gerichtsmediziner Nick Schmitz (Daniel Donskoy), Anaïs‘ Ehemann, liegt ein Stellenangebot aus Wien vor, mit dem er liebäugelt. Lindholm und er scheint so etwas wie Torschlusspanik zu befallen, anders ist das reichlich unmotiviert und vor allem unüberlegt wirkende, natürlich offscreen (und offenbar mit anbehaltener Unterwäsche) stattfindende Schäferstündchen der beiden miteinander nur schwer zu erklären. Zumindest versucht es die Handlung gar nicht erst. Mehr noch als zuvor regiert von nun an das Drama, das um den trauernden Vater (Attila Georg Borlan, „Die Ungewollten – Die Irrfahrt der St. Louis“) des DDP-Fahrers sogar noch erweitert wird. Die eigentlichen Ermittlungen fördern Aufputschmittel zutage, die in Balans Blut seltsamerweise gar nicht nachgewiesen wurden, doch die Nebenschauplätze dominieren mittlerweile den „Tatort“. Lindholm sucht ihre Psychologin auf und begibt sich auf eigene Faust in Ermittlungen gegen ihren Vorgesetzten. Ein gelungener dramaturgischer Kniff ist hierbei die Visualisierung ihrer Vermutungen und der Entgegnungen ihrer Psychologin, von der man zunächst nicht weiß, ob sie nicht auch die realen Ereignisse widerspiegelt – auch wenn man darüber nur kurz im Unklaren gelassen wird. Am Ende von „Geisterfahrt“ schlagen neben den Opfern aus Balans Unfallfahrt (die der Handlung keinerlei Aufmerksamkeit wert sind) zwei Tote und ein Selbstmordversuch zu Buche.
Und eben das Ende eines „Tatort“-Teams. Lindholm wird zurück nach Hannover gehen. Lindholm und Schmitz wurden für Freundinnen und Freunde des Dramas von vornherein als dysfunktionales Team angelegt, und wie wir jetzt wissen, ohne dass man sich im Laufe der Zeit so richtig zusammenraufen und zu „Buddys“ werden würde. Statt das dramatische Potential der Kriminalfälle auszuschöpfen, wird insbesondere in „Geisterfahrt“ eine über- und damit wenig glaubwürdig konstruierte Handlung fast schon nach Seifenoper-Manier aufgesetzt, die voller persönlicher Verwicklungen steckt, als handele sich bei der Universitätsstadt Göttingen um ein kleines Kaff, in dem jeder mit jedem klüngelt. Mit einer grundsätzlich interessanten Kommissarinnenfigur wie Anaïs Schmitz schien man in der „Tatort“-Redaktion wenig anfangen zu können, jedenfalls machte man nicht viel mehr aus ihr als die exotische, schroffe Schwarze mit der Glatze. So unnahbar, wie ihre Rolle auf andere Figuren wirken soll, blieb sie letztlich dann leider auch fürs Publikum. Nach Fällen wie dem Debüt „Das verschwundene Kind“ oder „National feminin“ ist all das ziemlich schade.
Die ungemütliche herbstliche Stimmung dieses Falls verführt weniger dazu, sich in Melancholie fallenzulassen, sondern eher, ihr möglichst bald wieder entkommen zu wollen. Nach rund eineinhalb Stunden hat man die Gelegenheit und darf gespannt sein, welches Unheil die eigenartige Kommissarin Lindholm als nächstes in Hannover anrichten wird. Oder man nutzt die Gelegenheit des Teambruchs, zukünftig einen „Tatort“-Ableger weniger im sonntäglichen Glotzplan vorzusehen…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- buxtebrawler
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Tatort: Leiche im Keller
„Ich schreib‘ dir ‘ne Karte!“
In seinem vierten Fall bekommt der Hamburger „Tatort“-Kriminalhauptkommissar Paul Stoever (Manfred Krug) seinen Partner Peter Brockmöller (Charles Brauer) zur Seite gestellt, der ihm bis zu seinem Ausstieg die Treue halten sollte. „Leiche im Keller“ wurde von Kurt Bartsch geschrieben und von Pete Ariel inszeniert, der damit bei seiner dritten von insgesamt neun Episoden der öffentlich-rechtlichen Krimireihe Regie führte. Die Erstausstrahlung erfolgte am 31. März 1986.
