Tanz der Kürbisköpfe - Andreas Bethmann (1996)

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Salvatore Baccaro
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Tanz der Kürbisköpfe - Andreas Bethmann (1996)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Tanz der Kürbisköpfe

Produktionsland: Deutschland 1996

Regie: Andreas Bethmann

Darsteller: Markus Weber, Melanie Abendroth, Ralf Söhnel, Kerstin Golly, Manuela Krohn, Andreas Bethmann, Hendrick Schaefer, Eva Paulmann


…und weiter geht die Reise in eine Zeit, in der Andreas Bethmann noch Filme drehte, die dem Verfasser dieser Zeilen mit viel gutem Willen und in der richtigen Stimmung als Exponenten des bundesdeutschen Amateur-Horrors der 90er durchaus annehmbar erscheinen. Diesmal steht Kürbissuppe auf dem Speisenplan, hat Bethmann mit TANZ DER KÜRBISKÖPFE – (seinem inzwischen achten Film, wie er stolz im Abspann verkündet!) – doch so etwas wie den ultimativen Halloween-Film gedreht: Dämonisch besessene Kürbisse, die Menschen attackieren, um sie ihrerseits dämonisch zu infizieren, das sieht man wirklich nicht alle Tage, - und wenn ich im Vorfeld auch einmal etwas stolz verkünden darf: TANZ DER KÜRBISKÖPFE, der, wie es ebenfalls im Abspann heißt, vom September 1995 bis März 1997 in Braunschweig gedreht wurde, ist möglicherweise der einzige mir bislang untergekommene Film, bei dem ich wirklich alle relevanten Außendrehorte erkannt zu haben meinen – wenn das nicht Grund genug ist, diesem Teufels-, eh, Kürbistanz eine eingehendere Analyse zu widmen…

Nach der Einblendung des AB-VIDEO-PRODUCTION-Logos unterfüttert der Film uns mit nutzbringenden Informationen zum Halloween-Fest, in dessen zeitlichem Rahmen TANZ DER KÜRBISKÖPFE angesiedelt ist: „Halloween ist das ursprünglich vor 2000 Jahren entstandene Neujahrsfest der Kelten. Man glaubte, dass der Herr des Todes die unruhigen Seelen der Menschen an diesem Abend erlaubte, frei auf der Erde herumzuwandeln. Darum verkleideten sich die Menschen ebenso bedrohlich, um zwischen den Toten nicht aufzufallen und um die bösen Geister zu vertreiben. Da heutzutage fast niemand mehr daran glaubt, wird es den Toten am 31. Oktober besonders leicht gemacht, unter uns zu wandeln.“ So weit ist es allerdings noch nicht, denn unsere Handlung setzt einen Tag vor Halloween ein, als die beiden Freunde Stefan und Olaf biertrinkend mitten im Wald um ein Lagerfeuer herumsitzen, und Pläne schmieden, wie sie den morgigen Abend begehen wollen. Gerade Stefan freut sich wie ein kleiner Junge darauf, als Henker verkleidet die Besucher der Halloween-Party im örtlichen Irish Pub in Angst und Schrecken versetzen zu können. Außerdem begeistert ihn die Aussicht, dass Olaf und er sich morgen endlich „wieder kräftig einen geben können“, - eben genauso „wie heute“. Zerstört wird die trunkene Zweisamkeit von einem offenkundig ebenfalls stark alkoholisiert daher stolpernden alten Mann in zerschlissener Kleidung, (weswegen Stefan ihn fortan freundlich als „Penner“ tituliert), der unsere beiden Helden fragt, ob sie für seine durstige Kehle nicht ebenfalls ein lauwarmes Gerstengetränk hätten. Stefan, der anscheinend Herr über die Biervorräte ist, wirkt zwar nicht über alle Maße erfreut über diese dreiste „Schnorrerei“, reicht dem Alten dann aber doch ein Fläschchen unter der Auflage, dass er sich zu ihnen ans Feuer setze und ihnen eine Geschichte erzähle.

