The Whispering Star - Shion Sono (2015)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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The Whispering Star - Shion Sono (2015)

Beitrag von jogiwan »

The Whispering Star

Bild

Originaltitel: Hiso hiso boshi

Herstellungsland: Japan / 2015

Regie: Shion Sono

Darsteller: Megumi Kagurazaka, Kenji Endô, Yûto Ikeda, Kôko Mori

Story:

In einer nicht näher benannten Zukunft hat die künstliche Intelligenz das Ruder übernommen und der Mensch ist zu einer bedrohten Spezies geworden, der über die Galaxie verstreut, zurückgezogen und an scheinbar unwirtlichen Gegenden lebt. Die Androidin Yoko Suzuki ist in dieser Zeit als Paketzustellerin unterwegs um Menschen Pakete zu bringen, die teils jahrzehntelang darauf warten. Doch während der triste Alltag mit seiner immer wiederkehrenden Routine vergeht und der Bordcomputer und ein altes Tonbandgerät als einzige Abwechslung dient, erliegt Yoko Suzuki der Neugier und schaut eines Tages in die Pakete um zu entdecken, was sich darin befindet…
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jogiwan
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Re: The Whispering Star - Shion Sono (2015)

Beitrag von jogiwan »

Wie bereits mehrfach geschrieben ist Regisseur Shion Sono mit seinem schier unüberschaubaren Output als Regisseur ja immer für eine Überraschung gut und so ist auch ein Streifen wie „The Whispering Star“ in seinem Oeuvre wenig verwunderlich. Der Streifen wirkt im Gegensatz zu seinen anderen Werken völlig unspektakulär und von einer zeitlupenartigen Ruhe und auch die poetische Geschichte über das Wesen der Menschheit in Zeiten fortschreitender Technologie und Instagram-Materialismus passt irgendwie fast nicht so recht zu den grellen Werken, die Herr Sono sonst so fabriziert. „The Whispering Stars“ mit seinen (bis auf eine kurze Ausnahme) durchkomponierten Schwarz-Weiß-Bildern und dem spärlichen Einsatz von Musik wirkt erwachsen, besonnen und in vielerlei Hinsicht wie eine unausgesprochene Mahnung, sich wieder auf wahre Werte zu besinnen. Gedreht wurde der Streifen, der eigentlich nur eine Figur in den Mittelpunkt stellt wohl an den Schauplätzen von Fukushima, die mit ihrem postapokalyptischen Szenario auch perfekt zu dem melancholischen Charakter der Geschichte passen. Aus so einem leisen Werk wie dem hier, wird auch jeder Zuschauer etwas anderes herauslesen können, sofern man sich darauf einlassen mag. Ein wunderbar melancholischer Streifen, der mich nach kurzer und anfänglicher Irritation sehr positiv überrascht hat und wohl auch noch länger beschäftigen wird.
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Maulwurf
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Re: The Whispering Star - Shion Sono (2015)

Beitrag von Maulwurf »

 
The Whispering star
Hiso hiso boshi
Japan 2015
Regie: Sion Sono
Megumi Kagurazaka, Kenji Endô, Yûto Ikeda, Kôko Mori


The whispering star.jpg
The whispering star.jpg (100.19 KiB) 43 mal betrachtet
OFDB

Irgendwann in der Zukunft (also eher morgen als übermorgen …) sind die Tage der Menschheit gezählt. Die Wissenschaft entwickelt sich nicht weiter und die Menschen sind zwischen den Sternen zerstreut. Das Ende der menschlichen Rasse. Das Ende? Nein, nicht ganz. Denn mittels SPS, dem Space Parcel Service, können die Menschen Kontakt miteinander halten. Sich nicht zueinander teleportieren, sondern sich gegenseitig Päckchen schicken in denen Dinge sind. Und Yoko Suzukis Aufgabe ist es, ein Raumschiff des SPS zu navigieren, auf fernen Planeten zu landen, und den Menschen diese Päckchen gegen eine Erhaltsbestätigung zu übergeben.

Das Raumschiff selber macht dabei gelegentlich einmal Schwierigkeiten, und eine verspätete Lieferzeit von 2 bis 3 Jahren ist dabei durchaus im Rahmen (wer lacht da?). Es hat eigenartige und surreale Begegnungen auf den Planeten, und auch Yoko Suzukis Batterien müssen regelmäßig ausgewechselt werden. Denn Yoko Suzuki ist eine Maschine, genauso wie das Raumschiff. Nur so kann sie die mehr als 14 Jahre an Bord des Raumschiffes überstehen, und sich den alltäglichen Routinearbeiten widmen: Boden putzen, Staub wischen, ein Tagebuch auf ein Tonband sprechen.

