Der Spinnenmörder - Gerhard Klingenberg (1978)

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Maulwurf
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Der Spinnenmörder - Gerhard Klingenberg (1978)

Beitrag von Maulwurf »

 
Der Spinnenmörder
Deutschland 1978
Regie: Gerhard Klingenberg
Alma Seidler, Uta Sax, Klaus Abramowsky, Volker Brandt, Peter Arens, Dietmar Schönherr, Frank Hoffmann, Monika John, Kurt Conradi, Karl Walter Diess


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Lange bevor mit dem Privatfernsehen Sex und Gewalt Einzug hielten auf bundesdeutschen Fernsehschirmen, lange vorher gab es den Begriff des Fernsehspiels: Große Schauspieler, die in einem Fernsehstudio in statischen Kulissen ein Theaterstück aufführten oder nachspielten; mal einen großen Klassiker, mal eine Boulevard-Komödie, oder eben auch einen Krimi. Das qualitative Niveau war dabei meistens sehr hoch, der Unterhaltungswert aus heutiger(!) Sicht eher gering, immerhin sah sich der Zuschauer gezwungen, richtigen Schauspielern dabei zuzusehen wie sie sich gegenseitig Stichworte zuwerfen, ein oder maximal zwei Bühnenbilder unsicher machten, und dabei auf Verfolgungsjagden, Explosionen, Sex oder Gewalttaten weitestgehend verzichteten. Heutzutage undenkbar …

DER SPINNENMÖRDER ist so ein Fernsehspiel. Eine sogernannte Krimi-Komödie, basierend auf einem Theaterstück aus dem Jahr 1920 (das wiederum auf einem Roman aus dem Jahr 1908 basierte), und, wenn man mal ganz ehrlich ist, auch den Geist dieser Zeit atmend. Die alte Lady Gorder bewohnt mit ihrem Hausmädchen Lizzie ein einsames Haus, in dem es vermeintlich spukt. Während Lizzie aber bei jedem Geräusch schier an die Decke geht, ist die resolute Ms. Gorder nicht so schnell einzuschüchtern. Im Gegenteil zitiert sie Chefinspektor Anderson von Scotland Yard ins Haus, der ihr dabei helfen soll aufzudecken, wer denn da eigentlich versucht in das Haus einzudringen. Schnell stellt sich heraus, dass vor wenigen Tagen 100.000 Pfund bei einer Bank verschwunden sind, und sich dieses Geld mit großer Wahrscheinlichkeit im Haus befindet. In einem Geheimraum. Und nun wollen alle möglichen Menschen an dieses Geld herankommen, zuvorderst der sogenannte Spinnenmörder - Ein Halunke, der seit geraumer Zeit in London große Dinger dreht, und dem Scotland Yard völlig vergeblich auf der Spur ist. Wer könnte also der Spinnenmörder sein? Der ominöse Halb-Chinese Billy, der als Koch, Diener und Faktotum fungiert? Der neu eingestellte Gärtner Brooks, der eine Pflanze nicht von Haarausfall unterscheiden kann? Doktor Wells, der ein großes Interesse daran hat, den Riegel der Hintertür offen zu lassen? Oder ist der Spinnenmörder vielleicht jemand ganz anderes?

Wie definiert man eigentlich den Begriff Krimi-Komödie? Ein Krimi ist nach allgemeiner Lesart ein Whodunit, also die Suche nach dem Täter eines Verbrechens, meistens eines Mordes. Es kann aber alternativ auch um die Planung eines Verbrechens gehen Wenn es dabei etwas zu lachen gibt, oder wenn ein rechter Unfug getrieben wird, dann spricht man von einer Krimi-Komödie, ganz klar. Also vielleicht sowas wie IMMER ÄRGER MT HARRY. Oder LADYKILLERS. Oder die Eberhofer-Verfilmungen.

Dumm nur, dass DER SPINNENMÖRDER in diese Kategorien so gar nicht passt. Ein Krimi ist das Stück durchaus, immerhin sehen wir einer Anzahl Menschen dabei zu, wie sie gestohlenes Geld suchen und einen Mörder versuchen zu fangen. Die klassischen Krimi-Topoi werden dabei allerdings leider ausgeblendet, stattdessen sind die Charaktere recht schnell klar und genauso schnell ist auch offensichtlich, dass hier nicht jeder das ist was er scheint. Sogar den Spinnenmörder kann man schnell ausfindig machen, was der Spannung des Stückes naturgemäß sehr abträglich ist. Mitfiebern oder gar mitraten ist nicht, stattdessen schaut man dem Spektakel eher unbeteiligt zu und beginnt irgendwann abzuschätzen, was als nächstes passieren wird. Gelegentliche Wetten mit sich selbst dürfte man oft gewinnen, da die nächsten Situationen in den meisten Fällen klar abzusehen sind …

Aber wir haben ja auch noch eine Komödie! Also flotte Sprüche, Witze, haarsträubende und lustige Situationen … Ääh, nein, nicht in DER SPINNENMÖRDER. Hier hat es ein klein wenig Slapstick (die ewig gleichen Personen stolpern über die immergleiche Stelle im Boden, Brooks stößt sich andauernd irgendwo), eine schrullige alte Dame die leider ohne Ecken und Kanten ist und sich in ihrer Komik deutlich an Margaret Rutherford orientiert, und sonst ist da nichts. Keine Witze. Keine haarsträubenden Situationen. Keine lustigen Sprüche. Nur bemühte Dialoge, die Leichtigkeit vortäuschen und in Wirklichkeit nur Schwere atmen. Fernsehunterhaltung, so recht aus dem 70ern, wobei es da, ich erinnere mich sehr wohl, auch durchaus gelungenere Beispiele gab.

Aber trotzdem das Stück nun weder das eine noch das andere ist, trotzdem vergibt der Maulwurf 5 von 10 Bauplänen. Warum dies? Nun ja, nach der etwas starren Exposition beginnt das Schauspiel durchaus einen gewissen Drive zu entwickeln, und trotz aller Vorhersehbarkeit zieht das relativ hohe Tempo den Zuschauer dann doch irgendwann mit. Sobald die große Halle verlassen und das Zimmer mit dem Geheimraum betreten wird eskalieren die Ereignisse, das Tempo zieht nochmals an, und es kommt in dem halbdunklen Raum zu jeder Menge, man halte sich fest, haarsträubender Situationen (ja ja!), die atmosphärisch Einiges hermachen, und die relative Ödnis des Beginns vergessen lassen. Die Schauspieler sind größtenteils nicht aus der allerersten Reihe und auch Dietmar Schönherr scheint regelmäßig am perfekten Timing vorbeizuschlittern, aber die Interaktionen dieses letzten Drittels bereiten immerhin so viel Vergnügen, dass nach dem Ende ein gewisses Wohlbehagen übrigbleibt.

Natürlich ist DER SPINNENMÖRDER bieder bis zum Umfallen, das Stück ist steif und altmodisch im schlimmsten Sinne, und die Zeiten haben sich unterhaltungstechnisch definitiv ein ganzes Stückchen weitergedreht. Aber an einem Abend, an dem man von der bösen Welt da draußen nichts mehr wissen möchte und wo man etwas Wärme für die Seele benötigt, da kann man Schokolade essen. Oder sich etwas wie DER SPINNENMÖRDER ansehen …

5/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
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