„Was gibt’s denn zum Frühstück?“ – „Eier im Glas!“
Wachmann Herbert Koslowski (Holger Mahlich, „Stammheim“) überfällt einen Geldtransport seines Arbeitgebers und lässt den Fahrer gefesselt und geknebelt zurück. Er erbeutet fast zwei Millionen DM. Mit seinem eineiigen Zwillingsbruder und Komplizen Karl (ebenfalls Holger Mahlich) kommt es zum Streit, weil sich beide gegenseitig misstrauen und zu übervorteilen versuchen. Der Streit eskaliert, Herbert bringt seinen Bruder um und nimmt dessen Identität an, während die Behörden den Leichnam für den verblichenen Herbert halten. Doch Karl, der seinen Lebensunterhalt als Fotograf verdiente, hatte mehr Dreck am Stecken, als Herbert ahnte – und dieser holt ihn nach und nach ein…
Am beeindruckendsten ist zunächst der coole ‘80s-as-fuck-Synthierock-Song „Money Is The Power“ im dialoglosen Auftakt, den Komponist Franz Bartzsch unter dem Pseudonym „F.B. Eye“ eigens für diesen „Tatort“ aufgenommen hat (und der als 7“-Single veröffentlicht wurde). Die recht laut und dominant eingesetzte Musik zieht sich als wiederkehrendes Thema durch die gesamte Episode. Brockmöller wird eingeführt, indem man ihn beim Frühstück mit seiner Tochter im Teenie-Alter Suse (Traudel Sperber, „Tatort: 30 Liter Super“) zeigt, während dessen er vom Überfall erfährt.
Die Koslowski-Brüder hassen sich und bekämpfen sich bis aufs Blut. Nur für kurze Zeit macht sich Regisseur Ariel einen Spaß daraus, sein Publikum darüber im Unklaren zu lassen, wer als Überlebender hervorgegangen ist, ob also ein Identitätstausch stattgefunden hat oder nicht. Dies wird recht bald aufgelöst, bietet aber auch ohne Whoisit? und Whodunit? genügend Potential für eine reizvolle Räuberpistole. Dass es einen zweiten Toten gibt, nämlich den unglücklich am Knebel erstickten Fahrer, erfährt Herbert aus der Zeitung – was sein Bruder auf dem Kerbholz hatte, jedoch von der Polizei und einem Kiezganoven (Nicolas Brieger, „Tatort: Das Haus im Wald“). Konkret geht es um minderjährige Aktmodelle, die an ausländische Bordelle verschachert wurden. Dieses pikante Thema wird frei von jeglichem falschen Sleaze oder reißerischer, boulevardesker Sensationsgier aufgegriffen, was jedoch im Umkehrschluss leider auch bedeutet, dass es nicht tiefgehender verfolgt wird.
Und wer beispielsweise glaubte, dass Brockmöllers Tochter eventuell in diese Machenschaften involviert werden würde, sieht sich getäuscht: Sie spielt nach der Frühstücksszene keinerlei Rolle mehr. Auch wird hier kein Pädo-Ring zerschlagen. Jedoch führt man mit Angelika Winter (Beate Finckh, „Ich oder du“) eine Figur ein, die Koslowski auf eigene Faust zur Rechenschaft ziehen will, aber auch Kommissar Stoever kennenlernt und unbewusst zur entscheidenden Hinweisgeberin wird. Stoevers Blick – und Gedächtnis – für Details hilft ihm schließlich, den Fall zu lösen. Bis dahin bekommt man noch ein bisschen Kiez ohne die entsprechende Folklore geboten, dafür mit klassischer Polizeiarbeit in Form einer Beschattung, die in eine kleine Verfolgungsjagd und einen schönen Taxitrick des Gangsters mündet, mit dem er die Polizei an der Nase herumführt.
„Leiche im Keller“ ist relativ langsam erzählt, meist, um die Lässigkeit oder Nachdenklichkeit handelnder Figuren zu verbildlichen. Dies resultiert in einem nach dem Auftakt recht gedrosselten Tempo, das alles etwas schaumgebremst wirken lässt. Zudem wird das volle Potential der Geschichte kaum ausgeschöpft. Eines der vermissten Mädchen sieht auf einem der Fotos interessanterweise nach Punkerin aus, aber auch Subkultur bleibt außen vor. Das Buch konzentriert sich dann eben doch in erster Linie auf Herbert Koslowski und auf die gruselige Vorstellung, nach einem vermeintlich vorteilhaften Identitätsdiebstahl überraschend schlechter dran zu sein als zuvor – und aus diesem Dilemma auch als abgebrühter Kapitalverbrecher kaum einen Ausweg zu finden. Mahlich spielt seine Doppelrolle überzeugend, gemeinsame Szenen beider Rollen sind aber sehr simpel getrickst. Brockmöller hingegen ist eigentlich einfach nur da, darf immerhin einen Zuhälter in einer Befragung ohrfeigen. Stoever erscheint dafür umso souveräner. 6,5 von 10 Solariumsbesuchen ist mir das wert, allerdings inklusive nicht ungefährem ‘80er-Bonus.
