Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023) [Doku]

Moderator: jogiwan

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fritzcarraldo
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Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023) [Doku]

Beitrag von fritzcarraldo »

Schleimkeim - Otze und die DDR von unten
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0622140.jpg-c_310_420_x-f_jpg-q_x-xxyxx.jpg (29.65 KiB) 220 mal betrachtet
(Doku - Deutschland 2023)
Regie: Jan Heck

"Dieter „Otze“ Ehrlich wurde mit seiner Band vom Bauernjungen zur DDR-Punk-Legende. Wie es dazu kam, erzählt ein junger Filmemacher aus Baden-Württemberg in einem Dokumentarfilm.

Dokumentarfilm „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten" von Jan Heck
„Schleimkeim” – Dokumentarfilm über die wichtigste DDR-Punkband
5 Min
Filmemacher Jan Heck kennt „Schleimkeim” seit er 14 Jahre alt war. Und das, obwohl er 1991 in Balingen geboren wurde. Doch die DDR-Punkband ist so legendär, dass sie auch nach der Wende in Punkerkreisen gehört und geliebt wird. Als erste Band hatte sie es immerhin geschafft, eine Platte im Westen zu veröffentlichen. Und das, obwohl Punk in der DDR natürlich nicht nur nicht gewollt war, sondern auch polizeilich verfolgt wurde....."

Quelle: https://www.swr.de/swr2/film-und-serie/ ... d-100.html
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fritzcarraldo
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von fritzcarraldo »

Nagende Ratten am Fundament des Sozialismus
Schleimkeim - Otze und die DDR von unten
Doku. City 46 Bremen. Preview.
Erst einmal ein paar Worte zur neuen Doku-Reihe im City 46. Auch schon bei EVEN HELL HAS ITS HEROES war es sehr gut gefüllt und man sieht, dass solche Reihen wirklich gut angenommen werden. Es gibt Einführungen, Gewinnspiele, Getränke auf Spendenbasis an der Bar mit der Möglichkeit vorher und hinterher noch launige Gespräche zu führen. Und auch gestern war es nicht nur rappelvoll, sondern schlicht ausverkauft. Es wurden sogar noch Stühle an die Seiten gestellt. Toll.
Am Anfang der Doku sehen wir Regisseur Jan Heck, der viel erklärt und auf der Suche nach Weggefährten von Dieter "Otze" ehrlich ist. Ich glaube, dass ich dieses Inszenierungskonzept über die komplette Dauer des Films nicht so gut gefunden hätte, aber schon nach kurzer Zeit nimmt sich Jan Heck doch sehr zurück. Ab und an gibt es noch ein paar Erklärungen aus dem Off, aber das war es dann auch schon. Danach gibt es zwar auch die beliebte Variante der Protagonisten von damals, die einfach mal erzählen wie es denn wirklich war. Und diese Leute von damals haben schon einiges zu erzählen. Dies ist dann auch wirklich sehr unterhaltsam, denn die Ausführungen sind oft mit einigem Witz und Augenzwinkern versehen. Wobei sich auch immer mehr Sarkasmus und Bitterkeit darunter mischt. Dabei werden die Personen aber nicht vorgeführt. Nach ca. der Hälfte des Films kippt die Stimmung aber, denn natürlich geht es auch um die Repressionen gegenüber unschuldiger Leute einer Subkultur durch den Staat und durch die Stasi und auch die weiteren Lebensumstände von Otze Ehrlich, die man schon als krass und heftig bezeichnen muss. Aber wenn man am Schluss feststellt, dass Ehrlich mit seine Band eine (Schleimkeim-) Zelle bis heute erschaffen hat, dann ist dies doch ein versöhnlicher Abschluss des Films.
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karlAbundzu
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von karlAbundzu »

Schleimkeim. Legendäre Punkband vom Dorf Nähe Erfurt. Im Westen bekannt geworden durch eine Spli-Lp mit der Artpunk Band um Sascha Arschloch.
Auf Aggressive Rock Produktionen. Unter den Namen Sau-Kerle.
An sich eine typische Doku unserer Zeit. Szenen mit Interviews von Weggefährten von Otze Ehrlich, sozusagen die Keimzelle Schleim-Keims. Dokumentarische Bilder zwischendurch, ebenso wie exemplarische. Und auch der Filmemacher bringt sich dezent ein.
Was den Film hier so spannend macht, ist Verschiedenes:
1. Die interessante Geschichte Otzes. Auf einem Bauernhof groß geworden, beim Feindsender BBC Punk entdeckt, im Schweinestall Band mit selbst gebastelten Instrumenten und Verstärkern gegründet. In Kirchen aufgetreten, und schnell zu DER Punkband des Ostens geworden. Dann Wende, harte Drogen, Psychiatrie, Mord am Vater, Tod in der Psychiatrie
Das erzählt eben auch die Geschichte des Punks in der DDR abseits von Ostberlin. Mit den dortigen Problemen, keine Auftrittsorte, ständige Gängelei der Polizei, Umgang mit der Stasi, monatelange Knastaufenthalte wegen punksein.

