Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von jogiwan »

Ich piss' auf deinen Kadaver

Bild

Originaltitel: Ich piss' auf deinen Kadaver

Herstellungsland: Deutschland / 1999

Regie: Jochen Taubert

Darsteller: Christoph Krappe, Frank Reglinkt, Erwin Feldkamp, Silvia Kippert, Robert Lolfing

Story:

Ein junger Mann wird nach einem Unfall von einem Arzt gerettet und schwört diesem daraufhin zu helfen, falls er sich jemals in Schwierigkeiten befinden sollte. Das geht auch schneller als gedacht, als der Arzt von korrupten Militärmenschen dazu auserwählt wird, einen biologischen Kampfstoff weiter zu entwickeln, der zuvor schon einigen Menschen das Leben gekostet hat. Doch der Arzt weigert sich und versteckt den Kampfstoff, ehe er sich bei seinem loyalen und neuen Freund versteckt. Wenig später bricht das Grauen auf die Kleinstadt herein, als sich Horden an Militärmenschen und sonstigen Security-Leuten auf den Weg machen um den Kampfstoff wieder in ihren Besitz zu bringen und dabei auch nicht gerade zimperlich vorgehen.
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jogiwan
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von jogiwan »

Jochen Taubert und sein ewiggleiches Muster einen Film zu gestalten besteht darin eine Idee für einen Drehbuchentwurf zu haben, diese nach ein paar Minuten über Bord zu werfen und dann immer dieselben Verfolgungsjagden mit etwas Kollateralschaden zu gestalten. Hier geht es um einen Kampfstoff und einen Arzt mit zwei Töchtern, die von einem Paten und korrupten Militär verfolgt werden. Natürlich entpuppt sich auch „Ich piss‘ auf deinen Kadaver“ als die sattsam bekannte Mischung aus Laienspieltheater, fragwürdigen Humorverständnis, schlecht inszenierten Verfolgungsjagden und Schmodder mit FX aus der Halloween-Ecke der örtlichen Müller-Filiale. Die Darsteller sind ohnehin immer die gleichen, der Billig-Techno dröhnt in nahezu jeder Szene und von den zahlreichen Anschlussfehlern und sonstigen Dingen will ich ja erst gar nicht anfangen. Soweit so unlustig macht „Ich piss‘ auf deinen Kadaver“ auch keinen Spaß und ist wieder einmal ein abschreckendes Beispiel aus der Amateur-Ecke bei dem es lediglich verwundert, dass er noch Darsteller findet, die sich für so etwas hergeben und vor der Kamera zum Affen machen. Taubert versucht ja auch gar nicht, sich irgendwie zu steigern oder kreativ zu verbessern, sondern hat offensichtlich Gefallen an seiner Nische gefunden. Es ist aber wohl an der Zeit mich als Zuschauer nun endgültig aus dieser zu verabschieden.
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Salvatore Baccaro
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Eine Sache, die mich an Jochen Tauberts Frühwerk ICH PISS' AUF KEINEN KADAVER immens fasziniert, ist, wie sehr dieser eigenwillige Filmemacher dort Alfred Hitchcocks berühmtes Konzept des „MacGuffin“ sowohl gegen den Strich bürstet, zugleich aber auch regelrecht perfektioniert.

Wir erinnern uns: Für Hitchcock und seinen zeitwilligen Drehbuchautor Angus MacPhail ist ein MacGuffin ein beliebiges Objekt, das die Handlung eines Films in Gang bringen soll, dessen eigentliche Bedeutung dann aber, sobald die Story erstmal Fahrt aufgenommen hat, letztlich vollkommen obsolet bleibt: Ein Koffer wie in PULP FICTION, von dem wir nie erfahren, was sich in ihm befindet, oder, um bei Hitchcock zu bleiben, die schwammigen Regierungsgeheimnisse in NORTH BY NORTHWEST – beides versetzt unsere Protagonisten in brenzlige, bedrohliche Situation und legitimiert dadurch quasi die Existenz des jeweiligen Films, bis zuletzt bleibt es jedoch unserer Phantasie überlassen, was John Travolta und Samuel L. Jackson in ihrem Köfferchen mit sich herumführen, oder aus welchem welterschütterndem Hintergrund heraus Cary Grant als unbescholtener US-Bürger plötzlich ins Zielfeld von Gangstern gerät, die ihn anscheinend mit einem Geheimagenten verwechseln. Selbst der Name „MacGuffin“, den Hitchcock in den 60ern im Gespräch mit Francois Truffaut nennt, ist komplett kontingent, bezeichnet nichts Konkretes, und macht es möglich, wirklich alles in ihn hineinzuinterpretieren.