Wie es der Zufall will, kennt der Greis tatsächlich eine solche, und zwar „eine wahre Geschichte, die sich hier abgespielt haben soll“ – (ist sie nun verbürgt wahr oder soll sie sich nur ereignet haben, eh?) – und dann rekapituliert er etwas, das sich anhört wie ein Reboot der Mär um den garstigen Grafen Zoltan, die Bethmann bereits in seinen beiden Vorgängerschockern DER TOTENHÜGEL und HÜGEL DER LEBENDEN TOTEN zur Genüge verbraten hat: Einst habe ein furchtbarer Tyrann über die Gegend geherrscht, der, ähnlich wie die Gräfin Bathory, auf die fixe Idee kam, einzig das Baden in Jungfernblut könne ihm die Ewige Jugend sichern. Deshalb habe er jedes Mädchen des Umlands, das seine Häscher zu greifen bekamen, auf sein Schloss verschleppen lassen, wo der Aderlass auf sie wartete. Schließlich wendete sich aber das Blatt: Der Vater einer der getöteten Jungfern habe seinerseits dem Tyrannen den Garaus gemacht, worauf dieser jedoch sterbend seine Rückkunft nach dem Tode ankündigte. Kurioserweise sei besagter Vater kurz darauf unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, und den Alten Friedhof, wo der Tyrann bestattet sei, solle man nach Einbruch der Dunkelheit tunlichst meiden, vor allem an Tagen wie diesen, sprich, dem Halloween-Fest, wo die Grenze zwischen Dies- und Jenseits äußerst brüchig sei. Visuell untermalt wird diese wundervolle Erzählung von einer reichlich unmotiviert wirkenden Foltersequenz, in der eine junge Frau vom namenlosen Tyrannen mit einem stachelgespickten Dildo malträtiert wird. Aber keine Sorge: Wir befinden uns in Bethmanns Prä-Porn-Phase, und sicherlich auch wegen des mangelnden Budgets bleibt ein Großteil dieser Prozedur der Publikumsphantasie überlassen. Und noch eine Entwarnung: Diese Sequenz ist tatsächlich die einzige, die wenigstens ein Hauch der misogynen Abartigkeiten versprüht, mit denen Bethmann einen Großteil seines späteren Oeuvres bestreiten wird. Unfreiwillig komisch wirkt die gesamte Exposition übrigens nicht zuletzt dadurch, dass der Darsteller des namenlosen Alten wirkt, als würde er seinen Text unverblümt von irgendwelchen Zetteln außerhalb des Kamerafokus ablesen: Dauernd stockt seine Stimme, weil er ein Wort nicht entziffern kann; er verhaspelt sich, kommt ins Stottern. (Und wie ein meiner Fassung vom TANZ DER KÜRBISKOPF beigefügtes Making-Of enttarnt, habe ich mit meiner Vermutung direkt ins Schwarze getroffen: Augenscheinlich hat es Bethmann nicht mal für nötig gehalten, seinem Schauspieler den Rollentext zuvor wenigstens einmal zum Einüben auszuhändigen, - nein, Kamera an, Text vor die Nase und ablesen, puh!)

Zu mich wenig abholendem Instrumental-Metal mit Elektro-Elementen rollt der Vorspann ab, (wo mir beim Cast der Name „Wolf Kadaver“ ins Auge sticht; das hat diese Person doch hoffentlich nicht wirklich so in ihrem Ausweis stehen!); dann folgt eine Texteinblendung: „Fr 31. Oktober 1997, Halloween“ – und wir begleiten einen Fixer über einen Friedhof, (bei dem es sich natürlich um den bereits erwähnten Alten Friedhof mit der Grabstätte des Tyrannen handelt, die wir allerdings nie zu sehen bekommen und von der ich mich auch frage, weshalb ein solches Scheusal überhaupt ein christliches Begräbnis auf einem offiziellen Gottesacker spendiert gekriegt hat), den er für das geeignete Umfeld hält, um sich dort einen Schuss zu setzen. (Bei dem Friedhof wiederum handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Braunschweiger Dom- und St.-Magni-Friedhof, eigentlich zwei Friedhöfe, die ursprünglich voneinander getrennt gewesen sind, dann aber im Laufe der Zeit zu einem einzigen Gräberfeld zusammenwuchsen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird dort niemand mehr beerdigt, dafür sind einige illustre Namen der schriftstellenden Zunft hier versammelt, darunter der Abenteuerautor Friedrich Gerstäcker, August Klingemann, der nicht nur Goethes „Faust“ im Braunschweiger Staatstheater seine Bühnenpremiere feiern ließ, sondern unter dem Pseudonym „Bonaventura“ mit den „Nachtwachen“ auch einen der revolutionärsten Texten der deutschen Romantik verfasst hat, sowie, natürlich, Gotthold Ephraim Lessing, dessen Grab versteckt ein Stück fern vom Weg liegt, wo man es von Weitem höchstens daran erkennt, dass es mehr Blumenschmuck trägt als seine unmittelbaren Nachbarn. Dieser Friedhof ist tatsächlich einer meiner liebsten Orte in Braunschweig; es gab eine Zeit, in der ich jeden Tag meine Mittagspause dort verbracht habe, lesend, die Grabsteine studierend, an der Kapellentür rüttelnd, ob sie nicht doch vielleicht einmal offen ist; einmal habe ich dort eine Blaskapelle beim Üben überrascht, nachdem ich geglaubt hatte, es seien die Toten selbst, die unter der Erde in ihre Tröten blasen, um das Jüngste Gericht einzuläuten.)

