Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
Moderator: jogiwan
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Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
(kein Plakat verfügbar)
Herstellungsland/-jahr: Deutschland 2003
Regie: Jochen Wermann
Drehbuch: Jochen Wermann
Produktion: Jochen Wermann
Musik: Beate Hetenyi
Kamera: Cornelia Wiederhold
Schnitt: Nic Nagel
Darsteller:
Mascha Mareen: Lisa
Jens Finn: Achim
Sven Hönig: Hannes
Holger Friedrich: Lisas Vater
Ellen Treede: Kathrin
Lars-Kilian Falk: Klaus
Gosto Babka von Gostomski: Gosto
Inhalt:
Ein poetischer Film von Jochen Wermann über Bulimie, der Hoffnung macht und dennoch nicht verschweigt, dass die Essstörung oft nur die Spitze des Eisberges ist.
Nach einer wahren Begebenheit.
(laut YouTube-Beschreibung)
Der komplette Film ist auf YT anschaubar:
Herstellungsland/-jahr: Deutschland 2003
Regie: Jochen Wermann
Drehbuch: Jochen Wermann
Produktion: Jochen Wermann
Musik: Beate Hetenyi
Kamera: Cornelia Wiederhold
Schnitt: Nic Nagel
Darsteller:
Mascha Mareen: Lisa
Jens Finn: Achim
Sven Hönig: Hannes
Holger Friedrich: Lisas Vater
Ellen Treede: Kathrin
Lars-Kilian Falk: Klaus
Gosto Babka von Gostomski: Gosto
Inhalt:
Ein poetischer Film von Jochen Wermann über Bulimie, der Hoffnung macht und dennoch nicht verschweigt, dass die Essstörung oft nur die Spitze des Eisberges ist.
Nach einer wahren Begebenheit.
(laut YouTube-Beschreibung)
Der komplette Film ist auf YT anschaubar:
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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Re: Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
„Du hast nicht die geringste Ahnung, auf was du dich da eingelassen hast...“
Mit „Lisa-Alisa – Licht und Schatten“ aus dem Jahre 2003 legte der deutsche Regisseur Jochen Wermann seinen nach „Last Summer“ (1994) zweiten und bisher letzten Spielfilm vor. Das semiprofessionelle, überwiegend mit Laiendarstellerinnen und -darstellern besetze Liebesdrama behandelt das Thema Bulimie und beruht nach eigenen Angaben auf wahren Begebenheiten.
„Bei dir ist immer gleich alles schwarz oder weiß!“
Achim (Jens Finn, „NVA“) besucht seinen alten Kumpel Hannes (Sven Hönig) in Berlin. Auf der Zugfahrt entdeckt er eine attraktive junge Frau (Mascha Mareen, FBI“), die im selben Abteil sitzt, und zeichnet ihr Antlitz heimlich in sein Notizbesuch. Und, Überraschung: Hannes kennt sie und vermittelt den Kontakt! Lisa, so heißt sie, gibt sich zunächst unnahbar, doch bald kommt man sich aufgrund gegenseitiger Sympathie trotzdem näher. Achim hält sie für essgestört, und tatsächlich: Lisa leidet unter Bulimie. Dennoch werden sie ein Paar und ziehen sogar zusammen…
Das Thema Bulimie kommt verhältnismäßig früh aufs Tapet: Als sich Achim noch während der Kennenlernphase überlegt, sich an einer Kunstakademie in Rom zu bewerben, scheint dies Lisa zu missfallen, was sie aber nicht ausspricht. Stattdessen kauft sie beim gemeinsamen Supermarktbesuch einen Einkaufswagen voller Junkfood, stopft alles in hinein und geht sich anschließend übergeben. Sprichwörtlich frisst sie also alles in sich hinein und kotzt es wieder aus – wie man in dieser Sequenz exemplarisch erfährt auch (bzw. gerade) ihre Unzufriedenheit. An Achims Faszination für Lisa ändert das indes nichts, er findet es „irgendwie spannend“. Die beiden vertiefen ihre Beziehung miteinander; offenbar glaubt Achim, er könne Lisa helfen, indem er ihr Stabilität bietet und Liebe gibt. Lisa ist zuweilen jedoch eine richtige Schreckschraube und macht es Achim damit nicht unbedingt leicht.