Taubert startet ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER, wenn man so will, gleich mit zwei MacGuffins, einem, der auf rein narrativer Ebene funktioniert, und einem, der dem klassischen Hitchcock-Objekt entspricht.

ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER beginnt mit einer der eindrücklichsten mir bekannten Eröffnungssequenzen des gesamten deutschsprachigen Amateur-(Splatter)-Sektors: Zu entspanntem Folk-Pop fährt ein Mann mit seinem PKW durchs bundesdeutsche Hinterland. Eigentlich möchte er seiner Musikanlage bloß eine Kassette zuführen, doch entgleitet diese ihm. Als er sich nach ihr bückt, verliert er folgerichtig die Fahrbahn aus den Augen, und zeitgleich die Kontrolle über sein Vehikel: Das Auto rast in ein Feld hinein, überschlägt sich. Schwerverletzt schafft der Mann es, sich bis zur nächsten Telefonzelle zu schleppen, wo er den Notruft tätigt und dann besinnungslos zusammenbricht. Während noch immer der charttaugliche, englischsprachige Popsong ertönt, wird unser Held unter viel Brimborium von herbeieilenden Sanitätern ins örtliche Krankenhaus verfrachtet, wo ein Arzt ihn (wohlgemerkt ohne Narkose!) einer Not-Operation unterzieht. Unser Freund überlebt und verspricht dem Doc: „Ich stehe tief in Ihrer Schuld. Wenn Sie mal Hilfe brauchen, können Sie auf mich zählen.“ Insgesamt nimmt dieser Prolog fast die kompletten ersten zehn Minuten von Tauberts Film ein und suggeriert, im Folgenden würden wir vielleicht miterleben, auf welche Art und Weise sich der Patient beim Mediziner, (der doch bloß seinen Job getan hat), dafür revanchieren kann, dass dieser ihm das Leben rettete. Aber Pustekuchen: Zwar treffen sich beide im Verlauf des Films erneut, und tatsächlich springt der verunglückte PKW-Fahrer dem Doktor zur Hilfe, als dieser im Umkreis der Farm, wo sein Ex-Patient ein rustikales Leben führt, von schießwütigen Militärs bedrängt wird, - nur fängt sich der Bauer bald eine Kugel ein und verstirbt relativ sang- und klanglos an der Peripherie der Handlung, die daraufhin unberührt und unbeirrt von seinem Ableben weiterläuft, (sodass es, im Klartext, diesen, ehm, "Twist" gar nicht gebraucht hätte.)

Wie es überhaupt dazu kommt, dass ein herkömmlicher Unfallarzt ins Zielfeld amoklaufender Soldaten gerät, erklärt uns Taubert mittels des zweiten, des haptischen MacGuffins, bei dem es sich um einen ominösen Koffer handelt, in dem sich ein biologischer Kampfstoff befinden soll, den wiederum ein korrupter Militärangehöriger einer Forschungsstation entwendet hat, um ihn an die Mafia zu verschachern. Leider verstirbt zu Beginn von ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER ein Weißkittel, der zu der Truppe verbrecherischer Militärs gehört hat, weil er selbst in Kontakt mit dem todbringenden Virus kommt, (und zwar, als er prüfen soll, ob ein Zivilist, an dem man die Wirkung des Kampfstoffs getestet hat, nach seinem Martyrium tatsächlich mausetot ist). Der Chef der bis an die Zähne bewaffneten Camouflage-Gangster befindet nun: Ein neuer Medikus muss her! Und wie besorgt man sich den? Genau: Indem man einfach das nächstbeste Krankenhaus stürmt, einen Großteil der Belegschaft über den Haufen ballert, und unseren Helden, den Doktor vom Prolog, zu verschleppen versucht, um ihn zwangsweise der eigenen Gruppe anzugliedern. Nur ist der gerissen genug, sich aus dem Staub zu machen, - (in bester SAW-Manier übrigens, nachdem man ihn mit Handschellen an eine Heizung gekettet hat und er sich kurzerhand den Daumen mit einem Skalpell abschneidet, um die Flosse aus der Schlinge ziehen zu können), - startet seine Flucht jedoch, (warum auch immer?), nicht ohne den Koffer mit der gemeingefährlichen Substanz. Was folgt, ist eine endlose Abfolge aus Verfolgungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, bei der sowohl die ursprüngliche Prämisse des Drehbuchs, (falls es denn eins gegeben haben sollte), wie auch die komplette Geschichte um den Kampfstoff sehr stark ins Hintertreffen gerät, - um nicht zu sagen: Bald spielt es gar keine Rolle mehr, wer da weshalb auf wen schießt, wer da wen entleibt, dass die Himbeersauce und der Ketchup nur so in die grimassierenden Fratzen spritzen, wer da vor wem in welchem Fluchtfahrzeug zu stets überlautem Billig-Techno Reißaus nimmt, denn Primärzweck des Films scheint es sowieso zu sein, dass Taubert seinen Hauptdarsteller Christoph Krabbe als veritablen Action-Arzt stilisieren möchte, einen Mediziner mit Magnum, wenn man so will.