„Ich schreib‘ dir ‘ne Karte!“
In seinem vierten Fall bekommt der Hamburger „Tatort“-Kriminalhauptkommissar Paul Stoever (Manfred Krug) seinen Partner Peter Brockmöller (Charles Brauer) zur Seite gestellt, der ihm bis zu seinem Ausstieg die Treue halten sollte. „Leiche im Keller“ wurde von Kurt Bartsch geschrieben und von Pete Ariel inszeniert, der damit bei seiner dritten von insgesamt neun Episoden der öffentlich-rechtlichen Krimireihe Regie führte. Die Erstausstrahlung erfolgte am 31. März 1986.
„Was gibt’s denn zum Frühstück?“ – „Eier im Glas!“
Wachmann Herbert Koslowski (Holger Mahlich, „Stammheim“) überfällt einen Geldtransport seines Arbeitgebers und lässt den Fahrer gefesselt und geknebelt zurück. Er erbeutet fast zwei Millionen DM. Mit seinem eineiigen Zwillingsbruder und Komplizen Karl (ebenfalls Holger Mahlich) kommt es zum Streit, weil sich beide gegenseitig misstrauen und zu übervorteilen versuchen. Der Streit eskaliert, Herbert bringt seinen Bruder um und nimmt dessen Identität an, während die Behörden den Leichnam für den verblichenen Herbert halten. Doch Karl, der seinen Lebensunterhalt als Fotograf verdiente, hatte mehr Dreck am Stecken, als Herbert ahnte – und dieser holt ihn nach und nach ein…
Am beeindruckendsten ist zunächst der coole ‘80s-as-fuck-Synthierock-Song „Money Is The Power“ im dialoglosen Auftakt, den Komponist Franz Bartzsch unter dem Pseudonym „F.B. Eye“ eigens für diesen „Tatort“ aufgenommen hat (und der als 7“-Single veröffentlicht wurde). Die recht laut und dominant eingesetzte Musik zieht sich als wiederkehrendes Thema durch die gesamte Episode. Brockmöller wird eingeführt, indem man ihn beim Frühstück mit seiner Tochter im Teenie-Alter Suse (Traudel Sperber, „Tatort: 30 Liter Super“) zeigt, während dessen er vom Überfall erfährt.
Die Koslowski-Brüder hassen sich und bekämpfen sich bis aufs Blut. Nur für kurze Zeit macht sich Regisseur Ariel einen Spaß daraus, sein Publikum darüber im Unklaren zu lassen, wer als Überlebender hervorgegangen ist, ob also ein Identitätstausch stattgefunden hat oder nicht. Dies wird recht bald aufgelöst, bietet aber auch ohne Whoisit? und Whodunit? genügend Potential für eine reizvolle Räuberpistole. Dass es einen zweiten Toten gibt, nämlich den unglücklich am Knebel erstickten Fahrer, erfährt Herbert aus der Zeitung – was sein Bruder auf dem Kerbholz hatte, jedoch von der Polizei und einem Kiezganoven (Nicolas Brieger, „Tatort: Das Haus im Wald“). Konkret geht es um minderjährige Aktmodelle, die an ausländische Bordelle verschachert wurden. Dieses pikante Thema wird frei von jeglichem falschen Sleaze oder reißerischer, boulevardesker Sensationsgier aufgegriffen, was jedoch im Umkehrschluss leider auch bedeutet, dass es nicht tiefgehender verfolgt wird.
Und wer beispielsweise glaubte, dass Brockmöllers Tochter eventuell in diese Machenschaften involviert werden würde, sieht sich getäuscht: Sie spielt nach der Frühstücksszene keinerlei Rolle mehr. Auch wird hier kein Pädo-Ring zerschlagen. Jedoch führt man mit Angelika Winter (Beate Finckh, „Ich oder du“) eine Figur ein, die Koslowski auf eigene Faust zur Rechenschaft ziehen will, aber auch Kommissar Stoever kennenlernt und unbewusst zur entscheidenden Hinweisgeberin wird. Stoevers Blick – und Gedächtnis – für Details hilft ihm schließlich, den Fall zu lösen. Bis dahin bekommt man noch ein bisschen Kiez ohne die entsprechende Folklore geboten, dafür mit klassischer Polizeiarbeit in Form einer Beschattung, die in eine kleine Verfolgungsjagd und einen schönen Taxitrick des Gangsters mündet, mit dem er die Polizei an der Nase herumführt.