Parallel zum Junkie, der sich zwischen Gräbern die Nadel in die Vene haut, wird uns gezeigt, wie Olaf durch die Gegend flaniert und ihm dabei eine junge Dame an einer Bushaltestelle auffällt: Diese scheint ihm zunächst schöne Augen zu machen, dann aber wird Olaf von eigenartigen Visionen überwältigt, in denen die Frau einen (züchtigen) Striptease hinlegt, (sprich: BH und Slip bleiben an Ort und Stelle), Nebel wabert, unheimliche Lichter flackern, der, (wie so oft bei Bethmanns Frühwerken), durchaus genießbare Synthie-Score blubbert und brummt. Wie vom Blitz getroffen kommt Olaf wieder zu sich, und die Haltestelle ist leergefegt. Mit der restlichen Handlung hat dieses Intermezzo, soviel sei bereits verraten, rein gar nichts zu tun. Zeitgleich hat unser Fixer Besuch vom Alten aus dem Prolog erhalten, der ihm die üblichen Warnungen entgegenlallt: Er solle von dem Friedhof verschwinden, besonders heute, wo die Toten kurz davor stehen, aus ihren Gräbern zu kriechen. Der Junkie freilich schlägt derartiges Gerede als Humbug in den Wind, verscheucht den Greis mittels ordinärer Beleidigungen und widmet sich dann weiter der Befriedigung seiner Sucht. Dazwischen schwelgt Bethmann, wie auch später noch, im morbiden Charme des Friedhofs, dass man sich in Jean Rollins LA ROSE DE FER versetzt fühlen könnte, wenn all diese Aufnahmen verwitterter Grabsteine oder Schwenks über mit Totenschädel verzierte Kreuze nicht bei hellstem Sonnenschein stattfinden würden.

Szenenwechsel: Olaf hat es von seinem aufreibenden Haltestellen-Erlebnis nach Hause geschafft, wo er sich die Zeit damit vertreibt, interessiert in einem Stapel Pornoheftchen zu blättern. Als sich der Schlüssel im Schloss dreht und damit die Heimkehr seiner Freundin Mandy ankündigt, versteckt Olaf die heikle Ware flink und versucht, seine Libido stattdessen an die Liebste zu koppeln. Die ist aber gar nicht begeistert davon, denn sie hat einen Scheißtag hinter sich: Schon wieder hat sich ihr Chef ihr gegenüber übergriffig verhalten, und dann, als sie sich seine anzüglichen Bemerkungen und Grapscherein verbat, die arme Mandy zur Strafe mit meterhoher Arbeit überschüttet. Da Olaf der einfühlsamste Partner aller Zeiten ist, hält ihn das nicht davon ab, Mandy weiter zu bedrängen, auch als diese ihm mitteilt, sie habe Migräne und denke gar nicht daran, mit ihm in die Kiste zu steigen. Grund genug für Olaf, wohnungstürknallend Reißaus zu nehmen. Tja, wer mit solchen Menschen liiert ist, der braucht keine Feinde mehr…

