Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Moderator: jogiwan

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Adalmar
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von Adalmar »

Ach, 19,90 geht ja noch. Danke für den Hinweis. Ich war hierfür auch von 30 EUR ausgegangen.
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jogiwan
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von jogiwan »

Man kann Buddy Giovinazzo neidlos zugestehen, dass er für seinen 1984 entstandenen Streifen „Combat Shock“ wirklich die verwahrlosesten und grindigsten Ecken von New York gefunden hat, in denen er seine nicht minder heruntergekommenen Figuren auftreten lässt. Leider hat mich der Rest aber nicht so wirklich begeistert und trotz versiffter Wohnung, kaputter Ehe und deformierten Kind lässt einem das Schicksal des Vietnam-Heimkehrers doch seltsam kalt. Zu bemüht wirkt das beschworene Trauma, zu trostlos das Ambiente und die Ausweglosigkeit und viel zu kaputt die Figuren, sodass man hier als Zuschauer auch nur einen Funken Optimismus oder Interesse entwickeln könnte. Inhaltlich wirkt die Lowest-Budget-Mischung aus „Rambo“ und „Taxi Driver“ auf mich auch eher wie stark plakative Aufarbeitung gesellschaftlicher Themen aus einer fernen Perspektive, die gar nicht versucht ihre Figuren zu verstehen, sondern eher in Richtung Elendsporno geht. Dazu dudelt unpassende Musik zur nicht vorhandenen Handlung und auch die wenigen Konflikte, die Dialoge und der finale Gewaltausbruch wirken aufgesetzt und wenig nachvollziehbar. Vielleicht kommt „Combat Shock“ bei mir auch etwas zu schlecht weg und popkulturell hat Giovinazzos Streifen ja zweifellos seine Spuren hinterlassen, aber aus der Kiste der völlig abgefuckten Filme haben mir „Story of a Junkie“ und „Deadbeat at Dawn“ dann doch eindeutig besser gefallen.
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Maulwurf
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von Maulwurf »

 
Combat Shock
Combat shock
USA 1984
Regie: Buddy Giovinazzo
Rick Giovinazzo, Veronica Stork, Mitch Maglio, Asaph Livni, Nick Nasta, Michael Tierno, Arthur Saunders,
Lori Labar, Jim Cooney, Ray Pinero, Leo Lunney, Ed Pepitone


Combat Shock.jpg
Combat Shock.jpg (120.17 KiB) 92 mal betrachtet
OFDB

DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN wurde 1978 mit großem Erfolg von Michael Cimino gedreht. Viel Geld floss in die Produktion, mit Robert De Niro führte ein Superstar die Besetzungsliste an, Meryl Streep und Christopher Walken begründeten unter anderem mit diesem Film ihren Weltruhm. Und so eindringlich und abgründig DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN auch sein mag, so ist er doch in vielerlei Hinsicht das Hollywood-Ergebnis einer artifiziellen Betrachtung, die zwar auf soziologischen Aspekten beruht, sich aber letzten Endes in der perfekten Darstellung von Hochglanzoptik künstlerisch austobt.

Wie anders wirkt da doch COMBAT SHOCK. Das Thema ist das gleiche: Ein junger Mann, Frankie, kämpft im Vietnamkrieg, wird von den „Feinden“ gefangen genommen und grausam misshandelt, und schafft anschließend die Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht. Zwar heiratet er und bekommt ein Kind, aber er ist ungepflegt bis hin zur völligen Verwahrlosung, seine einzigen Bekannten sind Drogenabhängige und Kriminelle, seine Wohnung ist ein Loch, seine Frau Cathy frustriert und sein Kind ein Monster. Der Vater hat schon vor Jahren den Kontakt zu ihm abgebrochen, einen Job hat er nicht, aber dafür Schulden beim örtlichen Syndikat. Seine Umgebung besteht aus Müll, Dreck und Abfall, ein perfektes Ebenbild seiner eigenen seelischen Landschaft und seines gesamten Lebens.