Im Laufe der Zeit führt Wermann weitere Figuren ein: Achims Freund Klaus (Lars-Kilian Falk, „Rosenstraße“), mit dem er im Zug saß, taucht plötzlich auf und greift in die Handlung ein. Als Achim Lisa dazu drängt, sich mit ihrer Mitbewohnerin Kathrin (Ellen Treede) auszusprechen, dreht sie plötzlich durch. Und an Weihnachten fahren sie gemeinsam ihren Vater (Holger Friedrich, „Tolle Lage“) besuchen, wo man ihre Familiengeschichte erfährt: Scheidungskind usw. Zwar wollte sie eines Morgens Tabula rasa machen und entsorgte all ihre Junkfood-Vorräte, doch bei Rückschlägen im Zusammenleben und bei der Zukunftsplanung verfällt sie stets in alte Fresskotzmuster. Zudem ist sie nur selten liebevoll, die meiste Zeit vielmehr schlicht unsympathisch, was es schwer nachvollziehbar macht, was Achim an ihr findet. Konsequenterweise scheitert die Beziehung, ihr Weg aus der Bulimie wird in einer knappen Texttafel am Schluss lediglich angedeutet. Wie genau sie es schafft und worin überhaupt die Ursachen für ihre Erkrankung zu finden sind, bleibt nebulös.
Das ist für einen solchen Film, der offenbar produziert wurde, um für Verständnis für von dieser Krankheit Betroffene zu werben, ein bisschen mau. Auf Menschen, die mit jemand Bulimiekrankem liiert sind, dürfte der Film eher abschreckend und desillusionierend wirken. Ich kann jedoch nicht ausschließen, dass ich den Film nicht verstanden habe, und zwar im Wortsinn: Die sicherlich nicht ganz unbedeutenden Dialoge unterliegen derart starken Lautstärkeschwankungen, dass so einiges im unteren Dezibelbereich schlicht untergeht. Neben dem engagierten Schauspiel insbesondere Mascha Mareens darf sich das Auge an einigen originellen Szenenübergängen erfreuen, wobei jener Part, in dem Achim von einer Tür, die er hinter sich schließt, zur nächsten gerät (und zur nächsten und zur nächsten…) etwas möglicherweise unbeabsichtigt beunruhigend Kafkaeskes hat.
Ohne Wertung aus genannten Gründen – und weil ich einem No-Budget-Projekt, das Betroffenen vielleicht tatsächlich hilft, nicht unnötig ans Bein pinkeln will.
Mit „Lisa-Alisa – Licht und Schatten“ aus dem Jahre 2003 legte der deutsche Regisseur Jochen Wermann seinen nach „Last Summer“ (1994) zweiten und bisher letzten Spielfilm vor. Das semiprofessionelle, überwiegend mit Laiendarstellerinnen und -darstellern besetze Liebesdrama behandelt das Thema Bulimie und beruht nach eigenen Angaben auf wahren Begebenheiten.
„Bei dir ist immer gleich alles schwarz oder weiß!“
Achim (Jens Finn, „NVA“) besucht seinen alten Kumpel Hannes (Sven Hönig) in Berlin. Auf der Zugfahrt entdeckt er eine attraktive junge Frau (Mascha Mareen, FBI“), die im selben Abteil sitzt, und zeichnet ihr Antlitz heimlich in sein Notizbesuch. Und, Überraschung: Hannes kennt sie und vermittelt den Kontakt! Lisa, so heißt sie, gibt sich zunächst unnahbar, doch bald kommt man sich aufgrund gegenseitiger Sympathie trotzdem näher. Achim hält sie für essgestört, und tatsächlich: Lisa leidet unter Bulimie. Dennoch werden sie ein Paar und ziehen sogar zusammen…
Das Thema Bulimie kommt verhältnismäßig früh aufs Tapet: Als sich Achim noch während der Kennenlernphase überlegt, sich an einer Kunstakademie in Rom zu bewerben, scheint dies Lisa zu missfallen, was sie aber nicht ausspricht. Stattdessen kauft sie beim gemeinsamen Supermarktbesuch einen Einkaufswagen voller Junkfood, stopft alles in hinein und geht sich anschließend übergeben. Sprichwörtlich frisst sie also alles in sich hinein und kotzt es wieder aus – wie man in dieser Sequenz exemplarisch erfährt auch (bzw. gerade) ihre Unzufriedenheit. An Achims Faszination für Lisa ändert das indes nichts, er findet es „irgendwie spannend“. Die beiden vertiefen ihre Beziehung miteinander; offenbar glaubt Achim, er könne Lisa helfen, indem er ihr Stabilität bietet und Liebe gibt. Lisa ist zuweilen jedoch eine richtige Schreckschraube und macht es Achim damit nicht unbedingt leicht.