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Und es stellt sich die Frage, was den Menschen zu Menschen macht. Die Fähigkeit, nicht miteinander zu kommunizieren? Die Möglichkeit, auch in desolaten und einsamen Landschaften leben zu können? Sich erst dann zu einem höheren Wesen entwickeln zu können, wenn man die Beziehung zu seinen Wurzeln vergisst? Sion Sono liefert natürlich keine Antworten auf mögliche Fragen, er zeigt. Er zeigt einsame Lebewesen die alle für sich leben, und selbst wenn sie ein Paar ergeben wie die Spaziergänger, trotzdem nur nebeneinanderher laufen, ohne sich in irgendeiner Weise zu treffen. Gedreht wurde THE WHISPERING STAR in der Präfektur Fukushima, und einige Bewohner der Präfektur spielen in dem Film mit. Die Stimmung dort, die mit Händen greifbare Einsamkeit, ist überwältigend – Eine Zivilisation in Auflösung begriffen. Häuser, Geschäfte, Straßen aus unserem heutigen Alltagsleben, die die Katastrophe des Tsunamis und des auseinanderbrechenden Atomkraftwerks überlebt haben, und sich jetzt allmählich in den Zustand des Verfalls begeben. Und zwischen den „Kulissen“ eben diese Reste von Menschen, die wie Geister durch etwas gehen, das einmal ihr Zuhause war. Die letzte Auslieferung Suzukis zeigt dann nicht einmal mehr die Menschen sondern tatsächlich nur noch deren Eindrücke. Wie Seelen, die auf ewig ihr Menschsein feiern und Dinge wiederholen die ihr Leben geprägt haben. Geburt und Tod, Geburtstagsglück und Schreckensnachricht, Familienleben und zufriedener Rückzug.

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Wie wohltuend ist es da doch stattdessen, zurück auf das Raumschiff zu kommen. Das innen den Charme einer sowjetischen Wohnküche aus den 50er-Jahren hat, und außen aussieht wie eine Mischung aus dem kleinen japanischen Teehaus und der Hütte der Baba Yaga. Das ein Steuerrad neben dem Schaltpult hat, und dessen Zentraleinheit aussieht wie ein altmodisches Röhrenradio. Motten flattern hinter der Abdeckung der Neonröhre, und überall sind Kabel und Schläuche. Nein, unter Science Fiction stellt sich der moderne Filmfan, sozialisiert mit STAR TREK und ALIEN, definitiv etwas anderes vor.

Ich persönlich, und das ist meine ganz eigene Meinung, habe mir auch etwas anderes vorgestellt. Ich hatte Mühe den Film durchzuhalten, und habe oft und regelmäßig auf die Uhr geschaut. THE WHISPERING STAR ist großes philosophisches Erzählkino in der Tradition eines, sagen wir, STALKER, und die wunderschöne Ehefrau von Regisseur Sion Sono, Megumi Kagurazaka, bringt mit ihrem ausdrucksstarken Gesicht und ihrer Persönlichkeit den Film in einen sicheren Hafen. Aber ich weiß genau, warum ich mich immer um 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM gedrückt habe. THE WHISPERING STAR ist, in der richtigen Stimmung genossen, ein wundervoller Film, der viele Fragen aufwirft, und sowohl mit seiner herausragenden Schwarzweiss-Fotografie und den träumerischen Bildern wie auch mit den angeschnittenen Gedanken lange im Kopf des Zuschauers für Bewegung sorgen kann. In der falschen Stimmung allerdings kann er unglaublich langweilig sein. Und ich war in der falschen Stimmung. Entschuldigung …

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4/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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karlAbundzu
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Re: The Whispering Star - Shion Sono (2015)

Beitrag von karlAbundzu »

Ich schrieb 2015 nach OmU Sichtung im Kino:
Yoko Suzuki mietet sich ein Raumschiff, dass aussieht wie ein japanisches Langhaus mit Raketenantrieb. Drinnen ist eine kleine Küche, ein Antriebskonsol mit emtionellen Computer, der auch kitzlig ist und einem Laderaum. Yoko ist eine Art interstellare Paketbotin und Androidin. Doch auch sie von Anfang an menschlich: Sie niest, raucht und führt Audio-Tagebuch. Der Weltraum hat wohl auch schon so einige Katastrophen hinter sich, die Planeten, die sie besucht, sehen alle eher kaputt aus. Eine Einblendung informiert uns auch darüber, das die Menschen vom aussterben bedroht sind und es viel mehr Androiden gibt.
Der Film ist bis auf eine Einstellung in schwarz/weiß gedreht. Es gibt keinen Score und so gut wie nie Musik. Es wird nur geflüstert. Bei den Gesprächen zwischen Yoko und ihrem Bordcomputer werden die Sätze sehr oft wiederholt.
Gedreht wurde viel in Fukushima, in den kaputten Orten, mit dem wilden Meer im Hintergrund.
Und da steckt bestimmt viel in dem Film. Ich fand es im ersten Sinnieren über das Gesehene sehr tröstlich: Die Menschen wollen sich Pakete schicken (sie haben auch Transporter), Yoko wartet manchmal ein paar Tage in einem zerstörten Haus, bis es abgeholt wird, und die Menschen reagieren auf die Lieferungen, freudig, skeptisch, geschockt.
Yoko selbst macht eine Entwicklung durch, sie scheint über die Menschen nachzudenken; am Ende packt sie ein Paket, mit etwas, was sie von einem fröhlichen Menschen gelernt hat.
Schön und sehr ungewöhnlich, auch ungewöhnlich für Sono.
Klar, auf den ersten Blick denkt man an Stalker, der aber doch etwas anderes verhandelt, vielleicht an Moon, vielleicht an 2001, vielleicht an I'm a Cyborg but that's ok. So im Sinne von:Philsophische Sci Fi. Insofern auch richtig. Aber dann doch wieder sehr eigenständig und aktuell: Fukushima läßt sich nicht aus dem Kopf ausblenden.
Schön, dass der hier im Kino läuft.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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