Konsequent durchziehen macguffin-esque Irritationseffekte die neunzig Minuten Laufzeit: Bei dem erwähnten Shoot-Out auf der Farm des anfänglichen Unfallopfers, (das mich in seiner ostentativen Unbeholfenheit unweigerlich an Godards WEEK END erinnert), taucht aus dem Nichts ein Pfarrer auf, um die Militärs (seine "Schäfchen") zur Raison zu rufen, und erhält seinerseits die Todeskugel. Unser Arzt hat außerdem zwei Töchter, die der Story kein bisschen auf die Sprünge helfen, dafür in ausgewalzten Nebenhandlungssträngen von den Soldaten (gerne splitterfasernackt) gehetzt, genotzüchtigt und grausam gemeuchelt werden. (In einer dieser Szenen verkündet einer der Bösewichter seinem bemitleidenswerten Opfer: „Ich schneid Dich jetzt in viele kleine Stücke“, belässt es im Anschluss aber dann bei einem einzigen Kehlenschnitt.) Zwischendurch schaut auch noch der Killerhund des Mediziners namens Bruno vorbei, um einen Angreifer um seine Extremitäten zu erleichtern, man wechselt Fluchtfahrzeuge, indem man wahllos irgendwelche PKWs anhält und die Fahrer mit vorgehaltener Waffe davonjagt, unser Held hantiert kürt Pfeil und Bogen zu seiner liebsten Verteidigungswaffe und begrüßt seinen Nachwuchs am Telefon mit: „Hallo, Tochter!“

Das Ganze ist natürlich gefilmt in diesem unvergleichlichen Taubert-Stil, den man wahlweise, angeödet vom Mainstream-Kino-ABC, herrlich erfrischend, oder aber, angeekelt vom schiefen Alphabet No-Budget-Filmemachens, dilettantisch-trashig finden kann. Im Prinzip könnte man beinahe argumentieren, der gesamte Film sei ein einziger MacGuffin: Es wird angetäuscht, wir würden so etwas Ähnliches wie einen Spielfilm zu sehen bekommen, in Wirklichkeit ist es aber lediglich ein Sammelsurium isolierter Segmente, in denen Menschen einander umbringen oder voreinander die Flucht ergreifen, in die wahllos Aufnahmen von Bundeswehrtruppenübungen eingeflochten sind, und bei deren haarsträubendsten Momenten nie ganz klar wird, ob diese nun humorig oder todernst gemeint sein sollen, (Stichwort: „Bruno, fass!“)

Abschließend möchte ich gerne Slavoj Zizek zitieren (und zwar aus: "Liebe Dein Symptom wie Dich selbst. Jacques Lacans Psychoanalyse un die Medien, Berlin 1991, 130ff.), wo er die gesamte MacGuffin mit (natürlich!) überstarkem Lacan-Rekurs auf den Punkt bringt: "Schließlich sei noch ein letztes Beispiel genannt: MacGuffin, das Hitchcocksche Objekt, der reine Vorwand, dessen einzige Funktion darin besteht, die Handlung in Gang zu bringen, ein Objekt, das aber an sich ,überhaupt nichts' ist - die einzige Bedeutung des MacGuffin liegt darin, daß er für die Figuren eine gewisse Bedeutung hat, d.h. daß er ihnen als ein Objekt vitalen Interesses erscheint. [...] Das also ist MacGuffin, ein reines Nichts, das trotzdem Wirkungen hat. Man braucht kaum hinzuzufügen, daß MacGuffin den reinsten Fall dessen darstellt, was Lacan object petit a nennt: eine reine Leere fungierend als Objekt-Ursache des Begehrens."