Im Laufe der Zeit führt Wermann weitere Figuren ein: Achims Freund Klaus (Lars-Kilian Falk, „Rosenstraße“), mit dem er im Zug saß, taucht plötzlich auf und greift in die Handlung ein. Als Achim Lisa dazu drängt, sich mit ihrer Mitbewohnerin Kathrin (Ellen Treede) auszusprechen, dreht sie plötzlich durch. Und an Weihnachten fahren sie gemeinsam ihren Vater (Holger Friedrich, „Tolle Lage“) besuchen, wo man ihre Familiengeschichte erfährt: Scheidungskind usw. Zwar wollte sie eines Morgens Tabula rasa machen und entsorgte all ihre Junkfood-Vorräte, doch bei Rückschlägen im Zusammenleben und bei der Zukunftsplanung verfällt sie stets in alte Fresskotzmuster. Zudem ist sie nur selten liebevoll, die meiste Zeit vielmehr schlicht unsympathisch, was es schwer nachvollziehbar macht, was Achim an ihr findet. Konsequenterweise scheitert die Beziehung, ihr Weg aus der Bulimie wird in einer knappen Texttafel am Schluss lediglich angedeutet. Wie genau sie es schafft und worin überhaupt die Ursachen für ihre Erkrankung zu finden sind, bleibt nebulös.
Das ist für einen solchen Film, der offenbar produziert wurde, um für Verständnis für von dieser Krankheit Betroffene zu werben, ein bisschen mau. Auf Menschen, die mit jemand Bulimiekrankem liiert sind, dürfte der Film eher abschreckend und desillusionierend wirken. Ich kann jedoch nicht ausschließen, dass ich den Film nicht verstanden habe, und zwar im Wortsinn: Die sicherlich nicht ganz unbedeutenden Dialoge unterliegen derart starken Lautstärkeschwankungen, dass so einiges im unteren Dezibelbereich schlicht untergeht. Neben dem engagierten Schauspiel insbesondere Mascha Mareens darf sich das Auge an einigen originellen Szenenübergängen erfreuen, wobei jener Part, in dem Achim von einer Tür, die er hinter sich schließt, zur nächsten gerät (und zur nächsten und zur nächsten…) etwas möglicherweise unbeabsichtigt beunruhigend Kafkaeskes hat.
Ohne Wertung aus genannten Gründen – und weil ich einem No-Budget-Projekt, das Betroffenen vielleicht tatsächlich hilft, nicht unnötig ans Bein pinkeln will.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- FarfallaInsanguinata
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Re: Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
Sieh an, hat doch geklappt! Durch mein Einpflegen des Films im Forenbestand wollte ich deinen Post ein wenig pushen, nix für ungut, bux!
Danke für die ausführliche Besprechung!
Ich habe einen persönlichen Bezug zu der Thematik, nämlich die Liebe zu einer bulimischen Frau. Wenn sie gut drauf war, hat sie mich mit Zuneigung überschüttet, So einen liebevollen Menschen habe ich davor und danach nie getroffen. Wenn es ihr schlecht ging, hat sie mich ohne Rücksicht fast mit in den Abgrund gerissen. Das ist die andere Seite. Nebenbei war sie eine der schönsten Frauen, die mir je begegnet sind, auch wenn sie selbst das völlig anders wahrnahm. Das gehört aber zum Krankheitsbild, die sogenannte Körperschemastörung.