„Leiche im Keller“ ist relativ langsam erzählt, meist, um die Lässigkeit oder Nachdenklichkeit handelnder Figuren zu verbildlichen. Dies resultiert in einem nach dem Auftakt recht gedrosselten Tempo, das alles etwas schaumgebremst wirken lässt. Zudem wird das volle Potential der Geschichte kaum ausgeschöpft. Eines der vermissten Mädchen sieht auf einem der Fotos interessanterweise nach Punkerin aus, aber auch Subkultur bleibt außen vor. Das Buch konzentriert sich dann eben doch in erster Linie auf Herbert Koslowski und auf die gruselige Vorstellung, nach einem vermeintlich vorteilhaften Identitätsdiebstahl überraschend schlechter dran zu sein als zuvor – und aus diesem Dilemma auch als abgebrühter Kapitalverbrecher kaum einen Ausweg zu finden. Mahlich spielt seine Doppelrolle überzeugend, gemeinsame Szenen beider Rollen sind aber sehr simpel getrickst. Brockmöller hingegen ist eigentlich einfach nur da, darf immerhin einen Zuhälter in einer Befragung ohrfeigen. Stoever erscheint dafür umso souveräner. 6,5 von 10 Solariumsbesuchen ist mir das wert, allerdings inklusive nicht ungefährem ‘80er-Bonus.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf Rostock: Diebe
Eine Junkie Frau mit kleiner Tochter schlägt sich mit Einbruch und Diebstählen durch. Bei einem Einstieg in ein Haus finden sie eine Leiche. Involviert sind noch der taxifahrende Ehemann und ein Immobilienfonds einer Wohlfahrtsorganisation.
Auf der persönlichen Ebene muss Katrin König muss mit ihrem übergriffigen, nach 40 Jahren aufgetauchten Vater zu Recht kommen. Melly Böwe interessiert mehr die persönliche Situation der Zeugin, und ein neuer, widerlicher Staatsanwalt manipuliert Thiesler.
Der Fall ist wirklich spannend, und gut erzählt, man erfährt nach und nach immer mehr zum Gesamtbild. Böwes und Thieslers Geschichte gehören ja direkt zum Fall, passt insofern, Königs Geschichte nimmt ob des recht verwickelten Falls ein bisschen zu viel Platz ein, und sie ermittelt kaum. Und die gut besetzten Nebendarsteller zu wenig Screentime.
Insgesamt hat er mir gut gefallen, vielleicht noch zwei kleine Kritikpunkte: Meira Durand spielt überzeugend den Junkie, ist aber zu glamourös im Aussehen. Und das Melly Böwe das fast schon klassische Tatort -Trauma bekommt, finde ich drüber.
Eine Junkie Frau mit kleiner Tochter schlägt sich mit Einbruch und Diebstählen durch. Bei einem Einstieg in ein Haus finden sie eine Leiche. Involviert sind noch der taxifahrende Ehemann und ein Immobilienfonds einer Wohlfahrtsorganisation.
Auf der persönlichen Ebene muss Katrin König muss mit ihrem übergriffigen, nach 40 Jahren aufgetauchten Vater zu Recht kommen. Melly Böwe interessiert mehr die persönliche Situation der Zeugin, und ein neuer, widerlicher Staatsanwalt manipuliert Thiesler.
Der Fall ist wirklich spannend, und gut erzählt, man erfährt nach und nach immer mehr zum Gesamtbild. Böwes und Thieslers Geschichte gehören ja direkt zum Fall, passt insofern, Königs Geschichte nimmt ob des recht verwickelten Falls ein bisschen zu viel Platz ein, und sie ermittelt kaum. Und die gut besetzten Nebendarsteller zu wenig Screentime.
Insgesamt hat er mir gut gefallen, vielleicht noch zwei kleine Kritikpunkte: Meira Durand spielt überzeugend den Junkie, ist aber zu glamourös im Aussehen. Und das Melly Böwe das fast schon klassische Tatort -Trauma bekommt, finde ich drüber.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Was mich positiv überrascht hat: Der hatte so einige recht witzige Dialoge…karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mo 26. Feb 2024, 15:54 Polizeiruf Rostock: Diebe
Eine Junkie Frau mit kleiner Tochter schlägt sich mit Einbruch und Diebstählen durch. Bei einem Einstieg in ein Haus finden sie eine Leiche. Involviert sind noch der taxifahrende Ehemann und ein Immobilienfonds einer Wohlfahrtsorganisation.
Auf der persönlichen Ebene muss Katrin König muss mit ihrem übergriffigen, nach 40 Jahren aufgetauchten Vater zu Recht kommen. Melly Böwe interessiert mehr die persönliche Situation der Zeugin, und ein neuer, widerlicher Staatsanwalt manipuliert Thiesler.
