Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
Mitwirkende: Dieter Pfaff, Benno Fürmann, Petra Kleinert, Hans-Joachim Grubel u. A.
Sperling ist ein Kommissar der leisen Töne – einer, der keine Waffe braucht, um seine Fälle zu lösen. Eine Rolle, die Dieter Pfaff wie auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Kein Wunder, hat er die Figur Sperling doch gemeinsam mit Autor Rolf Basedow entwickelt. Doch auch er ermittelt nicht ganz allein.
(Text: ZDF)
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
„‚Schaut auf diese Stadt.‘ Erinnern Sie sich noch an die Worte? Ich schaue schon sehr lange auf diese Stadt, auch wenn ich hier nicht geboren bin…“
Mitte der 1990er versuchte das ZDF offenbar, den etwas piefig gewordenen ARD-„Tatort“ zu überflügeln und wollte mit der neuen, 18-teiligen Krimireihe „Sperling“ mit Dieter Pfaff („Manta – Der Film“) in der titelgebenden Hauptrolle dicke Bretter bohren. Der Pilot „Sperling und das Loch in der Wand“ entstand unter der Regie Dominik Grafs („Die Katze“), der schon immer ein Händchen für den Umgang mit Genrefilm-Charakteristika hatte und hier ein Drehbuch Rolf Basedow inszenierte, an dessen Idee Pfaff mitgewirkt hatte. Die Erstausstrahlung des rund eineinhalbstündigen Falls erfolgte am 2. März 1996.
„Trau grundsätzlich niemandem mit Gürtel und Hosenträger.“
Der seit etlichen Jahren in Berlin lebende Kommissar Sperling ist lieber auf den Straßen bei den Menschen unterwegs als auf der Wache im Büro. Als ihm und seinem Kollegen Karsten Rhode (Benno Führmann, „Und tschüss!“) plötzlich Wolfang Krause (Ulrich Noethen, „Tatort: Frau Bu lacht“), der gerade eine Bank überfallen hat und flieht, ins Auto läuft, belässt es Sperling nicht bei der Verhaftung des Räubers, sondern will sein Motiv erfahren. Dieses geht tatsächlich über klassische Habgier hinaus und führt in die illegale Glücksspielszene, in der Clubbesitzer Günther Ratzke (Lutz Teschner, „Polizeiruf 110: Grawes letzter Fall“) offenbar systematisch die Leute ausnimmt und erpresst…
„Wenn Sie nicht schweigen würden, dann wär' ich weiter!“
Im Prolog stellt sich Sperling etwas pathetisch, etwas melancholisch aus dem Off vor, bevor der Fall im sommerlichen, aber windigen Berlin Fahrt aufnimmt – nämlich mit dem Fahrrad des Bankräubers Krause, mit dem er den Bullen vom Schwerkriminellendezernat (zu dem auch Vera Kowalski (Petra Kleinert, „Alles Lüge“) und Norbert Wachutka (Hans-Joachim Grubel, „Didi – Der Doppelgänger“) gehören) ins Auto kracht und diese daraufhin bald ahnen, es gar nicht mit einem allzu Schwerkriminellen zu tun zu haben. Witwer Sperling wird als netter, verständnisvoller Bulle eingeführt, dem mehr an den Menschen als an ihren Taten gelegen ist, der aber, wenn es sich als zielführend anbietet, das Good-Cop-Bad-Cop-Spiel zusammen mit Rhode beherrscht, einem jüngeren Vertreter seiner Zunft, der in seinem Heißsporn dann und wann vom väterlichen Sperling zurückgepfiffen werden muss.
„Auf hoher See und vor der Justiz sind wir alle in Gottes Hand.“
Die Handlung lässt Sperling & Co. in die Berliner Glücksspiel-Unterwelt eintauchen, erst inkognito, dann als Vertreter der Gerechtigkeit. Das geht mit skurrilen kleinkriminellen Gestalten bis hin zu aalglatten großen Fischen einher. Zugleich wird auch immer wieder ein Augenmerk auf die Folgen der verbrecherischen Methoden gerichtet, auf die Verzweiflung und sozialen Verwerfungen – insbesondere personifiziert durch Krauses Frau (Julia Jäger, „Karniggels“). Es gibt hier zwar keinen Mord und keine Toten, dafür umso mehr Sozialrealismus – was offenbar einer der Ansprüche hinter diesem Krimi war. Dazu passt der moderne, dynamische und rau-realistische Kamerastil Benedict Neuenfels‘. Die Drehorte und Kulissen der Halb- und Unterwelt wirken oft stylisch und cool, die Musik, an der Regisseur Graf ebenfalls mitwirkte, passt prima dazu und der Humor kommt auch nicht zu kurz, lockert den Fall auf, der damit eben kein Neo-noir sein will. Der Fall schließt, wie er begonnen hatte: mit einem Voice-over-Monolog Sperlings.
Mitunter vielleicht etwas dick aufgetragen sind die Verweise auf Sperlings Menschlichkeit, was womöglich dem Konzept einer Pilotepisode geschuldet ist: Eventuell sollten die Figuren möglichst klar umrissen werden. Pfaff spielt die Rolle, in der er sich mutmaßlich auch privat selbst gern sah: die des gemütlichen Dicken. Unterm Strich ist „Sperling und das Loch in der Wand“ etwas arg auf cool getrimmt, was nicht immer aufgeht und insbesondere in der Retrospektive hier und etwas bemüht wirkt. Dennoch ist diese Kombination aus Sozialkrimi und US-Coolness ein interessantes, weitestgehend sogar geglücktes Experiment, das sogar den Grimme-Preis für Regie und Kamera einheimste. Ob die Reihe auch ohne Graf als Regisseur das Niveau hat halten können, wird die zweite Episode zeigen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)