Ich fand es schlicht interessant, mal einen Spielfilm zu der Problematik zu finden, nicht immer nur Dokus mit bemühten Psychologen, verzweifelten Eltern, ängstlichen Betroffenen und naseweißen Voice-Over-Kommentatoren.
Meine Ansicht von Lisa-Alisa liegt allerdings schon einige Jahre zurück, deshalb werde ich ihn mir nochmal komplett abschauen, bevor ich mich explizit zum Film auslasse.
Danke für die ausführliche Besprechung!
Ich habe einen persönlichen Bezug zu der Thematik, nämlich die Liebe zu einer bulimischen Frau. Wenn sie gut drauf war, hat sie mich mit Zuneigung überschüttet, So einen liebevollen Menschen habe ich davor und danach nie getroffen. Wenn es ihr schlecht ging, hat sie mich ohne Rücksicht fast mit in den Abgrund gerissen. Das ist die andere Seite. Nebenbei war sie eine der schönsten Frauen, die mir je begegnet sind, auch wenn sie selbst das völlig anders wahrnahm. Das gehört aber zum Krankheitsbild, die sogenannte Körperschemastörung.
Ich fand es schlicht interessant, mal einen Spielfilm zu der Problematik zu finden, nicht immer nur Dokus mit bemühten Psychologen, verzweifelten Eltern, ängstlichen Betroffenen und naseweißen Voice-Over-Kommentatoren.
Meine Ansicht von Lisa-Alisa liegt allerdings schon einige Jahre zurück, deshalb werde ich ihn mir nochmal komplett abschauen, bevor ich mich explizit zum Film auslasse.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
- buxtebrawler
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Re: Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
Sehr gern! Die war ohnehin für gestern geplant, aber ich habe mich natürlich gefreut, nicht eigens den Thread dafür erstellen zu müssen.FarfallaInsanguinata hat geschrieben: ↑Di 4. Jun 2024, 19:06 Sieh an, hat doch geklappt! Durch mein Einpflegen des Films im Forenbestand wollte ich deinen Post ein wenig pushen, nix für ungut, bux!
Danke für die ausführliche Besprechung!
Danke für deine sehr intimen Einblicke. Diese emotionalen Extreme finden sich ja auch bei Menschen mit anderen psychischen Störungen bzw. Erkrankungen und der Umgang damit ist häufig... schwierig.FarfallaInsanguinata hat geschrieben: ↑Di 4. Jun 2024, 19:06Ich habe einen persönlichen Bezug zu der Thematik, nämlich die Liebe zu einer bulimischen Frau. Wenn sie gut drauf war, hat sie mich mit Zuneigung überschüttet, So einen liebevollen Menschen habe ich davor und danach nie getroffen. Wenn es ihr schlecht ging, hat sie mich ohne Rücksicht fast mit in den Abgrund gerissen. Das ist die andere Seite. Nebenbei war sie eine der schönsten Frauen, die mir je begegnet sind, auch wenn sie selbst das völlig anders wahrnahm. Das gehört aber zum Krankheitsbild, die sogenannte Körperschemastörung.
Ich fand es schlicht interessant, mal einen Spielfilm zu der Problematik zu finden, nicht immer nur Dokus mit bemühten Psychologen, verzweifelten Eltern, ängstlichen Betroffenen und naseweißen Voice-Over-Kommentatoren.
Meine Ansicht von Lisa-Alisa liegt allerdings schon einige Jahre zurück, deshalb werde ich ihn mir nochmal komplett abschauen, bevor ich mich explizit zum Film auslasse.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- FarfallaInsanguinata
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- Registriert: Mi 20. Nov 2013, 22:57
Re: Lisa-Alisa – Licht und Schatten – Jochen Wermann (2003)
Hier habe ich noch einmal genau hingeschaut und -gehört, dabei leistete tatsächlich der Kopfhörer gute Dienste.
Interessant war der Abgleich meines persönlichen Erfahrungshorizontes mit der Darstellung der Essstörung im Film. Dabei traten einige wichtige Unterschiede zutage. Um nicht zu sehr ins Offtopic zu gleiten, versuche ich mich kurzzufassen.