Der Fall ist wirklich spannend, und gut erzählt, man erfährt nach und nach immer mehr zum Gesamtbild. Böwes und Thieslers Geschichte gehören ja direkt zum Fall, passt insofern, Königs Geschichte nimmt ob des recht verwickelten Falls ein bisschen zu viel Platz ein, und sie ermittelt kaum. Und die gut besetzten Nebendarsteller zu wenig Screentime.
Insgesamt hat er mir gut gefallen, vielleicht noch zwei kleine Kritikpunkte: Meira Durand spielt überzeugend den Junkie, ist aber zu glamourös im Aussehen. Und das Melly Böwe das fast schon klassische Tatort -Trauma bekommt, finde ich drüber.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Diebe
„Hab‘ keine Angst, die ist nur tot.“
Der 28. Fall des Rostocker „Polizeiruf 110“-Strangs ist zugleich der vierte ohne Alexander Bukow, statt seiner befindet sich Melly Böwe (Lina Beckmann) an Kommissarin Katrin Königs (Anneke Kim Sarnau) Seite. „Diebe“ entstand nach einem Drehbuch Elke Schuchs bereits von Mai bis Juli 2022 unter der Regie Andreas Herzogs, der bereits den vorausgegangenen Rostocker Fall „Gespenster“ inszeniert hatte. Diesen hatte ich ausgespart, weil mich seine hyperdramatische Story nicht angesprochen hatte. Am Abend der „Diebe“-Erstausstrahlung am 25. Februar 2024 saß ich aber wieder pünktlich um 20:15 Uhr vor dem Glotzofen.
„Bei Junkies fang‘ ich mit Vertrauen auch gar nicht erst an!“
Die junge heroinabhängige Mascha Kovicz (Meira Durand, „Die zweite Welle“) geht regelmäßig mit ihrer fünfjährigen Tochter Holli (Mathilda Graf) auf Diebestour, hat sich mit ihr in einer heruntergekommenen Kleingartenparzelle einquartiert und versucht, ihr trotz allem eine gute Mutter zu sein. Als sie gemeinsam in ein Haus einsteigen, finden sie dort die Leiche der Bewohnerin. Was zunächst wie ein Haushaltsunfall aussieht, entpuppt sich als Mord durch Ersticken. Durch DNA-Spuren am Tatort gerät Mascha unter Verdacht, doch schnell macht sich auch der wesentlich jüngere Ehemann (Michael Stange, „Im Westen nichts Neues“) der Toten verdächtig. Dieser wiederum erzählt den ermittelnden Polizistinnen und Polizisten der Rostocker Kripo etwas von einem betrügerischen Investmentfonds des Wohlfahrtsverbands BSP…
„Ich bin nicht dein kostenloses Altersheim!“
Der Prolog zeigt Szenen aus dem Leben Maschas mit ihrem Kind: Aus der Gartenlaube geht’s zusammen in den Club, wo Mascha mit Männern flirtet, während Holli Taschendiebstähle begeht. Auf der Toilette setzt sich Mascha einen Schuss, ihr anschließendes Glücksempfinden wird visualisiert. Beim daraufhin verübten Einbruch dann der Leichenfund. Während man nach dieser beeindruckenden Eröffnung vielleicht noch rätselt, wie Mascha es zusammen mit Holli mir nichts, dir nichts in die Clubs schafft, wird die horizontale Erzählebene bemüht, indem Katrin Königs Erzeuger Günther Wernecke (Wolfgang Michael, „Hit Mom – Mörderische Weihnachten“) nach 40 Jahren überraschend bei seiner Tochter auf der Matte steht und den Kontakt zu ihr sucht, was diese irritiert bis ablehnend zur Kenntnis nimmt, er ihr aber nachzustellen beginnt.
„Du kannst gar kein Arschloch, oder?“
Parallel zu den anlaufenden polizeilichen Ermittlungen im als Unfall getarnten Mordfall gewährt die Handlung weitere Einblicke in Maschas und Hollis Leben. So belästigt Mascha einen Familienvater (Robin Sondermann, „Wer wir sind“) auf dessen Grundstück in einer gelackten Neubausiedlung. Die Frage nach dem Warum wird erst wesentlich später geklärt werden. Da die Polizei nach Mascha sucht, kreuzen sich bald die Wege. Mascha wird festgenommen und Holli zu Pflegerinnen gebracht. Die Trennung der beiden voneinander wird mittels Zeitlupe melodramatisiert. Tatsächlich ist die Handlung bemüht, Mascha nicht einseitig als Rabenmutter hin-, sondern die Tragik der Situation herauszustellen – was durchaus gelingt. Die beiden unterschiedlichen Kommissarinnentypen reagieren entsprechend verschieden darauf und gehen unterschiedlich damit um, was zu Meinungsverschiedenheiten führt.