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Wo DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN ein cineastisches Filetstück ist, das mit großem Budget und großartigen Schauspielern vor allem anspruchsvolle Kinogänger begeistern kann, ist COMBAT SHOCK ein Blick auf die ungeschminkte Realität nach einem Krieg. Männer, die entsetzliches durchgemacht haben, und deren Psyche die Geschehnisse niemals komplett verarbeiten konnte, werden in eine Welt zurückgeworfen, in der das Ziel nicht Überleben um jeden Preis heißt, sondern Erfolg haben um jeden Preis. Der Erstlings-Langfilm des New Yorker Regisseurs Buddy Giovinazzo, gedreht mit einem Budget von 25.000 Dollar, umgesetzt mit dem größten Teil der eigenen Familie und gedreht zuhause in der Lower East Side, hat gegenüber dem 15-Millionen-Dollar-Projekt von Michael Cimino einen ganz großen Vorteil: Er ist realistisch. Realistisch nicht im Sinne eines Dokumentarfilms, sondern realistisch im Sinne eines Genrefilms, der die Umgebung einer real existierenden Situation abbilden will, ohne diese Abbildung einem wie auch immer gearteten „Stil“ unterzuordnen. Die vorherrschende Emotionslosigkeit der Charaktere etwa basiert auf einer Umgebung, in der die Menschen die Wahl haben zwischen einem langsamen Krepieren (also Verhungern) oder einem schnellen Tod (Drogen. Ein Zusammenstoß mit dem örtlichen Schuldeneintreiber. Oder mit einem Psycho.). Wer da himmelhochjauchzend durch die Nachbarschaft rennt wird schnell einmal nach dem Zeug gefragt, das er gerade eingeworfen zu haben scheint. Dazu kommt eine fast völlig überzogene Vermüllung der Umgebung. Stellenweise scheinen die Figuren durch kniehohen Abfall zu waten. Nun ja, man darf als deutscher Filmfan halt nicht von der örtlichen Hauptstraße ausgehen, die Großstädte der Welt haben in bezug auf „Sauberkeit“ so manche Überraschung zu bieten. Ich habe selber einmal in London in einem besetzten Haus gelebt, und das war der Wohnung von Frankie stellenweise gar nicht so unähnlich …

Manches an COMBAT SHOCK ist irritierend, etwa der nervöse Schnitt, der zu der deprimierenden Stimmung sehr viel beiträgt, und dafür sorgt, dass aus der kleinen Geschichte ein auch beim Zuschauen spannender Film wird. Die Spezialeffekte mögen vor allem für heutige Verhältnisse billig wirken, und das Baby, ganz klar angelehnt an Steven Spielbergs kurz zuvor entstandenen E.T., wirkt fast wie eine Parodie seiner selbst. Mehr als nur ein Hauch von David Lynchs ERASERHEAD weht dann durch das Bild, wenn Cathy trübe auf einen kochenden Wassertopf und später auf einen Fernseher ohne Empfang starrt, während das kranke Kind im Hintergrund merkwürdige Geräusche von sich gibt und Rick Giovinazzo scheinbar ziellos durch die Wohnung irrt. Aber in der Summe erzeugen alle diese Vignetten ein nihilistisches und ungeheuer beeindruckendes Gesamtbild einer Gesellschaft, die für die Verlierer rein gar nichts übrig hat, und die sich um diejenigen auf der Schattenseite des Lebens einen feuchten Scheiß kümmert. 12 Jahre später wird Buddy Giovinazzo seinen zweiten Langfilm realisieren, UNTER BRÜDERN, gedreht in seiner Heimat Staten Island, und er wird technisch und narrativ sichtlich fortgeschritten eine ähnliche Geschichte über getriebene Menschen und deren Beziehungen erzählen. UNTER BRÜDERN ist ein starker und wuchtiger, dabei aber auch kleiner und dreckiger Film über ein Brüderpaar, das ohne einander nicht sein kann, sich aber gemeinsam nicht anders zu helfen weiß als in den Abgrund zu rutschen. Die Ähnlichkeiten zu COMBAT SHOCK sind bemerkenswert: Schmutzige, melancholische kleine Geschichte im White Trash-Milieu mit herausragenden Schauspielern. Es gibt hier keine großen Überraschungen oder Twists, und nicht einmal gigantische Schießereien oder Explosionen. Die Gewalt, so sie denn ihren Weg aus dem latenten Vorhandensein findet, ist hart, eruptiv, und sehr realistisch. Das ruhige Erzähltempo hat exakt das richtige Timing – nicht langweilig, aber stetig., so schrieb ich nach der Sichtung zu UNTER BRÜDERN, und zu COMBAT SHOCK passt diese Kurzkritik wie die Faust aufs Auge. Es kommt noch diese entsetzlich deprimierende Stimmung dazu, und dann kann man sich vorstellen, wie das Leben an der Lower East Side Mitte der 80er-Jahre für die Erfolglosen ausgesehen hat. Und da wundert sich noch jemand, dass New York damals die höchste Verbrechensrate der Welt hatte …