2. Die talking heads, meist Weggefährten. Oft noch mit deren Punknamen, Speiche, Spinne, Pankow. Die sitzen mal Biertrinkend zusammen oder in einer komischen Kammer, oder im Café. Sehr unterschiedliche Leute, aber haben alle was zu erzählen ohne sich selbst in der Story zu wichtig zu nehmen.
Und ihnen wird Raum gelassen. Mit Versprechern, gegenseitigen Unterbrechungen und Verbesserungen, auch mal auf der Suche nach dem richtigen Wort. Eine Zeitlang hatte ich Angst, dass sie lächerlich wirken könnten, doch tatsächlich entwickelte ich nach und nach Sympathie, mit ihnen wird respekt-, vielleicht sogar manchmal liebevoll umgegangen.
3. Der Ton. Nicht der schraddelige der Band, die Texte zum Glück untertitelt. Sondern des Films. Er erzählt ja chronologisch, und so ist die Stimmung zu Beginn heiter wie 14 bis 16jährige mit Wut und Lust am Aufbruch. Die Euphorie des Anderssein. Langsam ändert sich das, bei dem Thema Knast und Stasi noch gemischt, da es einige härter traf, anderw das irgendwie als Teil des Spiels ansahen. Und dann ganz bitter die Zeit nach 1990. Zum Glück gibt es eine auflösende Geschichte mit dem Tributkonzert. Und eine schöne Nachabspannszene.

Zusätzlich war es für mich persönlich noch Erinnerungen an Anekdoten aus meinem Leben, und in einem vollen Haus mit passendem Publikum und Dosenbier ein gelungener Abend.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Arkadin
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von Arkadin »

Toller Abend im restlos ausverkauften kleineren Saal 2 des Kommunalkinos Bremen. Den ich für solche Events auch geeigneter, da intimer und kuscheliger als den großen Saal halte. Ob der auch ausverkauft gewesen wären oder nur knapp über die Hälfte gefüllt müsste ich mal nachrechnen. Hier sitzt man relativ nah beieinander, das passt schon gut. Zudem hatten die tollen Macher der Reihe die sehr gute Idee, die Leute nicht über den normalen Eingang zum Kino zu leiten, sondern man musste einen "Umweg" laufen, der über einen Seminarraum führte, in dem eine Bar auf Spendenbasis eingerichtet war, Schleimkeim-Mucke lief und Tische standen - was alles dazu einlud, die Leute im besten Sinne des Wortes "vorglühen" und auf das Event einstimmen zu lassen. So, dass dort schon überall Grüppchen standen, die sich angeregt unterhielten. Von dort kam man über eine normalerweise "versteckte" Nebentür in den Kinosaal. Grandiose Idee, denn so wurde das wirklich EIN Ort. Nachteil: Da alle wussten wo die Kühlschränke mit dem Bier standen, gab es während des Filmes sehr viel Bewegung, da eigentlich immer gerade jemand unterwegs war, um Bier zu holen (oder wegzubringen). Störte mich aber tatsächlich weniger. Etwas nervig waren die Alt-Punks hinter uns, die sich im normalen Ton während des Films unterhielten. Fand ich eigentlich auch nicht schlimm, da es zur Atmosphäre (und den Film) passte und dem ganzen ein Happening-Charakter gab. Nur für mich persönlich war es deshalb nervig, weil ich mittlerweile in dem Alter bin, indem man nicht mehr so die Geräuschkulisse filtern kann, und ich Mühe hatte, mich auf das zu konzentrieren, was auf der Leinwand (auch mit Erfurter Akzent) gesagt wurde. Aber egal.

Zum Film wurde ja oben schon viel geschrieben. Dem stimme ich in allen Punkten zu. Sehr sympathische Talking Heads, die man schnell lieb gewinnen konnte mit all ihren Eigenarten. Und ja, das war schon lustig - aber man kennt solche Typen auch und fühlt sich sofort heimisch da. Und die hatten ja auch viel zu erzählen und wie sie es machten war einfach superauthentisch. Man Ende hätte ich mit den Leuten noch stundenlang bei einem Bier zusammensitzen können, mir ihre Geschichten und Frotzeleien anhören können.