Diese werden jedoch nicht bis zur völligen Eskalation hochgekocht, sondern im Regelfall konstruktiv zu lösen versucht. Dass König der verzweifelten Mascha in Bezug auf Holli ins Gesicht lügt, wird dabei problematisiert. Einen noch etwas tieferen Einblick in die polizeiliche Ermittlungsarbeit vermitteln Königs und Böwes männliche Kollegen, die parallel andere Spuren verfolgen. Darüber lernt man auch den wenig sympathischen neuen Staatsanwalt Benjamin Hinze (Maximilian Dirr, „Diaz – Don't Clean Up This Blood“) kennen. Der Ehemann der Toten scheint zunächst sehr ungelenk den Verdacht auf den BSP lenken zu wollen, doch es wird sich herausstellen, dass man gut daran tut, auch diesem Hinweis zu folgen. Eine Erpressung spielt ebenfalls eine Rolle – und hängt unmittelbar mit dem Fall zusammen.
Eine Menge los also im neuen „Polizeiruf“ und mehr wird hier auch nicht verraten. Alle Fäden werden relativ elegant zusammengefügt und gegen Ende zusätzlich eine überraschende Wendung platziert, sodass erst gar keine Langeweile aufkommt und das Zusehen Spaß macht, wenngleich das Miträtseln nicht immer die größte Herausforderung ist. Ferner wird Böwes Gutmütig- und Schusseligkeit mit schwerwiegenden Folgen ausgenutzt, was sie noch einige Episoden lang beschäftigen könnte. Schauspielerisch ist auch dieser Rostocker „Polizeiruf“ eine Wucht, einige hübsche maritime Bilder werden den Rostocker Tourismusverband freuen, und nach der berührenden Schlussszene lautet das Fazit (in etwa):
Never trust a cop, never trust a junkie, never trust a Finanzberater.
„Hab‘ keine Angst, die ist nur tot.“
Der 28. Fall des Rostocker „Polizeiruf 110“-Strangs ist zugleich der vierte ohne Alexander Bukow, statt seiner befindet sich Melly Böwe (Lina Beckmann) an Kommissarin Katrin Königs (Anneke Kim Sarnau) Seite. „Diebe“ entstand nach einem Drehbuch Elke Schuchs bereits von Mai bis Juli 2022 unter der Regie Andreas Herzogs, der bereits den vorausgegangenen Rostocker Fall „Gespenster“ inszeniert hatte. Diesen hatte ich ausgespart, weil mich seine hyperdramatische Story nicht angesprochen hatte. Am Abend der „Diebe“-Erstausstrahlung am 25. Februar 2024 saß ich aber wieder pünktlich um 20:15 Uhr vor dem Glotzofen.
„Bei Junkies fang‘ ich mit Vertrauen auch gar nicht erst an!“
Die junge heroinabhängige Mascha Kovicz (Meira Durand, „Die zweite Welle“) geht regelmäßig mit ihrer fünfjährigen Tochter Holli (Mathilda Graf) auf Diebestour, hat sich mit ihr in einer heruntergekommenen Kleingartenparzelle einquartiert und versucht, ihr trotz allem eine gute Mutter zu sein. Als sie gemeinsam in ein Haus einsteigen, finden sie dort die Leiche der Bewohnerin. Was zunächst wie ein Haushaltsunfall aussieht, entpuppt sich als Mord durch Ersticken. Durch DNA-Spuren am Tatort gerät Mascha unter Verdacht, doch schnell macht sich auch der wesentlich jüngere Ehemann (Michael Stange, „Im Westen nichts Neues“) der Toten verdächtig. Dieser wiederum erzählt den ermittelnden Polizistinnen und Polizisten der Rostocker Kripo etwas von einem betrügerischen Investmentfonds des Wohlfahrtsverbands BSP…
„Ich bin nicht dein kostenloses Altersheim!“
Der Prolog zeigt Szenen aus dem Leben Maschas mit ihrem Kind: Aus der Gartenlaube geht’s zusammen in den Club, wo Mascha mit Männern flirtet, während Holli Taschendiebstähle begeht. Auf der Toilette setzt sich Mascha einen Schuss, ihr anschließendes Glücksempfinden wird visualisiert. Beim daraufhin verübten Einbruch dann der Leichenfund. Während man nach dieser beeindruckenden Eröffnung vielleicht noch rätselt, wie Mascha es zusammen mit Holli mir nichts, dir nichts in die Clubs schafft, wird die horizontale Erzählebene bemüht, indem Katrin Königs Erzeuger Günther Wernecke (Wolfgang Michael, „Hit Mom – Mörderische Weihnachten“) nach 40 Jahren überraschend bei seiner Tochter auf der Matte steht und den Kontakt zu ihr sucht, was diese irritiert bis ablehnend zur Kenntnis nimmt, er ihr aber nachzustellen beginnt.