Bulimie ist meistens nicht als isolierte Erscheinung zu sehen, sondern eher eine Weiterentwicklung der Anorexie. Ideale Umsetzung der Anorexie wäre tatsächlich, keinerlei kalorienhaltige Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Der instinktive Überlebenswille des Körpers läuft jedoch dem verstandesmäßigen Willen der betroffenen Person zuwider und irgendwann holt der Körper sich mit Gewalt die ihm vorenthaltenen Nährstoffe in Form einer Heißhungerattacke. Dies wiederum empfindet man selbst als großes Versagen und versucht, die verhassten Lebensmittel gewaltsam loszuwerden. So ist eigentlich der klassische Verlauf einer Bulimie bzw. bulimischen Anorexie, Übergänge sind durchaus vorhanden und phasenweise unterschiedlich ausgeprägt.
Selbstverständlich kann jemand einen Fressanfall auch willentlich und bewusst inszenieren. Halte ich persönlich aber eher für untypisch.
Und damit kommen wir zum zweiten großen Unterschied, die Offenheit von Lisa gegenüber Achim, was ihr Tun angeht. Das kenne ich so überhaupt nicht! Im Gegenteil versuchen viele Essgestörte unter allen Umständen, ihr Verhalten vor ihrer Umwelt zu verbergen, und zwar nicht nur Fremden gegenüber, sondern gerade bei den nahestehenden Menschen wie Eltern, Geschwister, Partner oder Freunde. Die exemplarische Szene aus dem Film, wo Achim in der Badewanne sitzt und Lisa sich direkt daneben über die Kloschüssel beugt, halte ich für völlig unrealistisch. So etwas wäre für keinen der Erkrankten, die ich persönlich kennenlernte, eine Option gewesen.
Ähnlich befremdlich finde ich das mit dem verschenkten Aktfoto, denn typisch für Essgestörte ist eine krasse Ablehnung des eigenen Körpers, der ja nie den perfektionistischen Anforderungen genügen kann. Oftmals ertragen sie nicht einmal ihr Spiegelbild, geschweige denn, dass sie sich lustvoll erotisch fotografieren lassen könnten.
Viele psychologische Mechanismen in der Beziehungsgestaltung sind dagegen sehr gut dargestellt. Da hatte ich durchaus einige Aha-Effekte, z.B. bei dem permanenten Nähe-Distanz-Problem von Lisa. Sie sagt ja sehr treffend sinngemäß über sich: „Was ich richtig gut kann, ist Menschen dazu zu bringen mich zu hassen.“ Das würde ich für mich selbst glatt unterschreiben.
Betrachten wir das Werk doch einmal losgelöst von der vordergründigen Thematik, - denn dem eigenen Anspruch, einen Film über oder gar für Bulimie-Betroffene zu machen, wird er für mich nicht gerecht -, dann haben wir einen Liebesfilm bzw. einen Film über eine komplizierte Beziehung, und der wiederum gefällt mir ziemlich gut. Es wird eine schöne Geschichte durch interessante Figuren mit oft ansprechenden Darstellerleistungen, toller Kameraführung und Schnitt spannend erzählt. Da spielt es dann auch gar keine so große Rolle mehr, dass die „Heilung“ von Lisa keine nähere Thematisierung findet.
Der Haken sind leider die extrem störenden technischen Mängel! Das Lautstärkepegel-Defizit bei den Dialogen wurde bereits erwähnt, mir persönlich fiel ebenfalls die schlechte Ausleuchtung vieler Schauplätze und Szenen auf, wobei ich nicht sicher bin, ob das Absicht oder Unvermögen ist.
Mit etwas professionellerer handwerklicher Umsetzung passte der Film wunderbar in die Reihen „Debüt von jungen Regisseuren“ der ARD oder „Das kleine Fernsehspiel“ vom ZDF und obwohl in diesen Installationen nach meinem Empfinden viel Mist läuft, würde ich dort eine hohe Wertung vergeben.
So muss ich aufgrund der genannten Faktoren leider einen Punkt abziehen und lande bei
6,5/10.
Interessant war der Abgleich meines persönlichen Erfahrungshorizontes mit der Darstellung der Essstörung im Film. Dabei traten einige wichtige Unterschiede zutage. Um nicht zu sehr ins Offtopic zu gleiten, versuche ich mich kurzzufassen.
