Spuk am Tor der Zeit - Günter Meyer (2003)

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Salvatore Baccaro
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Spuk am Tor der Zeit - Günter Meyer (2003)

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Originaltitel: Spuk am Tor der Zeit

Produktionsland: Deutschland 2003

Regie: Günter Meyer

Darsteller: Friedrich Lindner, Laura Berghäuser, Nina Hoger, Walter Plathe, Saskia Grasemann, Christian Kuchenbuch, Marielle Chakker


Nach SPUK AUS DER GRUFT und SPUK IM REICH DER SCHATTEN ist SPUK AM TOR DER ZEIT der dritte und letzte Teil der jeweils sowohl als KiKA-Miniserie wie als neunzigminütige Spielfilme veröffentlichten SPUK-Trilogie, mit der Drehbuchautor C. U. Wiesner und Regisseur Günther Meyer Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre an ihre ebenfalls drei Werke umfassende DEFA-Erfolgsreihe der 70er und 80er anknüpften. Im Gegensatz zu SPUK AUS DER GRUFT und SPUK IM REICH DER SCHATTEN, die eine aufeinander aufbauende Geschichte um die Liebe der Teenagerin Maya zu einem seit 300 Jahren verblichenen und als ruheloses Gespenst herumgeisternden Edelmann namens Friedrich von Kuhlbanz erzählten und damit endeten, dass Maja die Perspektivlosigkeit ihrer Beziehung zu einem Untoten akzeptieren lernte und stattdessen ihr Herz dem mit ihr eine Epoche teilenden Stiefbruder Thorstens schenkte, bildet SPUK AM TOR DER ZEIT einen weitgehend eigenständigen Beitrag. Zwar sind Schauplatz und Personal dieselben – sprich, erneut ist das fiktive Brandenburger Örtchen Roggelin Ort des Geschehens und erneut steht die Patchwork-Familie Köhler im Zentrum der Handlung -, doch agiert diesmal nicht mehr Maja als federführende Protagonistin, sondern vielmehr ihr kleiner Bruder Marco, der in den Vorgängern stets einzig eine (weitgehend vernachlässigbare) Nebenrolle bekleidet. Nunmehr bewegt sich Maja an der Peripherie der Story und auch über Thorsten erfahren wir bloß en passant, dass er sich (aus nicht näher erläuterten Gründen) in Australien aufhalten soll; überhaupt rekurriert SPUK AM TOR DER ZEIT kaum einmal explizit auf die Ereignisse der beiden vorherigen Teile, sodass man der Handlung auch problemlos folgen kann, ohne einen der beiden Vorgänger zu Gesicht bekommen zu haben.

SPUK AM TOR DER ZEIT beginnt wie ein klassisches Teenager-High-School-Drama: Marco, inzwischen zum Pubertierenden herangereift, ist hoffnungslos in Jessica verliebt. Die wiederum findet den Knaben einfach nur nervig und nerdig. Zusammen mit ihrer Freundesclique beschließt sie, den armen Marco gehörig in die Pfanne zu hauen. In Aussicht auf ein Date bestellt sie ihn eines Nachmittags in die Gruft derer von Kuhlbanz. Mit mehreren Dosen Vita-Cola erwartet Marco seinen Crush direkt bei der aus den beiden Vorgängern sattsam bekannten Mumie, wo Jessica ihn mit der Bitte nach einem Zungenkuss überrascht: Doch als Marco die Augen öffnet, trägt das Mädchen auf einmal eine Schweinemaske und ihre Clique guckt gackernd in die Gruft herein. Zum Gespött gemacht und mit gebrochenem Herzen findet Marco daraufhin durch Zufall einen locker sitzenden Stein im Gemäuer der Krypta – und öffnet dadurch das titelgebende Zeitportal, das ihn geradewegs ins Roggelin des Jahres 1766 katapultiert!

