Der Musterschüler - Bryan Singer (1998)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Der Musterschüler - Bryan Singer (1998)

Beitrag von buxtebrawler »

Der Musterschüler

01.jpg
01.jpg (74.58 KiB) 62 mal betrachtet
Originaltitel: Apt Pupil

Herstellungsland: USA / 1998

Regie: Bryan Singer

Darsteller: Brad Renfro, Ian McKellen, Joshua Jackson, Michael Reid MacKay, Ann Dowd, Bruce Davison, James Karen, Marjorie Lovett, David Cooley, Blake Anthony Tibbetts, Heather McComb, Katherine Malone u. A.
Der all-american-Boy Todd Bowden (Brad Renfro) entdeckt eines Tages, daß sein Nachbar Arthur Denker (Ian McKellen) in Wirklichkeit der Nazi-Kriegsverbrecher Kurt Dussander ist. Er konfrontiert den alten Mann mit der Wahrheit und bietet ihm einen Deal an. Todd verrät ihn nicht und Denker erzählt ihm Geschichten aus den Konzentrationslagern. Der erpreßte Deal ist gemacht, doch schon bald beeinflußen die Geschichten Todd mehr als ihm lieb ist. Und auch auf den zurückgezogen lebenden Denker hat die Konfrontation mit der Nazi-Vergangenheit eine unheilvoll aufbauende Wirkung. Als Todd in der Schule abbaut, verschiebt sich bald das Gleichgewicht in der unheilvollen Beziehung...
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Der Musterschüler - Bryan Singer

Beitrag von buxtebrawler »

Stephens Kings Novelle „Der Musterschüler“ ist einerseits eine Abhandlung über die Faszination des Bösen, andererseits ein erdachtes, exemplarisches Beispiel dafür, wie es in Form nazistischer Ideologie auch in ein Musterbeispiel eines liberalen Mittelschichthaushalts Einzug halten kann und damit nicht nur ein unterhaltsamer Schmöker, sondern auch ein intelligenter, wenn auch ultraharter, schwer verdaulicher Beitrag zu einer oftmals auf das Prekariat/Proletariat beschränkten Debatte. Der in einer heilen Welt wohlbehütet aufgewachsene, aufgeweckte und intelligente Teenager Todd deckt die Schutzidentität eines alten SS-Schergen in seiner Nachbarschaft auf und erpresst ihn. Er möchte aus erster Hand erfahren, wie sich die damaligen Gräueltaten exakt abgespielt haben, entwickelt eine ab einem gewissen Wendepunkt von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägte, bizarre Freundschaft zu Dussander alias Denker, wie er sich in seinem US-amerikanischen Kleinstadt-Exil nennt, und verknüpft die menschenverachtende NS-Ideologie mit den ihm von Elternhaus und Schule vermittelten Vorstellungen eines gesellschaftlich verträglichen Daseins, was sich schließlich im Hass gegen „unwertes Leben“ entlädt.

„X-Men“-Regisseur Bryan Singer verfilmte diesen Stoff 1998 in an das US-Mainstream-Kino angelehnter Form, was in diesem Falle einerseits gute schauspielerische Leistungen - insbesondere von Ian McKellen als ehemaligem SS-Offizier Dussander -, eine professionelle, dynamische Kameraarbeit und eine fast durchgehend stimmige, unbehagliche Atmosphäre in einer äußerlich intakten, lebenswerten Kleinstadt, unter deren Oberfläche es brodelt, bedeutet, andererseits aber neben der King-Verfilmung-typischen und notwendigen Abstraktion des komplexen, von inneren Monologen und ausführlichen Beschreibungen der Gefühlswelt seiner Protagonisten bestimmten Stoffs eine zunächst scheinbar starke Abschwächung der ursprünglichen Brisanz zugunsten leichterer Konsumierbarkeit durch eine breit gefächerte Zielgruppe nach sich zieht.