Bulimie ist meistens nicht als isolierte Erscheinung zu sehen, sondern eher eine Weiterentwicklung der Anorexie. Ideale Umsetzung der Anorexie wäre tatsächlich, keinerlei kalorienhaltige Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Der instinktive Überlebenswille des Körpers läuft jedoch dem verstandesmäßigen Willen der betroffenen Person zuwider und irgendwann holt der Körper sich mit Gewalt die ihm vorenthaltenen Nährstoffe in Form einer Heißhungerattacke. Dies wiederum empfindet man selbst als großes Versagen und versucht, die verhassten Lebensmittel gewaltsam loszuwerden. So ist eigentlich der klassische Verlauf einer Bulimie bzw. bulimischen Anorexie, Übergänge sind durchaus vorhanden und phasenweise unterschiedlich ausgeprägt.
Selbstverständlich kann jemand einen Fressanfall auch willentlich und bewusst inszenieren. Halte ich persönlich aber eher für untypisch.
Und damit kommen wir zum zweiten großen Unterschied, die Offenheit von Lisa gegenüber Achim, was ihr Tun angeht. Das kenne ich so überhaupt nicht! Im Gegenteil versuchen viele Essgestörte unter allen Umständen, ihr Verhalten vor ihrer Umwelt zu verbergen, und zwar nicht nur Fremden gegenüber, sondern gerade bei den nahestehenden Menschen wie Eltern, Geschwister, Partner oder Freunde. Die exemplarische Szene aus dem Film, wo Achim in der Badewanne sitzt und Lisa sich direkt daneben über die Kloschüssel beugt, halte ich für völlig unrealistisch. So etwas wäre für keinen der Erkrankten, die ich persönlich kennenlernte, eine Option gewesen.
Ähnlich befremdlich finde ich das mit dem verschenkten Aktfoto, denn typisch für Essgestörte ist eine krasse Ablehnung des eigenen Körpers, der ja nie den perfektionistischen Anforderungen genügen kann. Oftmals ertragen sie nicht einmal ihr Spiegelbild, geschweige denn, dass sie sich lustvoll erotisch fotografieren lassen könnten.
Viele psychologische Mechanismen in der Beziehungsgestaltung sind dagegen sehr gut dargestellt. Da hatte ich durchaus einige Aha-Effekte, z.B. bei dem permanenten Nähe-Distanz-Problem von Lisa. Sie sagt ja sehr treffend sinngemäß über sich: „Was ich richtig gut kann, ist Menschen dazu zu bringen mich zu hassen.“ Das würde ich für mich selbst glatt unterschreiben.
Betrachten wir das Werk doch einmal losgelöst von der vordergründigen Thematik, - denn dem eigenen Anspruch, einen Film über oder gar für Bulimie-Betroffene zu machen, wird er für mich nicht gerecht -, dann haben wir einen Liebesfilm bzw. einen Film über eine komplizierte Beziehung, und der wiederum gefällt mir ziemlich gut. Es wird eine schöne Geschichte durch interessante Figuren mit oft ansprechenden Darstellerleistungen, toller Kameraführung und Schnitt spannend erzählt. Da spielt es dann auch gar keine so große Rolle mehr, dass die „Heilung“ von Lisa keine nähere Thematisierung findet.
Der Haken sind leider die extrem störenden technischen Mängel! Das Lautstärkepegel-Defizit bei den Dialogen wurde bereits erwähnt, mir persönlich fiel ebenfalls die schlechte Ausleuchtung vieler Schauplätze und Szenen auf, wobei ich nicht sicher bin, ob das Absicht oder Unvermögen ist.
Mit etwas professionellerer handwerklicher Umsetzung passte der Film wunderbar in die Reihen „Debüt von jungen Regisseuren“ der ARD oder „Das kleine Fernsehspiel“ vom ZDF und obwohl in diesen Installationen nach meinem Empfinden viel Mist läuft, würde ich dort eine hohe Wertung vergeben.
So muss ich aufgrund der genannten Faktoren leider einen Punkt abziehen und lande bei
6,5/10.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.