Dort lernt er nicht nur die bitterarme Marie kennen, die sich für einen Hungerlohn bei einem Großbauern verdingen muss, um für ihre schwerkranke Mutter sorgen zu können, sondern auch den gleichaltrigen Wilhelm, der Marco wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlichsieht, und der als Waise und Strauchdieb in einer Hütte mitten im Wald haust. Marco, der in Wilhelm seinen Urururururgroßvater vermutet, nimmt den Buben kurzerhand mit in die Gegenwart des Jahres 2001, was zu erwartbaren Verwicklungen und Verwechslungen führt: Wilhelm ist zu Tode erschrocken von Autos, Baggern, Helikoptern, während Marcos Eltern sich darüber wundern, dass die Vorräte im Kühlschrank immer mehr zu schrumpfen scheinen. Ganz ohne Eigennutz hat sich Marco jedoch nicht mit Wilhelm angefreundet: Da dieser als Waldschrat über ungleich bessere Körperbeherrschung und sportliches Geschick verfügt, soll er ihn bei einem Fußballturnier vertreten, das die kommenden Tage ansteht. Marco, normalerweise der Letzte auf der Bank, der bloß mit viel Glück einmal den Ball trifft, avanciert nicht nur in den Augen seiner Mannschaft, sondern auch denen Jessicas zum Helden, als Wilhelm in seinem Namen und Trikot ein Tor nach dem andern schießt.

Im Grunde steht dem Weg zu Jessicas Herzen nun nichts mehr im Wege, - doch zieht es Marco zunehmend in die Vergangenheit zu Marie, während Wilhelm wiederum zunehmend Gefallen am modernen Brandenburg findet. Das Tohuwabohu aus Verwirrungen und Verflechtungen lässt sich in dieser Konstellation problemlos steigern: Wilhelm taucht als Marco auf Jessicas Geburtstagsparty auf; Marco wiederum wird 1766 von Maries Arbeitgeber für Wilhelm gehalten, der ihm regelmäßig Schinken stibitzte, und soll das Diebesgut im Schweiße seines Angesichts abarbeiten; Marcos Eltern finden es verdächtig, dass Mutters Geschirr und Vaters Werkzeuge Füße bekommen, (weil sie der notorische Langfinger Wilhelm in seine frühneuzeitliche Waldhütte entführt hat); und dann beschließt der Bürgermeister Roggelins auch noch, dass die einsturzgefährdete Kuhlbanz-Gruft abgerissen werden müsse, was natürlich auch das Zeittor dem Erdboden gleichmachen würde…

Zugegeben, nach logischen Maßstäben sollte man den Plot von SPUK AM TOR DER ZEIT nun wirklich nicht bewerten, - zumal das Drehbuch selbst ja auch nicht die geringsten Anstrengungen unternimmt, die Existenz des Zeitportals irgendwie zu erklären, und auch die üblichen Problematiken, die sich bei einer solchen Zeitreise-Thematiken ergeben, nicht im Ansatz thematisiert. Zu SPUK AUS DER GRUFT und SPUK IM REICH DER SCHATTEN weist die Serie zudem erhebliche Unterschiede auf: Wo dort das schauerromantische Element dominierte, ist SPUK AM TOR DER ZEIT weniger unheimlich oder stimmungsvoll, sondern vielmehr eine augenzwinkernd erzählte, ziemlich rasante und stellenweise durchaus amüsante Coming-of-Age-Story, bei der inhaltlich aber freilich auch nur das Thema der vorherigen beiden Teile variiert wird, denn auch Marco verliebt sich, wie weiland seine Schwester, in ein Mädchen aus der Vergangenheit, mit dem eine Beziehung aufzubauen aus hunderten Gründen unmöglich ist. Was Ausstattung und Inszenierung betrifft, dürfte SPUK AM TOR DER ZEIT der wohl mit Abstand aufwändigste Beitrag der Serie sein: Immerhin hat man es sich nicht nehmen lassen, das Preußen des Jahres 1766 mehr oder minder originalgetreu zu rekonstruieren – inklusive etlicher Uniformen, und insgesamt konnte ich auch diesem finalen SPUK einige positive Aspekte gewinnen, die mich, erneut, eine vorbehaltlose Empfehlung für diese manchmal naiv-kitschige, manchmal aufbrausend-amüsante Serie aussprechen zu lassen: Nach wochenlangem (freiwilligem) Bethmann-Terror stellen diese TV-Filme für Heranwachsende wahrlich eine Wohltat dar!
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