Inzwischen ist die Nacht angebrochen und Stefan kann stolz wie Oskar seine (wenig beeindruckende) Henkerskapuze spazieren tragen. Ebenfalls im Schlepptau hat er seine Freundin Trixie und einen riesigen Kürbis. Was genau er mit diesem auf der Halloween-Party im Irish Pub, wohin die beiden unterwegs sind, anzustellen vorhat, wird zwar nicht erklären, doch muss es gute Gründe geben, mit einem derart schwergewichtigen Gemüse durchs nächtliche Braunschweig zu spazieren. Fürs Erste wird der Kürbis auf der Mauer des Alten Friedhofs deponiert, denn Trixies Harnblase quengelt, und Stefan möchte sie nicht allein ins „Wäldchen neben dem Friedhof“ zum Pinkeln gehenlassen. (Die Mauern freilich gehört nicht zum Dom- und St.-Magni-Friedhof, der einzig von einem Zaun aus Metallgittern umgeben ist, sondern höchstwahrscheinlich zum Alten Jüdischen Friedhof in der Hamburger Straße. Dort wurden seit Ende des 18. Jahrhundert die Toten der jüdischen Gemeinde Braunschweigs beigesetzt, nachdem diese jahrhundertelang keine eigene Grabstätte innerhalb der Stadtgrenzen Braunschweigs besaß, sondern ihre Toten stets ins benachbarte Wolfenbüttel überführen musste. Bereits 1917 wurde der Friedhof weitgehend geschlossen, da zu dem Zeitpunkt bereits ein zweiter größerer Jüdischer Friedhof angrenzend an den neuen Hauptfriedhof eröffnet worden war. Heute bietet sich im Umfeld des Alten Jüdischen Friedhofs ein bizarres Bild, denn vor ein paar Jahren hat man in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ein Erlebnisspaßbad errichtet. An genau der Mauer, auf der Stefan in Bethmanns Film seinen Kürbis lagert, laufen heute, sofern keine Pandemie herrscht, Menschen mit ihren Badesachen vorbei, um sich wenige Meter entfernt ins chlorgetränkte Nass zu stürzen.)

Bereits über eine halbe Stunde befinden wir uns im Film, und noch ist nichts von Relevanz passiert, (es sei denn, man zählt die zusammenhanglose Rückblende mit dem spiked dildo dazu): Es wird Zeit, dass die Tore der Hölle sich öffnen, sprich, ein Gummiskelett zu bluten anfängt, Trockeneisnebel zu wabern beginnt, - und die Toten in den verwaisten Kürbis fahren, auf dass dieser per POV-Kamera über den Friedhof rast, den noch immer im Heroinrausch selig auf einem Grab schlummernden Junkie aufstört und ihm den Kopf abreißt. (Zumindest vermute ich, dass der unübersichtliche Schnitt mir genau dies suggerieren soll: Der Kürbis prallt mit der Birne des Fixers zusammen, und letztere erweist sich als die weniger standfeste; zurückbleibt ein blutspritzender Hals bzw. ein armseliger Spezialeffekt.) Von diesem Massaker indes bekommen Stefan und Trixie rein gar nichts mehr. Verärgert zeigt sich Stefan über die Absenz seines Kürbisses („Wer klaut denn einen Kürbis?“), doch dafür, dass er das Ding meilenweit durch die halbe Stadt geschleppt hat, steckt er den Verlust auffallend locker weg: Tja, ist doch eben nur ein Kürbis, und hard-partying geht auch ohne einen solchen, weshalb Trixie und Stefan nun auch endlich in den Irish Pub einfallen. Dort wartet bereits Olaf auf seinen Busenfreund, um ihm die Beziehungsprobleme mit Mandy zu klagen, (im Stil von: Wie mich diese Alte stresst! usw.) Stefans glorreicher Rat: Viele Mütter haben schöne Töchter; er solle Mandy vergessen und besser irgendeine der Partymäuse aufreißen. Bethmann versteht es wirklich, jeden seiner Filme auf die Schultern von Figuren zu stellen, mit denen ich nicht mal dieselbe Straßenseite teilen wollen würde…

