Lost Killers - Dito Tsintsadze (2000)

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Maulwurf
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Lost Killers - Dito Tsintsadze (2000)

Beitrag von Maulwurf »

Lost Killers
Deutschland 2000
Regie: Dito Tsintsadze
Nicole Seelig, Misel Maticevic, Lasha Bakradze, Elie James Blezes, Franca Kastein, Michael Holz, Dito Tsintsadze


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Branko und Merab versuchen sich als Auftragskiller, allerdings sind sie viel zu weich für den Job. Letzten Endes leben sie davon, dass Brankos Freundin Maria Geld ins Haus bringt, welches sie dann gemeinsam versaufen können. Parallel dazu lernen wir Lan kennen, die in Vietnam sehr begehrt war, hier aber kaum einen Freier bekommt. Doch, der gestrandete Carlos aus Haiti hat Gefallen an ihr gefunden. Und Lan hat Gefallen an Carlos. Carlos will eine Niere spenden, damit er weiter kann nach Australien, und Lan möchte mitkommen. Da kommt das Angebot von Branko, in ihrem Auftrag einen Mord zu begehen, gerade richtig.

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Uwe Schrader versucht sich als Quentin Tarantino. Das Milieu, die Figuren, der Charme zwischen Gloryhole und Kneipe, das könnte alles aus jedem Uwe Schrader-Film übernommen sein. Und die Dialoge und die etwas eigenartigen Situationen, die könnten aus den Filmen von Tarantino oder Guy Ritchie kommen.

Passt das dann zusammen? Nun ja, in der Theorie klingt das sehr gut, und ein guter Regisseur kann aus dieser Kombination sicher eine Menge herausholen. PULP FICTION in Mannheim, Xavier Unsinn rockt dazu die Hütte, und jede Menge Leichen und nackte Frauen bringen Stimmung in die Bude. Aber der georgische Regisseur Dito Tsintsadze geht lieber den anderen Weg, den des unbedingten Anspruchs, der leisen Komödie und des stillen Melodrams. Und scheitert damit, zumindest in den Augen des Genrefans. Denn die Figuren bleiben durch ihre Beschränktheit eher fern, und die Situationen sind überhaupt nicht skurril oder grotesk, sondern haben an manchen Stellen sogar einen echten Hang zum Fremdschämen.

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Vor allem ist das alles von diesem Hang zur Kopflastigkeit durchdrungen! Es darf nicht gelacht und gestaunt werden, das wäre dann wahrscheinlich nicht förderungswürdig. Stattdessen muss das Wort Anspruch in fast jeder Szene um die Ecke lugen, dürfen Situationen nicht durch Witz und Verve aufgelöst werden, sondern durch Schweigen und nachdenklich-stimmungsvolle Musik. Nicht die Söhne Mannheims, sondern Ludwig Hirsch, wenn ihr wisst was ich meine. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden schreibt dazu: „ [..] mit meisterhaften Brechungen, teils ironisch, teils grotesk, teils drastisch-realistisch [..]“. Wahrscheinlich wurde bei der Sichtung heimlich SNATCH reingezogen, denn von den erwähnten Adjektiven passt nicht ein einziges auf LOST KILLERS. Höchstens der Begriff realistisch, aber den kenne ich von Uwe Schrader dann wiederum ganz anders. Brankos pflegebedürftige Tante, die Asche von Lans Vater, oder der Überfall auf das ältere Ehepaar im Hotel, das mag ja alles recht komisch sein – aber nur, wenn man eben noch nie einen Film von Tarantino oder Ritchie gesehen hat, und die Filmwelt bisher hinter Wim Wenders und Woody Allen zu Ende war. Muss man tatsächlich eine cineastische Beschränktheit mitbringen, um Filme als künstlerisch wertvoll erachten zu können?

Die Schauspieler sind es, die hier den Finger von der Vorspultaste fernhalten. Misel Maticevic als Branko und Lasha Bakradze als Merab sind erstklassig, und gehen in ihren Rollen auf als ob sie nie in ihrem Leben etwas anders gemacht hätten. Vor allem aber Franca Kastein ist es, die hier rückhaltlos begeistert, und ich habe absolut jede Szene mit ihr unendlich genossen. Eine wilde und hingebungsvolle Schauspielerin in einer Rolle, die ich so im wirklichen Leben tatsächlich des Öfteren angetroffen habe. Franca Kastein hat nach Abschluss der Dreharbeiten ihrem Leben ein Ende gesetzt. In Zusammenhang mit ihrer Schauspielkunst und –lust sowie den Anekdoten, die über sie im Internet zu finden sind, schien sie wohl eine Künstlerin zu sein, die an den Grenzen des Mediums und der Beschränktheit der modernen Stoffe gescheitert ist. Eine Darstellerin, die sicher eine Seelenverwandtschaft zu Darstellern wie Klaus Kinski spürte, die aber in künstlerisch wesentlich zahmeren Zeiten arbeiten musste. Ihr möchte ich diese Zeilen widmen …

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