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Eigentlich ist COMBAT SHOCK ein filmischer Witz. Wenn man den Film (auf deutsch) das erste Mal sieht, rennen schlechte Schauspieler in schlechten Szenen herum, reden dummes Zeugs, und verhalten sich vollkommen unnatürlich. Doch was für eine Überraschung, wenn man auf den englischen Originalton umschaltet, dann sind die Schauspieler nämlich bereits gar nicht mehr so schlecht – Die pornöse deutsche Synchro macht da schon sehr viel aus!
COMBAT SHOCK ist nicht schön, nicht Hochglanz, nicht edel und nicht wundervoll. COMBAT SHOCK ist düster, nihilistisch und ziemlich realistisch. Was ihn zu einem kleinen Leckerbissen im Haifischteich der glitzernden und prämierten Filmproduktionen macht. Sehenswert!

7/10
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Maulwurf hat geschrieben: Do 23. Mär 2023, 05:37 Nun ja, man darf als deutscher Filmfan halt nicht von der örtlichen Hauptstraße ausgehen, die Großstädte der Welt haben in bezug auf „Sauberkeit“ so manche Überraschung zu bieten. Ich habe selber einmal in London in einem besetzten Haus gelebt, und das war der Wohnung von Frankie stellenweise gar nicht so unähnlich …
Jetzt hätten wir natürlich gern noch die Story dazu gelesen :popcorn:
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von buxtebrawler »

ugo-piazza hat geschrieben: Do 23. Mär 2023, 08:16 Jetzt hätten wir natürlich gern noch die Story dazu gelesen :popcorn:
Ja, Maulwurf - erzähl mal :nick:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Maulwurf
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von Maulwurf »

Das ist eigentlich keine große Story. In der zweiten Hälfte der 80er bin ich mit meiner damaligen Freundin nach London gegangen, damit wir dort Musik machen und davon leben können. Weil da ja (völlig klar) alle auf uns warten. Die Wohnungsnot damals war so übel, dass es sogar eine Squatters Association gabe, also einen Verband der Hausbesetzer, wo man sich Tipps und Werkzeug holen konnte. Und die Gesetze waren, wenn man alles richtig machte, durchaus auf Seiten der Hausbesetzer. Also sind wir eines Nachts in ein leerstehendes Haus und haben dieses offiziell besetzt. Im Lauf der Zeit kamen dann noch ein paar Leute dazu: Ein sympathischer Engländer der als Gepäckträger am Bahnhof gearbeitet hat, ein kanadischer Sänger dessen Stimme vom Londoner Smog ruiniert wurde, eine Deutsche aus Bonn mit ihrem englischen Freund plus Hund.
Wir haben zwar schon versucht halbwegs erträglich zu leben, aber ganz klar, es war ein Squat, und irgendwann, meistens nach einem halben Jahr, musste man im Normalfall wieder raus, weswegen sich die Renovierungsgedanken natürlich in Grenzen hielten. Wobei das Renovieren rechtlich sehr viel gebracht hätte! Aber nach einem Vierteljahr verlief sich die kleine Gruppe, meine Freundin kam in die Fänge eines Psychopathen, und nachdem ich sie da wieder rausgeholt hatte war der Bock auf London und Musik und so irgendwie weg. Zwei Tage vor meinem beginnenden Zivildienst bin ich dann wieder in Deutschland aufgeschlagen.

Eine Episode in einem Leben. Ein Abenteuer. Und eine bemerkenswerte Erinnerung. Allein die Gedanken an die 36(!) großen, schwarzen und prallgefüllten Müllsäcke, die den kompletten(!) Keller (bis fast zur Decke) ausmachten, und die wir in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die Straße stellten. Und ich meine "Nebel" - Das war das einzige Mal, dass ich den berühmten Londoner Nebel live erlebt habe. Die Straße war nicht breit, vielleicht 6 oder 7 Meter, und wir haben die andere Straßenseite nicht gesehen! Nur den diffusen Schein der Straßenlaterne, unter der wir dann die Müllsäcke gestapelt haben ...
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
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Re: Combat Shock - Buddy Giovinazzo (1986)

Beitrag von buxtebrawler »

Interessante Geschichte, Maulwurf - alter Abenteurer! ;)
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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