Ach ja, und wo wir gerade von Bethmann sprechen: Der hat in TANZ DER KÜRBISKÖPFE den vielleicht unfassbarsten Schauspielauftritt seiner gesamten Laufbahn. Statt Irish Pub steht dem namenlosen Charakter, den er verkörpert, der Sinn eher danach, zu Hause im Fernsehsessel John Carpenters HALLOWEEN zu gucken, - als ihn die Türklingel aus dem Film und ins Treppenhaus zerrt, wo – (wohlgemerkt mitten in der Nacht!) – ein Hausierer namens Heribert König auf ihn wartet. Dieser hat einen „Zauberkoffer“ voller Erotika bei sich: Dildos für die Damen, pikante Bettlektüre – und natürlich auch VHS-Kassetten, für die sich Bethmann sofort besonders interessiert. Ob er denn etwas Spezielles wünsche?, fragt Herr König, worauf es von Bethmann wie aus der Pistole geschossen kommt: Vielleicht irgendwas mit Tieren? König freut sich wie ein Pudel: Oh, ein Kenner der Materie!, und unterbreitet Bethmann folgendes Angebot: Für 20 Mark erhält er die Klassiker LASS JUCKEN, WALDI sowie MIEZ UND MOPS AUF FREIERSFÜSSEN, und als Bonusfilm gibt es sogar noch LONG DONG HASSO obendrein. Ein zufriedener Kunde zieht sich mit den Tapes in seine Wohnung zurück, und ward in diesem Film nicht mehr gesehen. Nein, ich denke mir das nicht aus, obwohl man sich dergleichen eigentlich gar nicht ausdenken kann, Himmelhilf!

Inzwischen hat Mandy eine Begegnung der kürbisköpfigen Art hinter sich gebracht, denn aus unerfindlichen Gründen ist der besessene Kürbis durchs Küchenfenster ausgerechnet in ihre Wohnung geflattert, um die arme Frau zu attackieren. Inzwischen glüht der Kürbis schön von innen, dass die ihm inzwischen gewachsene Fratze besonders eindrucksvoll zur Geltung kommt, - was aber natürlich alles nichts dagegen hilft, dass Bethmann seinen Antagonisten mit primitivsten Mitteln zum, hust, Leben erweckt. Wenn Mandy sich in einem Zimmer verschanzt, wird der Kürbis offensichtlich von Armen außerhalb des Bildkaders gegen die verrammelte Tür geschlagen, und wenn dargestellt werden soll, dass der Kürbis durch die Gegend saust, behilft man sich eben mit einer subjektiven Kamera. Ziel des Kürbisses ist es nicht, Mandy zu ermorden, (so wie er es mit dem Junkie getan hat), sondern sie auszuknocken – und den in ihm befindlichen dämonischen Mächten sodann Gelegenheit zu geben, aus der Kürbishaut heraus- und in die Haut Mandys hineinzuschlüpfen. (Weshalb die Geister dies nicht bereits bei dem Fixer gemacht haben, bleibt unerklärt: Schützt Heroin etwa vor dämonischer Okkupation?)

Als Heribert König bei Mandy klopft, erlebt er eine böse Überraschung: Zunächst lotst die junge Frau ihn auf den Dachboden des Hauses, und obwohl ihm das durchaus komisch vorkommt, stapft der Hausierer ihr brav hinterher. Oben angelangt eröffnet Mandy ihm dann folgende Hiobsbotschaft: „Ich bin nicht die, die Du zu sehen glaubst. Ich bin ein Geist aus vergangener Zeit und ich werde Dich jetzt aus Rache töten.“ Folgerichtig wird König nun mittels mentaler Kräfte Mandys bzw. der in ihr hausenden Geister gewürgt, (eine wirklich endlos lange Sequenz), bevor sein Körper von selbst rückwärts gegen einen Holzbalken saust, der ihm fulci-esque den Hinterkopf zertrümmert und vorne aus seinem Mund wieder austritt, (sehr transparenter FX), - und bevor wir zum Grande Finale kommen, muss ich doch einmal völlig verwirrt die Frage nach der inneren Logik dieser Chose stellen: Mandy ist also von einem Geist aus vergangener Zeit besessen, der Morde aus Rache verübt? Soll das der Geist des hingeschlachteten Tyrannen sei? Oder aber der Geist eines seiner Opfer? Und wofür überhaupt Rache nehmen? Dafür, dass der Vater eines seiner Opfer den Tyrannen seinerseits meuchelte? Oder aber dafür, vom Tyrannen brutal hingemordet worden zu sein? Und weshalb sucht sich dieser Geist zunächst einen Kürbiskopf als Wirtskörper? Und wieso taucht dieser Geist ausgerechnet an Halloween 1997 unter den Menschen auf? Weil sich sein Todestag in dieser Nacht jährt? Es ist schon erstaunlich, wie einfach Bethmann mit etwas mehr Backstory dem Ganzen einen wenigstens in sich selbst schlüssiges Korsett hätte umbinden können, und wie spielerisch er stattdessen in die sich auftuenden mariannengrabentiefen Logiklöcher stolpert, die sein Skript sich partout zu schließen weigert.