So wurde die Geschichte insofern abgewandelt, als es – um es auf den Punkt zu bringen – wesentlich weniger Tote und sonstige Gewaltexzesse gibt. Im Vordergrund stehen stattdessen die mit der Rezeptur eines Psychothrillers dargereichten rhetorischen Duelle zwischen Todd und Dussander, mit denen eine angespannte, aufgeladene Stimmung einhergeht und die den Film interessant machen. Dennoch bleibt Todds Entwicklung in Novellenform tiefgründiger und dadurch nachvollziehbarer, insbesondere im Zusammenhang mit den dort näher beschriebenen Hintergründen, die Todds grundsätzliches Interesse für die Thematik wecken. Daher läuft der Film bisweilen Gefahr, eine zu starke Distanz zum Zuschauer zu wahren, statt ihn in die komplizierte Gefühlswelt eines beeinflussbaren Heranwachsenden mitzunehmen. Doch mit seinem neu geschriebenen Ende, das – Achtung, Spoiler! – Todd ungeschoren davonkommen und fortan mit seiner Lüge, seiner im wahrsten Sinne des Wortes „Leiche im Keller“ wie zuvor Dussander weiterleben lässt, spielt das Drehbuch sein lange verborgen gehaltenes As aus dem Ärmel und verzichtet somit geschickt sowohl auf ein „Happy End“ als auf eine gewissermaßen reinigende Eskalation, die das „Problem“ verlustreich, aber nachhaltig aus der Kleinstadtidylle schaffen würde. Das verleiht „Der Musterschüler“ eine wirkungsvolle, zusätzliche Ebene, die evtl. gar ein flaueres Gefühl in der Magengegend des Zuschauers zurücklässt als Kings niedergeschriebene Fassung.

Fazit: Eine unterm Strich gelungene Verfilmung einer ungewöhnlichen King-Vorlage. Nicht der ganz große Hit, aber immerhin mit einem konstanten Spannungsbogen, gewahrten Niveau und durchdachten Konzept versehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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dr. freudstein
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Re: Der Musterschüler - Bryan Singer

Beitrag von dr. freudstein »

Aha, den kenne ich, allerdings nur als Copy auf Tape. Kein Riesenbringer, aber durchaus sehenswert. Gut
purgatorio
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Re: Der Musterschüler - Bryan Singer

Beitrag von purgatorio »

Zwar eine sehr flache und von Stereotypen durchtränkte Variante des "böser alter Mann"-Themas aber doch nicht uninteressant. Der Knabe (Name ist mir entfallen) ist durch seine hochnäsig-arrogante Art zwar unfassbar nervig, aber Ian McKellen ist auf seine diabolische Art als Gegenspieler echt sympatisch - erst der nette Opi, dann der böse Nazi.

- ist übrigens ab und zu mal im TV zu bestaunen.
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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jogiwan
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Re: Der Musterschüler - Bryan Singer

Beitrag von jogiwan »

Die Faszination des Bösen ist auch etwas, dass ich Zeit meines Lebens bislang nur ansatzweise verstehen konnte und auch Radikalität in allen Ausprägungen ist etwas, dem ich eher ablehnend gegenüberstehe und daher sind meine persönlichen Voraussetzungen für „Der Musterschüler“ wohl auch nicht die Besten. Hier enttarnt ein junger Schüler einen alten Mann relativ rasch als Naziverbrecher, doch anstatt zur Polizei zu gehen, entsteht darauf eine toxische Freundschaft, die beide ins Verderben führt. Das Thema wäre ja vielleicht durchaus spannend und es gibt ja in der Filmgeschichte durchaus ein paar positive Beispiele, wie daraus ein intensives Kammerspiel und Katz- und Maus-Spiel entstehen kann - bei King gibt es im Verlauf des Streifens dann leider doch ein paar seltsame Wendungen zu viel, sodass die Dramaturgie doch auf arg wackligen Beinen steht. Was mich bei King immer etwas ein bisschen stört ist immer diese Eindimensionalität der Figuren, die nur wenig Schattierungen zulässt und das ist auch bei „Der Musterschüler“ wieder sehr ausgeprägt. Dass der Nachwuchs in Punkto kaltblütiger Gewaltbereitschaft den erwachsenen Vorbildern um wenig nachsteht ist ja auch etwas, dass in letzter Zeit wieder stark in den Fokus der Allgemeinheit gerückt ist. Dank der guten Darsteller dann gerade noch mittelprächtig, aber irgendwie doch auch arg verschenkt.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Arkadin
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Re: Der Musterschüler - Bryan Singer (1998)

Beitrag von Arkadin »

Hier der passende Soundtrack:

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