Mit Zizek könnte man einen MacGuffin definieren als einen leeren Signifikant, der seine (flüchtige) Bedeutung nur durch permanente Verschiebungen erhält; und davon ausgehend könnte man Tauberts ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER als eine in (äußerst fragile) Spielfilmform gepresste Ansammlung solcher leerer Signifikanten begreifen, eine pure Charade, die vorgaukelt, sie würde irgendetwas erzählen, auf irgendetwas hinauswollen, irgendetwas bezeichnen, die letztlich aber bloß Zeichen in den Ring wirft, die sich, wenn überhaupt, auf sich selbst beziehen, und die ansonsten absolut arbiträr erscheinen, so, als ob Meister Zufall sie von den Palmen geschüttelt hätte. Wenn aber ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER ein einziger großer fleisch- bzw. filmgewordener MacGuffin ist, der den "eigentlichen" Film ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER (bzw. die "Idee" dieses Films) stets nur anteasert, ihn mir aber immer wieder entzieht, so wie einen Pfennig an einem Bindfaden, wo existiert denn dann der Film, den dieser Taubert'sche MacGuffin in Gang setzen soll: Nirgendwo? Nur in meinem Kopf? Als un-fassbare Hintergrundfolie, nicht lesbare Spur irgendwo HINTER dem Pseudo-Film ICH PISS' AUF DEINEN KADAVER? Und ist das dann nicht genau das, was Jacques Derrida mit seiner Idee der Différance meint: "Jede Spur ist Spur einer Spur. Kein Element ist jemals irgendwo anwesend (auch nicht einfach abwesend): es gibt nichts als Spuren."

Manche dieser Spuren führen zu einem Urinstrahl, der sich auf einen Kadaver ergießt. "Bruno, fass!"
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buxtebrawler
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von buxtebrawler »

Dass Taubert mit Hitchcock in Verbindung gebracht wird, liest man wahrlich nicht allzu häufig :lol:

Herzlichen Dank für diese einmal mehr amüsante Rezension, werter Salvatore.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Salvatore Baccaro
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 11:12 Herzlichen Dank für diese einmal mehr amüsante Rezension, werter Salvatore.
Danke ergiebigst.

Und nun: "Bruno, fass!"

purgatorio
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von purgatorio »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 11:52
So viel Aufschnitt auf dem Rasen :-o Wohl eine ganze Wurstplatte aufs englische Grün gepflastert?
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
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Dick Cockboner
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von Dick Cockboner »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 11:12 Dass Taubert mit Hitchcock in Verbindung gebracht wird, liest man wahrlich nicht allzu häufig :lol:
Wahrscheinlich deshalb, weil es falsch ist eine herzustellen. :wink:
Bei Hitchcock war es Intention, bei Taubert (zu viel) Paderborner Pilsener.
Fähigkeit und Unfähigkeit haben, meines Erachtens nach, keine Schnittmenge.
Wenn z.B. der Schnitt völlig absurd gesetzt ist oder man zu doof ist mit der Kamera richtig umzugehen befindet sich man mitnichten in der Traditionslinie der Nouvelle Vague.
Taubert zugute halten möchte ich aber, das er dem seinem Publikum gibt, wonach es verlangt.
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Salvatore Baccaro
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Re: Ich piss' auf deinen Kadaver - Jochen Taubert (1999)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Dick Cockboner hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 17:27 Wahrscheinlich deshalb, weil es falsch ist eine herzustellen. :wink:
Bei Hitchcock war es Intention, bei Taubert (zu viel) Paderborner Pilsener.
Nein, dieser Argumentation mag ich nicht folgen.

Dann könnte man ja auch alle (mehr oder minder) unintentional auftretenden Kunstzweige wie Dada, Outsider Art, Art Brut verwerfen...

Wenn ich beispielweise behaupte, dass Marino Girolamis ZOMBI HOLOCAUST die vielleicht schönste Übersetzung der surrealistischen Écriture automatique ins kinematographische Medium und deshalb ein formvollendetes Kunstwerk ist, sage ich ja keineswegs, dass der Film nicht primär aus ökonomischen Gründen gedreht worden sei, um ein splatter-affines Publikum ins Kino zu locken. Doch gerade der Umstand, dass die Verantwortlichen komplett unbelastet sind von einem theoretischen Überbau oder einer ästhetischen Agenda lässt den Streifen für mich so wirken, als ob er noch viel freier in bestimmte verfemte Regionen des Unbewussten vorstoßen würde als irgendein Text von Breton oder Soupault, die nicht mal im heftigsten Trance-Zustand völlig aus ihrer intellektuellen Haut können.

Gleiches gilt für Jochen Taubert: Manchmal ist das Werk klüger als sein Schöpfer, und manchmal malt der Schimpanse die bewegenderen Bilder als der professionell ausgebildete und mit der kompletten westlichen Kunstgeschichte bis zum Rand vollgestopfte Akademiemaler...
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