Letzteres sieht man auch daran, dass Olaf in der nächsten Szene genau das Gegenteil von dem tut, was er zuvor zu tun angekündigt hatte: Statt Frauen aufzureißen verlässt er nämlich die Halloween-Party frühzeitig, um nach Hause zu seiner Mandy zu stiefeln. Die ist jedoch nirgends in der Wohnung zu finden, bloß ein zerplatzter Kürbis liegt im Flur herum. Weil er das anscheinend für das Naheliegendste hält, schaut Olaf im Keller nach seiner Liebsten, - und dort erwartet diese ihn auch schon mit gezücktem Messer, Kunstnebel und dämonisch verzerrtem Antlitz, um ihn zu ihrem nächsten Opfer werden zu lassen. Plötzlich stürzt aber Stefan in den Keller, (wo der auf einmal herkommt, und woher er wusste, wo genau sich Olaf aufhält? Fragt mich nicht!), und gemeinsam gelingt es, Mandy niederzuringen und ihr den Kopf mit einer Schaufel abzutrennen. (Anmerkung: Das Sounddesign schmeichelt meinen Ohren mit seinen höllischen Kakophonien: Wenn Bethmann bezüglich seines Frühwerks für eins wirklich zu loben ist, dann dafür, Filmen dieser Preisklasse einen derart Klangteppich übergestülpt zu haben.) Doch der erleichterte Olaf hat die Rechnung ohne den Wirt, das heißt, die Dämonenschar gemacht, die inzwischen auf Stefan übergesprungen ist. Als Olaf sich abwendet, rammt ihm sein bester Freund ein Messer in den Rücken – und zwar wortwörtlich, nicht im übertragenen Sinne.

Nächster Morgen, (endlich ist Halloween vorbei): Stefans Freundin Trixie spaziert durch Viewegs Garten, (bzw. dem, was von dieser historischen Gartenanlage noch übrig ist: Heute sieht sie nämlich aus wie eine x-beliebige Grünfläche gegenüber des Braunschweiger Hauptbahnhofs, während sie in früheren Jahrhunderten unter wechselnden Besitzern wie dem Engländer Roger von Drake oder dem Aufklärer Johann Heinrich Campe ein, für den jeweiligen Pächter, durchaus prestigeträchtiges, mit exotischen Bäumen und zum Lustwandeln einladenden Flaniermeilen ausstaffiertes Areal bot. Der heutige Name geht auf Campes Schwiegersohn Friedrich Vieweg zurück, in dessen Familienbesitz sich der Landschaftsgarten dann auch befand, bis das Gelände 1935 zur Öffentlichen Parkanlage erklärt wurde. Als in den 60ern der Alte Braunschweiger Bahnhof endgültig aufgegeben wurde und ein hochmoderner Ersatz hermusste, fräste man eine Verbindungsstraße mitten durch die Innenstadt, der große Teile des Parks inklusive der historischen Villa zum Opfer fielen.) Hinter einem Busch entdeckt Trixie plötzlich Stefan und läuft ihm rufend hinterher. Ihr Freund aber scheint wie vom Erdboden verschluckt. Als Trixie tiefer ins Gebüsch eindringt, präsentiert sich ihr Stefan dann aber doch – und zwar mit gezücktem Messer und Tötungsabsichten. Nachdem Trixie in den Status einer blutüberströmten Leiche versetzt worden ist, eilt Stefan nach Hause, um sich seinen Gewissenszweifeln hinzugeben („Was habe ich getan!? Ich will nicht mehr töten!?“) Noch einmal tötet er dann aber doch, - und zwar sich selbst per Pistolenschuss in den Mund. Das blutende Gerippe auf dem Alten Friedhof findet das gar nicht lustig, stoppt unmittelbar seinen Blutfluss und geht in einem kleinen Feuerwerk auf, - und damit sind die siebzig Minuten dieses achten Bethmann-Spielfilms auch schon überstanden…