„Du kannst gar kein Arschloch, oder?“
Parallel zu den anlaufenden polizeilichen Ermittlungen im als Unfall getarnten Mordfall gewährt die Handlung weitere Einblicke in Maschas und Hollis Leben. So belästigt Mascha einen Familienvater (Robin Sondermann, „Wer wir sind“) auf dessen Grundstück in einer gelackten Neubausiedlung. Die Frage nach dem Warum wird erst wesentlich später geklärt werden. Da die Polizei nach Mascha sucht, kreuzen sich bald die Wege. Mascha wird festgenommen und Holli zu Pflegerinnen gebracht. Die Trennung der beiden voneinander wird mittels Zeitlupe melodramatisiert. Tatsächlich ist die Handlung bemüht, Mascha nicht einseitig als Rabenmutter hin-, sondern die Tragik der Situation herauszustellen – was durchaus gelingt. Die beiden unterschiedlichen Kommissarinnentypen reagieren entsprechend verschieden darauf und gehen unterschiedlich damit um, was zu Meinungsverschiedenheiten führt.
Diese werden jedoch nicht bis zur völligen Eskalation hochgekocht, sondern im Regelfall konstruktiv zu lösen versucht. Dass König der verzweifelten Mascha in Bezug auf Holli ins Gesicht lügt, wird dabei problematisiert. Einen noch etwas tieferen Einblick in die polizeiliche Ermittlungsarbeit vermitteln Königs und Böwes männliche Kollegen, die parallel andere Spuren verfolgen. Darüber lernt man auch den wenig sympathischen neuen Staatsanwalt Benjamin Hinze (Maximilian Dirr, „Diaz – Don't Clean Up This Blood“) kennen. Der Ehemann der Toten scheint zunächst sehr ungelenk den Verdacht auf den BSP lenken zu wollen, doch es wird sich herausstellen, dass man gut daran tut, auch diesem Hinweis zu folgen. Eine Erpressung spielt ebenfalls eine Rolle – und hängt unmittelbar mit dem Fall zusammen.
Eine Menge los also im neuen „Polizeiruf“ und mehr wird hier auch nicht verraten. Alle Fäden werden relativ elegant zusammengefügt und gegen Ende zusätzlich eine überraschende Wendung platziert, sodass erst gar keine Langeweile aufkommt und das Zusehen Spaß macht, wenngleich das Miträtseln nicht immer die größte Herausforderung ist. Ferner wird Böwes Gutmütig- und Schusseligkeit mit schwerwiegenden Folgen ausgenutzt, was sie noch einige Episoden lang beschäftigen könnte. Schauspielerisch ist auch dieser Rostocker „Polizeiruf“ eine Wucht, einige hübsche maritime Bilder werden den Rostocker Tourismusverband freuen, und nach der berührenden Schlussszene lautet das Fazit (in etwa):
Never trust a cop, never trust a junkie, never trust a Finanzberater.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort Kiel: Borowski und der Wiedergänger
Zu Gast bei den Reichen und vermeintlich schönen: es wird sich selbst gefeiert und geliebt. Frau vermisst allerdings Mann, Borowski und Sahin ermitteln.
Ein bisschen fühlte ich mich an Derrick bzw. an das, was mich oft an Derrick störte, erinnert: die Upper Class mit ihren Problemchen die zu Neurosen führen in ihrer eigenen hohlen Welt. Passend dazu das aufgesetzte Spiel der Mimen, vielleicht aber auch schlecht gespielt oder gefilmt, wirkte total aufgesetzt.
Dazu ein Borowski, der nicht ermittelt, sondern ein Bildband anschaut, Sahin agiert zum Teil völlig ooc, reingemixt 90er TV -Mystery. Das war wenig.
Ganz gut die verschachtelte Erzählweise, allerdings auch hier die eingestreuten Zeugenaussagen wirklich schlecht gemacht. Der Gag des frühzeitigen Endes inklusive Abspann zündete bei mir und machte mich wieder aufmerksam.
Luft raus aus Kiel? Gibt ja auch nur noch ein Borowski....
Zu Gast bei den Reichen und vermeintlich schönen: es wird sich selbst gefeiert und geliebt. Frau vermisst allerdings Mann, Borowski und Sahin ermitteln.