Über den DDR-Punk wusste ich im Vorfeld eigentlich nichts. Schleimkeim war mir auch unbekannt und die Geschichte um den Otze erst recht. Von daher habe ich sehr viel gelernt. Nicht nur über DDR-Punk, sondern grundsätzlich auch viel über das Leben dort. Da ich keine Verwandten "im Osten" hatte und generell auch gar keinen Bezug dorthin, habe ich mich dafür "damals" nie groß dafür interessiert. Das kam erst sehr viel später und weit nach dem Mauerfall. Da mit Schleimkeim auch kein Begriff war, kannte ich auch Otzes Lebengeschichte nicht und daher hat mich das auch kalt erwischt. Klar, aus so Nebensätzen erfährt man recht früh, dass das nicht gut ausging und seine Abwesenheit deutet ja darauf hin, dass er nicht mehr lebt. Aber das warum war schon heftig. Von daher hat mir der Abend bzw. der Film sehr viel gegeben, weil ich so viel für mich neues und Interessantes erfahren habe. Zudem fand ich ihn gut gemacht. Auch wenn die Momente in denen sich der Regisseur fast als Protagonist inszeniert hat mich zunächst erschreckt hatten. Aber das lässt er sehr schnell auch bleiben und ist eigentlich nur ein Kniff, um die "Handlung" in gang zu bringen. Von daher alles gut. Und die "post credit scene" ist wirklich wunderschön.

Nach dem Film bin ich an meinem Dosenbier hängen geblieben und habe noch ein sehr schönes Gespräch mit der Macherin der Reihe (ihr Freund, mit dem sie das zusammen macht war leider erkrankt) geführt und noch ein Poster geschenkt bekommen. Dann beseelt nach Hause geradelt.
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von buxtebrawler »

Auf den freue ich mich, werde ich mir in jedem Falle ansehen. Schleimkeim begleiten mich musikalisch seit Ende der 1990er.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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FarfallaInsanguinata
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Ich muss leider sagen, dass ich mit der Band nie so viel anfangen konnte, genauso wie mit der gesamten DDR-Punk-Szene. Die Untergrundszenen anderer Ostblockstaaten fand ich da deutlich interessanter und gehörte auch selbst zu den wenigen Privilegierten, die zu Zeiten des Eisernen Vorhangs Reisen in entsprechende Länder unternahmen. An meine Aufenthalte in Prag (1982), Budapest (1983) und Moskau (1985) habe ich sehr schöne Erinnerungen, aber das ist +- vierzig Jahre her und Dokus über Bands aus der Zeit interessieren mich irgendwie überhaupt nicht (mehr). Ist wohl eher was für Leute, die zu jung sind, um die Zeit selbst miterlebt zu haben.
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Dick Cockboner
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von Dick Cockboner »

Vor über 30 Jahren hatte ich mal das "DDR von unten"-Tape - Himmel, war das ein scheiß, sorry. :kicher:
Musikalisch nicht mein Ding, dennoch finde ich das Leben von Dieter interessant und werde mir, wenn möglich, diesen Film ansehen.
Als Ergänzung/ Erweiterung empfehle ich mal das hier: https://www.ofdb.de/film/128353,OstPunk ... ch-Future/
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sid.vicious
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023)

Beitrag von sid.vicious »

Dick Cockboner hat geschrieben: Di 27. Feb 2024, 19:02 Vor über 30 Jahren hatte ich mal das "DDR von unten"-Tape - Himmel, war das ein scheiß, sorry. :kicher:
Musikalisch nicht mein Ding, dennoch finde ich das Leben von Dieter interessant und werde mir, wenn möglich, diesen Film ansehen.
Als Ergänzung/ Erweiterung empfehle ich mal das hier: https://www.ofdb.de/film/128353,OstPunk ... ch-Future/
OstPunk-TOO MUCH FUTURE ist auf jeden Fall eine gute Doku. SCHLEIMKEIM werde ich vermutlich auch eine Chance geben.
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buxtebrawler
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Re: Schleimkeim - Otze und die DDR von unten - Jan Heck (2023) [Doku]

Beitrag von buxtebrawler »

Heute ist offizieller Kinostart:

Schleimkeim - Otze und die DDR von unten



Filmemacher Jan Heck ist fasziniert von der DDR-Punkband „Schleimkeim" und begibt sich deshalb auf eine Zeitreise in die untergegangene Republik, in der Punkbands nicht nur unerwünscht waren, sondern auch strafrechtlich verfolgt wurden. Er spürt der Frage nach, wie es die Band trotzdem als erste geschafft hat, im Westen eine Platte zu veröffentlichen. Er zeigt den Alltag der Band, ihre Erfolgsgeschichte und die traurige Realität von Frontmann Otze.

Quelle: https://www.filmstarts.de/kritiken/324617.html
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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