Im Abspann, (der fast zehn Minuten dauert), bringt Bethmann dann noch ein paar persönliche Statements unter. Gewidmet ist TANZ DER KÜRBISKÖPFE „dem Besten“, nämlich „Lucio Fulci (1926-1996), was ich an sich schon mal einen feinen Zug finde, denn es können Fulci ja eigentlich gar nicht genügend Filme gewidmet sein, und diese Hommage ist doch um einiges schmeichelhafter als Bethmanns Jess-Franco-Heldenverehrung in ANGEL OF DEATH 2, wo er den alten Jesus einen onanierenden Raumpfleger verkörpern lässt. Auf die Ohren gibt es die neusten Songs diverser Musikprojekte, bei denen Bethmann mehr oder minder federführend beteiligt ist, zum Beispiel „Materialschlacht“ mit ihrem Smash-Hit „Stille Nacht, Kürbis lacht“, - ach, und: „Bei dieser Gelegenheit übrigens noch mal vielen Dank für das Verbot unserer 1. MATERIALSCHLACHT-CD!“ Reichlich befremdlich finde ich indes folgende Texteinblendung: „In dem Film wurden keine minderjährigen Mädchen verwertet!“ Falls das ein blöder Insider Gag sein soll, habe ich ihn nicht begriffen, aber, immerhin, erleichternd, das zu wissen. Interessant auch, dass Bethmann zwischen dem 1995 veröffentlichten HÜGEL DER LEBENDEN TOTEN und dem TANZ DER KÜRBISKÖPFE innerhalb Braunschweigs umgezogen zu sein scheint: Wohnt er beim Vorgängerfilm noch in der seinerzeit als Sozialer Brennpunkt geltenden Weststadt, hat es ihn nunmehr an den Wendenring 13 verschlagen, unweit des Uni-Viertels, von wo man den Alten Jüdischen Friedhof problemlos fußläufig erreichen kann.

Abschließende Worte: Dass ich gewisse Sympathien für Bethmanns frühe Werke hege, ist kein Geheimnis. Gerade angesichts seiner späteren Entgleisungen (chauvinistische Exzesse; selbstgefälliger Splatter; ekliger Hardcore) tut es richtig wohl, sich einen Film wie TANZ DER KÜRBISKÖPFE anzuschauen, der a) weder besonders gewalttätigt ist, (was allein auch an der mangelhaften Qualität der Gore-Effekte liegt), der b) seine Figuren kein bisschen sexualisiert, (abzüglich der Vaginen-Folter in der Rückblende und dem keuschen Striptease in der Traumsequenz), und c) von einer Naivität beseelt ist, dass er wirklich nie anders wirkt als: Wir haben ein freies Wochenende, wir greifen uns eine Kamera, wir drehen einfach mal ein paar Szenen auf dem Magnifriedhof, wird schon irgendwie Sinn ergeben. Tut es zwar nicht, doch ich würde lügen, wollte ich behaupten, mich von diesem sowohl dramaturgisch wie ästhetisch-technisch eher unausgegorenem Schauerstück nicht unterhalten gefühlt zu haben, - womit nicht zuletzt die grandios trashigen Szenen mit dem menschenmörderischen Kürbis zu tun haben sowie das spannende Rätselraten: An welcher Ecke Braunschweigs wurde denn diese Szene nun aufgenommen? Was mir Bethmann mit seinem Auftritt als Animal-Porn-Aficionado sagen wollte, erschloss sich mir zwar nicht, und generell ist TANZ DER KÜRBISKÖPFE für eine Genre-Parodie, an die man in den Kürbis-Szenen durchaus denken könnte, auch zu, ehm, ernsthaft inszeniert, doch, sei’s drum: Es gibt Referenzen auf Fulci, auf DAY OF THE DEAD (Schaufel), auf EVIL DEAD (Dämonenkeller), und im Grunde sollte man diesen Streifen als Kulturgut in den Bestand des Braunschweiger Stadtarchivs aufnehmen, - jedenfalls kenne ich keinen sehenswerteren Spielfilm, der komplett in der Löwenstadt seinen Weg aufs VHS-Tape gefunden hat.
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