Ein bisschen fühlte ich mich an Derrick bzw. an das, was mich oft an Derrick störte, erinnert: die Upper Class mit ihren Problemchen die zu Neurosen führen in ihrer eigenen hohlen Welt. Passend dazu das aufgesetzte Spiel der Mimen, vielleicht aber auch schlecht gespielt oder gefilmt, wirkte total aufgesetzt.
Dazu ein Borowski, der nicht ermittelt, sondern ein Bildband anschaut, Sahin agiert zum Teil völlig ooc, reingemixt 90er TV -Mystery. Das war wenig.
Ganz gut die verschachtelte Erzählweise, allerdings auch hier die eingestreuten Zeugenaussagen wirklich schlecht gemacht. Der Gag des frühzeitigen Endes inklusive Abspann zündete bei mir und machte mich wieder aufmerksam.
Luft raus aus Kiel? Gibt ja auch nur noch ein Borowski....
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- fritzcarraldo
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Unter Gärtnern
2024.
Tatort Münster.
Thiel und Boerne ermitteln dieses Mal im Schrebergarten Milieu.
Hört sich nach einem regionalen Fall an, wird aber immer internationaler, wenn man das so sagen kann.
Das Opfer hatte anscheinend mehrere Identitäten und dann wird noch eine skelettierte Leiche in ihrem Kleingarten gefunden. Die typischen Münster Jokes sitzen immer noch ganz okay und die Spannung wird auch einigermaßen hochgehalten.
Guter Münster Tatort.
2024.
Tatort Münster.
Thiel und Boerne ermitteln dieses Mal im Schrebergarten Milieu.
Hört sich nach einem regionalen Fall an, wird aber immer internationaler, wenn man das so sagen kann.
Das Opfer hatte anscheinend mehrere Identitäten und dann wird noch eine skelettierte Leiche in ihrem Kleingarten gefunden. Die typischen Münster Jokes sitzen immer noch ganz okay und die Spannung wird auch einigermaßen hochgehalten.
Guter Münster Tatort.
"Das Leben ist noch verrückter als Scheiße!" (Joe Minaldi -Burt Young- Es war einmal in Amerika)
"J&B straight and a Corona!"
(Patrick Bateman, American Psycho)
https://www.latenight-der-fussball-talk.de
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- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Ja, fand ich auch gut. Die Mischung zwischen Fall, Komik und Absurdität war angenehm ausgeglichen. Der zweite Kommissar gut eingebaut. Und Börnes unangenehme Arroganz, die ja oft in üblen Überheblichkeiten mündet aufgrund seiner Vorurteile, wird elegant ausgebremst, ohne das eine Charakteränderung statt findet.fritzcarraldo hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 22:13 Tatort: Unter Gärtnern
2024.
Tatort Münster.
Thiel und Boerne ermitteln dieses Mal im Schrebergarten Milieu.
Hört sich nach einem regionalen Fall an, wird aber immer internationaler, wenn man das so sagen kann.
Das Opfer hatte anscheinend mehrere Identitäten und dann wird noch eine skelettierte Leiche in ihrem Kleingarten gefunden. Die typischen Münster Jokes sitzen immer noch ganz okay und die Spannung wird auch einigermaßen hochgehalten.
Guter Münster Tatort.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Die ersten 16 Fälle des Teams Ludwigshafen (Odenthal & Kopper) erscheinen voraussichtlich am 21.03.2024 bei Fernsehjuwelen als 8-DVD-Box:
Extras:
- 28-stg. Booklet mit Episodenführer und Hintergrundinformationen
- Trailer, weitere Highlights
- Schuber, Wendecover
Episoden:
1. Die Neue
2. Rendezvous
3. Tod im Häcksler
4. Falsche Liebe
5. Die Zärtlichkeit des Monsters
6. Der schwarze Engel
7. Die Kampagne
8. Schneefieber
9. Schlaflose Nächte
10. Der kalte Tod (erster Fall mit Kopper)
11. Tod im All
12. Nahkampf
13. Jagdfieber
14. Engelchen flieg
15. Mordfieber
16. Kriegsspuren
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/54175, ... -Die-Neue/
Extras:
- 28-stg. Booklet mit Episodenführer und Hintergrundinformationen
- Trailer, weitere Highlights
- Schuber, Wendecover
Episoden:
1. Die Neue
2. Rendezvous
3. Tod im Häcksler
4. Falsche Liebe
5. Die Zärtlichkeit des Monsters
6. Der schwarze Engel
7. Die Kampagne
8. Schneefieber
9. Schlaflose Nächte
10. Der kalte Tod (erster Fall mit Kopper)
11. Tod im All
12. Nahkampf
13. Jagdfieber
14. Engelchen flieg
15. Mordfieber
16. Kriegsspuren
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/54175, ... -Die-Neue/
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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